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einen Ausflug nach Bregenz, um Zeugen der Zusammenkunft des Kaisers mit dem Prinzregenten von Bayern zu sein. Auf der Höhe von Lindau wurde so lange gekreuzt, bis die Schiffe, welche den deutschen Kaiser und den Prinzen Luitpold bringen sollten, dem Hasen von Bregenz zusteuerten. Zuerst kam das Salonschiff „Wittelsbach" mit dem Prinzregenten und gleich darauf das Kaiserschiff, das mit brausenden Hochrufen empfangen wurde. Der „Christoph" legte im Bregenzer Hafen so günstig bei, daß man vom Verdeck aus auf dem kaiserlichen Schiff alles genau beobachten konnte. Es war eine Freude, zu sehen, mit welcher Frische und Rüstigkeit der greise Kaiser sich bewegte. Nachdem sodann die Teilnehmer der Fahrt des „Christoph" in Bregenz sich gelabt hatten, fuhr um 7 Uhr abends das Schiff zurück; aber ehe es in den Hafen von Friedrichshafen einfuhr, mußte es noch auf die Höhe des K. Schlosses dampfen, denn die dreihundert, die ihren Kaiser gesehen hatten, drängte es, auch ihrem Königspaar noch eine Huldigung darzubringen. Hochbefriedigt von dem Erlebten und Gesehenen fuhren sie mit dem Abendzuge der Heimat zu.
Haslach, OA. Leutkirch, 18. Juli. Die letzte Woche endete für unsere Gegend mit einem schreckensvollen Ereignis. Ein schweres Gewitter zog über unsere Gegend und brachte furchtbaren Hagel. Die Schloffen fielen während einer halben Stunde in der Größe von Taubeneiern. Die von dem Mittelstreifen des Gewitters betroffene Feldfläche in der Breite von 500—600 m ist total verhagelt. Von Einzelhöfen, wie sie in der Gegend zahlreich sind, sind total zusammengehagelt: Amanntoni, Höllhof, Neuhaus, Fäßler, Ober- und Untermittelried. Schwer geschädigt sind ferner: Verenahof, Spindelwag, Zell und Bärenschachen bei Roth. Der in Folge des Hagelschadens zu erwartende Ausfall der Kartoffelernte wird von den kleinen Leuten hauptsächlich schwer empfunden werden. Leider haben sich nur wenige bewegen lassen, ihre Flüchte gegen Hagelschaden zu versichern.
Metz, 19. Juli. Auf dem Bahnhof Pagny gab ein junger fein gekleideter Reisender, der aus Metz kam, heute nachmittag 3 Uhr auf den französischen Polizeikommiffär, den Nachfolger Schnäbeles, mehrere Revolverschüsse ab, von denen zwei in den rechten Arm und einer in die linke Seite drangen. Ein Schuß ging in die Wand. Der Thäter gab an, Sanderle zu heißen und bei Trier beheimatet zu sein. Der Zustand des Verwundeten scheint nicht gefährlich. Die Gründe zu der Unthat sind unbekannt.
Mainz, 20. Juli. Peter Zangerle aus Ferschweiler bei Trier, der den Mordanschlag auf den französischen Polizeikommiffär Ritter in Pagny machte, war um 2>/, Uhr nachmittags mit einem Pariser Zuge in Pagny angekommen. Am Bahnhof sagte er einem Gendarmen, er wünsche den Kommissar zu sprechen, und als dieser erschien, feuerte er sofort auf ihn mit dem Ruf: „Sie sollen mein Opfer sein!" Der Kommissar ist am Arm und in der Seite leicht verwundet, der dritte Schuß traf eine Frau. Zangerle leistete keinen Widerstand, als man ihn verhaftete. Der Mann war früher Bäcker in Paris und 1877 wegen Mißhandlung seiner Frau zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Jahre 1880 wurde er infolge seiner Verurteilung aus Frankreich ausgewiesen, daher rührte seine Erbitterung gegen die französische Justiz und Polizei. Am Montag stellte er sich im Ministerium des Innern ein und wurde von dem Kabinettschef Laroze empfangen. Man vermutet, daß er die Absicht hatte, den Minister zu töten; infolge der beleidigenden und heftigen Worte, die er sich gegen Laroze erlaubte, wurde er hinausgeführt, ohne daß er Unheil anrichten konnte.
Essen, 18. Juli. Während der Mitternachtsstunde der vergangenen Nacht hat die Ueberführung der sterblichen Hülle des Geh. Kommerzienrats Alfred Krupp von der Villa Hügel zum Ahnenhause in der Fabrik stattgefunden. Der Zug wurde beim Eintreffen auf der Fabrik von den Mannschaften der Krupp'schen Feuerwehr mit brennenden Fackeln zum Ahnenhause geleitet, wo der große Tote mit dem von einem Doppelquartett gesungenen Trauerlied: „O wie sanfte, selige Ruh deckt dich, o müder Pilger, zu" in Empfang genommen wurde. Zum Zeichen der Trauer um den größ
ten Bürger unserer Stadt wehen heute am Rathause Trauerfahnen, die auch auf den der Firma Krupp zugehörenden Gebäuden auf der Limbecker Chaussee und den hohen Kaminen der Fabrik angebracht sind.
Bern. 20. Juli. Bei Besteigung der „Jungfrau" verunglückten 6 Touristen. Alle sind Schweizer. — Das Züricher kantonale Polizeikommando hat aus dem Hotel Staubbach in Lauterbrunnen am 19. Juli folgendes Telegramm erhalten; „Die HH. vr. Alexander Wettstein, Geolog, aus Zürich, H. Wettstein, Sekretär der Abteilung für gewerbliches Bildungswesen auf dem eidgen. Handels- und Landwirtschaftsdepartement in Bern, Primalehrer Bär von Hottingen, Karl Ziegler, Lehrer an der Mädchensekundarschule in Zürich, wohnhaft in Hottingen, Sekundarlehrer Kuhn (gebürtig aus Dielsdorf) in Glarus und Apotheker Bieder von Bern sind Donnerstag nachmittag ohne Führer nach der Rotthalhütte gegangen, um über die Jungfrau nach der Konkordiahütte zu gehen. Sie nahmen für etwa l'/z Tage Proviant mit sich und hatten sich telegraphisch vom Hotel Eggischhorn Proviant in die Konkordiahütte bestellt, denselben bis gestern mittag (Montag, 18. Juli) dort nicht abgeholt. Es ist wahrscheinlich, daß die Touristen verunglückt sind. Wir haben 7 Führer nach dem Rotthal und nach der Jungfrau geschickt, dieselben sind aber resultatlos zurückgekehrt. Heute wird vom Hotel Eggischhorn aus nach dem Vermißten gesucht. Dieselben sind Freitag nachmittag von einem fürchterlichen Gewitter überrascht worden." Karl Ziegler ist, wie die N. Z. Z. mitteilt, verheiratet und Vater von 4 Kindern, die übrigen Vermißten sind ledig.
Pontresina, 20. Juli. Zwei Engländer unternahmen ohne Führer die bekannte nicht gerade schwierige Diavolezza-Tour. Einer stürzte in eine Gletscherspalte, aus welcher er nach langem Suchen tot herausgezogen wurde.
Paris, 20. Juli. Im Senat verlas Tirard den Bericht der Finanzkommission über die Mobilisierung. Die Kommission erklärte, die Finanzlage erlaube einen so kostspieligen Versuch nicht, doch wage sie gegenüber der technischen Autoritäten nicht, die Verwerfung der Vorlage zu beantragen. Der Senat setzt die Diskusion auf morgen fest. — Man zweifelt nicht mehr an der Annahme, so viele Bedenken dem Versuch auch nach mehreren Seiten hin entgegenstehen. Man hat sich nun schon einmal auf dieser falschen Bahn engagiert und sieht in der Verwerfung des Projekts einen Mangel an Patriotismus. Nach der Idee des Urhebers dieses Mobilmachungsversuchs, des Generals Boulanger, soll dem Inland und dem Ausland damit vordemonstriert werden: Wir sind mit unseren Rüstungen fertig, wir sind diesmal in der That „erzbereit", wie seinerzeit der Marschall Leboeuf versichert hat; die Maschine ist da, sie ist in ausgezeichneter Verfassung, lassen wir sie einmal arbeiten. Die Franzosen können sich nicht wundern, wenn diese neue Art von Herbstübungen, welche eine weitere Annäherung vom Kriegsspiel zum wirklichen Krieg anstrebt, im Ausland zu ernsten Betrachtungen und Erwägungen Anlaß giebt.
Kgl. Standesamt ßakm.
Vom Id. bis 22. Juli 1887.
Gebor ene:
13. Juli. Wilhelm Emil, Sohn des Wilhelm Friedrich Jehle, Feilcnhauers.
17. „ Hermann Oskar Frieorich, Sohn des Emil Zöppritz, Fabrikant.
18. , Frida, Tochter des Werkführers Jakob S1 äubli.
Gestorbene:
17. Juli. Klara Helene Wochele, Strumpfwebers Kind, 2 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 24. Juli 1887.
Vom Turme: Nro. 464. Vormittagspredigt: Hr. Helfer Braun. Christenlehre mit den Söhnen in der Kirche.
Montag, den 25. Juli (Feiertag Jakobi).
Vormittagspredigt um 9 Uhr im Vereinshaus: Hr. Helfer Braun.
Gotteräienste in äer Metkoäisteakapekke am Sonntag, den 24. Juli 1887. Morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
dem der letzte Ton der Glocken verhallt war, nahm er seine Wanderung wieder auf und betrat einen lauschigen Waldpfad, der auf eine Hockedrne mit Ackerfeld mündete. Eine Burg, welche das Ende der Hochebene krönte, zog seine Blicke auf sich. Ein massiger, quadratischer Thurm überragte hohe krennelierte Mauern mit zinnengeschmückten Giebeln, die sich grau und verwittert vom blauen Himmel abhoben. Es war Burg Zavelstcin, wie ein des Weges ziehender Bursche ihm auf seine Frage antwortete.
§r warf, nachdem er das Städtchen betreten, einen langen Blick in das liebliche Teinach'thal und ließ den Frieden, der rings verbreitet war, auf seine Seele wirken. Ta ward plötzlich die tiefe Sonntagsruhe unterbrochen. Trompetenbläser und Zinkenisten entlockten ihren Instrumenten eine wenig melodische Marschweise. Auf Befragen vor einem Wirtshaus erfuhr er, daß man unten in Teinach Has St. Jakobsfest mit Tanz und Kurzweil aller Art feiere; ein so schmucker Fremder, wie er, werde gewiß ein willkommener Tänzer sein.
Amandus lächelte über die Geradheit der Wirtin, die ihm dies sagte, und beschloß den Wink zu befolgen, wenn auch nicht um einen „Tänzer" abzugeben. Je tiefer er in das Thal Hinabstieg, desto schriller und kreischender schallte die Musik zu ihm empor. Bald hatte er das Dorf erreicht und um eine Ecke biegend, sah er sich von einem Wirtshausschild, mit einem springenden Hirsch zur Einkehr eingeladen. Unter der Thüre stand der Wirt, zum Empfange der erwarteten Gäste bereit. Es war ein kleiner, dicker Mann mit pechschwarzem Haupt- und Barthaare. Unter der breiten, niedern Stirn schauten ein Paar schwarzer, heiterer Augen hervor über denen sich dunkle, dichte Augenbraunen wölbten, deren Spitzen sich über der länglichen, starkgebogenen Nase fast berührten. Trotz des orientalischen Typus, der sich in seinem Gesichte aussprach, war der Wirt zum goldenen Hirsch ein guter Christ, mit allen Tugenden eines solchen und eines guten Wirtes ausgestattet. Er geleitete diensteifrig Amandus in das höher gelegene Stübchen, das für bessere Gäste bestimmt war.
„Kommt Ihr zu unserm Fest?" fragte er den Gast, als er ihm einen Becher goldblinkenden Weines vorsetzte.
„Nicht eigentlich", erwiderte Amandus, „doch will ich mir's ansehen, da ich doch nun einmal hier bin. Der Reisende muh sich für alles interessieren, was er in einem fremden Lande sieht."
„Ganz meine Meinung", versetzte der Wirt, an der andern Seite des Tisches Platz nehmend. „Heute könnt Ihr aber noch nicht weit hergekommen sein, denn es fft ja kaum Mittag."
„Das bin ich auch nicht", bestätigte Amandus und da er keine Ursache hatte, die Neugierde des Wirtes über woher und wohin unbefriedigt zu lassen, so teilte er ihm mit, daß er in Hirsau an einem Umbau in den inneren Räumen des Jagdschlosses beschäftigt sei und den heutigen freien Sonntag zu einem Gange in die herrliche Gegend benützt habe. Durch die weithinschallende Musik habe er sich in dieses Thal locken kaffen, um zu sehen, wie sich hier zu Land die Leute belustigen.
„Wollt Ihr nicht selbst an der Lustbarkeit teilnehmen?" fragte der Wirt, der immer freundlicher und zutraulicher wurde, je länger er in das offene, freimütige Gesicht seines Gastes schauete.
Auf den verwunderten Blick desselben fuhr er fort: „Ich habe gestern von einem boshaften Anschläge gehört, den hiesige Bursche gegen eine ehrbare, wenn auch etwas stolze Dirne im Schilde führen, Ihr währet gerade der rechte Mann, denselben zu vereiteln."
„Mit Freuden", sagte Amandus, „macht mich nur mit der Rolle bekannt, die ich spielen soll."
„Die wird Euch gar nicht schwer fallen", versetzte der Wirt lächelnd und nachdem er sich versichert, daß kein Lauscher um dm Weg sei, teilte er dem gespannt Aufhorchenden mit, um was es sich handle.
Die Züge des Gastes erheiterten sich immer mehr, je eifriger der Wirt auf ihn einsprach und als er geendet, reichte ihm Amandus die Hand, mit den Worten: „Wohlan, ich bin bereit, Ihr sollt Euch in mir nicht getäuscht haben, selbst wenn die Dirne häßlich wäre wie die Nacht."
(Fortsetzung folgt.)