las der Reichskanzler Fürst Hohenlohe die zur Auf­nahme in den Schlußstein bestimmte Urkunde. Hie­rauf wurde die Urkunde und die sonstigen hiezu be­stimmten Gegenstände in einer Kapsel verschlossen in den Stein versenkt. Der Kaiser und der König von Sachsen traten an den Schlußstein heran, und der bayr. Bundesratsbevollmächtigte, Justizminister Frhr. v. Leonrod, überreichte dem Kaiser die Kelle mit einer Ansprache. Nach Versetzung des Schlußsteins über­gab der Präsident des Reichstags, Frhr. v. Buol, den Hammer. Der Kaiser vollzog die Hammerschläge mit den Worten:Im Namen des dreieinigen Gottes, Recht soll Recht bleiben!" Hierauf thaten der König von Sachsen und die übrigen hiezu bestimmten Per­sönlichkeiten die Hammerschläge, worauf der Präsident des Reichsgerichts, v. Oehlschläger, eine Ansprache hielt, die mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser schloß. Nach der Beendigung der Feier besichtigten die Majestäten die Haupträume des Gebäudes, worauf in dem Festsaale ein Früh­stück zu 100 Gedecken stattfand.

Wie nachträglich bekannt wird, hat der Kaiser am 16. Okt. in Metz bei der Mittagstafel im Offizierskassino des Königs-Jnfanterie-Regiments eine längere und scharf accentuierte Ansprache ge­halten. Nach dem Bericht desHamb. Korresp." führte der Kaiser dabei ungefähr Folgendes aus: Er rede unter dem Eindruck, den der Ritt über die Schlachtfelder am Morgen auf ihn gemacht habe. Es sei ihm klar geworden, daß das, wovon die Denkmäler dort reden, nur erreicht werden konnte durch stramme Zucht, Treue und aufopfernde Tapfer­keit, sowie blinden Gehorsam. Er erwarte im Frieden Handhabung eiserner Disziplin auch bei Ausbildung der Rekruten, im Krieg das Einsetzen der eigenen Person, um das zu erhalten, was die Väter errungen haben.Es ist eben nur die altpreußische rücksichts­lose Offensive, mit der wir etwas erreichen können."

Der Verkehr im Kaiser Wilhelms-Kanal entspricht noch nicht den allerbescheidensten Erwartungen. Im Monat September hatte der Kanal auf seiner ganzen Strecke die volle schiffbare Tiefe von 8'/, Mtr., ferner ist der Monat September der Monat des regsten Verkehrs zwischen Nord- und Ostsee. Trotzdem istdie Frequenz des Monats September von rund 133500 Reg.-Tons hinter der veranschlagten Frequenzziffer von 812500 Reg.-Tons im Monatsdurch­schnitt um 679 000 Reg.-Tons zurückgeblieben! In Reeder- kreisen herrscht nicht der geringste Zweifel mehr, daß eine Erhöhung des Verkehrs auf der neuen Wasserstraße bei dem jetzigen Tarif nicht zu erwarten ist. Die Frequenzlisten ergeben, daß bisher nur der Verkehr von und nach Ham­burg und den Elbhäfen dem Kanal zufällt, d. h. der Ver­kehr von und nach solchen Häfen, für welche die Benutzung des Kanals die größtmögliche Wegabkürzung bedeutet. Eine bekannte Hamburger Firma, Gläfcke u. Hennings, hat kürzlich in einer dem Reichsamt des Innern überreichten Denkschrift den Nachweis geliefert, daß dies eine Schuld des Tarifs ist. Allein, die Herren am grünen Tisch, welche die Rechnung aufgestellt haben, scheinen bis jetzt weder sehen noch hören zu wollen.

Frankreich.

Paris, 29. Okt. Die Kammer nahm gestern mit 320 gegen 211 Stimmen eine Tagesordnung Rouanets an, welche völlige Aufklärung in der Süd- bahn-Affaire verlangt, den Minister auffordert, alle Verantwortlichen zu verfolgen und den Bericht des Sachverständigen Flory dem Hause mitzuteilen. Nachdem die Kammer die Tagesordnung des So­zialisten Rouanet angenommen, verließen die Minister den Sitzungssaal. Sie begaben sich sofort in das Elysee, um dem Präsidenten der Republik die De­mission des Kabinets zu überreichen. Prä­sident Faure nahm die Demission des Kabi­nets Ribot an.

Paris, 29. Okt. Die Nachricht von dem Sturz des Ministeriums Ribot hat in ganz Paris große Erregung hervorgerufen. Man glaubte nicht, daß das Ministerium gestern unterliegen würde, besonders da der Anfang der Sitzung wenig Interesse bot, weil die Rede Rouanets nicht den an sie geknüpften Er­wartungen entsprach und ferner die Regierung den Sieg über die Interpellation Jaures davongetragen hatte, die gefährlicher Erschien.

England.

London, 28. Okt. Der Standard" meldet aus Konstantinopel: Soldaten der Leibgarde haben einen Mordanschlag auf den Sultan geplant.

Amerika.

Die amerikanische Regierung ist an ihrem Teil offenbar alles Ernstes bemüht, einen Konflikt mit Spanien zu vermeiden. Es ist allerdings eine andere Frage, ob sie auf die Dauer im Stand sein wird, der Bewegung die sich innerhalb der Bevöl­

kerung zu Gunsten der nuoaner gr.nacht hat,

Wiederpart zu bieten. So hat die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika jetzt aufs Neue die Anweisung erlassen, die Aussendung von Frei­schülern und Waffen nach Kuba durch thätige Ver­folgung zu hindern.

Havanna, 26. Okt. Im San Juanthal am Fuße der Sierra Guaniguanico hat eine große Schlacht zwischen 3000 Insurgenten unter Führung Maceos und 2800 Spaniern stattgefunden, welche für letztere verhängnisvoll geworden ist. Die Rebellen hatten sich in den Hinterhalt gelegt und überraschten die bestürzten Spanier durch einen plötzlichen Massen­angriff. Letztere wehrten sich verzweifelt, waren jedoch zum Rückzuge gezwungen und verloren 300 Tote und Verwundete.

Kleiner» Mitteilungen.

Horb, 25. Okt. Ein bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich vergangenen Dienstag morgen in unserer Stadt. Monteur G. der Reißerschen Elektrizitätsgesellschaft in Stuttgart, der an der hiesigen elektrischen Leitung be­schäftigt war, traf das Unglück, daß ihm beim Drahtspannen ein Draht brach und derselbe ihm das Auge so durchschnitt, daß dasselbe sofort auslief. Der fleißige, brave Arbeiter mußte in die Augenklinik nach Tübingen überführt werden.

Rotlenburg, 26. Okt. Gestern Abend wurde vom hiesigen Stationskommandanten die ledige 21 Jahre Dienst­magd Magdalena Friedrich von Bühl, z. Zt. Dienstmagd bei Alois Weiß, Bauer in Kiebingen, hier eingeliefert. Dieselbe hat gestern Nacht heimlich geboren und das Kind in der Frühe ins Güllenloch geworfen, nachdem sie noch bis zum letzten Augenblick und auch nach der unglückseligen Thal ihrem Tagwerk nachgegangen war. Obwohl ihr schon von verschiedener Seite Vorhalt gemacht wurde, leugnete sie doch stets, daß sie sich in gesegneten Umständen befinde. Die Unglückliche, die wohl aus Verzweiflung die That be­gangen haben mag, befindet sich augenblicklich im Spital. Eine Gerichtskommission begab sich an Ort und Stelle um den Thatbestand festzustellen und Untersuchung einzuleiten.

Wangen, 28. Oktbr. Gestern abend wurde in der Filiale Gießen, Gemeinde Deuchelried, der verheiratete Wirt Briegel in seiner eigenen Wirtschaft von einem Schuh­machergesellen, den er wegen Raufereien entfernen wollte, mit einem Messer erstochen. Der Thäter wurde noch in der Nacht verhaftet. Die Eltern des Ermordeten hatten Vorbereitung getroffen, heute ihre goldene Hochzeit zu feiern.

Leutkirch, 26. Okt. In der Nachbarstadt Wurzach entstand diese Nacht gegen 11 Uhr ein Schadenfeuer. Das fürstlich Wurzach'sche Bräuhaus brannte bis auf den Grund nieder. Dank der ruhigen Lust nnd dem raschen Eingreifen der Feuerwehr wurde ein weiteres Umsichgreifen des Feuers auf das Oekonomiegebäude und das Schloß, die beide in Gefahr standen, verhindert. Der Schaden an Gerste, Malz und Hopfen ist sehr bedeutend. Die zweck­mäßige neue Einrichtung mit vielen Hilfsmaschinen ist gänzlich zerstört. Der Bräumeister, der in Ravensburg abwesend war, ist versichert. Ueber die Entstehungsursache ist bis jetzt nichts bekannt.

Weißenfels, 25. Okt. Nach näheren Feststellungen sind bei dem Brand der Riebekffchen Grube Marie bei Deubeu 9 Personen verletzt worden, davon 8 schwer. 7 sind im Bergmannskrost in Halle unlergebracht. Der Schaden ist sehr bedeutend.

Leipzig, 26. Okt. Die so würdig verlaufene Feier der Schlußsteinlegung zum Reichsgerichts-Gebäude ist leider durch ein schreckliches Unglück getrübt worden, das sich bei der Einfahrt der Fürstlichkeiten am Dresdener Bahnhof ereignet hat. Dort hatten viele Personen, namentlich aber Schulkinder, das den Bahnhof abschließende eiserne Gitter erstiegen. Unter dem Gewicht der aus demselben sitzenden und an ihm hängenden Personen brach es schließlich in einer Länge von 45 Meter zusammen und riß auch noch einen der steinernen Pfeiler mit sich. Derselbe erschlug im Niederfallen den 10jährigen Schüler Walter Dedekind, Sohn eines Kaufmanns in L.-Neustadt; der Tod war sofort eingetreten. Einem sich an der betr. Stelle aufhaltenden Kaufmann wurde ein Bein zerschmettert, ferner erlitten noch ein Schneidermeister und 3 Schulknaben erhebliche Quet­schungen. Einem Handarbeiter drangen die eisernen Spitzen des Gitters in den Leib. Die Verunglückten wurden ins städtische Krankenhaus St. Jakob geschafft, wo abends dem mitverunglückken Kaufmann das zerschmetterte Bein ampu­tiert werden Mußte. Der Oberreichsanwalt Tefsendorf hat wegen plötzlicher Erkrankung der Feier nicht beiwohnen können.

Berlin, 28. Okt. Eine neue Einführung für die Besucher der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Unter dem NamenCourier" ist unter Führung der Rheinisch-Westfälischen Bank eine Gesellschaft in Berlin gegründet worden, die nach französischem und englischem Muster allen Bewohnern des Deutschen Reiches den Besuch der Berliner Gewerbeausstellung 1896 ermöglichen wird. Die Gesellschaft gewährt jedem Teilhaber durch volle sieben Tage in den Monaten Juni, Juli oder August nächsten Jahres: Freie Reise III. Klasse nach Berlin uud zurück; gutes Logis in separaten schönen Zimmern, nebst Bedienung, Frühstück, Mittag- und Abendbrot in den besten Restau­rationen Berlins und der Ausstellung; täglich freien Besuch der Ausstellung und eines Theaters, Zirkuses oder sonstigen Vergnügungsetadliffemeuts, Unfallversicherung und Noch sonstige Vergünstigungen gegen den Preis von 105 Mark, welcher Betrag in wöchentlichen Raten L 3 Mk. vom 1 Nov. d. I. bis 28. Juni 1896 bezahlt werden kann. Nach Ein­zahlung der letzten Rate erhält jeder Teilnehmer ein Chec- buch, enthaltend Reisebillet und sämtliche Gutscheine für alles Angeführte.

Berlin, 27. Okt. Durch eine bedeutende Gas-Expld- sion, welche gestern abend gegen 6^4 Uhr in einem Geschäfts­lokale des Hauses Friedrichstraße 1 b. sich ereignete, sind nicht nur die in dem Laden befindlichen Personen, sondern auch mehrere Straßenpassanten erheblich verletzt worden.

Ueber den Untergang des chinesischen Transport­schiffesKungpai" liegen jetzt folgende Einzelheiten vor: Durch eine Explosion im Pulvermagazin war das Schiff in Brand geraten. Die Mannschaft machte vergebliche Anstrengungen, das Feuer zu löschen und nach einer halben Stunde erfolgte eine neue Explosion. Die Kessel gingen in Stücke, welche über das ganze Schiff geschleudert wurden. Der Kapitän und der erste Offizier waren bei der ersten Explosion verwundet und in ein Boot gebracht worden, um dieselben ans Land zu schaffen. Die Soldaten stürzten sich jedoch auf das Boot, das so überfüllt war, daß die Davits brachen. Das Boot wurde zerschmettert und alle Jnsaßen ertranken. Von den 700 Soldaten kamen 500 um. Der Rest klammerte sich am Hinterteil des Schiffes an, in welcher gefährlichen Lage man wegen des hohen. Seeganges 17 Stunden bleiben mußte, ehe vom Lande aus Rettung erfolgen konnte.

Landwirjtschaft, Handel L Verkehr.

t. Ebhausen, 29. Okt. Der auf den gestrigen Feier­tag fallende hiesige Jahrmarkt war ordentlich besucht und wurden besonders viele Milchschweine und Läufer an den Mann gebracht. Die Preise für Schweine standen aber immer noch sehr nieder; Läufer kosteten 28 bis 36 ^ per Paar, während das Paar Milchschweine schon um. 10 ^ zu haben war. In früheren Jahren, wo der Flachs­bau im Bezirk noch in ausgedehnterem Maße als jetzr be^ trieben wurde, war der aus den gestrigen Feiertag fallen­de Jahrmarkt insbesondere wegen des dabei in schwung­hafter Weise vorkommenden Flachshandels immer ein sehr stark besuchter.

Was der deutsche Getreidebau erzielt, und was er erzielen könnte nnd sollte!

Nach der endgültigen Feststellung des kaiserlich stati- tischen Amtes liegt der Ernteertrag im Deutschen Reiche ür das Jahr 1894 heute vor. Obgleich derselbe den Durch- chnittsertrag der letzten 10 Jahre um ein Geringes über- teigt, muß derselbe immerhin als ein sehr mäßiger bezeichnet werden, als ein solcher, welcher noch ganz gewaltig erhöht werden kann und muß.

Es wurden im Durchschnitt erzielt:

Weizen . . . .

auf den Hektar . 1,52 Tonnen,

auf den Morgen. 7,60 Ztr.

Spelz . . . .

. 1,23 .

6,15

5.85

Roggen. . . .

. 1.17

Gerste . . . .

- 1.49

7,45

Hafer . . . .

. IM

6,70 .,

Kartoffeln. .

.9,60

48,00

Wiesenheu. .

. 3,21

16,05

Dem möchten wir eine kurze Mitteilung zur Beher­zigung hinzufügen:

Schon im vorigen Jahre brachte dieKieler Zeitung" aus Meldorf, dem Hauptorte Dithmarschens, an der hol­steinischen Westküste, die Mitteilung, daß dort durch rati­onelle Anwendung der Kali-Phosphat-Düngung sich die Landwirtschaft und Ertragsfähigkeit des von Natur sehr armen Geestbodens in einer kaum glaublichen Weife ge­hoben habe. Als Beispiel wurde angeführt, daß der arme Boden, meist aus Moor und Sand bestehend, bezüglich des Kornbaues selbst die besten Marschböden in mehr als einer Beziehung überflügelt habe. Gin dortiger Besitzer schrieb: Es ist kein zweites Düngemittel, welches in hiesiger Ge­gend seit etwa 6 Jahren zur Steigerung der Fruchtbarkeit der Felder in so hohem Grade beigetragen har, wie die Thomasschlacke. Felder, welche früher beim Roggen kaum 28 bis 30 Ztr. aus den Hektar, also 7 bis 7^ Zentner auf den Morgen, lieferten, zum Weizenbau ganz unfähig waren, lieferten heute 55 bis 60 Ztr. Weizen mit Sicher­heit. Die Erträge haben sich überall ganz außerordentlich erhöht, vielfach verdoppelt. Und ganz besonders gilt dies auch hinsichtlich des Futterbaues. Felder, welche früher nur arme Bestände zeigten, sieht man reich mit Klee und Gras besetzt, und sind die Erträge aus den Futterernten ebenso erhöht, wie aus dem Getreidebau. Der allgemeine Wohlstand hebt sich infolgedessen zusehends, und vergleicht, man die jetzigen Ernten mit denen, als Noch der Stall-- dünger der einzige Dünger war, welcher zur Fruchtbarer­haltung der Felder benutzt wurde, so glaubt man kaum, sich noch auf denselben Feldfluren zu befinden."

Unter dem 27. August dieses Jahres bringt nun die Kieler Zeitung einen weiteren Bericht über die Erträge der dortigen Gegend; derselbe lautet:Der Ertrag der diesjährigen Ernte ist im Allgemeinen als ein durchaus reicher zu bezeichnen nnd geeignet, mit den sehr niedrigen. Getreidepreisen etwas auszusöhnen. Ist es doch gar nichts Seltenes, daß hier auf der Geest 70 Zentner Roggen auf den Hektar, gleich 17,5 Zentner auf den Morgen, geerntet werden, ein Beweis, daß die Anwendung der künstlichen Dünger die glänzendsten Erfolge liefert."

Sowohl die oben angeführten Zahlen des statistischen Amtes, wie die letzten Angaben, sind in der That geeignet, u nsere Landwirte zu ern ste m Nachdenken zu mahnen.

Hiezu eine Beilage.

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