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aus Anlaß seines heutigen fünzigjährigen Dienstjubiläums AllerhöchstDeren Bild mit nachstehendem gnädigsten Handschreiben übergeben lasten.

Stuttgart, den 18. Juni 1887.

Mein lieber Staatsminister der Finanzen Dr. v. Renner! Die Feier Ihres fünfzigjährigen Dienstjubiläums, welche Sie am 20. d. M. begehen, giebt Mir einen willkommenen Anlaß, Ihnen für die ausgezeichneten Dienste, welche sie während eines so langen Zeitraums zum Teil unter den schwierigsten Verhältnissen Meinem Königlichen Hause und dem Lande geleistet haben, Meinen gnädigsten Dank und Meine volle Anerkennung auszusprechen.

Als ein besonderes Zeichen dieser Meiner Gesinnungen übersende Ich Ihnen beifolgend Mein Bild. Erkennen Sie darin den Ausdruck der Hoch­schätzung und des dankbaren Gefühls, in welchem Ich nicht minder die Mir von Ihnen stets bewiesene persönliche Anhänglichkeit und Ergebenheit ehren möchte.

Mit Meinen teitnehmenden Glückwünschen zu der bevorstehenden Feier verbinde ich den aufrichtigen Wunsch, daß Sie noch viele Jahre ungestörter Kraft und Gesundheit sich erfreuen mögen, und verbleibe im Uebrigen unter der Versicherung meines fortdauernden Wohlwollens und Vertrauens, Mein lieber Staatsminister Dr. v. Renner, Ihr gnädiger König Karl.

Gmünd, 19. Juni. Unsere Stadt war bis jetzt ohne Theatergebäude. Die Direktion Steng. Kraus, welche seit vielen Jahren hier Gastspiele veranstaltete, hat nun aber auf derWilhelmshöhe" auf eigene Rechnung ein Sommertheater erbaut, das mit amerikanischer Raschheit entstand. Das große Holzgebäude soll 1000 Personen fassen und hat den entsprechenden Vorzug, daß cs elektrisch beleuchtet ist. Die entsprechenden Arbeiten hiezu besorgte Ingenieur Reiser aus Stuttgart. Heute ist die Eröffnung des neuen Musentempels.

Reutlingen, 20. Juni. Herr Gustav Werner ist leider seit einigen Wochen an einer Flüssigkeitsansammlung in der rechten Brusthöhle erkrankt. Die Krankheit scheint in letzter Zeit einen bedenklichen Charakter angenommen zu haben. Es stellte sich vor einigen Tagen eine bedeutende Abnahme der Herzthätigkeit ein , welche bei dem Alter des Patienten in hohem Grad besorgniserregend ist.

Eg gingen, OA. Blaubeuren, 18. Juni. In dem Schuppen von Anastasius Schaffner brach heute nachmittag Feuer aus, welches sich dem Wohnhaus mitteilte und dasselbe vollständig in Asche legte. Das Feuer ergriff auch das danebenstehende Wohnhaus von Jakob Groß, welches eben­falls zum größten Teil niederbrannte. Auch für die übrigen, nur wenige Meter entfernten Nachbargebäude war die Gefahr eine sehr große; die Feuer­wehr verhinderte aber das Weiterumsichgreifen des Feuers. Der 5jährige Knabe hat den Brand durch Spielen mit Zündhölzchen verursacht.

Hall, 17. Juni. Zu der heute in Anwesenheit des Herrn Präsidenten v. Bätzner, Landesoberstallmeister v. Hofacker, Oberregierungsrat Häberlen vorgenommenen Prämierung von Zuchtpferden wurden vorgefühlt 48 Stuten mit Fohlen und 57 Fohlen aus allen 4 Kreisen des Landes. Die Prämierung war vom besten Wetter begünstigt und es kamen zur Verteilung für Zuchtstuten 10 Preise und 1 Nachpreis, für Hengstfohlen 2 Preise, für Stutsohlen 11 Preise, für Zuchtfamilien 2 Preise. Der von dem Fränk. Pferdezuchtverein eingerichtete Fohlengarten bei Obermühle wurde von der Kommission in Augenschein genommen, dieselbe hat Ihre Befriedigung aus- gesprochen. Der Fohlengaiten erfreut sich stets der Besuche und der An­erkennung von näherer und weiterer Umgebung, er ist mit 35 Fohlen besetzt, welche beste Wart und Pflege genießen.

Friedrchshafen, 18. Juni. Heute mittag 1 Uhr 25 Minuten traf der Extrazug, welcher S. Maj. unfern in Ehrfurcht geliebten König in die Sommerresidenz führte, hier ein. Böllersalven und Glockengeläute verkündeten das frohe Ereignis. Die k. Beamten, die bürgerlichen Kollegien

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und die Geistlichkeit hatten sich zum Empfange S. Maj. auf dem Bahnhof­platze aufgestellt. Als derselbe den Bahnhof verließ, brachte Stadtschultheiß Schmid ein Hoch aus, das allseitig begeisterten Widerhall fand. Die Stadt, der Hafen und die württ. Dampfschiffe sind festlich beflaggt. Die Dampf­boote salutieren beim Ein- und Auslauf vor dem k. Schloß.

Baden-Baden, 17. Juni. Mit dem heutigen Tage hat die Fremdenzahl die Gesamtziffer von 16,140 erreicht.

Mainz, 17. Juni. Infolge der bevorstehenden Zollerhöhung auf Spirituosen sehen, wie das M. T. schreibt, sich unsere Spiri­tuosenhandlungen veranlaßt, ihre mitunter recht bedeutenden Vorräte zu versteuern. Daß dadurch der Staatskasse enorme Summen zugeführt werden, erhellt beispielsweise aus dem Umstande, daß gestern die hiesige Firma A. Mayer etwa 31,000 ^ Zollgebühren für etwa 350 Hektoliter Cognac an die Hauptstaatskasse bezahlt hat.

Zürich, 18. Juni. Am Morgen des 1. Mai d. I. schoß, wie s. Z. ge­meldet, der Nordostbahningenieur Lutz von Rheineck nach einem unbedeutenden Wortwechsel beim Bahnhof in Zürich mit einem Revolver den Schriftsetzer Bürgin nieder, der mit einigen Genossen aus einer fröhlichen Gesellschaft kam. Andern Tages gab sich Lutz der Polizei als Thäter an. Am 14. d. stand er vor dem Zürcher Schwurgericht unter der Anklage des Totschlags. Er erklärte sich nicht schuldig und behauptete Notwehr. Er sei von Bürgin am Halse gepackt worden und habe, weil er schon einmal bei Nacht an der­selben Stelle von einem Unbekannten schwer verwundet worden, sich mit einem Revolver bewaffnet und nervös aufgeregt, wie er sei, den Angreifer über den Haufen geschossen. Die anwesenden Zeugen sahen nicht, daß Lutz gepackt wurde. Die Geschworenen aber glaubten ihm und sprachen ihn nur der in Ueberschreitung der Grenze der Notwehr verübten Tötung schuldig, worauf das Gericht ebenso milde ihn zu 4 Monaten Gefängnis und in die Kosten verurteilte. Dieses Urteil hat böses Blut bei den Arbeitern gemacht. Vor wenigen Monaten hat einer der Ihrigen seinem Aufseher, der ihm kündigte, den Schädel eingeschlagen. Merkwürdigerweise starb der Verletzte nicht an der Wunde, ist aber zeitlebens arbeitsunfähig. Der Arbeiter wurde wegen schwerster Körperverletzung zu 4 Jahren Arbeitshaus ver­urteilt. Er handelte aus Rache und seine That streifte nahe an Mord­versuch. Und jetzt stellt der Hetzer Consell die Urteile neben einander, behauptet, die Justiz übe nicht gleiches Maß gegen Arbeiter und Nichtarbeiter und hat eine Volksversammlung auf Morgen zusammengetrommelt, um gegen das Urteil Lutz zu protestieren. (Der Frkf. Z. wird am Sonntag gemeldet: Etwa 4000 Arbeiter demonstrierten auf dem Tonhallrplatz unter gewaltiger Volksteilnahme gegen die zu milde Verurteilung des Mörders Ingenieur Lutz im Verhältnis zu der Strafe des Gießers Göckler. Sie erklärten das Urteil als Klassenjustiz und beschlossen eine Volkspetition um GöcklerS Frei­lassung.)

Der Liller Schnellläufer Anselm Colette ging eine Wette im Betrage von 50,000 Fr. ein, daß er innerhalb 10 Stunden den Weg von Lille nach Brüssel im Schnelllaufe zurücklegen werde. Sonntag, den 12. Juni, um 6 Uhr morgens, brach Collete vom Liller Bahnhof auf und langte um 3 Uhr 40 Min. nachmittags in Brüssel auf der Place Jamar an. Der Schnellläufer hat die 105 Kilometer lange Strecke in 9 Stunden 40 Minuten in ununterbrochenem Daueilauf zurückgelegt.

Die neuesten Berichte über die Katastrophe bei Paks stellen die­selbe noch furchtbarer dar, als angenommen wurde. Auf der verunglückten Fähre befanden sich etwa 370 Menschen. Zwei Wagen samt Pferden und 127 Menschen sind gerettet, 170 Leichen bereits herausgefischt, 70 Personen werden vermißt. Am Sonntag wurden 100 Personen begraben, wobei sich herzzerreißende Scenen abspielten. Die Katastrophe ist durch Ueberfüllung

dem etwas anders geworden wäre wer trüge dann die Schuld? Haben Sie noch nie gehört, daß ein Weib, wenn ihm die Sehnsucht das Herz zu zersprengen droht und der Erträumte nicht kommt, in ihrem Taumel gar leicht einen andern nimmt? Und ist er nicht ein hübscher Bursche? Ich würde es ihr gar nicht verdenken, wenn sie ihn bemerkt hätte."

Sie faßte seinen Arm, suchte seine Augen, die zu Boden gerichtet waren, und sagte dann gutmütig: Es thut mir leid um sie, Fernegg, aber geben Sie Acht."

Er sah sie prüfend an, seine Augen brannten und eine finstere Falte hatte sich zwischen seine Brauen gelegt.

Baronesse", sagte er mit zitternder Stimme,Sie sind ein Teufel!"

Weil ich's gut mit Ihnen meine! Seien Sie gescheit, und rennen Sie nicht gleich wieder auf den Bahnhof. Bleiben Sie in der Nähe Courage, Fernegg, Courage! . . . Und jetzt adieu! Dort kommen Leute herab. Wenn man mich mit einem Mann hier sieht Sie wissen nicht wie schlecht die Menschen sind. Wenn Sie mir ein Rendezvous geben wollen schicken Sie mir nur ein Zetterl. Adieu, Fernegg!" ....

" Sie hob ihr Kleid ein wenig höher als nötig war sie wußte, daß die zier­lichen Goldstaubpantöffelchen zwei Meisterstücke der Schöpfung verbargen eilte dann hinab auf die Straße. Dort überzeugte sie sich noch rasch, daß sie Niemand bemerken konnte, und dann trat sie hinter dem Busch hervor und trippelte, so schnell sie konnte, auf dem die Straße begleitenden Fußpfad nach dem Schlosse.

Fernegg blieb noch eine Weile stehen und schlug dann den Weg nach dem Dorfe ein. Er schritt langsam dahin, den Blick zu Boden gerichtet, die Stirne ge­furcht. Manchmal blieb er stehen, atmete tief auf, sah ins Weite und setzte dann mit einer unmutigen Handbewegung seinen Weg wieder fort. Es war ja Wahnsinn, diesen Verdacht zu teilen, und doch! Sein Verstand sträubte sich dagegen und konnte doch die Stimme des Blutes nicht übertäuben! Er bildete sich ein, ein Menschen­kenner zu sein und Johanna jetzt genau zu kennen. Ihre Seele war so rein, daß auch nicht einmal ein solcher Gedanke in ihr aufkommen konnte und doch flüsterte eS in ihm bald leise, bald stärker: und es ist nicht unmöglich. Tini war ein boshaftes Geschöpf aber was sie da gesprochen hatte, es war nicht unmöglich. Und dann ein Weib! Wann hat ein Mann je das Wesen eines Weibes ganz erforscht und

ganz begriffen! Tini war ein Weib, ein scharfblickendes Weib, mußte sie nicht schärfer sehen als er, mußte sie, die noch dazu Jahr um Jahr an Johannas Seite gelebt, die stündlich mit ihr verkehrte nicht tiefer blicken, nicht besser verstehen, als er? Nein, nein, es ist unmöglich! rief er dann empört, und dabei zischelte das Blut: Bist du deiner ersten Liebe treu geblieben? Es war, als ob ein Tropfen Gift in seinen Körper gedrungen wäre und nach und nach in alle Adern flösse und sein Gehirn durchdränge. Seine Glieder wurden schwer wie Blei, er schritt durchs Dorf wie ein Blinder, und sein Kopf schmerzte ihn, wie nach einer Reihe schlafloser Nächte. Wie er sich auch quälte und peinigte, was für Vernunftgründe er auch ins Gefecht führte, seine Phantasie klammerte sich zäh an dieses Bild. Erschreckt sank er endlich auf eine Ruhebank am Wege, und dort saß er länger als eine Stunde, so tief in Gedanken versunken, daß er keinen der Vorübergehenden bemerkte. Erst das Geläut der Mit­tagsglocken rief ihn wieder zu sich. Es war Zeit, nach dem Bahnhof zu gehen da tönte schon das Signal aus der Ferne herüber es war zu spät. Er mußte also bleiben, bleiben, als ob er sie beobachten wollte. Und doch war sein Glaube an sie aus diesen Kämpfen siegreich hervorgegangen. Sie waren rein kein Flecken trübte mehr ihr Bild. Wenn er aber floh wenn er sie sich selbst überließ war es nicht möglich, daß mit der Zeit doch ein anderes Bild das seine verdrängte? War es nicht möglich, daß und wer hätte ihr einen Vorwurf daraus machen können! Vielleicht gelang einem Andern, jene heiße, große Leidenschaft in ihrem Herzen zu erwecken, die alle anderen Stimmen übertäubt. Vielleicht und er wollte nicht einmal den Versuch wagen? Wenn es ihm gelang, zu ihr zu dringen, sie noch ein­mal zu sprechen.Ja, ja. Tini hatte Recht. Er war ein Thor gewesen. Wie

ein Prediger, wie ein Schulmeister hatte er mit dem Mädchen gesprochen, das er liebte. Wenn er kühn über den Zaun gesprungen, sie mutig umfaßt und die Sträubende festgehalten, wenn er diese Lippen berauscht hätte mit dem ersten Kuß ob es dann nicht anders gekommen wäre? Tini hatte Recht, sie ver­stand sich wirklich auf dieses Kapitel. Und doch wieder nicht, Johanna war kein Weib, das sich berauschen ließ hatte sie ihm nicht selbst ihr inneres Leben blosge- legt wie ein kundiger Seelenarzt? War ein solches Gemüt überhaupt einer großen, starken Liebe fähig, jener schrankenlosen, selbstlosen Hingabe an ein anderes Wesen, das die Liebe ist?" (Forts, folgt.)