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endlich auch der Weingärtner hier ein. Es wurden deshalb im Laufe dieses Jahres nicht nur keine neuen Hopfenanlagen gemacht, sondern die alten und weniger ertragsfähigen Anlagen ausgegraben und an deren Stelle die Fläche mit Futterpflanzen angebaut.
— Der „Remsthalbote" teilt den Brief eines Schiffsjungen aus Waiblingen mit, der gegenwärtig an Bord Sr. Majestät Schiff „Ariadne" auf seiner ersten großen Seereise begriffen ist. Daraus wird die nachfolgende Stelle unsere Leser wenigstens deshalb vergnügen, weil sie zeigt, daß unsere junge Schiffsmannschaft aus handfesten Leuten besteht. Der Waiblinger also schreibt aus Vigo in Spanien vom 6. Juli: „Als wir hier ankamen, waren auch französische Torpedoboote hier und als wir 30 Schiffsjungen, welche Freiwache hatten, am ersten Tage an Land kamen, waren auch beinahe alle französischen Matrosen beisammen in einer großen Gartenwirtschaft; wir gingen auch dorthin und sofort verließen die schönen Spanierinnen die Franzosen und kamen zu uns, wodurch die französischen Gemüter schon in Gährung kamen; wir sangen die „Wacht am Rhein" und „Marschall Vorwärts", hatten aber unfern Gesang kaum beendet, so flog, schon ein Stuhl und ein Glas von den Franzosen zu uns herüber. Dies war für uns eine nicht mißzuverstehende „Aufforderung zum Tanze" und obwohl die Franzosen sämtlich Seitengewehre hatten und wir nicht, gingen wir sofort auf sie los und traktierten sie mit der bloßen Faust mit Hieben, daß sie sich in aller Eile davonmachten, zum Teil ohne Mützen und Seitengewehre, sodaß unser Kommandant noch am gleichen Abend an den französischen Vizeadmiral 14 Mützen und 9 Seitengewehre senden konnte. Das war eine Freude bei uns an Bord; der erste Offizier gab uns 30 Schiffsjungen Wein, soviel wir wollten. Der Franzosen waren es bedeutend mehr, auch waren wir nur Schiffsjungen, denn unsere Matrosen kamen erst abends ans Land, als wir wir wieder an Bord mußten, und ärgerten sich sehr, daß sie nicht auch dabei waren."
Aus dem Balinger Amt, 21. Juli. Das Häuflein unserer Veteranen aus den großen Kämpfen gegen Napoleon I. schmilzt immer mehr zusammen. So ist jetzt in Hossingen wieder einer derselben, der 93- jährige Johannes Eppler, zum großen Appell eingerückt; er hat die Feldzüge von 1814 und 1815 als Freiwilliger mitgemacht, und wie er einst ein treuer Kämpfer gewesen auf dem Schlachtfeld, so war er später ein braver angesehener Bürger. Der Militärverein erwies ihm daher am Sonntag unter Teilnahme der ganzen Gemeinde die letzten militärischen Ehren.
— Aus Tettnang wird über den Stand der Hopfen dem „Oberschw. Anz." geschrieben: „Durch die Gewitterregen, die in letzter Zeit niedergingen, haben sich unsere Hopfengärten zusehends erholt und stehen im allgemeinen sehr schön. Die Frühhopfen haben bereits Dolden angesetzt und versprechen einen ziemlich guten Ertrag, während die Späthopfen eine noch bessere jedenfalls in Hinsicht aus die Preise, eine nur zu reiche (?) Ernte liefern werden." — In Crailsheim feierte Kaufmann Wohlfahrt im Familienkreise seine goldene Hochzeit. — Das seit dem Tode des früheren Besitzers geschloffene Theußerbad bei Löwenstein soll der „Neck.-Ztg." zufolge von einem Deutsch-Amerikaner für 42 000 erworben sein und im Sinne des früheren Besitzers wieder bewirtschaftet werden. — Der Verein Urbanus II. von Heilbronn besuchte den Käsberg bei Mundelsheim; die Besucher waren laut „Neck.-Ztg." voll Staunens über den Stand der Weinberge und die Fülle der angesetzten Trauben. — Die Vertrauensmänner der deutschen Partei vom 2. Wahlkreis versammelten sich letzten Sonntag in Marbach und beschlossen, wie die „Neck.-Ztg." erfährt, den Wählern die Wiederwahl des Landgerichtsrats Veiel zu empfehlen.
Köln, 21. Juli. Ein schreckliches Unglück ereignete sich gestern abend in den „Neichshallen", einem großen Spezialitäten - Theater. Ein Trapezkünstler der Truppe Hegelmann stürzte vom Luftreck herab und zwar neben das Netz ins Publikum hinein, mitten auf einen Tisch, an
welchem mehrere Soldaten saßen. Tisch und Gläser wurden zertrümmert und die Scherben drangen dem Unglücklichen tief in den Leib. Der Künstler lief nichtsdestoweniger noch schnell bis zur Bühne, machte eine kurze Verbeugung und verschwand dann in den Kouliffen, worauf er nach Anlegung eines Notverbandes zum Hospital überführt wurde. Der Zustand des Verunglückten soll trotz der Schwere des Falles nicht ganz hoffnungslos sein.
Offendorf (bei Köln), 21. Juli. In der hiesigen Zuckerfabrik fiel gestern ein Mann in einen Kessel siedenden Zuckers. Schwer verbrüht wurde er nach Köln ins Hospital überführt. Jeder Gedanke an Rettung ist ausgeschlossen. — Zur selben Zeit geriet in der nämlichen Fabrik ein Arbeiter in das Rad einer Maschine und verletzte sich ebenfalls so schwer, daß er Hilfe im Kölner Hospital suchen mußte.
Bern, 21. Juli. Die Leichen der vermißten sechs Touristen sind heute in einer Mulde des Jungfraufirns, gegen den Mönch zu, gefunden worden. Dieselben werden morgen nach dem Hotel Eggischhorn verbracht werden.
Wevnrifchtes.
— Aus Toronto, 16. Juli, wird berichtet: Ein fürchterlicher Unfall ereignete sich gestern abend in St. Thomas (Kanada), wo ein von Port Stanley kommender Vergnügungszug mit einem Güterzug zusammenstieß. Fast unverzüglich darauf entzündeten sich zwei mit Petroleum befrachtete Waggons des letzteren und hüllten die Trümmer in eine Flammenmasse ein. Die Magazine, Gebäude und Schuppen längs der Bahnlinie gerieten in Brand und bald stand die ganze Nachbarschaft in Hellen Flammen. Der vordere Wagen des Vergnügungszuges war mit Passagieren gefüllt, die rasende Anstrengungen machten, aus den brennenden Trümmern zu entkommen; aber obwohl es nicht an Hilfeleistenden mangelte, verstrich infolge der wütenden Flammen geraume Zeit, ehe etwas vollbracht werden konnte. Gerade als man des Feuers Herr zu werden anfing, explodierte ein Oelbehälter mit furchtbarem Knalle, wodurch mehrere Personen in der Menge getötet wurden, viele Verletzungen davontrugen und eine schreckliche Panik verursacht wurde. Einen Augenblick lang herrschte Todesstille. Dann wurde die Luft von Schmerzensschreien durchschnitten; Männer und Frauen liefen wie wahnsinnig umher und zertraten Kinder und die Schwächeren unter ihren Füßen. In jeder Richtung sah man Leute mit verbrannten Armen und Gesichtern und einige derselben waren auf das Gräßlichste entstellt. Eine große Menge Pferde, die vor nahebei stehende Gefährte gespannt waren, wurden scheu und galoppierten wild durch die Menge, die Flüchtigen verstümmelnd und verletzend. Der Unfall entstand dadurch, daß eine Luftbremse in einem kritischen Augenblicks den Dienst versagte. Die Lokomotive und die zwei vordersten Waggons wurden durch den Zusammenstoß gänzlich zerschmettert. Das Feuer wurde schließlich bewältigt. Aus den Trümmern wurde Leiche um Leiche herausgezogen, alle bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
— Not eines Redakteurs. Folgende echt amerikanische Anekdote macht die Runde durch die englischen Zeitungen: Der Redakteur einer Zeitung in Reading (U. S.) rückte kürzlich eine Annonce ein, „er wolle einen guten Hund in Zahlung für ein Jahresabonnement seiner Zeitung annehmen." Am nächsten Tage wurden 43 Hunde auf sein Büreau geschickt. Am Tage darauf verbreitete sich die Kunde von dem Anerbieten in die Grafschaft und 400 Farmer sandten per Expreß je zwei Hunde, außerdem acht Körbe mit jungen Hunden, mit der Anweisung: Zahlung bei Empfang. In der Zwischenzeit hatte die unselige Annonce ihren Weg in die umliegenden Staaten gefunden, und bevor die Woche zu Ende war. befanden sich mit Stricken angebunden 8000 Köter in dem Hofraum des Zeitungs-Redakteurs. Es waren alle Gattungen vertreten von Bluthunden bis zu Pudeln. Ein paar Hundert rissen ihre Stricke und kletterten die Treppe hinauf, schwärm-
blankes Geldstück nach dem andern rollte auf dem Tische und der Hirschwirt hatte vollauf zu thun, all die Becher wieder zu füllen, die auf das Wohl des freigebigen Müllers geleert wurden.
Amandus hatte dem wiederwärtigen Treiben am Tische mit Verachtung zugeschaut, immer aber kehrte sein bewunderter Blick auf die Gestalt zurück, welche nach wie vor vereinsamt beim Fenster stand und wacker gegen die aussteigenden Thränen ankämpfte. Draußen erklangen jetzt vom Tanzplatze her einige Trompetenstöße, welche die Tänzer herbeirufen sollten.
Im Nu waren die Stuben beim Hirschwirt geleert, nur der Müller saß noch mn Tische und das verschmähte Mädchen sah ihre Gefährtinnen fröhlich plaudernd, an der Hand ihrer Tänzer dem Festplatze zueilen.
Langsam erhob sich der Müller und schritt zögernd auf die zurückgebliebene Dirne zu, ihr mit schadenfrohem Lächeln in das gerötete Gesicht blickend. Unwillig wandte sich das Mädchen ab; um so freudigere Ueberraschung malte sich in ihren Züge», als der stattliche Freund plötzlich auf sie zutrat und sie in ausgesucht artigem Tone um die Ehre eines Tanzes bat.
Keinen Blick mehr rückwärts werfend schritt die schöne Gestalt an der Seite ihres schmucken Tänzers dem Ausgange zu.
Ein wütender Blick des Müllers folgte dem Paare und mit einem derben Fluche wandte er sich den leeren Tischen zu, den Inhalt seines Bechers hinunterstürzend.
Mit der ernsthaftesten Miene von der Welt kam der Hirschwirt herbei und fragte verwundert: „Nun, nun, Nachbar Jörgle, wie stets denn heute mit einem Tänzchen? habt Ihr keine Lust dazu? Die Dirnen haben sich prächtig hcrausgeputzt und der stolzeste Hahn des Dorfes ist der Preis." Der Angeredete schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, daß die Becher in die Höhe sprangen. „Hole der Teufel das fremde Gesindel, welches daher kommt und unsereinem die schönsten Dirnen vor der Nase wegfischt."
„Ihr hättet Euch Eure Tänzerin schon hübsch vor dem Feste aussuchen sollen, Jörge, dann hättet Ihr jetzt nicht das Nachsehen."
„A-a—aussuchen sollen?" höhnte der Müller, „das Hab ich ja gethan; aber zwinge Einer Oelmüllers Eva, wenn sie ihren Trotzkopf aufgesetzt hat — die verdammte Hexe wollte ja nicht — dauern mich nur meine blanken Dickthaler, die ich daran gewendet, andere Tänzer von ihr fern zu halten."
„Wie? das hättet Ihr wirklich gethan, Nachbar Jörge?" sagte der Hirschwirt vorwurfsvoll, „nehmt mir's nicht übel, aber das nenne ich nicht ehrenhaft gehandelt-"
„Ach was da!" unterbrach ihn der Andere, „ehrenhaft oder nicht, was geht das Euch an? Mit vollen Krügen ist alles von dem Schmarotzerpack zu haben und die Dirne, die mir's nun einmal angethan hat, sollte gedemütigt werden. Aber jener vermaledeite Fremde soll es mir büßen, daß er mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat; er soll an mich denken, so wahr ich Jörge Honauer heiße!"
„Pfui schämt Euch Jörge!" rief der Wirt. „Uebrigens was könntet Ihr wohl einem Fremden thun, der von seinem Rechte als Festbesucher Gebrauch gemacht hat und obendrein noch eine Dirne zum Tanze führte, um die sich heute niemand kümmern wollte? Ich rate Euch, laßt Eure Finger daran, Ihr könntet an den Unrechten geraten, zudem ist er in des Herzogs Diensten."
„Was geht mich des Herzogs Diener an? Meine Rache muß ich haben und damit basta!"
Der Hirschwirt ließ den Andern allein. Derselbe trat an eines der Fenster, die nach dem Festplatze gingen. Kopf an Kopf stand unten die Menge, er sah über dieselbe hinweg, wie Amandus mit seiner Tänzerin in dem geschloffenen Kreise den bekannten Schwung machte. Das weithinschallende, durch einen gewaltigen Tusch noch vermehrte Jubelgeschrei, belehrte ihn, daß von dem Paare das Gefäß mit Wasser zum dritten Male umgeworsen und ihnen somit der erste Preis zugesallen sei. In der That hörte er auch ein lautes Krähen des Hahnes, der flügelschlagend in seinem Käsig hin und wider rannte, als er dem gewandten Tänzer überreicht wurde, welcher ihn, samt dem zierlich gearbeiteten, glänzend polierten Spinnrade, welches Eva gewonnen, zur Sette stellte und sich mit seiner Tänzerin alsbald im Zuschauerkreise verlor.
(Fortsetzung folgt.)