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werden, da jedoch dieser erfahrungsgemäß nicht weither ist, ist hier das Eingreifen der Gesetzgebung ein lang empfundenes, dringendes Bedürfnis.
Heilbronn. 19. Juli. Gestern nacht wurde ein Schutzmann, als er einen Skandal machenden jungen Burschen zur Ruhe zu bringen versuchte, mit einem Messer in die Schulter gestochen. Durch die starke Achselklappe wurde die Kraft, des Stoßes sehr gemindert, so daß die Verwundung keine lebensgefährliche ist. Der Bursche ist verhaftet. — Ein Dienstknecht aus dem Weinsberger Thal soll, wie er der Behörde angezeigt hat, gestern nacht von einem ihn begleitenden Strolche räuberisch angefallen und durch die Drohung desselben mit Torschüßen zur Herausgabe seiner Uhr und der in 20 bestehenden Barschaft genötigt worden sein. Des Thälers ist man bis jetzt nicht habhaft.
Öehringen, 18. Juli. Unser Reichs- und Landtagsabgeordneter, L.'W.-Jnsp. Lee mann, kam gestern mit dem Mittagszug hier an und fuhr dann von hiesigen Anhängern begleitet nach der freundlichen Kocherstadt Forchtenberg, wo sich in dem geräumigen Garten des Gasthofs zum Ochsen gegen 200 Wähler aus Forchtenberg und der Umgegend um ihn sammelten. Gegen 4 Uhr ergriff Oberamtspfleger Krauß, früher Stadtschultheiß in Forchtenberg, das Wort, um im Namen der Deutschen Partei den so zahlreich erschienenen Wählern für ihr treues Zusammenwirken bei den letzten Wahlen zu danken. Hierauf sprach der dortige Vorsitzende der D. P., Apotheker Rau, den Oehringer Parteigenossen seine Freude über ihren Besuch aus. Nachdem er sodann den Abg. gebeten hatte, über die letzten Reichtags, und Landtagssessionen Bericht zu erstatten, verbreitete sich dieser in 1 '/Ftündiger Rede über die Zusammensetzung des Reichstags hinsichtlich der Parteien und über die wichtigsten Beschlüsse in Berlin und Stuttgart, wobei er jedesmal die Stellung klarlegte, welche er zu denselben genommen hat. Ec bezeugte seine Freude darüber, daß seit der Reichs- tagswahl vom 21. Febr. d. I., wodurch die Parteiverhältnisse so gänzlich umgestaltet wurden, der Widerstand der stets verneinenden Opposition gebrochen und ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen der Regierung und den nationalgesinnten Abgeordneten zum Heile Deutschlands möglich geworden sei. Von besonderem Interesse waren seine Ausführungen über die Branntwein- und Zuckersteuer, sowie über die neue Steuerverteilung in Württemberg, wodurch unser vorzugsweise Landwirtschaft treibender Bezirk wesentlich entlastet wurde, dankte Gutsbesitzer Metz von Metzdorf in warmen Worten für die vielseitige Belehrung, welche der Redner seinen Zuhörern geboten habe, und nachdem er die Anwesenden aufgefordert hatte, an ihrem bewährten Abgeordneten auch bei den künftigen Wahlen, treu festzuhalten, schloß er mit einem dreifachen Hoch aus denselben, in welches die ganze Versammlung freudig einstimmte.
Friedrichshafen, 16. Juli. Mit einem Pilger-Extra- zug sind heute 1050 Personen eingetroffen, wovon auf Ravensburg 300 kommen; 700 mußten zurückgewiesen werden. Damit ist der nächste auf 13. September projektierte Extrazug jetzt schon sichergestellt. Zur Einschiffung der Pilger lagen zwei Schiffe im Hasen bereit; der Eberhard nahm 450, tue Helvetia 600 Personen auf.
Frankfurt, 17. Juli. Die Frau eines hiesigen Bankiers mißhandelte eines ihrer Dienstmädchen derart, daß es auf dem linken Ohr taub wurde. Die Mißhandelte berief ihren Vater, einen hessischen Subalternbeamten, nach Frankfurt. Der Mann verfügte sich zur Herrschaft seiner Tochter und erklärte, daß er Strafantrag stellen werde. Man bot ihm 50 Entschädigung; er verlangte jedoch 3000 ^ Nach längerer Unterhandlung einigte man sich dahin, daß das Mävchen eine Entschädigung von 2200 -//L erhält.
— Ueber ein furchtbares Brandunglück, welches den in der -Röhn gelegenen Marklflecken Oberelsbach bei Bischofsheim am 13. d. M. helmgesucht hat, teilt das Frkf. I. folgendes mit: Das Feuer
Feuilleton. (Nachdruck v-rbot-n.>
Die Gmigr-crnten
von L. r4vari.
(Fortsetzung.)
Lautes Jubelgeschrei und Beisallrufen, unterbrach das Gespräch der Männer. Neugierig schauten sie auf das Festgedränge und waren nicht wenig verwundert ein lebendiges Rad mit einer solchen Schnelligkeit Heranrollen zu sehen, daß man kaum 'vir Arme und Beine des jungen Menschen zu unterscheiden vermochte, der an der belustigten Menge vorüberwirbelte, bald mit den Händen drv Boden berührend und mit den Füßen die Lust durchschneidend, bald umgekehrt. So schnell sich ab« der Radschlager vorwärts bewegte, so wurde er dennoch von dem Fremdling erkannt, der ihn raschen Schrittes einzuholen suchte.
Bei der Tyrnitz angekommen, richtete sich der jugendliche gymnastische Künstler schwankend auf und suhlte sich alsbald von zwei kräftigen Armen umfangen.
„Konrad!" rief unser Fremder überrascht, „hascht's „Gaugeln" noch nicht verlernt?"
„Wie, Amandus. Du hier in Stuttgart?" «widerte der Ändere und Freude blitzte auch aus seinen klugen, dunklen Augen.
Tie gegenseitige Begrüßung der beiden Freunde wurde durch mehr«« hinzukommende vornehme Herren aus dem Hofkreise unterbrochen, welche Konrad, den Radschlager, für seine Geschicklichkeit belobten und reich beschenkten.
Hand in Hand verließen hierauf die Freunde das lebhafte Straßengetriebe und Konrad führte seinen älteren Begleiter nach der reicben Vorstadt, wo beide in ein stattliches Haus traten. Auf der Treppe kam ihnen ein alter Herr entgegen; er trug ein braunes Wamms, weiße, geblümte Schoßweste, auf welche vom Halse ein breites, durchsichtig gegittertes Flortuch herabfiel, gesprengelte Strümpfe, schwarze Sammetbeinkleider und zierliche Schuhe mit silbernen Schnallen. Ein schwarzes Käpplein bedeckte sein bei
brach gegen mittag in einem dem Georg Joseph Hergenhahn gehörigen Holzschuppen auf bis jetzt noch unaufgeklärte Weise aus, teilte sich sofort, vom Winde begünstigt, den übrigen Wirtschaftsgebäuden und dann dem Wohn« Hause mit, die bei der großen Hitze wie Zunder brannten. Dann, vom Winde gepeitscht, verbreitete sich das furchtbare Element mit rasender Schnelligkeit in östlicher Richtung weiter und in kaum einer Stunde standen über 200 Gebäude in Flammen. Vergeblich war es zu löschen und zu retten, ratlos und thatlos standen die wenigen im Dorfe anwesenden Bewohner der Macht des Feuers gegenüber, denn die meisten Männer und Bauern waren weitab oben auf der Rhön mit Heumachen beschäftigt. Von Nah und Fern eilten die Feuerwehren herbei und boten Alles auf, um dem verheerenden Element Einhalt zu gebieten, was denn auch nach stundenlanger angestrengtester Arbeit gelang, so daß ein Teil des Ortes gerettet wurde. Das Elend ist unbeschreiblich, die meisten der Abgebrannten sind an den Bettelstab gebracht, denn die Mehrzahl hatte nicht versichert. Ueber 300 Personen sind obdachlos. Die Not ist groß, es fehlt am Allernotwendigsten.
Rom, 18. Juli. In Catania, Lecce, Jschia, Livorno und Parma fanden gestern Erdbeben statt. Aus dem Aetna steigt dichter Dampf auf.
Konstantinopel, 18. Juli. Gestern wurden auf der Insel Chios und in Smyrna leichte, auf den Inseln Rhodos und Creta dagegen heftige Erderschütterungen wahrgenommen. In Canea sind mehrere Häuser beschäoigt.
L Ne mark, N.-D., 3. Juli. Die Nachstehenden, sämtlich aus- gewanderte Liebenzeller, senden bei Gelegenheit einer hier stattgehabten Zusammenkunft, in welcher sie frohe Stunden des Wiedersehens erlebten, die herzlichsten Grüße übers Meer an alle ihre Bekannten in der alten Heimat: Andr. Burkhardt, New Dock; Jakob Theurer mit Frau, Philadelphia; William Groß, Newark; John Burkhardt mit Frau, Brooklyn; Philipp Burkhardt, Philadelphia; Johannes Sorg, Newark; William Forstbauer mit Familie, Greenpoint; Ernst Groß, Newark; Rosa Kek, Newark; Friedr. Seyter, Newark; Marie Keller, geb. Groß, Newark; Mich. Weiß (Biliam), Newark; Michael Theurer, Philadelphia; Theod. Kek, Newark; Fritz Emendörfer, New-Aork; Luise Burk har dt, Newark; Gottliebin Rentschler, jetzt Witz, Newark.
— Ein schrecklicher Unfall ereignete sich am 16. Juli auf dem Bahnhofe St. Thomas am Ontario (Kanada) infolge Zusammenstoßens zweier Züge. Das Petroleum faßte Feuer, welches sich dem Bahngebäude mitteilte. Es entstand eine unbeschreibliche Panik. Man zählt 19 Tote und etwa 40 Verwundete.
WevrniscHtes.
— Das „Berl. Tgbl." bestreitet „auf Grund authentischer Information" die Richtigkeit der über Dr. Makenzies Honorar von der „Köln. Ztg." veröffentlichten Angaben. Nicht 2500 Guineen (— 52,000 wie das genannte Blatt meldete, sondern 1000 Guineen (— 21,000 ^L) betrage das Honorar des englischen Arztes, und diese Summe sei in einem ähnlichen Falle vor Jahren vom Konnte der ärztlichen Gesellschaft in London als „der Etikette gemäß" erklärt worden.
(Das Jubiläumsfest als Schatzheber.) Eine Frankfurter Familie hatte gelegentlich der Schützenfestfeier den Eingang zu ihrer Wohnung mit allerlei alten Waffen u. dergl. geschmückt, welche Gegenstände aus dem Nachlasse des vor längerer Zeit verstorbenen Vaters der Hausfrau in den Besitz der letzteren gelangt waren. Nach Wegräumen der Dekoration überließ man einen alten Frankfurter „Graumänner-Tzako" den Kindern zum Spielen. Letztere batten bald den Deckel der Kopfbedeckung abgerissen und zeigten nun ihrer Mutter allerhand Papiere, welche sie aus der entstandenen Otffnung hervorlangten. Als man hierauf den Tzako näher untersuchte,
nahe kahles Haupt, welches an Schläfen und Nacken nur spärliche, schneeweiße Härlein zeigte. Es war vr. Brastberger, des Herzogs Leibarzt.
Beim Anblick des übermäßig erhitzten Jungen murmelte der greise Arzt etwas von unberechenbarer Fürstenlaune, traf sogleich Vorkehrungen zu Konrad's sorgfältig« Abkühlung und empfahl im dringend Ruhe.
Allein gelassen in einem kühlen Hinterstübchen, teilten sich nun die Freunde ihre Erlebnisse seit Ihrer Trennung mit.
„Mir hat Gott viel Gnade erwiesen", lautete Konrad's Erzählung. „Als mich der Herzog mein« entzündeten Augen wegen mit nach Stuttgart zu nehmen beschloß und ich in Tübingen von Euch allen Abschied nehmen mußte, that mir wohl das Herz unaussprechlich weh; da aber der Fürst so leutselig mit mir war und sich so liebreich gegen mich erwies, fand ich mich in die Trennung von meinen Eltern und Freunden. Sobald wir in Stuttgart angekommen waren, übergab mich der Herzog d« Pflege seines Leibarztes, d« nach gründlicher Untersuchung meiner Augen fand, daß dieselben sehr angegriffen seien und der sorgfältigsten Pflege bedürfen, ja er sprach sogar die Befürchtung aus, es könne unter Umständen einmal vollständige Erblindung ein- treten. Auf das herzliche Zureden des Fürsten nahm mich schließlich d« greise Doktor in sein Haus. Meine Augen stärkten sich bald unter seiner geschickten Behandlung dermaßen, daß ich den Zeig« der Uhr auf dem Stiftsthurme «kennen konnte. Den ganzen Tag darf ich auf den Bergen Herumstreifen, oder sonst thun und treiben was mir Kurzwell macht, nur ist mir das Radschlagen verboten, welches doch von jeher meine größte Lust war. Auch heute schüttelte mein guter Doktor unwillig den Kopf, als mich d« Herzog auffordem ließ, meine Geschicklichkeit vor ihm und seinen fürstlichen Gästen zu zeigen, während ich selbst mich doch so unendlich freue, meinem Wohl- thät« zu Diensten zu sein. Bis an das Ende der Welt würde ich gaugeln, wenn er es von mir begehrte, und sollte ich darüber meiner Augen Licht vollständig verlieren." „Das verhüte Gott!" rief Amandus, von dem Uebereifer seines Freundes «schreckt, obgleich er selbst dessen dankbare Gefühle für den Herzog teilte.
„Am gleichsten macht es mich", fuhr Konrad fort, „daß mir hi« Gelegenheit geboten ist, Musik zu hören, so viel ich begehre. Ich vergesse alles rings umher.
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