sei es vom Schwindel ersaßt, sei es aus Unvorsichtigkeit, einen Fehltritt ge- macht haben; er flog mit einem Mal pfeilschnell über die Köpfe der anderen hinweg in die Tiefe. Er streifte im Fallen den untersten der Reisegesellschaft und bätte diesen beinahe mit in die Tiefe gerissen. Einer der Führer ergriff den abstürzenden Prix noch beim Rockflügel; dieser aber riß, zum Glück, denn von der Wucht des fallenden Körpers wäre der Führer mit hinabgerifsen worden und mit ihm wohl auch einer der Touristen, den er mit der anderen Hand festhielt. Noch in unmittelbarer Nähe der Gesellschaft schlug Prix zum ersten Mal mit dem Kopf auf eine Felskante, daß das Blut und das Gehirn den Reisenden ins Gesicht spritzte. Zu Tod erschrocken setzten die übrigen den Abstieg fort, während sie vor sich den Leichnam auf einem Firnfeld in der Tiefe liegen sahen. Nach langem mühseligen Klettern langten sie dort an und umstanden den zerschmetterten Leichnam. Man mußte die Leiche vorerst liegen lasten, da keine Hilfsmittel vorhanden waren, sie ins Thal zu schaffen. Die Gesellschaft stieg nach Pians im Stanzer Thal ab, machte beim Bürgermeister Anzeige und telegraphierte nach Annaberg. Es murden dann sofort alle Vorbereitungen getroffen, um die Leiche herabzuholen.
Potsdam, 23. Juli. Ueber einen wertvollen Fund berichten die Potsd. Nachr.: Einen Fund hat ein Trompeter im 1. Gardeulanenregiment, Angermann, gemacht. Derselbe hatte bei der Versteigerung des Nachlasses des Negierungsrats v. Duisburg vor einigen Jahren ein altes Schreibpult erstanden und in Benützung genommen. Jetzt wollte sich Angermann verheiraten und hatte die Absicht, das Pult als Brennholz zu benützen, besann sich aber eines Anderen, und beauftragte einige Ulanen, dasselbe zu reinigen. -Diese drückten, um die Reinigung mit Master recht gründlich auszuführen, tüchtig darauf und dabei sprang ein geheimes Fach auf, worin sich zu Angermanns Erstaunen Wertpapiere befanden. Er trug die Papiere sofort zum Wachtmeister Anders, der den Betrag derselben auf 160,000 seststellte und dem Bruder und Erben des Herrn v. Duisburg Mitteilung von dem Funde machte. Letzterer soll seinerzeit beim Antritt der Erbschaft gesagt haben: „Es hat- immer geheißen, mein Bruder sei so reich und jetzt finde ich nichts." Hoffentlich wird er die ehrlichen Finder reichlich bedenken.
Zürich, 23. Juli. Die schweizerische Presse sieht in dem Ergebnis der Schweizer Schüzen auf dem Frankfurter Schießen einstimmig einen Mißerfolg; „in der Becherkonkurrenz haben sie entschieden Fiasko gemacht. Es wäre irre anzunehmen, unsere Schießtüchtigkeit sei zurückgegangen, aber wenn auch die Deutschen und Oesterreicher (Tproler) die Schweizer überflügelt haben, so seien sie bedeutend fortgeschritten. Dieses Ergebnis sei für Die, welche sich mit der Zusammenstellung der Trefferprozentzahl in den Bedingungsschießen der verschiedenen Armeen beschäftigten, durchaus nicht neu. Die Resultate dieses Bedingungsschießens in der preußischen Armee übersteigen die schweizerischen um 1—l'/zO/o- Man habe diese bittere Wahrheit seither verschwiegen, die Meinung großgezogen, die Schweizer seien die besten Schützen der Welt. Das höre nun auf. Es sei alle Energie, Fleiß und fortgesetzte Ucbung nötig, um den alten guten Ruf zu behaupten.
Wevmisctztes.
* Dem Rechenschaftsbericht der Allgemeinen Versorgungs- Anstalt zu Karlsruhe entnehmen wir, daß viele Behörden und größere Korporationen mit ihr Vereinbarungen wegen Versicherungsnahme der unterstehenden Beamten und Verbandsmitglieder getroffen haben. Zeugen diese Vertragsverhältnisse einerseits von dem besonderen Vertrauen zur Versorgungs- Anstalt, so beweisen die nachstehenden Zahlen andererseits den Umfang und die Ausdehnung des Geschäfts dieser Anstalt. Das Kapitalvermögen beträgt Ende 1886 51,322476 Bei der Hauptabteilung der Anstalt, d. i. bei der Lebensversicherung, fanden statt 7057 neue Anmeldungen mit 30,483,108 Kapital, wovon 5970 Personen mit 25,291,408 Kapital Aufnahme fanden. Der reine Zuwachs an Versicherungen betrug 4635 mit
20,325298 Kapital. Im Vergleich mit anderen Gesellschaften hatte die Versorgungs-Anstalt im Jahr 1886 den größten reinen Zugang an versichertem Kapital unter allen deutschen Lebensver- sicherungs-Anstalten. Der Gesamtversicherungsbestand — erreicht in 22 Jahren — stellt sich nunmehr auf 47 985 Versicherungen mit 195,155190 wovon auf die letzten 12 Jahre allein 160,641211 entfallen. Die Sterblichkeit verlief sehr günstig. Nach den der Rechnung zu Grunde liegenden Sterblichkeitstafeln sollten 499 Personen mit 2,131174 ^ Kapital sterben; in Wirklichkeit starben aber nur 401 Personen mit 1,674 038 Kapital; sonach 98 Personen mit 457136 Kapital weniger. Der statutarische Deckungsfonds beträgt 24,444150 der reine Ueberschuß ergab 1,407 568 wovon 817 636 als Dividende an die Versicherten verteilt werden; nach deren Verteilung besteht die Reserve, welche im Falle einer, bei der Versorgungs-Anstalt jedoch noch nie eingetretenen Uebersterblich- keit Zuschüsse gewährt und sonst zur Sicherstellung der Dividenden dient, noch in 5,316 741 d. i. in nahezu 3facher Höhe des statutarischen Maximums. Die im Dividendenbezug stehenden Jahrgänge (1864—1882) erhalten — wie in den 4 letzten Jahren — eine Dividende von 4 <>/g ihrer Deckungskapitalien; umgerechnet auf die Prämie der einfachen Lebensversicherung ergiebt dieser Satz durchschnittlich 62—12 <>/<>.
— Eine kaltgestellte Schwiegermama. Der Luft* schiffer Garnier sollte am 18. d. M. vom Marsfelder in die Höhe steigen. Als alle Vorbereitungen bereits getroffen waren, kam der Kavallerie- Leutnant Ronset, ein Jugendfreuno des Luftschiffers, auf diesen zu und flüsterte ihm ins Ohr: „Meine Geliebte ist hier, aber leider an der Seite ihrer Mutter; wenn ich nur eine Minute mit ihr allein sprechen könnte, würde die Glückseligkeit meines ganzen Lebens damit besiegelt sein." Garnier lächelte zustimmend, trat, mit dem Hut in der Hand, auf die Damen zu und sagte der Mutter: „Madame, segnen Sie meine Auffahrt, indem Sie für eine Sekunde in meiner Gondel Platz nehmen." Geschmeichelt kam Mama dem Wunsche nach, doch kaum hatte sie sich auf dem Bänkchen niedergelassen, als Garnier mit Stentorstimme „Lo sl" schrie. Eineinhalb Stunden später landete der Ballon in Engbien; Garnier telegraphierte seinem Freunde: „Mama ist wohlbehalten zur Erde gelangt, läuft soeben zu Gericht, um mich zu verklagen; hast Du wenigstens die Zeit gut ausgenützt?"
Littevavifctzes.
Unter dem Titel „tzhrenschukd nationaler Aankkarkeit" ist im Verlage der Königl. Hofbuchdruckerei von Carl Liebich in Stuttgart ein prächtig ausgestattetes Gedenkblatt zu Ehren des Dichters der „Wacht am Hthein", Max Schneckenburger, erschienen, dessen Reinertrag dem Denkmalfond für diesen würdigen Sohn Deutschlands zufließen soll. Der Preis für das Blatt mit seinem reichen Inhalt beträgt nur 20 Pfg., welcher sich bei größeren Bezügen sogar noch ermäßigt; der Inhalt besteht aus einer kurzen, aber trefflich geschriebenen biographischen Skizze unseres Freiheitssängers, dem Text der „Wacht am Rhein" mit der Musik von Carl Wilhelm, einem gemüthbollen Gedicht von DiakonuS Gotthold Knapp und einer Mittheilung über die bisherigen Erfolge des Denkmalkomitös; außerdem ist das Gedenkblatt mit 2 Illustrationen, der Germania auf der Wacht am Rhein und dem Portrait von Schneckenburger geschmückt. Wer sich die großen Erfolge vergegenwärtigt, zu welchen das Lied „Die Wacht am Rhein" in den großen 70er Jahren auch das Seinige beigetragen hat, wer das stolze Gefühl, welches uns Alle noch heute beim Anhören der erhebenden Worte in der volksthümlichen Wilhelm'schen Musik erfüllt, richtig zu schätzen weiß, der wird sich über das Schneckenburger-Gedenkblatt wahrhaft freuen. Dasselbe ist so recht geeignet, in uns immer wieder die Erinnerung an die Großthaten des letzten französischen Kriegs und der dadurch bewirkten glücklichen Umwandlung unserer deutschen politischen Verhältnisse wach zu rufen. Wir wünschen aufrichtig, daß das vorliegende Gedenkblatt in dem Hause jedes wahren Deutschen einen Ehrenplatz finden möge; namentlich sollten patriotische Vereine nicht versäumen, sich um die Massenverbreitung desselben verdient zu machen. Sie werden dadurch auf der einen Seite dem Konnte des Schneckenburger-Denkmals ein Scherflein zuführen und außerdem sich der guten That frenen können, bei der Verbreitung dieses nationalen Gedenkblattes mitgewirkt zu haben.
„Nun, da Hab' ich also gemeint, Ihr seiet am Ende ein Engel Gottes, denn sehet, drunten im Kloster Hirsau hat der Engel, welcher der Mutter Gottes das Jesu- kindlein verkündet, gerade so ein Gesicht wie Ihr, und da dachte ich, Ihr hättet nur andere Kleider angezogen und seiet gekommen, um mir beizustehen. Aber nicht wahr, ich bin ein recht dummes Mädel, und Ihr müsset jetzt doch über mich lachen?"
„Nein, Eva, Du bist nichts weniger als dumm", erwiderte Amandus, den die kindlichen Reden des Dorfkindes tief gerührt hatten, „und es wäre Sünde, über Deinen frommen Glauben spotten zu wollen. Du hast eine reine vertrauende Seele und darum hat Gott auch Dein Vertrauen belohnt und mich zu Deiner Hilfe gesendet, daß nicht andere über Dich triumphieren konnten. Sendet er auch keinen seiner Engel, so kann er doch Menschen als seine Werkzeuge ausersehen, die denen, welche auf ihn bauen, gegen die Macht der Bösen beistehen."
„So wäret Ihr doch vom lieben Gott in unser Thal gesendet?" rief Eva und schaute mit Ehrfurcht zu ihrem Begleiter empor, „o, ich wußte es ja, als ich in Euer strahlendes Gesicht sah. Nun aber sagt mir auch, wie Ihr heißt, daß ich für Euch beten kann."
Der Gefragte nannte seinen Namen.
„Amandus", sprach sie nach, „diesen schönen Namen habe ich noch nie gehört."
„Es ist der Name meines Pathen", erklärte Amandus, „eines ehrwürdigen, glaubensstarken Mannes, dessen Beispiel nachzuahmen mein höchstes Bestreben sein wird."
„Auch ich habe den Namen meiner Göttel", entgegnete Eva, seht, dort wohnt sie", fügte sie hinzu, auf eine Sägmühle zeigend, die bei der Biegung des Weges eben zum Vorschein kam und aus deren Schornstein ein schwärzlicher Rauch auf- «irbelte, der sich dicht über das Thal legte. „Vroni wird sich freuen, wenn ich jetzt schon komme und ihr vom Fest erzähle."
„Wer ist Vroni?"
„Das ist die Tochter meiner Göttel", antwortete Eva. „Sie geht nie zum Tanze, obgleich sie das schönste Mädchen im Thale ist; ein Gesicht hat sie wie Milch und Blut, und Augen — so schön blau wie — wie — nun gerade so wie die Euer»",
platzte sie plötzlich heraus, nachdem sie einen Blick in Amandus' Augen geworfen hatte. Plötzlich über ihren Vergleich errötend, verstummte die kleine Schwätzern. Amandus, der sich an ihrem harmlosen Geplauter ergötzte, frug, warum Vroni nicht tanze.
„Ja, sehet, seit der Henrik sott ist, geht sie auf keinen Tanzboden mehr. Der Henrik ist nämlich mein Bruder — aber kommt", unterbrach sie sich, „wir wollen uns hier ein wenig niedersetzen, da läßt sich bester erzählen."
Beide ließen sich auf einen am Wege liegenden Baumstamm nieder.
„Also der Henrik ist einige Jahre älter als ich", nahm Eva ihre Rede wieder auf, „und ist meiner seligen Mutter Liebling gewesen. Er war ein guter, fleißiger Bub, und sein einziger Fehler war, daß er gerne gewürfelt hat. Darum hat er mehr Geld gebraucht, als meinem Vater lieb gewesen ist; er hat ihn freilich oft darüber gescholten, aber der Henrik ist ein Brausekopf, und wie der Vater wieder einmal so recht bös über ihn geworden ist, hat der Henrik aufgepackt und ist fortgegangen und nimmer heimgekommen. Erst hat's der Vater nur eine Dummheit genannt, jetzt sieht er's aber schlimmer an, ist weichmütig geworden und sehnt sich nach dem Henrik, denn es sind schon mehr als zwei Jahre, und wir misten nicht, lebt er noch, oder ist er tot. Und so ist es jetzt recht traurig und einsam bei uns, weil auch die Vroni gar nimmer lacht, wenn sie kommt und die ist früher gar so lustig gewesen. Sie hat nämlich den Henrik für's Leben gern gehabt und wie er fortgegangen und nimmer wieder gekommen ist, hat sie sich gegrämt und gekümmert, daß ihre Backen ganz bleich geworden sind. Seitdem ist sie auch auf keinen Tanzboden mehr gegangen. Ich Hab sie nie recht begreifen können, denn Tänzer hätte sie genug gefunden, jetzt ist mir's aber mit Einemmale, als könnte ich sie verstehen, denn —" Eva schwieg und errötete. Plötzlich sprang sie auf und rief: „Mit der Lerche da droben in den Lüften möcht ich fliegen — mir ist so wohl ums Herz, wie mir's noch nie gewesen ist, — hört Ihr, sie trillert ihr Abendlied." Selbst ein lustiges Liedlein anstimmend, sprang sie davon. Amandus folgte ihr, aber so oft er sie erreicht zu haben glaubte, wußte sie ihm immer wieder einen Vorsprung abzugewinnen. So erreichten Beide die Sägmühle, wo Eva endlich tief atmend stehen blieb.
(Fortsetzung folgt.)