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und derMaritana Walzer" aus Don Cesar, mit stürmischem Applaus die Barcarole" von Wagner undDie Post im Walde" ausgenommen, welche denn auch wiederholt zum Vortrag gelangten. So bot denn wieder die Kapelle unter der tüchtigen Leitung des Herrn Bley, der sein Instrument selbst meisterhaft zur Geltung zu bringen weiß, recht vortreffliches, und es wäre der Abend voller Harmonie und auf das vergnüglichste verlaufen, wenn nicht eine Schar betrunkener Studenten den Platz für geeignet gehalten hätte, ihrem Uebermut die Zügel schießen zu lassen; sie wurden jedoch mit Stühlen, Stöcken, Biergläsern nachdrücklich zur Ruhe verwiesen und zum Lokal hinaus- besördert. und alsdann nahm das Konzert ungestörten Fortgang. Einige Stuventen wurden verhaftet.

Strümpfelbach, im Remsthal, 25. Juni. Bei uns sind gegen­wärtig Männer und Frauen mit Kirschenbrechen beschäftigt, und es ist interessant, mit anzusehen, wie oft Frauen im höchsten Gipfel des Baumes die köstliche Frucht einheimsen. Unfall haben wir, Gott sei Dank, Heuer keinen zu be­klagen bei der gefährlichen Arbeit. Es wurde eine halbe Ernte erwartet, giebt jetzt aber mehr. Daß die Händler aus München, Constanz, Augsburg, Ulm und anderen Orten sie selbst hier zusammenkaufen, komint uns sehr zu gut, dadurch bleiben sie immer im Preise. Bei dem prächtigen, trockenen Wetter kommen sie auch bei der Versendung auf große Entfernungen noch wohlbehalten an Ort und Stelle an. Die anderen Obstbäume stehen leiver allerorts wieder leer. Die Winterfrucht ist überall schön, die Sommerfrüchte haben an manchen Stellen von der Nässe gelitten und sind darum ziemlich ungleich.

Vaihingen a /E., 24. Juni. Heute vormittag wurde in der hiezu besonders geeigneten Gartenhalle zum Schwanen eine Ausstellung des hiesigen Geflügel- und Vogelzuchtvereins erröffnet, die sehr reichhaltig ist. Die auf drei Seiten geschloffene und auf der Gartenseite offene. 15 Meter hohe Halle ist mtt Tannen, Guirlanden und Fahnen in den Stadtfarben und in Landes­farben geschmückt. Im Hintergrund befindet sich ein Bassin mit Spring­brunnen, in welchem sich das Wassergeflügel als: Pommer, und italienische Riesengänse, verschiedene Entenarten. Peking-, Ruen-, Bisam-, Arflesbury« Enten und verschiedene Arten Italiener lustig tummeln. Zu beiden Seiten des Haupteingangs sind Landhühner untergebracht, während auf der rechten Seite verschiedene Taubenarten und ihnen gegenüber viele Kanarienvögel vom feinsten Harzer bis zum gewöhnlichen Landkanarrenhahnen, sowie mehrere Arten exotischer Vögel sich befinden. Auch sind verschiedene Futterforten und Käfige rc. aufgestellt. Besondere Aufmerksamkeit verdient eine von der K. Zentralstelle mit großer Bereitwilligkeit abgegebene Brutmaschine. Der Schluß der Ausstellung findet nächsten Montag, den 27. d. M., statt.

Weinsberg, 23. Juni. Ein bedauerlicher Unglücksfall kam vorgestern der W. Ztg. zufolge in Elb Hosen vor. Der Sohn des Priva­tiers Stephan stürzte von einem Kirfchbaum, wo er mit Pflücken von Kirschen beschäftigt war, so unglücklich auf einen untenstehenden Pfahl, daß ihm dieser auf der inneren Seite d>s linken Oberschenkels ein- und bis zum Ende des Hüftknochens, ohne jedoch die Bauchhöhle zu berühren, vordrang. Der Pfahl brach am Schenkel ab und ließ ein ca. 21 Cmtr. langes Stück, das auch ein Stück der Hosen mit in den Schenkel hineinzog, stecken. Der Zustand des Verunglückten, welcher sofort in ärztliche Behandlung genommen wurde, ist erträglich, jedoch steht derselbe noch immer in Lebensgefahr. Gestern früh zwischen 9 und 10 Uhr brach in dem Hause des Friedrich Schaffroth in Reisach Feuer aus, welches, da nahezu die ganze Einwohnerschaft auf dem Felde beschäftigt war, in solch rascher Weise um sich griff, daß binnen kurzer Zeit bas ganze aus Wohnhaus und Scheuer bestehende Gebäude vollständig abbrannte. Soviel ermittelt werden konnte, wurde der Brand durch den 7jährigen Sohn des Schaffroth, der das hinter dem Haus befindliche Laub anzündete, verursacht.

Ebingen, 23. Juni. Eine gewaltige Feuersbrunst, wie wir solche feit dem großen 1844er Brand nicht mehr erlebt, hat heute nachmittag

unsere Einwohnerschaft in große Aufregung versetzt. Um 1'/^ Uhr ertönten plötzlich die Alarmsignale der Feuerwehr, die heute die schwerste Probe seit ihrem 35jährigen Bestehen ablegen sollte. In der engen Langengasses?) war in der linken, noch ganz ineinanderhängenden Häuserreihe Feuer aus­gebrochen. Nach wenigen Minuten, noch ehe die rasch anrückende Feuerwehr eingreifen konnte, standen die Giebel von 34 und binnen kaum ^ Stunden schon 7 -8 Häuser in Hellen Flammen. Während man hier sich bemühte, dem Weitergreifen des verheerenden Elements ein Ziel zu setzen, ergriffen die von der herrschenden Hitze und wiederholten Windstößen getragenen Flammen 3 Häuser der rechten Reihe und später, als der Wind abermals drehte, wieder einige aus der entgegengesetzten Richtung stehende Gebäude der linken Reihe. Ueberall fand das Feuer bei der großen Trockenheit reiche Nahrung, so daß abends 5 Uhr 15 Wohngebäude vollständig zerstört und etwa 25 Familien ihres Obdachs beraubt waren. Ein großer Teil des Mobiliars konnte indes gerettet werden. 48 zum Teil stark bedrohte andere Häuser mußten von den Bewohnern ebenfalls geräumt werden und haben durch Hitze und Waffer- güffe nicht wenig gelitten. Der Gesamtschaden (nicht zu verwechseln mit den versicherten Beträgen) dürfte 60 bis 70,000 vtL erreichen. Entstehungsursache noch unbekannt, dürfte aber vermutlich in irgend einer schadhaften Stelle am Kamin oder dergl. zu suchen fein. Besondere Aufmerksamkeit mußte man während das Brandes auf das nach allen Richtungen getragene Flugfeuer richten; so entzündete sich, als man sich wegen der Eingrenzug des Feuer­herdes allmählig zu beruhigen begann, plötzlich das Dach des Turmes der sogenannten Kapellkirche, welche ziemlich weit vom Brandplatz, fast in der Mitte der Stadt, gelegen ist. Nun gab's zum allgemeinen Schreck nochmals Alarm, doch gelang es einer rasch hinbeorderten Steigerabteilung die Flammen ohne weiteren Schaden zu dämpfen. Der 23. Juni wird in Ebingen nicht so bald vergessen werden. Und doch muß man gottlob sagen; denn wäre dieses Feuer zur Nachtzeit ausgebrochen, so hätte man den Ruin eines ganzen Stadtteils zu beklagen.

WevnriscHtes.

Die Katastrophe von Paks. Nach den nunmehr vollendeten amtlichen Aumahmen über die Pakser Katastrophe wurde konstatiert, daß auf der verunglückten Plätte 372 Personen, 2 Fiakerpferde und 1 Zug­pferd sich befanden. Es haben sich 176 Menschen gerettet; 151 Personen wurden als Leichen aus den Wellen gezogen, 45 Personen werden« er - mißt, die gewiß gleichfalls den Tod in den Wellen gefunden haben, so daß die Zahl der Opfer sich auf 196 beläuft. Die bisher vermißten Leichen dürften nicht so bald und nicht so leicht zum Vorschein gelangen, da sich leider so verbrecherische Menschen fanden, welche die Leichen erst beraubten, sortschwimmen ließen oder gar versenkten. Von den Umgekommenen Dorogher Murktfahrern, die beträchtliche Geldsummen mit sich führten, wurde bisher kein einziger aufgefunden. Erst gestern gelang es der Gendarmerie, drei dieser Leichenräuber dingfest zu machen, und nach einem vierten wird jetzt gefahndet. Es wurde amtlich konstatiert, daß die Plätte höchstens eine Tragfähigkeit für 250 Personen besaß; 57 Familien verloren ihre Ernährer und 134 Kinder wurden zu Waisen.

In London ist dieser Tage ein gewisser Alfred Allen von der Landunasbrücke bei Blackfriars in die Themse gesprungen. Er wurde von einem B'ückenaufseher herausgefischt und bewußtlos ans Ufer gebracht. Am andern Tage erschien der Mann vor dem Polizeirichter, um sich für seinen Selbstmordversuch zu verantworten. In seiner Tasche fand sich in eine Zmnbüchse gewickelt ein so rührender Abschiedsbrief an seine Frau, die Mutter seiner acht Kinder, daß nicht viel gefehlt, hätte und der ganze Polizei­hof wäre in Schluchzen ausgebrochen. Seine Frau erschien ebenfalls und bestätigte, daß ihr Mann im Frühjahr aus seiner Stelle in der Gasanstalt entlassen worden sei und seither keine Arbeit gefunden habe. Sie selbst habe

Arme Tini! Und um das alles bist Du gekommen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn wir nicht nach Wildenstein gegangen wären."

Das meine ich auch."

Dann kam der Tag, wo sie wieder zum ersten Mal durch das Schloß schreiten durfte. Sie fühlte sich so jung, so froh, wie befielt non Allem, womit das Leben sie belastet hatte.

Es ist mir, als ob ich wieder zwölf Jahre alt wäre, Tini. Damals spielten wir hier Verstecken in den Gängen. Denkst Du noch daran?"

Ach, wer wird an solch dummes Zeug denken. Sei nur hübsch ruhig und «rrege Dich nicht."

Hast Du nichts von Fernegg gehört?"

Nein."

Die Aerzte haben Dir verboten davon zu sprechen?

Nein. Aber ich sagte Dir schon. Du sollst Dich nicht aufiegen."

Ach ich bin ja so ruhig. Wenn es nur bald Frühling wird. Wenn ich nur bald hinaus darf. Hast Du wirklich nichts von ihm gehört?"

Nein."

Ich denke an ihn, wie ich an meinen Vater denke. Du hast nichts zu be­sorgen er ist für mich gestorben. Wenn Du auch nein sagst mein Herz ist ruhig. Glaubst Du denn, wenn ich so halbe Tage lang am Fenster sitz' und in den Schnee starre, ich denke nicht an das Vergangene? Ich bin zufrieden, wie es kam. Mir ist, als hätte ich den schwersten Kampf des Lebens hinter mir. Ich habe etwas überwunden etwas Du weißt, daß sich Alles leichter überwinden läßt, als das. Und hätt' ich's nicht überwunden es wäre nicht zu unserm Glück gewesen. Ich bin nun einmal anders als Andere und wer so ist, der soll allein bleiben."

Du verfällst wieder in Deine alten Thorheiten."

Nein, das liegt alles hinter mir. Ich bin wieder ein Kind, ich will ein Kind sein und mich freuen an Allem und an die Dinge nicht denken, die für Kinder sind."

Du schwärmst."

Nenn es wie Du willst, aber mein Herz jubelt, wenn ich daran denke, daß ich nun bald wieder in den Wald darf, Sträuße binden, Erdbeeren pflücken und dann ich will mir auch wieder ein Pferd anschaffen, Du sollst auch wieder eins haben, Tini, und da wollen wir durch das Thal jagen wie ausgelassene Jungen."

Der Frühling kam und spann seinen Zauber um das Schloß. Erst kam er leise, blies den Schnee hinweg und verlockte den Bach zu tollen Sprüngen. Dann nahm er die Backen voller und sandte linde Ströme durch den Wald, daß die Bäume erbebten und alles zu schwellen und knospen begann. Dann stieg er auf die Berge, jagte den Schnee zu Thal, daß überall ein Rieseln und Quellen sich regte und der Bach Wiesen und Felder überflutete. Und dann fegte er die Wolken fort und die Sonne stieg auf so warm und leuchtend, daß die Knospen aus den Hüllen drangen und plötzlich ein grüner Hauch über Baum und Strauch, über Wiese und Wald flog. Alles Licht und Glanz, Sprossen und Blühen, und so reich quoll das Leben überall hervor, als wäre das Alles der erste Glückstraum einer jungen Seele.

Und neugierig, als sehe sie das Treiben zum ersten Mal, schritt Johanna durch Garten und Wald. Sie betrachtete die ersten Knospen, als wäre das alles Blut von ihrem Blute, sie jubelte, als sie das erste Veilchen fand und hütete es wie einen kost­baren Schatz, und jeden Tag schritt sie von Baum zu Baum, um zu sehen, ob es ihm schon ans Herz ging. Und dabei rundeten sich ihre Wangen wieder, ihre Glieder kräftigten sich, ihre Seele wurde wärmer, ohne die Heiterkeit einzubüßen. Und manch­mal regte sich's auch in dieser Seele wie eine fremde Glut, über ihre Stirn flog eine heiße Röte und eine seltsame Beklemmung kam über sie. Und da geschah es wohl, daß plötzlich das Bild des Grafen vor ihr aufstieg und daß sie nichts dabei dachte und sich nur in das Traumbild versenkte, wie sie sich oft genug in den Anblick einer Blüte, eines knospenden Zweiges verlor. Aber sie dachte nicht daran, daß sie ihn je wieder sehen könnte, und kein Verlangen danach erfüllte sie. Nichts trübte jetzt sein Bild, sie durfte es lieben, wenn sie auch anders war als er, anders als andere Menschen.

(Schluß folgt.)