Yro. 74.

82. Jahrgang

Amts- unä IntelligenMatt für äen

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Kamstag.

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Dienstag, äen 28. Juni t88?.

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öie WeöakLion.

'PotitifcHe Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 24. Juni. Der Kaiser erschien heute mittag beim Auf­ziehen der Wache auf der nach dem Opernplatze zu gelegenen Veranda des Palais und wurde, sobald die schon seit Stunden vor dem Palais auf diesen Moment harrende Menge des Monarchen ansichtig wurde, mit enthusiastischen Hochrufen begrüßt. Der Kaiser, durch diese Ovation sichtlich bewegt, dankte nach allen Seiten durch mehrmaliges Neigen des Hauptes. Zugleich mit dem Kaiser war auch die Großherzogin von Baden auf der Veranda erschienen, jedoch nur wenigen im Publikum sichtbar, da sie sich im Hintergrund zurück­hielt. Nach dem Vorbeimärsche der Wache wurde vom Publikum die National­hymne angestimmt, worauf oer Kaiser sich in sein Arbeitszimmer zurückzog. Gegen 2 Uhr unternahm der Kaiser in Begleitung der Großherzogin von Baden im offenen Wagen zum ersten Male nach seiner Wiederher­stellung eine kurze Spazierfahrt. Am späteren Nachmittage nahm der Kaiser den Vortrag des Grafen Perponcher entgegen, empfing den kommandierenden General des Gardekorps v. Pape und arbeitete demnächst mit dem Chef des Zivilkabinets.

Die Kaiserin ist gestern nachmittag wohlbehalten in Coblenz eingetroffen.

Der Kronprinz bleibt, wie dieVoss. Ztg." erfährt, bei vor­trefflichem Befinden; däs Aussehen des Kehlkopfes ist völlig befriedigend und eine Kongestion nicht vorhanden, obwohl die Stimmbänder etwas abgespannt sind. Da der Kronprinz in dieser Woche unmöglich die nötige Ruhe beobachten konnte, hat es Dr. Mackenzie nicht für wünschenswert erachtet, eine > neue Operation vorzunehmen; er hat jedoch eine Auflösung von Hyperchlor-

Abuillbtön. Nachdruck verboten.

Schkoßzauöer.

Novelle von ßmtt H»efchkau.

(Fortsetzung.)

Und Sie, Johanna Sie können nicht verzeihen?"

Ich verzeihe Ihnen Alles. Aber lasten Sie mich ich bin krank. Wenn Sie wüßten wie das in mir" sie legte die Hand ans Herz und zuckte krampfhaft

wie das ... . Leben Sie wohl, adieu."

Sie wandte sich um und schritt denselben Weg abwärts, den sie am Morgen gegangen war. Und bei dem Rinden-Pavillon schlossen sich ihre Augen, eine Ohn­macht umfing sie.

Der Graf sah ihr nach und schlug sich verzweifelt vor die Stirn. Dann über­stieg er das Gitter und schritt wieder den Pfad hinab nach der Schlucht.

Das Master rauschte dumpf über die Felsen und in dem schwarzen Naß zitterte der Silberglanz des Abendsterns. Dann zog eine Wolke vorbei und auch dieses Licht verschwand. Der Graf dachte an den Rittmeister von Rifka. Dieser sprühende lebenslustige Mensch warum hatte er sich getötet? Warum töten sich jene Menschen, die aus der Welt scheiden, man weiß nicht warum? Wenn er jetzt ein Ende machte, sich hinunterstürzte in diesen tobenden Strudel wo war der Kluge, der der Welt sagen konnte, darum that er es? Wo sind die Klugen, die alle Untiefen des Lebens ermessen haben und dir zurufen könnten: Dort kühner Segler, nimm Dich in Acht

dort kannst Du scheitern. Und bist Du gescheitert wer findet sie heraus aus diesen Milliarden Klippen, die eine Klippe, die Dich Hinabriß ....

* *

*

Die Winterstürme fegten wieder durchs Thal aber Johanna sah und hörte nichts davon. In dem stillsten Zimmer des Schlosses lag sie seit Wochen mit dem Tode ringend. An ihrem Lager saß Tini, die zärtlichste und aufmerksamste Pflegerin, '

saurem Eisen bei mehreren Gelegenheiten angewendet und wahrscheinlich wird ein weiterer Teil der Wucherung anfangs nächster Woche entfernt werden. Der noch unbeseitigte Rest hat bisher nicht die mindeste Neigung zu wachsen bekundet.

Leizig, 22. Juni. Die Verteidigung der in dem Hochverratsprozcsse verurteilten Angeklagten Köchlin-Claudon, Blech, Trapp und Schiffmacher hatte beim Reichsgericht die vorläufige Entlastung der Genannten behufs Ordnung ihrer Angelegenheiten beantragt. Dieser Antrag ist vom obersten Gerichtshof abgelehnt worden und zwar bezüglich sämtlicher Angeklagten. Die Verurteilten verbüßen ihre Strafe in Magdeburg.

Hcrges-WerrigkerLen.

Simmersfeld, OA. Nagold, 23. Juni. Beim Neubau unserer Kirche ereignete sich heute nachmittag ein schweres Unglück. Schon war das Turmgerüste glücklich vollendet, als der 21jährige Jakob Gaiser, Sohn des Bauunternehmers Gaffer von Baiersbronn, von dem Gerüste des Haupt­baues einige Balken entfernen wollte. Hiebei glitt das Seil aus und der Balken traf den jungen Mann so unglücklich auf den Hinterkopf, daß er tödlich verletzt wurde und dann noch eine Höhe von 1112 m herabstürzte. Der Verunglückte kam nicht mehr zum Bewußtsein und starb, ehe der her­beigerufene Arzt ankam. Der Verunglückte und seine Angehörigen werden allgemein bedauert.

Horb, 22. Juni. Gestern ereignete sich in dem nahen Nord- stetten ein erschütternder Unglücksfall. Das 12jährige Söhnchen des dortigen Sonnenwirts Dampf wurde beim Abladen des Heues von der herabfallenden Aufzugswelle getroffen. Der Junge fiel vorn Wagen auf den Boden und war ohnmächtig, erholte sich jedoch bald wieder und vergnügte sich später mit seinen Jugendgenoffen auf der Gasse so heiter, als wäre ihm nichts zugestoßen. Abends legte er sich anscheinend frisch und gesund zu Bette. Als er diesen Morgen nicht zur gewohnten Zeit ausstand, sah man nach ihm und fand ihn tot im Bette. Der Schrecken und die Bestürzung der Angehörigen ist unbeschreiblich.

Eßlingen, 25. Juni. Vielseitigem Wunsche entsprechend, hielt gestern abend die Kapelle des königl. württemb. Ulanenregiments Nr. 19 unter der Leitung des Stabstrompeters Herrn Bley im Kugel'schen Garten ein Konzert ab, welches von dem herrlichsten Wetter begünstigt war und sich eines recht guten Besuches zu erfreuen hatte. Mit großem > Beifall wurden namentlich dieStradella-Ouverture" ,Phantasie überK I Sträußli",Potpourri aus dem lustigen Krieg",Fackeltanz von Meyerbeer"

die man sich denken konnte, und in dem Vorraum lagen die Diener auf den Knieen und beteten. Jetzt ging die Thür auf und die Aerzte traten heraus.Gerettet", sagten sie,Geht nur keinen Lärm, keine Aufregung." Der alte Braun lachte, während ihm noch die Thränen aus den Augen rollten, und die Sepherl sagte leise zu ihrer Nachbarin:Es hat gewirkt, ich Hab mein Muttergottesgroschen in die Klamm ge­worfen." Dann gingen sie und jetzt brach der Jubel, der ihre Herzen erfüllte, erst recht aus. Und als dann wieder eine Woche vergangen war, da dursten sie alle zu ihr und sie sprach mit Jedem freundliche Worte. In dichtes Pelzwerk gehüllt, saß sie am Fenster draußen funkelte schon wieder die Sonne durch die Schneekrystalle die an den Zweigen hingen und das Helle Gold strahlte auch auf ihrem bleichen Ge­sichte. Es wird Frühling, Tini, sagte sie und streichelt zärtlich die Hand der Pflegerin.

Noch nicht, wir sind noch im Februar aber bald."

'Bald" Sie hob ihre Augen nach dem blauen Himmel und faltete die Hände.Bald", wie bald und sie durfte die Glieder wieder regen, durfte wieder hinaus in die schöne Sonne zu ihren Armen, zu ihren Vögeln.

Ihr habt doch die Amseln gefüttert?"

Arme Tini! Wie muß Dir zu Mute gewesen sein: Bist uni alle Freude gekommen."

Ach, denk nicht daran. Viel Freude wär' ja in dem verwunschenen Schlöffe doch nicht gewesen."

Aber nächsten Winter Tini, da bleiben wir in der Stadt, da machen wir alles mit."

Nur schade, daß wir den Jahrmarkt versäumt haben."

Den Jahrmarkt?"

Ja. O, es muß herrlich gewesen sein! Besonders die Nationalitäten-Eaft-s. Aber das regt dich auf."

Mich? Nicht im Geringsten. Also in hübschen Kostümen?"

Ach ganz prächtig! Ich hätte mich als Odaliske gekleidet. Wie ich die Zeit­ung las, dachte ich sofort daran. Ich Hab so was Orientalisches im Gesicht, findest ^ Du nicht?"