62. Jahrgang.
Aro. 85.
Amts- unä Intekkigenzökatt für äen Aezir^.
Erscheint Z»ie«»t«g , Z>a«»rr»lag L Sam»t«g.
Die EinrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Aamstag, äen 23. Juki 1887.
i AbonncmentSpreiS halbjährlich 1 80 durch
! die Post bezogen im Bezirk 2 80 H, sonst in
> ganz Württemberg 2 70
Amtliche Wekanntrnachrrngen.
An die Schultheißenämter.
Die mit der Vorlage der Leichenschaubücher rückständigen Schultheißen«., ämter werden zu deren Einsendung aufgefordert. ! -
DLalw,"den 20. Juli 1887. Kön. Oberamtsphysikat. ^
Dr. Müller.
Gcrges-WeuigkeiLen.
V Hirsau. Eine seltene Feier steht der hiesigen Gemeinde bevor. Am nächsten Montag als am Jakobifeierlag, d. 25. d. M., sind es 25 Jahre, daß unser allverehrter Herr Schultheiß Greiner im Amte sich befindet. Zu besten Ehre findet an dem genannten Tage von nachmittags 4 Uhr an im Gasthof zum Waldhorn dahier eine gesellige VereinigMg statt, wobei dem Jubilar als Anerkennung für seine treu geleisteten Dienste von der Gemeinde ein Geschenk überreicht wird. Wir wünschen, daß der Jubilar noch lange der Gemeinde erhalten bleibe und wohl und rüstig seinem Amte vorstehe.
8 Tein ach. (Eingesandt.) Gestern nachmittag wurde von dem trefflichen Hrn. Verwalter Stark, der in seinem Bestreben, den Aufenthalt der Kurgäste in dem seiner bewährten Direktion anvertrauten Badhotel so angenehm und unterhaltend wie nur möglich zu gestalten, unermüdlich ist, ein Picknick nach der Katharinenruhe arrangiert. Wer Teinach kennt, weiß, daß wenig Plätze im Schwarzwald diesem idyllischen Kurorte gleichkommen, der so recht dazu geschaffen, mit seiner freundlichen lieblichen Natur und ruhigen Abgeschlossenheit jedem Leidenden Stärkung und Erholung zu bieten. In dem von der rasch dahineilenden forcllenreichen Teinach durchschnittenen romantischen Thal führt durch prächtige linden- und fichtenbewachsene Promenaden längs der Staatsstraße vom Badhotel aus der Weg zu der etwa 30 Minuten entfernten Katharinenruhe. Wie eine Einsidelei lockt uns dieses lauschige Plätzchen zum Ausruhen bei der letzten Krümmung des Weges wo das Thal abschließt, und die steilen Höhenzüge ringsum bilden einen herrlichen Rahmen zu dem harmonisch schönen Bilde. Um 3 Uhr ward das Signal zum Abmarsch gegeben; die Musik voran, folgten die zahlreichen Teilnehmer des Ausflugs, begünstigt durch schönstes Wetter, in vergnügtester Stimmung. An Ort und Stelle war aufs beste für alle Bedürfnisse gesorgt und nachdem die Musik ihre fröhlichen Weisen ertönen ließ, wurde auch bald ein Tänzchen arrangiert und die stets leicht bewegliche jugendliche Welt drehte sich gar bald auf dem grünen Nasen nach dem heiteren Weisen der Tanzmusik. Bis zum hereinbrechenden Abend verweilte die Gesellschaft fröh
lich und vergnügt, und ein kleiner Regenschauer, der beim Aufbruch die Pick- nickler überraschte, wurde gerne mit in Kauf genommen. Nach dem Souper wurde bei den heiteren Klängen der Kurkapelle vor dem Badhotel noch eine Illumination inszeniert mit bengalischem Feuerwerk.
* Neubulach, 18. Juli. Letzten Freitag, den 16. d. M., traf ^hier wieder eine Ferienkolonie aus Stuttgart, bestehend aus 12 armen kränklichen Schulkindern und einem Begleiter ein, welche Erholung und Stärkung hier suchen. Sie fand in ihrem Quartier im Gasthof zum Lamm die freundlichste Aufnahme. Seither machen die Knaben jeden Tag ihre Spaziergänge in die nahen Wälder oder führen ihre munteren Spiele auf dem freien, von Linden beschatteten Platz vor ihrem Quartier aus, lassen hie und da auch eine heitere Weise aus ihren jugendlichen Kehlen erschallen. Eine Lust ists aber, ihnen bei ihren reichlich Vorgesetzten Mahlzeiten zuzuschauen I In manchem Knaben mag schon der Wunsch aufgestiegen sein: „Ach wenn es nur immer so bliebe". Jedenfalls muß bei diesem guten Appetit und bei der kräftigenden, würzigen Tannenlust, die hier oben herrscht, der hiesige Aufenthalt denjenigen Erfolg haben, welchen die edlen Kinderfreunde in Stuttgart bezwecken wollen.
Stuttgart, 21. Juli. Brieftauben-Wettf l u g. Heute früh fand das erste diesjährige Wettfliegen der Tauben des hiesigen Brieftaubenklubs zwischen Saaralben und Stuttgart statt. In Saaralben wurden morgens um 5 Uhr 120 Tauben abgelassen. Die Ankunft des ersten Siegers erfolgte hier wenige Sekunden nach 9 Uhr und brachte dem Besitzer Hrn. Fabrikant Luickert den 1. Preis ein. Weitere Preise erhielten die Tauben des Hrn. Hutmacher Auwärter, Bäckermeister Wörnle, Pferdehändler Löbst ein und Fabrikant Mahle. Das Hauptwettfliegen findet am Montag, den 2. August zwischen Metz und Stuttgart statt.
Weinsberg, 19. Juli. Seit einigen Tagen ist unser sonst so friedliches Thal in nicht geringe Aufregung versetzt durch eine Reihe frecher Einbrüche. Vor etwa acht Tagen wurden in einer Nacht drei Orte heimgesucht ; in zwei Dörfern war es auf Wirtschaften abgesehen, wobei aber nur in einer derselben einige Gegenstände erbeutet wurden, während in der andery der Haushund die Diebe verscheuchte; im dritten Dorfe wurde aus dem Pfarrhause Silbergeschirr von ziemlichem Wert entwendet. Zu dem allem kommt nun noch die Nachricht, daß gestern nacht aus der Kirche in Willsbach die heiligen Gefäße und die Paramente gestohlen worden sind. Man hat es allem nach mit einer förmlichen Diebesbande zu thun, aber zu ihrer Auffindung fehlt bis jetzt jeglicher Anhaltspunkt.
Ravensburg, 19. Juli. Gestern machten über 300 Herren und Damen aus Ravensburg und der Umgebung mit dem Salonboot „Christoph"
Feuilleton. <Nachdru>k I»rbotni.>
Die Emigranten
von L. -4vari.
(Fortsetzung.)
2. Kapitel.
Ueber dem anmutigen Nagoldthale lag feierliche Sonntagsruhe. In reinem Glanze wölbte sich der tiefblaue Himmel über all der eigenartigen Schönheit, an welcher dieses Thal so überaus reich ist. Noch funkelten unzählige Thautropfen auf den zitternden Gräsern und die Schatten der bewaldeten Berge legten sich breit und düster über die Thalfläche, welche kaum von den ersten Strahlen der Morgensonne begrüßt worden. Die fast lautlos dahinfließenden Wellen des kleinen Flußes brachen sich leise gurgelnd an den wiesenumsäumten Ufern und in der glitzernden Wasserfläche spiegelten sich in reiner Klarheit die malerischen Bilder der nächsten Umgebung.
Auf einer Anhöhe unweit des Klosters Hirsau stand zu dieser stützen Morgenstunde ein junger Mann, der mit einem Gefühle von Andacht auf das wunderherrliche Panorama herniederschaute.
Es war Amandus, dessen Künstlerblick eigentümlich angemutet wurde von den Gegensätzen im Stiele dreier Bauwerke, wie sie Geschmack und Zeitgeist im Laufe der Jahrhunderte an diesem Orte hervorgebracht hatten. In dem engen Rahmen des üppig grünen Thales boten sie ein anziehendes Bild, welches des Beschauers Gedanken weit in die Vergangenheit zurücklenkte, wo frommer Sinn den Grundstein dieser Mauern gelegt. Erweitert und vergrößert nach der jeweils herrschenden Geschmacksrichtung, erhob sich neben der in romanischem Stile errichteten Basilika, deren zwei viereckige Thürme Rundbogenfenster zeigten, die kleinere gothische Kirche mit dem Kreuzgange, und neben diesen ehrwürdigen Denkmalen entschwundener Jahrhunderte, ließ der Herzog nun ein Jagdschloß in dem jetzt vorherrschenden Renaissancestil errichten.
Mannigfache Betrachtungen an die Verschiedenartigkeit der Zeiten und Geschlechter knüpfend, sah sich der Beschauer die Vergänglichkeit alles Lebens und Seins so lebendig vor die Seele geführt, daß er sich eines wehmütigen Gefühls nicht erwehreir konnte. Noch lebendiger ward dasselbe bei dem Gedanken an seinen in Stuttgart zurückgelassenen Freund, der leider diese Schönheiten und Wunder der Natur und Kunst nie mehr mit Augen zu schauen im Stande war. Jener launische Einfall des Herzogs, den jungen Fremden seinen fürstlichen Gästen in der Kunst des Radschlagens vorzuführen, hatte dem Aermsten das Augenlicht gekostet, und Amandus war Zeuge der namenlosen Verzweiflung gewesen, die seinen bedauernswürdigen jungen Freund bei dieser schrecklichen Gewißheit erfaßte. Amandus meinte dem Herzoge grollen zu müssen, der durch seinen Uebermut Konrad um den eigentlichen Inhalt des Lebens gebracht, denn wie sollte er jetzt noch seinen Lieblingsplan, ein Orgelbauer zu werden, verwirklichen können? Wohl fühlte sich Amandus durch Konrads Ergebung und unwandelbares Gottvertrauen einigermaßen beruhigt, aber das Bild des Herzogs, in welchem er das Ideal menschlicher Hoheit und Vollkommenheit verehrt hatte, war ihm getrübt und sein Glaube an die reine Menschlichkeit seines Wohtthäters in seinen Grundfesten erschüttert. Er fühlte eine tiefe Verstimmung inmitten der herrlichen Natur, die so harmonisch vor ihm ausgebreitet lag und doch nicht so viel Einfluß auf die Menschen auszuüben vermag, um ihr Leben nach dem harmonischen Vorbilde dieser großen Lehrmeisterin zu gestalten. Der Wald mit seinem tiefen Schatten winkte so verlockend zu dem einsamen Beschauer herüber, daß er beschloß dem Ruse zu folgen und einen weiten Gang in die Berge zu machen. Ueber Höhen und durch Thäler führte sein Pfad und überall lachten ihm üppig, grünende Gefilde zwischen dunklen Waldungen entgegen. Je tiefer er eindrang in das Reich der Berge, desto freier und weiter ward sein Herz, und er schämte sich fast des Kleinmutes, der ihn vorher beschlichen. „Hier oben ist Freiheit", sprach er, „hier vergißt man die Menschen und ihr Treiben." Er trat auf eine Lichtung und erblickte tief unten im Thale eine Stadt mit schlanken, hochgegebelten Häusern, Glockengeläute drang zu ihm empor und durch die engen Gaffen sah er fromme Beter zum hoch gelegenen GotteShause wallen. Nach-