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Der hierauf als Zeuge vernommene Landrichter Munzinger aus Straßburg sagt aus, daß Angekl. Fabrikant Köchlin im politischen Leben nie hervorgetreten sei.
Leipzig, 14. Juni, 2.25 Uhr nachm. Angeklagter Blech giebt zu, ein Freund Gambettas gewesen zu sein und 30,000 Francs zur Gründung der »Ukpubligue krsnysiso" gezahlt zu haben. Auch habe er die Sammlungen für das Gambetta-Denkmal geleitet, zu dessen Fonds er 10,000 Francs gegeben habe. Er wußte nicht, daß die Liga vor Deutschland geheim gehalten werden sollte.
Angeklagter Jordan will gar nichts von der Liga wissen.
Während der Mittagspause unterhalten sich die Angeklagten lebhaft mit ihren Freunden und Angehörigen. Der Präsident verkündet, deshalb, daß dies nicht mehr gestattet werden könne und die Angeklagten in den Pausen nach dem Gefängnis abzuführen seien.
Leipzig, 15. Juni. (Dep. d. C. Wochenbl.) Angekl. Humbert giebt an, aus der Patriotenliga bereits 1885 ausgetreten zu sein. Sein Verteidiger zeigt die photogr. Abbildung der Mitgliederliste der Patriotenliga, auf welcher Humbert nicht zu finden ist. Angekl. Freund behauptet, die bei ihm Vorgefundene Medaille nur bestellt zu haben, weil dieselbe ein Kunstwerk sei.
Hages-Weuigkeiten.
Göppingen, 12. Juni. Heute nachm, statteten uns die Lorcher Freunde den bei dem Bankett anläßlich der Eröffnung der Postfahrten von hier nach Lorch versprochenen Gegenbesuch ab. Unterwegs schloßen sich ihnen von den an der Straße liegenden Orten weitere Teilnehmer an. Bei den ersten Häusern der Vorstadt Warschau wurde der stattliche Zug, es waren 16 Wagen, von der städtischen Kapelle in Empfang genommen und unter den Klängen der Musik fuhr der Zug durch die Straßen der Stadt nach dem Gasthof zu den Aposteln. Hier sammelten sich im großen Apostelsaale um die werten Gäste eine große Anzahl Göppinger Bürger» darunter der Stadtvorstand und viele Mitglieder der bürgerlichen Kollegien. Unser Stadtvorstand gab in einer Ansprache im Namen der hiesigen Bürgerschaft der Freude Ausdruck über den freundnachbarlichen Besuch der Herren aus dem Remsthal, worauf Stadtschultheiß Sigel von Lorch den Dank für die freundliche Ausnahme und den Wunsch aussprach, daß das durch die neue Postverbindung wiederbelebte Freundschaftsverhältnis der beiden Nachbarstädte sich immer frisch erhalten möchte. Unser Liederkranz hatte die Aufgabe übernommen, die Gäste während der ersten Stunden durch seinen Gesang angenehm zu unterhalten und zu erfreuen, und daß er dieser Aufgabe im vollsten Maße gerecht wurde, davon zeugte der Beifall, den er fand und der warme Dank, den ihm der Lorcher Stadtvorstand im Namen seiner Landsleute ausdrückte. Einer der Anwesenden brachte einen launigen, gereimten Toast auf die beiden Nachbarstädte aus. Um 3>/z Uhr erschien die städtische Kapelle und begann im Apostelgarten ein Konzert, zu welchem sich eine große Menge Zuhörer drängten. Etwas vor 8 Uhr abends kehrten unsere werten Gäste wieder in die Heimat zurück.
Wevrnifchtes.
— L eb e n s v e rsi ch e r u n gs b a n k für Deutschland in Gotha. Diese älteste und größte deutsche Lebensversicherungsanstalt hat auch für das Jahr 1886 ungeachtet mancher Ungunst der Zeitverhältniffe recht befriedigende Ergebnisse ihres Geschäftsbetriebs zu verzeichnen. Es traten ihr im abgelaufenen Jahre 3673 neue Teilhaber mit einer Versicherungssumme von 27,726,600 Mark bei, welche sich durch 726 Nachversicherungen bereits versicherter Personen noch um 5,994,400 Mk. oder auf insgesamt 33,721,000 Mk. erhöhte. Die finanziellen Ergebnisse waren nicht minder befriedigend. Der reine Ueberschuß des Jahres 1886 belief sich auf 5,913,346
„Zu Zweien?" fragte Johanna lächelnd.
„'Nun, ich glaube, wir werden doch Gäste haben. Wenn man vernünftig ist, läßt sich's schließlich ja auch auf so eineni verwunschenen Schloß ganz nett leben. Weißt Du übrigens, was mir da einfällt? Das verrückte Bauwerk ist ja wie für eine Maskerade gemacht."
Johanna lächelte wieder. „Ich fürchte, Tini, Du wirst keine Maskerade zu sehen bekommen. Ich denke nicht an solche Dinge."
Tini zuckte die Achseln. „Na, so langweil' Dich, vielleicht kuriert Dich das! Dann drückte sie sich ärgerlich in ihre Ecke und schwieg.
Johanna wurde wieder ernst und sah wehmütig nach den Bergen. Dort, auf jenem kanzelartig hervorragenden Felsen — wie oft stand sie da neben ihrem Vater, ein harmloses Kind, das nichts kannte als die Lust, draußen in den Felsspalten die Steinnelken zu pflücken, und das keine Gefahr gescheut hätte, wäre ihre Hand nicht von der des Vaters festgehalten worden. Und dort — zwischen den mit Schnee übersponnenen Weiden — dort stoß der Bach. Wie oft holte man sie aus dem Waffer, wenn sie mit ihren schönen Lackstiefelchen und ihren seidenen Strümpfen darin herumpatschte, um Fische und Krebse hinter den Steinen hervorzulangen. Warum sollte sie es nicht thun, wenn es ihr Spaß machte! Papa hielt eine lange Predigt — ach! sie hörte nichts davon und dachte schon an die schönen blauen Zwetschgen, die sie im Vorbeigehen im Mühlgarten gesehen hatte. Da lag sie, die Mühle. Die Räder ruhten. Alles war still, nur der Hofhund schlug an. Es war wahrhaftig noch der alte — aber nein, das war zu lange her, „das wird der Herr Sohn sein", dachte sie lächelnd. „Tein Papa, Du Kläffer, cs war mein Freund. Er stand ruhig daneben, als ich die Zwetschgen im Garten seines Herrn stahl und wedelte mit dem Schweif dazu. Damals lobte ich ihn und sagte „Brav Karo!" Ob ich ihn auch heut noch loben würde? . . ." Das Sägewerk. Auch da ruhen die Räder und Alles ist still. Nicht einmal ein Hund meldet sich, die Fenster sind mit Brettern vernagelt, die Mühle ist verlassen. „Hier bekam ich immer hübsche kleine Kästchen und Schränkchen. Der Mann dankte Papa Alles, was er besaß. Der Onkel soll schlecht an ihm gehandelt haben." Ihr Blick fällt auf Tini, aber Tini hat die Augen geschlossen und
Mark. Zu diesem erfreulichen Ergebnis hat außer dem günstigen Verlaus der Sterblichkeit wesentlich der Umstand beigetragen, daß es gelungen ist, die Verwaltungskosten auf der außerordentlich niedrigen Ziffer von nur 4,87 »/g der Jahreseinnahme zu halten. Im Jahre 1887 beträgt die Dividende 43 »/<> der im Jahre 1882 eingezahlten Normalprämien nach dem alten Vertcilungs- system und 33o/g der Normalprämie, sowie 2,4°/<> der Prämienreserve nach dem neuen „gemischten" System. In Prozent der Jahresprämie ausgedrückt, berechnet sich im laufenden Jahre nach dem letzteren System die Gesamtdividende für die jüngsten dividendenberechtigten Versicherungen auf 34o/g, für die ältesten schon auf 125«/».
— Von dem Hochwassergebiet in Ungarn liegen wieder schlimme Nachrichten vor. Ein Tel. lautet: Szeged in, 11. Juni. Die Fluten, welche schon gestern bis zu den Dämmen von Mako heranreichten, sind noch im Steigen begriffen. Das Waffer, welches steten Zufluß erhält, staut sich hier und lehnt sich gewaltsam gegen die Schutzbauten aus. Ein mächtiger, zuweilen orkanartiger Wind peitscht die Fluten gegen die Dämme, an deren Befestigung gearbeitet wird. Außer Mako ist nun auch Mezö- Hegyes gefährdet. Der Ringdamm um die Stadt Homezö-Väsärhely bewährt sich. Das zwischen demselben und dem Damm der Alfölder Bahn eingekeilte Waffer steigt rapid. Die Wasserfluten forderten an der Durchbruchsstelle der Klein-Tiszaer Schleuse zwei Menschenleben. Zahllose Gehöfte des Neber- schwemmungsgebietes sind spurlos verloren. Doch wird von der oberen Theiß und Maros das Fallen des Wafferstandes gemeldet und es wird daran die Hoffnung auf baldige Behebung der Gefahr geknüpft.
Der Sohn des Sultans. In den nächsten Tagen reist der älteste Sohn des Sultans, der nun im 17. Jahre steht, zum Jubiläum der Königin Vikoria von England. Nachdem man die auswärtigen Fürstlichkeiten wegen Raummangels gebeten, ihr Gefolge möglichst einzuschränken, werden nach der A. A. „nur" acht weibliche Ge- spielinnen den jungen Prinzen begleiten. Dieser hätte am liebsten alle Frauen daheim gelaffen, da er, wie man sich in Konstantinopel erzählt, kein besonderer Damenfreund ist; allein sein Vater erklärte, es sei nicht standesgemäß, wenn ein Muselmann ohne Frauenbegleitung ins Ausland komme. Die 8 Gespielinnen, die durchwegs im Alter von 13 — 16 Jahren stehen, haben, um Aufsehen zu vermeiden, europäische Reisekleidung erhalten. Doch ist dafür gesorgt worden, daß die Schleier ihrer Hüte undurchdringlich für jeden Blick sind.
Auch ein „nahrhaftes" Gewerbe. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß die Universitäten Berlin, Paris, London, Upsala, Stockholm, Würzburg, Bonn und andere, ihre für die Vivisectionen nötigen Vorräte an lebenden Fröschen von Köpenick aus beziehen. Und zwar ist es, so schreibt man der „N. A. Z." von dort, ein einziger Fischer, der ganz allein, nur mit Beihilfe eines seiner Kinder, die Frösche für den Versandt fängt und verpackt. Abends, nach Sonnenuntergang, sieht man ihn die schilfbestrandeten Ufer der Spree und Dahme absuchen. Er bedient sich für den Fang nur eines einfachen Handnetzes, eines Käschers. Unfehlbar sicher greift er die Frösche auch mit der bloßen Hand. Gewöhnlich stößt er mit dem Käscher direkt ins Schilf. Fällt aber die Dunkelheit stärker herein, so treiben die im Ufer hausenden Wasserratten die Frösche weg, und nun können diese nur im Schilf gefangen werden. Mit eintretendem Herbst gehen die Frösche auf den Grund, um sich einen geeigneten Platz für den Winterschlaf auszusuchen. Dann muß ein größeres Netz zur Anwendung kommen. Mit diesem geht der Fischer direkt über den Boden hin. Die im Herbst gefangenen Frösche sind im Durchschnitt größer und stärker begehrt. Ist erst eine Anzahl Frösche in dem Kasten des Kahns angesammelt, so strömen zuweilen (namentlich in der Zeit des Paarens) die Frösche von Außen scharenweis herbei. Unter diesen Umständen sind mit einem Male schon über 900 Frösche gefangen worden. Der Preis schwankt zwischen 7 und 25 Pf., doch ist 25 Pf. Ausnahmspreis. Verschickt werden die Tiere per Post in Weidenkörben. Für gewöhnlich halten sie sich ruhig. Trifft
thut, als ob sie schliefe. Vielleicht schläft sie auch wirklich und träumt von bunten Masken, von strahlenden Lichtern und schmeichelnden Walzerklängen . . . Die Straße macht hier eine Wendung und nun taucht das Schloß ganz hervor hinter den Tannen. Auf dem großen Turme weht eine Fahne, auf den Giebeln sitzen weiße Schneehauben, die Fenster erglänzen wie Gold unter den schräg auffallenden Strahlen der Wintersonne. Jetzt geht es an dem Försterhaus vorbei. Ein schlanker Bursche steht davor; im Jägerkleid die Flinte über die Schulter. Seine Augen ruhen keck auf den Damen und seine Hand fährt grüßend nach der Mütze, als sie vorüberfahren. Tini ist erwacht und nickt freundlich mit dem Kopfe. Dann sagt sie plötzlich: „Ist denn das große Geweih noch an dem Haus? Weißt Du, der Zwanzig-Ender?" Und während dessen hat sie sich schon umgekehrt. Das Geweih ist nicht mehr da, aber der Bursche steht noch dorten. Es ist ein hübscher Bursche mit breiter Brust und einem unternehmenden Schnurrbart. Das Geweih kam ins Museum, sagt Johanna und das veranlaßt Tini, ihren Kopf endlich wieder in seine richtige Stellung zu bringen . . . Nun nähert man sich dem Schlosse. Die Straße läuft jetzt in einer geraden Linie, schon sieht man das hohe Eisengitter, das Thor mit den Wappen, das Buschwerk des Parks, die Zugbrücke. Jetzt tritt ein Mann aus dem WächterhauS hervor — es ist der alte Braun — sein Bart ist lang und groß, wie vor zwölf, vor fünfzehn Jahren. Der Schlitten saust heran, der Mann zieht die Mütze — wahrhaftig Thränen laufen ihm über die roten Wangen — grüß Gott, Braun, grüß Gott! — der Schnee stäubt empor — die Pferde bäumen sich, wiehern und stampfen den Boden — die Sepherl hinkt daher — wie schwarz und runzlig ist sie geworden — und in der zitternden Hand hält sie eine voll erblühte Rose . . .
Johanna konnte ihre Rührung nicht verbergen. Es kam über sie wie eine Fluth von Erinnerungen an Vater und Mutter, an schöne gdldene Tage, an Kinderjubel und blühende Rosen. Sie schüttelte Allen die Hände, und eilte dann in das Zimmer, das man für sie bereit hielt. Dort schloß sie sich ein, und ohne sich ihres Mantels zu entledigen, sank sie auf einen Stuhl und brach in Thränen aus."
(Fortsetzung folgt.)