62. Jahrgang.

Aro. 88.

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AugustSeptember

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die Redaktion.

Wochenschau.

L6. Die tiefe politische Ruhe, welche über Deutschland gelagert ist, wurde auch in der abgelaufenen Woche nirgends gestört. Nicht blos die regierenden Herrschaften und die Staatsmänner, welche in Bädern und Sommer» frischen weilen (das Befinden Kaiser Wilhelms in Gastein und des deutschen Kronprinzen in England ist fortwährend ein befriedigendes), wollen ihre Ruhe haben, auch die Wähler lasten sich durch des Sommers Schwüle zu einiger Abneigung gegen Staatsangelegenheiten verleiten, wie die schwache Beteilig­ung bei der Wahlmännerwahl zum hessischen Landtag zeigte. Die Verhaftung der Mitglieder eines sozialistischen Comitös in Berlin machte nicht viel Eindruck und man erfuhr alsbald aus Zeitungen, welche Berichterstatter im sozialdemokratischen Lager haben, daß statt der Festge­nommenen sofort andere Parteigenoffen die Funktionen des Zentralkomitös übernommen hätten. Unsere Marine, welche bei Danzig ihre große Seeüb» ungen mit Manöver des Panzergeschwaders und der Torpedoflotts beginnt, wird sich den englischen und italienischen Seekräften, welche jüngst bei Spit- head und Livorno ihre Flottenschauen und.Uebungsbewegungen abhielten, an seemännischem Geist und guter Rüstung ebenbürtig zeigen. Mit Interests verfolgen unsere militärischen Kreise die Vorbereitung zur französischen Probemobilisierung, doch tritt die Anschauung, daß daraus ein Konflikt entstehen könne, bis jetzt nur vereinzelt auf. Die zwei französischen Bahnbeamten, welche in Mühlhausen wegen Besudelnng deutscher Grenzpfähle vor Gericht hätten erscheinen sollen, sind ausgeblieben und werden nun steck<- brieflich verfolgt.

In Frankreich scheint mit Vertagung der Kammern der politische Lärm erst recht lebhaft werden zu sollen, der sich um die vielbesprochene Person des General Boulanger dreht. Ferry, der Vielgeschmähte, hat vor den Vogesenschützen in Epinal eine große konservativ-republikanische Rede gegen diesenTingeltangel St. Arnaud" gehalten, die bedeutendes Auf­sehen macht. Ferner beschäftigt der Streit zwischen Kassagnak und dem Abg. Laur die Gemüter. Elfterer sagt, Laur's Behauptung, daß Mitglieder der Rechten des französsischen Parlaments Boulanger zum Staatsstreich aufgefordert hätten, sei eine Lüge und verlangt den Namen dieser Deputierten oder Se­natoren zu wissen, ehe er auf den Zweikampf sich einlaste, den Laur fordert. Während aber die beiden parlamentarischen Wiedersacher die Aufmerksamkeit der Masten an sich fesseln, gehen zwischen den Monarchisten Frankreichs und

dem Vatikan in der Stille Verhandlungen vor sich. Der päpstliche Nuntius in Paris, dessen Besuch bei dem Führer der Senatsgruppe der Royalisten so viel Aufsehen machte, ist für einen Bischof eingetreten, der wegen unehrerbietigen Verhaltens gegen die Regierung gemaßregelt werden sollte. Seit der junge Staats­sekretär Rampolla im Vatikan thätig ist, scheint von dort an alle Katho­liken der Wink zur politischen Regsamkeit zu ergehen. Das Zirkular, worin die Rückgewinnung der weltlichen Herrschaft des Papstes gefordert wird, hat zwar einen sehr abkühlenden Eindruck auf die Freunde der Aussöhnung des Papsttums mit Italien gemacht, allein die nächsten Wahlen schon sollen zeigen, daß die Anhänger des Vatikans ihre politische Indifferenz auf­geben wollen, und auch in Deutschland erblickt das Zentrum in den Aeußer- ungen des Papstes über die Lage der Kirche eine Aufforderung zu weiterer politischer Reklamations-Arbeit. Selbst in Amerika bildet die päpstliche Politik das Tagesgespräch, weil dieselbe den Pater Glynn, der katholischen Sozialismus predigte, aufs Entschiedenste dementiert, ja angeblich so­gar durch Exkommunikation bestraft hat, andererseits aber erklärte, mit den Rittern der Arbeit" solle sich die Kirche nicht alliieren. Endlich liest man, daß der Papst zum Andenken an das Schiedsrichteramt, das er im Karolinen­streit versah, Medaillen prägen und eine davon dem Fürsten Bismarck über­mitteln ließ.

Gages-Werrigkeiten.

Calw, 28. Juli. DerCalwer Liederkranz" wird, wie aus dem Inseratenteil der heut. Nr. zu ersehen ist, am nächsten Sonntag im Saale der I. Dr ei ß'schen Brauerei eine musikalische Aufführung ver- anstalten. Wir möchten auf dieses Konzert, bei dem mehrere neue Chöre Vorkommen, hiemit besonders aufmerksam machennamentlich auch den vielen Luftkurgästen von hier und Umgebung dürfte diese Produktion eine angenehme Abwechslung in ihrem ruhigen Sommeraufenthalt bieten.

Neubulach. Am Jakobifeiertag, den 25. d. M., feierte der von mehreren Veteranen im September v. I. gegründete Kriegerverein seine Fahnenweihe. Trotz des kurzen Bestehens des Vereins ist es ihm Dank der freundlichen Unterstützung seitens der Stadtgemeinde und Ein­wohnerschaft gelungen, die würdige Feier zu begehen. Das Fest selbst wurde in programmmäßiger Weise vom schönsten Wetter begünstigt ausge­führt. Morgens Tagwache, nachher Festgottesdienst, Empfang der zahlreich erschienenen auswärtigen Vereine, mittags 12 Uhr Festesten im Gasthaus zur Sonne. Nach Aufstellung der Vereine auf dem Marktplatz bewegte sich der Zug unter den Klängen der Musik durch die schön dekorierte Stadt auf den schattigen Festplatz. Nach Gesang (Brüder reicht die Hand zum Bunde rc.) hielt Hr. Stadtschultheiß Hermann die Festrede, in welcher er mit beredten Worten die Bedeutung der Feier heroorhob, an die für Deutsch­land so ruhmreichen Jahre 1870/71 erinnerte und mit einem Hoch auß

Feuilleton.

Die GmigrnnLen

von ^evari.

(Nachdruck verboten.)

Einige Stunden mochte er geschlafen haben, als ihn ein furchtbarer Donner schlag erweckte. Erschrocken fuhr er empor und lauschte eine Weile. Da verbreitete sich plötzlich über die Wand seines Kämmerchens ein greller Feuerschein. Amandus sprang an's Fenster, fuhr aber geblendet zurück: unweit der Herberge schlugen züngelnde Flammen aus einem Hause empor.

(Fortsetzung.)

Gott vergelts Euch", sprach sie, ihrem Begleiter zum Abschiede die Hand reichend,Ihr habt mir einen glücklichen Tag gemacht." Der Ausdruck wehmütigen Sinnes in ihren Zügen, welcher plötzlich an Stelle des schlickernden Uebermuts ge­treten war, schien indessen diese Worte zu strafen.

Lebe wohl, Eva, will's Gott, sehen wir uns wieder", rief Amandus ihr noch nach, während sie bereits den hohen, schmalen Steg betrat, der von der Landstraße zur Wohnung des Sägmüllers führte.

Beim nochmaligen Umschauen sah er noch iinmer die liebliche Gestalt unbe­weglich auf dem schwanken Brette stehen, mit der Hand ihm zuwinkend, bis sie end­lich in der Abenddämmerung seinen Blicken entschwunden war. Als Amandus in das Gasthaus zurückkehrte, um sich von dem Wirte zu verabschieden, riet ihm dieser, den späten Abend nicht zur Heimkehr zu benützen, sondern bis zum nächsten Morgen hierzubleiben, da er Jörge's Zorn und Bosheit für seinen jungen Freund fürchtete.

Amandus ließ sich endlich hierzu überreden und befand sich bald darauf allein in seinem Kämmerlein. Er streckte sich auf's Lager nieder und ließ die Bilder des vergangenen Tages an seiner Seele vorüberziehen, immer verwirrter wurden dieselben und als er in das Reich der Träume versank, erschien nur eines deutlich vor seinen Augen das Bild Eva's.

Die Bewohner des Dorfes schienen, ermüdet von. Feste und spät erst zur Ruhe gekommen, in tiefem Schlafe zu liegen. Amandus und der Hirschwirt waren die ersten, welche der Brandstätte zueilten.

Allmächtiger Gott!" rief der Wirt,der Blitz hat in die alte Lelmühle ge­schlagen, da ist nichts mehr zu retten."

Aus dem Strohdache schlugen die Flammen zum nächtlichen Himmel empor, an welchem die dunkeln Wetterwolken vom Sturme gepeitscht dahinjagten.

Hilfe! Hilfe!" rief es an einem der Giebelfenster, das schon beinahe von den Flammen erfaßt war.

Es war Eva, welche kaum aus dem Schlafe erwacht, ihrer Sinne nicht mächtig zu sein schien, denn noch mußten die Treppen unversehrt sein.

Ich komme, Eva", rief eine Stimme,habe Mut!" Mit diesen Worten eilte Amandus nach der nieder» Pforte. Sie war verschlossen.

Im Verein mit dem Wirte stemmte er sich mit aller Kraft gegen die Eichenthür, aber diese gab nicht nach. Immer gieriger ergriffen die Flammen das alte Haus. Amandus rüttelte wie wahnsinnig an den Pfosten, denn er war sich plötzlich bewußt geworden, daß er das unschuldsvolle Mädchen liebe, so innig liebe, daß er eher mit ihr den gemeinschaftlichen Tod in den Flammen gestorben wäre, als sie auf so furcht­bare Weise zu verlieren.

(Fortsetzung folgt.)