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Hirsau. Hierauf wurden einige Gedichte vorgetragen, von welchen der Red. zwei vom Einsender zur Verfügung stehen. Ein drittes von Hrn. Schultheiß Rothfuß aus Dennjächt verglich auf nette Weise unfern Jubilar mit den alttestamentlichen Hirten, die durch ihre Tüchtigkeit zu hohen Ehren gekommen. Nach den dichterischen Ergüssen (wovon wir heute leider nicht beide dem Bericht anschließen können, d. R.), sorgte der neugegründete Hirsauer Liederkranz für eine angenehme Abendunterhaltung. Er eröffnete seine wohlein- studierten und durchaus gelungenen Produktionen unter der Leitung des tüchtigen Lehrgehilfen Lehrermit dem Vaterlandslied: „Wo ein Altar steht." Ein Lieblingslied des Jubilars: „Ein preußischer Husar" — fand ungemeinen Anklang. Mit den Gtsangsvorträgen wechselten 4händige Klavierstücke, sein vorgetragen von Kameralassistent Saalenbauch und Lehrer Lehrer. Die Gesellschaft trennte sich erst in später Abendstunde mit dem Gefühl: Das war ein
schönes Fest!
Wie soll ich heute finden Den rechten Jubelton,
Wenn ich dem lieben Freunde Als wohlverdienten Lohn Ein Wort zum Liede reime,
Wie sich's geziemen mag An solchem Jubiläum Und schönen Freudentag?
Da darf ich wohl erinnern An des Jsais Sohn,
Der einst als schlichter Hirte Stieg auf den Königsthron.
Ganz ähnlich unser Greiner:
Ihm ward sein Amt bescheert, Nachdem er treu geweidet Die Schaf- und Lämmerherd'.
Wohl ward er nicht mit Szepter, Mt einer Krön' bedacht,
Nicht ward ihm übertragen Des Königs hohe Macht;
Doch durfte er regieren Auch einen kleinen Staat;
In diesem mußt er helfen Allzeit mit Rat und That.
Und wie hat er des Amtes Gewaltet spät und früh? —
In fünfundzwanzig Jahren Versäumte er noch nie Als Ortsvorstand zu wirken Für der Gemeinde Wohl So, wie ein pflichtgetreuer Beamter wirken soll.
An mancher schweren Arbeit Erprobt' er seine Kraft;
Durch manche Aktenberge at er sich durchgeschafft; n vielen Streitigkeiten Hat sein Vermittlungswort Die Gegner rasch entwaffnet Und sie versöhnt sofort.
Und mußt' in manchen Fällen Er strafend schreiten ein,
Der Strafansatz — er durfte Nie übertrieben sein.
Ja, wenn ihn der Betroffne Ließ merken seinen Schmerz,
So Hab ihm fast geblutet Sein mitleidvolles Herz.
Und manchmal sei's gekommen (So wurde uns erzählt),
Daß er die Buß bezahlte Mit seinem eignen Geld.
Ob er den Inhaftierten Geschenkt auch vom Arrest,
Davon schweigt die Geschichte;
Es ist das allerbest'.
Laßt mich nun noch berühren Mit welcher hohen Freud An patriot'schen Festen Er der Geselligkeit Sich immer hingegeben,
Obgleich er ganz und gar Von Haus aus zu derselben Nie angeleget war;
Denn er ist von dem Biere Ein Feind wie keiner mehr,
Und deziliterweise
Nur — trinkt vom Weine er.
So ist es hoch zu schätzen,
Daß er am Königsfest Und an der Kaiserfeier Uns nie im Stiche läßt.
Nachdem ich nun geschildert Mit meiner schwachen Kraft Des vielgeliebten Freundes Erprobte Eigenschaft,
So ist jetzt nur noch übrig,
Zu danken diesem Mann,
Der für das Wohl des Bürgers So vieles schon gethan.
Mit diesem Dank verbinden Wir noch den Wunsch, daß er Noch lang im Segen wirke.
Ja solches geb der Herr,
Der liebend ihn geleitet Und ihm von Jahr zu Jahr Der freundlichste Berater Und treuste Beistand war!
Für seinen Lebensabend Schenk' dieser treue Gott Ihm noch manch frohes Stündlein Als sanftes Abendrot,
Bis einstens ihm für alles Was er als Christ gethan,
Bricht in den Höhern Sphären Das Jubiläum an.
L.
ff Vom Wald. In dem Orte Neu weil er wurden dem Bäcker Fr. Burkhardt 370 entwendet. — Dem seit 25 Jahren in Würzbach wirkenden treuen Lehrer Roller verehrte die Gemeinde eine wertvolle Taschenuhr.
Stuttgart, 25. Juli. Herzliche Teilnahme erweckt in hiesiger Stadt das Hinscheiden der Gemahlin des allverehrten Herrn Staatsministers Dr. v. Renner. Die Verewigte, seit einigen Jahren schon leidend, hatte sich vor einigen Wochen auf den „Sand", einen auf der Badener Höhe gelegenen Luftkurort, begeben, um Linderung ihrer Leiden zu finden. Dort fand sie am 23. Erlösung; der Herr Staatsminister hatte sich vor 8 Tagen zu der schwer kranken Gattin begeben.
Freud enstadt, 25. Juli. Gestern hatten wir das jährliche Missionsfest. Dasselbe war zahlreich besucht und die Missionare Lech - ler und Eberle brachten uns interessante Berichte aus China, Grönland, Amerika und Surinam. — Mit jedem Tag steigt bei der günstigen Witterung die Zahl unserer Gäste und es tritt die ernste Frage an uns heran, wo und wie die Besucher des Turnfestes unterzubringen sind. Das Komite ist darum vollauf beschäftigt, um seiner schweren Aufgabe gerecht zu werden. Die einzelnen Vereine werden gut thun, wenn sie ihre Anmeldungen beschleunigen, da bis Samstag Abend schon gegen 700 Turner angemeldet waren.
Ebingen, 24. Juli. Vergangene Nacht kurz nach Veil Uhr konnte man hier eine Sternschuppe von seltener Pracht und Ausdehnung beobachten. Der Stern erschien außerordentlich groß und hellglänzend und die von ihm gezogene Straße bildete einen langhin am Firmament sichtbaren regenbogen- förmigen lichten Streifen. Noch nie hat der Schreiber dieses beim klarsten Himmel eine so herrliche Sternschnuppe gesehen; es war, als käme eine riesige Rakete meilenweit hergeflogen.
Geislingen. Gestern, Sonntag abend lO'/z Uhr, gerieten im hiesigen Bierhallegarten mehrere junge Leute miteinander in Wortwechsel. Derselbe setzte sich auch noch außerhalb des Wirtschaftsgartens fort und dort versetzte ein hier in Arbeit stehender Gerbergeselle dem verheirateten Gürtler Sörgel mit einem Taschenmesser mehrere tiefgehende Stiche in den Oberschenkel, daß dieser sofort mit einem erschütternden Aufschrei zusammensank. Er ist beinahe verblutet, ein Wundarzt legte ihm den ersten Notverband an, dann wurde er in das Bezirkskrankenhaus verbracht, wo er hoffnungslos darniederliegt. Freunde von ihm, Arbeiter in den hiesige» Fabrik-Etablissements, Hipp und Anzler, die zu Hilfe sprangen, erhielten ebenfalls Stichwunden , ersterer zwei Stiche in den Oberarm, letzterer einen in die Hand. Der Thäter ist entsprungen, wurde aber noch an demselben Abend festgenommen.
Marbach, 23. Juli. Zwei Lehrlinge eines hiesigen Kaufmanns sollten Zucker zerkleinern. Hiebei kam es zu Neckereien. Trotz der Ermahnung des Lehrherrn, vorsichtig zu sein, ließen sie sich nicht warnen, sondern der .eine hieb mit dem Zuckermesser nach der Rechten des andern. Dieser konnte seine Hand nicht schnell genug zurückziehen und wurde so unglücklich getroffen, daß Mittel- und Ringfinger verstümmelt wurden.
— Am 22. vormittags '/M Uhr ist Ernst Prix, Oberlehrer am Realgymnasium zu Annaberg (Sachsen), beim Abstieg von der Parseyerspitze (dem höchsten Gipfel der nördlichen Kalkalpen, 3054 m hoch) abgestürzt und sofort tot geblieben. Zwei Herren von hier waren mit dem Verunglückten und einem Herrn aus Lindau in der von der Sektion Augsburg erstellten Parseyerhütte zusammengetroffen und bestiegen von hier aus am Morgen des 22. Juli die Spitze. Der Aufstieg ist beschwerlich und gefährlich und jedem abzuraten, der nicht ein vorzüglicher Bergsteiger ist. Noch bedenklicher ist der Abstieg. Die Wände sind fast senkrecht und bieten dem Fuß oft nnr handbreiten Halt. Die Gesellschaft, mit 2 Führern 6 Mann hoch, stieg vorsichtig ab, einer hinter dem andern. Der letzte war Prix. Derselbe muß,
Feuilleton. «Nachdruck
Die Grnigranten
von L. ^vari.
(Fortsetzung.)
„Hab' ich's nicht gesagt", hörte Jörge eine junge Frau vor dem Fenster zu ihrer Nachbarin äußern, „die Eva wird mit dem schönen Fremden den ersten Preis gewinnen?"
„Ein so schönes Paar hat schon lange nicht mehr mitgethan", entgegnete die Zweite", kein Wunder, daß sie den Knirps, den Jörge, nicht zum Tänzer wollte. Der hätt' sich ja auch mit seinen kurzen Säbelbeinen sein Lebtag nicht bis zum Wasserbrett Hinaufschwingen können."
„Das fehlt mir noch, daß mich die dummen Weibsleute verhöhnen!" knirschte Jörge und schlug dröhnend den Fensterflügel zu. Seine Wut stieg auf's Höchste, er wartete mit Ungeduld bis sein Nebenbuhler eintreten werde, um nach dem herrschenden Dorfgebrauche seiner Tänzerin den „Trunk" zu bieten. „Dem soll sein Tanz versalzen werden", murmelte er, „Fäuste giebt es genug, die mir zu Diensten sind."
Im Geiste schon sah er Amandus die Treppe hinunterfliegen und tüchtig gebläut wieder des Weges ziehen, den er gekommen war. Dieser Gedanke schien ihn zu besänftigen, wonicht zu belustigen, denn mit heiterer Aliens empfing er die zurückkehrenden Tänzer — Eva und der Fremde waren jedoch nicht unter ihnen. —
3. Kapitel.
Amandus hatte mit seiner schönen Tänzerin den Festplatz verlassen; da das Treiben der Burschen, von denen Eva heute eine so kränkende Zurücksetzung erfahren hatte, ihn anwiderte, so wollte er sie nicht in diese Gesellschaft zurücklassen.
Willenlos war ihm das junge Mädchen aus dem Dorfe gefolgt, und Hand in Hand, wie sie vom Tanzplatze gegangen, schritten sie schweigend der Teinach entlang,
deren klare Wellen in zahllosen goldenen Funken im Sonnenlichte glitzerten, während die jenseitigen Berge in sanftblauem Dufte schwammen und eine wehmütig feierliche Nachmittagsstimmung über der Landschaft schwebte.
„Wie ist mir denn", unterbrach endlich Eva das herrschende Schweigen, „so schön wie heute habe ich unser Thal noch nie gesehen. Mir ist so selig zu Mute, als sei ich in ein Paradiesgärtchen versetzt, in dem ich nur immer froh und immer glücklich sein dürfte."
„Und doch haben Dir heute die schlimmen Burschen so arg mitgespielt, Du armes Mädchen", bemerkte Amandus.
„Ach Die!" rief Eva errötend, „an die habe ich nicht mehr gedacht und Ihr hättet mich auch nicht an sie gemahnen sollen, denn seht, mir ist's gerade so feierlich zu Mute gewesen, als ob ich in der Kirche wäre. Und wißt Ihr auch warum?"
„Nun?" frug Amandus.
„Als ich so verlassen an der Wand stand, meinte ich vor Scham in den Boden sinken zu müssen. Ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen, ja, kaum noch einen Gedanken fassen, so war mir das Herz zusammengeschnürt über das Leid, welches mir die Andern angethan. Nur an meine gute, selige Mutter dachte ich, ob ihr verklärter Geist wohl bei mir weile und Zeuge meiner peinlichen Lage sei und ob sie mir nicht helfen könne. Wie dann all die Andern fortgegangen waren und ich allein noch da stand und dann der Jörge auf mich zukam, war ich so verwirrt, daß ich meinte, eS sei ein böser Geist. O, Ihr dürft mich deshalb nicht albern schelten! Sehet, wir haben daheim ein so altes Büchlein, meine Altmutter hat's von einem Mönch von Hirsau bekommen, und in dem Büchlein hat der Gottseibeiuns gerade so ein Gesicht wie der Jörge und da Hab' ich mich im Schrecken umgedreht, da auf einmal seid Ihr vor mir gestanden und da Hab' ich gemeint —"
„Was hast Du gemeint, Eva?" sagte Amandus, als Eva errötend stockte.
„Ja, wollt Ihr mich aber ganz gewiß nicht auslachen, daß ich mir so viel eingebildet habe?"
„Ich werde Dich nie auSlachen, Eva!" beteuerte der junge Mann.