254
daß man im Reichstage darüber geklagt habe, den süddeutschen Staaten seien finanziell zu große Konzessionen gemacht. Die Interessen Preußens an der Linie seien sehr gering, es gebe nur Ehren halber seinen Beitrag, und was Baden anbelangt, so habe dessen Vertreter erklärt, er würde eher etwas bezahlen, wenn die Strecke nicht gebaut würde, da sie der Linie Singen-Sig- maringen Konkurrenz macht. Die Genehmigung der beiden Abkommen erfolgte, wie oben schon gesagt, einstimmig. Zu Bestreitung der Baukosten nimmt Württemberg ein Anlehen von 4,500,000 vkk auf. — Das Haus vertagte sich bis zum 1. Juni. Der Schluß des Landtags ist bis zum 7. oder 8. Juni in Aussicht genommen.
Berlin, 28. Mai. Bezeichnend für den leider noch nicht durchaus gefestigten Gesundheitszustand des Kronprinzen ist die Nachricht, daß beschlossen worden ist, im Falle der Kronprinz hierzu noch nicht im stände sein sollte, den Prinzen Wilhelm als persönlichen Vertreter des Kaisers mit vergrößertem Hofstaate zur Teilnahme an den Jubiläumsfestlich- leiten am englischen Hofe zu entsenden. (Königin Viktoria wird bekanntlich demnächst ihr 50jähriges Regierungsjubiläum begehen. Am 20. Juni 1837 folgte sie ihrem Oheim König Wilhelm IV. auf dem Throne nach.)
Gcrges-Weuigkeiten.
Berichtigung. In unserem Bericht über die Abschiedsfeier des Hrn. O.>Amtmann Flaxland ist auf 2. Seite, in 1. und 2. Zeile wie folgt zu lesen: „daß Staatsbeamte mitunter denn doch auch ihr eigenes Interesse wahr» zunehmen suchen".
* Calw, 1. Juni. Der vom Gutenbergverein Stuttgart geplante Ausflug nach Calw wurde am Pfingstsonntag ausgeführt. Auf dem Bahnhofe mit einem Hoch des Calwer Liederkranzes empfangen, ging die Fahrt weiter nach Station Teinach, von da von herrlichstem Wetter begünstigt zu Fuß über Bad Teinach, Zavelstein nach Calw, wo um 1 Uhr das Mittagessen eingenommen wurde. Nachmittags fand im badischen Hof gesellige Unterhaltung mit dem Calwer Liederkranz statt. Der Vorstand der letzteren Gesellschaft hieß die Gäste freundlichst willkommen; worauf von diesen ein Hoch auf den Calwer Liederkranz ausgebracht wurde. Mehrere Chöre, von beiden Vereinen abwechslungsweise zum Vortrag gebracht, fanden sehr beifällige Aufnahme. Bei Eintritt der Dunkelheit zog man sich in den Saal zurück, wo sich ein recht gemütliches Leben entfaltete. Was die Leistungen des Gutenbergvereins, der mit 90 Sängern auftrat, betrifft, so waren dieselben allgemein befriedigend, wie es von einem preisgekrönten Verein nicht anders zu erwarten war. Wir heben besonders die schwere, aber äußerst prächtige Komposition von Hegar „die beiden Särge", welche einen großartigen Eindruck machte, hervor. Großen Anklang fanden auch die Gesangsvorträge mit Zitherbegleitung eines Tirolerquintetts im National- costüm. Vom Vicevorstand des Calwer Liederkranzes, dessen Chöre wir ebenfalls rühmlichst gedenken müssen, wurde zum Schluß ein Hoch auf den Gutenbergverein ausgebracht, worauf ein Vertreter dieser Gesellschaft bestens dankte und zu einem Gegenbesuch in Stuttgart einlud. Die Gäste sprachen sich über den Empfang, die Aufmerksamkeit des Liederkranzes und die vor- . treffliche Bewirtung in ihren Quartieren auf's befriedigendste aus.
Wildbad, 30. Mai. Zum Vlll. Bundestag des Württemb. Kriegerbundes hatte sich das schöne Wildbad festlich geschmückt, die Straßen schienen in Alleen verwandelt, die Häuser waren reich beflaggt. Schon zum ersten, vom Wetter begünstigten Festtag waren viele Krieger herbeigeströmt. Dem Ehrenpräsidenten, Sr. Hoheit dem Prinzen Herr- mann zu Sachsen-Weimar, der gegen 12 Uhr mit dem Bundespräsidium eintraf, wurde auf dem Bahnhof von den städtischen kgl. Bezirksbeamten von Neuenbürg, den bürgerl. Kollegien Wildbads, den schon anwesenden Vereinen mit ihren Fahnen rc. ein großartiger Empfang bereitet. Um 1 Uhr fand ein Essen im Hotel Klumpp statt, bei dem Prinz Herrmann den Toast auf Ihre Majestäten den Kaiser und den König ausbrachte, während der königliche Badkommissär Freiherr König von Königshofen auf Se. Hoh. den Prinzen toastierte. Es folgte von 3—6 Uhr eine Sitzung des Bundesausschusses zur Feststellung der für den Bundestag bestimmten
TageSordnng, während die Vereine sich bei einer Reunion in den kgl. Anlagen, später auf dem Kurplatz, sowie auf dem Festplatz in geselligem Zusammensein unterhielten. Abends 7 Uhr fand dann das Bankett in der prächtig erstellten Festhalle neben dem Bahnhofe statt. Stadtvorstand Bätzner begrüßte die Festgäste und schloß mit einem begeistert aufgenommenen Toast auf Ihre Majestäten den Kaiser und den König. Es folgte ein Toast von Geh. Hofrat v. Renz auf Ihre Majestät die Königin und von Dr. Haußmann auf Se. Hoheit den Prinzen Weimar. Se. Hoheit dankte in längerer Rede und brachte der Feststadt ein Hoch. Nachher ergriff der Prinz nochmals das Wort, um die anwesenden Vetreter der Kriegerverbände von Bayern und Baden zu begrüßen. Unter Gesang und Musik nahm der Abend einen schönen Verlauf. Der zweite Festtag wurde mit Tagwache und Böllerschüssen eingeleitet und schon um 7 Uhr zogen von allen Seiten Vereine mit Fahnen in die Stadt. Um 3 Uhr begannen die Verhandlungen in der Festhalle. Leider wurde die Wittterung immer ungünstiger und beeinträchtigte den Festzug und das Leben auf dem Festplatz.
Paris, 28. Mai. Aus den Theatertrümmern sind bisher 7 4 Leich-n gezogen. Im Büffet der dritten Galerie wurden allein 17 gesund-- Frauen, die vor dem Tode einander ein furchtbaren Faust« k- 'ert haben müssen, um jede vor der anderen zu dem übrigens
gang zu gelangen. Alle hatten die geballten Fäuste hoch- ' Gesichte Beulen und Striemen. An den meisten Leichen fand man massenhaften Schmuck und Uhren, die aus- 9 Uhr 15 Min. und 9 Uhr 20 Min. stehen geblieben : cheiter, die beim Niederreißen der Ruine beschäftigt sind,
u uckdieb stahl ertappt und verhaftet. Die Einnahmen
de sanken von Mittwoch auf Donnerstag von 32,000 auf
20, dem Banquier Dessauer aus Wien, der mit seiner
Fra. sich 150,000 Francs befunden haben. Die Leiche ist
noch den. Viele Engländer, u. A. vier Schwestern, und
viele , unter den Toten. Die Vorstellung war überhaupt
auch i den der Oper „Mignon" sehr besucht. Die Auf«
räumun fortgesetzt. Sämtliche Leichen dürften kaum vor
Dienstag ^rausgeschafft sein. Es werden viele Wohlthätigkeits-
vorstellun ... Theatern veranstaltet. Lamoureux gibt am Montag ein Concert in ^oentheater. Die erste Liste des „Figaro" weist 7265 Francs auf. 17 Künstler und Angestellte des Theaters werden Montag auf Staatskosten begraben. In der Madelainekirche findet ein Trauergottesdienst statt.
Calw.
Eanäwirlk^ck»aMek»er Oezirksverein.
Am 1. Juli beginnt ein neues Abonnement auf das landwirthschafts licht Wochenblatt. Dasselbe wird den Mitgliedern des landwirthschaft« lichen Bezirksvereins frei ins Haus geliefert, und haben deshalb diejenigen, welche das Blatt zu lesen wünschen, ihren Eintritt in diesen Verein bei dem Unterzeichneten anzumelden. Anmeldungen, welche die Lieferung des Blattes vom 1. Juli ab zur Folge haben, sind spätestens am Mittwoch, den 8. Jnni,
schriftlich anzubringen und können spätere Anmeldungen den bestehenden Vorschriften gemäß für das laufende Jahr nicht mehr berücksichtigt werden.
Calw, 30. Mai 1887.
_ E. Hör lach er, Secr. _
Kgl. Standesamt ßakrv.
Vom 19. bis 27. Mai 1887.
Geborene:
22. Mai. Johannes Julius, Sohn des Joseph Kunz, Steinhauers hier.
Gestorbene:
19. Mai. Rosa Luise Ziegler, Tochter des Adolf Ziegler, Metzgermeisters hier, 1'/- Jabre alt.
27. , Franz Hopf, gewes. Pfarrer, hier, 80 Jahre alt.
27. , Mathilde geb. Bayha, Ehefrau des vr. H. Müller, Rektors a. D. hier,
59 Jahre alt.
„Gut, Bursche", sagte Herr Giedde nach einer Pause, „reite nach Hause und sage, daß der Junker im Dunklen mit dem Pferde gestürzt, aber gut aufgehoben sei — von dem Schuß brauchst Du Niemandem etwas zu erzählen, verstehst Du mich?"
„Zu Befehl, Herr", entgegnete der Diener und blieb zurück. —
Schon auf der Treppe kamen dem Oberjägermeister die Frauen, die durch den Schuß aufgeschreckt worden waren, entgegen.
„Dem Himmel sei Dank, Du bist wohlauf", rief Ebba, das Paters eine Hand ergreifend, „was war das für ein Schuß?"
„Wir waren in großer Sorge um Dich", meinte die Gräfin Rantzow, ebenfalls in den Schloßhof herniedersteigend.
„Ich wollte den Pferdedieb zeichnen", sagte Herr Giedde finster, „und habe dabei einen verliebten Junker getroffen, der bei stiller Nacht vor den Fenstern meines Fräuleins schwärmen wollte."
Ebba starrte den Vater erschrocken, aber verständnisvoll an.
„Was meinst Du?" fragte sie leise.
In demselben Augenblicke trugen Lle und der Jäger den Verwundeten über die Zugbrücke in den Schloßhof.
„Ich habe den Junker Wind geschossen."
„Barmherziger Gott!" schrie Ebba verzweifelt auf, „er ist tot?!"
Herr Giedde wollte sie beruhigen, doch sie drängte sich an ihm vorbei und stürzte auf die Bahre zu, welche die beiden Träger im Hofe niedergeseyt hatten; und während sie niederkniete und das bleiche schöne Gesicht des Junkers mit thränen- ersüllten Augen anstarrte, kamen dem Verwundeten die Sinne zurück.
„Holger", rief Ebba, wach' auf, hörst Du mich nicht, Du darfst nicht sterben, ich liebe Dich ja, ich will Dein sein, Holger, Holger!"
Da öffnete er langsam die Augen und ein leises Lächeln umflog seinen Mund.
Die Gräfin Rantzow war näher getreten, faßte Ebba's Hand und sagte bittend:
„Laß das jetzt, Ebba; wir wollen lieber dafür sorgen, daß dem Junker Hilfe geschafft wird. — Tragt den Herrn Jägermeister in die Halle", befahl sie dann den Leuten, „aber seid auf der Treppe recht vorsichtig, damit Ihr ihm nicht unnütz die Schmerzen vermehrt."
Die Gräfin verstand, wie die meisten Familienmütter zu jener Zeit, etwas von der Heilkunst; sie erneuerte daher, als der Junker bequem in der Halle gebettet war, den Verband und wachte dann die Nacht über mit Herrn Giedde bei dem Verwun- mundeten. Ebba wurde zu Bett geschickt und konnte durch alles Bitten nicht erlangen, daß man ihr die Pflege des Geliebten überließ.
Erst am andern Mittag kam ein Chirurg, der aus der nächsten, ziemlich entfernten Stadt hatte geholt werden müssen. Nachdem er die Kugel herausgeholt hatte, erklärte er die Wunde für ungefährlich, verbot aber auf's Strengste jegliche Auflegung.
Für Ebba war das eine entsetzliche Zeit; sie saß fast den ganzen Tag in der Nebenstube und lauschte fortwährend auf die abgerissenen und zusammenhanglosen Worte, die er im Fieber redete; — er erwähnte mehrere Male Herrn Rosenkrands, nannte den Namen „Sophia", schien aber gar nicht an sie zu denken.
Am dritten Tage ließ das Fieber nach, und am vierten erklärte der Chirurg, daß seine Anwesenheit nicht länger nötig wäre.
Ebba aber sollte die Pflege übernehmen.
Als sie das Gemach bettat, blickte er auf, streckte ihr die gesunde Hand entgegen, und lächelte so glücklich, daß das blonde Kind allen Harm, den es erlitten, vergessen mußte.
„Ich überlegte gestern", meinte er dann, „als ich erwacht war und nicht recht wußte, wo ich war, ob ich die Begegnung mit Dir auch nur geträumt hätte."
(Schluß folgt.)