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eine Ehrensache, in der Stadt, welche zwei so hervorragende Männer evan­gelischen Glauben hervorgebracht hat, wie der Reformator Brenz und den Astronomen Kepler, den Evangelischen zu ihrer Kirche brüderlich zu helfen; und wir werfen darum die Frage unseres Karl Gerok in unser Land hinein: Ist niemand, der zu schenken Ein Scherflein übrig hat,

Herrn Brenz znm Angedenken,

Zur Zierde Weilderstadt,

Und Gott dem Herrn zur Ehre,

Der durch der Sterne Licht Wie durch der Bibel Lehre,

Zum Sohn des Staubes spricht?

Der Fischerverern U l m verliert seinen eifrigen thätigen, verdienten Vorstand, Amtmann Wick, infolge der Versetzung desselben zur Kreisregierung nach Ludwigsburg. Unter seiner Leitung ist die Ulmer Fischbrutanstalt in der kurzen Zeit ihres Bestehens zu einer der ersten in Deutschland geworden. Auch Heuer sind, wie dieU. Schnellpost" berichtet, wieder bedeutende Erfolge erzielt worden. Es wurden von der Fischbrutanstalt 200,000 Forelleneier verschickt, darunter 1 50,000 auf Rechnung der K. Zentralstelle, und während München und Augsburg, wie alle anderen Anstalten in Anbetracht der kalten Witterung und wiederholten Rückfälle mit Hucheneiern traurige Erfahrungen machten, hat die Ulmer Anstalt, dank sorgfältigster Pflege, Heuer 30,000 Hucheneier gewonnen, von denen in laufender Woche die eine Hälfte einem Hin. Schwann aus London, der Fischwasser in der Iller gepachtet, die andere dem Reg.-Auditeur Zink in Würzburg zugestellt werden. Zum Nach­folger des Hrn. Wick wurde Rechtsanwalt Dr. Schott gewählt.

Neustadt (im Schwarzwald), 21. Mai. Die Festfahrt zur Eröffnung der H ö l l e n t h a l b a h n. an welcher der Großherzog und sämtliche Prinzen, sowie die Minister teilnahmen, ging bei leidlichem Wetter von statten; am Titisee trat jedoch Schneegestöber ein. An allen Stationen fand ein enthusiastischer Empfang statt. Die an den Sta- tionen versammelten Ortsbewohner in ihren Landestrachten, namentlich die festlich gekleideten Mädchen, nahmen sich sehr gut aus. Während der Fahrt boten sich sehr malerische Ausblicke dar, wovon derjenige in die Ravenna­schlucht der großartigste war.

Hamburg, 20. Mai. Früh 7 Uhr fand in der Pulverfabrik Rott­weil in Düneburg bei Geeshacht eine Explosion der hydrau­lischen Presse statt. Zwei Arbeiter blieben tot, einer wurde verwundet.

Brüssel, 21. Mai. (Privattelegr. d. N. Tagbl.) Die Regierung entdeckte ein weitverzweigtes Komplott, wonach an einem be­stimmten Tage alle Jndustrieetablissements des Hennegau an­gezündet oder in die Luft gesprengt werden sollten.

Brüssel, 22. Mai. Gestern Abend hielten die hiesigen Arbeiter in der maison du peuple eine Versammlung ab zum Zweck der Beratung über allgemeine Arbeitseinstellung. Nach Schluß der Versammlung durchzog ein Haufen von etwa 600 Arbeitern die Straßen der Stadt, unter Absingen der Marseillaise und unter dem Rufe:Es lebe die Amnestie und die all­gemeine Arbeitseinstellung!" Die Absicht des Arbeiterhaufens, bei dem K. Palast vorüberzuziehen, wurde durch die Polizei ohne jeden Zwischenfall ver­hindert.

Mentone, 20. Mai. Heute früh wurde hier ein heftiger Erd­stoß verspürt, wodurch die Häuser erschüttert wurden. Die Einwohner flüchteten ins Freie.

Wermifctztes.

Verkauf der französischen Krondiamanten. Aus Paris wird vom 20. berichtet: Der Verkauf der Krondiamanten gestaltete sich heute außerordentlich interessant. Ein Collier von 38 Perlen wurde für 74,300 Francs versteigert. Die berühmte Broche mit der großen Perle, wurde an einen Genfer Juwelier verhältnißmäßig billig, für 176,000 Frcs., etwa 38.000 Francs unter dem Schätzungswerte, verkauft. Die Sevigne-

Broche erzielte den Preis von 120,000 Francs. Der amerikanische Juwelier, der dieses Object ankaufte, erwarb auch eine ganze Gruppe von Gehängen um 811,000 Frcs. Ein Diadem, ein Krönlein und andere Schmuckgeaen- stände, die eine weitere Gruppe bildeten, erreichten einen Preis von 383,500 Francs. Im Ganzen wurden heute 1,564,500 Frcs. und bis zum heutigen Tage insgesamt 5.204,900 Frcs. eingenommen.

Zu dem bekannten Sprichwort:Bei Pferdehandel und Rinderkauf thu' Augen oder Beutel auf!" bringt dieBraun- schweigische landwirtschaftliche Zeitung" einen neuen Beitrag. Um Pferde los zu werden, welche die Fehler zu beißen und zu schlagen haben, bedienen sich geriebene Handelsleute folgender Kunstkniffe: Es wird vor der Probe dem Pferde Branntwein eingegossen, um es zu betäuben, weil dann die schlimmen Eigenschaften nicht hervortreten. Treten nach dem Verkauf die üblen Gewohnheiten alsbald wieder hervor, so entlieht natürlich ein Prozeß. Zeugen bekunden, daß sie bei der Probe nichts Verdächtiges bemerkt haben u. s. w. Verliert nun der Käufer schließlich den Prozeß, dann wird häufig ein zweiter Handel abgeschlossen und schon mancher Käufer ist durch solchen Handel um Haus und Hof gekommen. Auch Sachverständige können durch obigen Branntweinkniff getäuscht werden. Ein anderes Manöver ist, daß kurz vor der Probe in jedes Ohr des Pferdes eine Erbse geschoben wird. Beim Vorführen oder Traben des Pferdes springen die Erbsen in den Ohren des Pferdes hin und her. Durch diesen ungewöhnlichen Vorgang wird die Aufmerksamkeit des Pferdes von allem übrigen abgelenkt, es vergißt zu schlagen und zu beißen. Später schüttelt es so lange mit dem Kopfe, bis die Erbsen aus den Ohren entfernt sind, und nun führt es seine üblen Ge­wohnheiten wiederum aus und der Käufer ist geprellt. Diese beiden Manöver kommen beim Abschluß von Pferdeverkäufen so häufig vor, daß auf diese betrügerischen Handlungsweisen nicht genug aufmerksam gemacht werden kann. Vor allem daher beim Kauf eines Pferdes die Ohren auch nach Erbsen und das Maul desselben nach Branntweingeruch untersucht! Wenn dergleichen angetroffen wird, dann kein Kauf abgeschlossen, damit man vor oft großem Nachteile bewahrt bleibe.

Papierne Ledertapeten. Die Japaner machen aus Papier sehr schöne lederartige Tapeten. Ein Berliner Kaufmann hat eine Sendung solcher Tapeten als Leder verzollen müssen, weil er die Steuer­beamten nicht von der papiernen Natur dieser Sendung zu überzeugen ver­mochte.

Eine Comödie der Irrungen. Bisher galt es allgemein als selbstverständlich, daß, was eine brave deutsche Küchenfee ist, Niemand anders als einen Vaterlandsverteidiger als ihren Romeo ans Herz zn drücken und heimlich mitStullen" zu versorgen pflegt. Daher darf es billiges Erstaunen erregen, wenn eine von deralten Garde" den Traditionen ihres Standes ungetreu wird. Diesen Hochverrat am Vaterlande hat sich aber wirklich eine Frankfurter Köchin, wie dasJnt.-Blatt" berichtet, zu Schulden kommen lassen. Sie warf ihre Augen auf einen schwarzgelockten Sohn jenes vielbesungenen Landes, allwo die Cilronen und Orangen an den Bäumen billiger als beim Colonialwaarenhändler zu haben sind, ungewarnt durch den ominösen Namen,Don Giovanni", den dieser gefährlicheBildhauer", vul§» Gypsfigurenhändler führte, und ohne zu bedenken, daß solche Treulose nicht nur die Treppen zu ihrer Küche, sondern auch viele hundert andere Hintertreppen mit seinem klassischen Waarenlager auf und nieder zu wandern pflegen. Mt wie viel seiner Büsten berühmter Männer und adamitischer Amors und Nymphen Don Giovanni das Mansardenstübchen seiner Köchin geschmückt hat, wird nicht erzählt; wie alle Don Juans aber verflieg er sich in seinen Liebesbeteuerungen bis zu einem Eheversprechen, um es bald darauf schnöde zu brechen. Doch die Verlassene war eine echte Frankfurterin, die die Strenge der Gesetze gar wohl kannte, und den Italiener vor Gericht beschick mit der Forderung, entweder sein Eheversprechen einzulösen oder die riefen Risse, welche ihr getäuschtes Herz erlitten, mit 8000 Mk. bar Geld säuberlich auszuplombieren. Der Beklagte erschien gestern im VerhandlungS-

JeuiL'leLon.

In sWZ'is.

Novelle von Uotsgang Wrachvogel.

(Fortsetzung.)

VIII.

Im Juni trat der Oberjägermeister Gieddc seinen Urlaub an und begab sich zur Erholung nach Gieddesborg, wohin ihm Ebba und seine Schwester, die Gräfin Nantzow, mit ihren Kindern vorausgegangen waren. So kam plötzlich Leben in das alte, seit länger als einem Jahre verödete Schloß; in den Hallen ertönte wieder frohes Lachen, und in Küche und Keller waltete wie einst eine umsichtige Hausfrau. Der Verkehr mit Harrested war aber schon seit dem Tode der Kammerherrin und namentlich seit Ebba's Uebersiedelung nach Kopenhagen ganz abgebrochen.

Ebba spielte die ehrbare und tüchtige Burgfrau zu ihrer und der Ihrigen Freude gar trefflich, und wen» sie mit dem riesenhaften Schlüsselbunde klirrend ein­herschritt und geschäftig für nichts Anderes als die Wirtschaft Zeit zu haben schien, blickte Herr Giedde seine Schwester lächelnd an, und sie nickte ihm darauf verständ­nisvoll zu. Wenn doch die gute Kammerherrin das erlebt hätte, welche Freude würde sie über Ebba gehabt haben, und doch ihrem mütterlichen Scharfblick wäre es gewiß nicht entgangen, was die Anderen Alle nicht bemerkten, daß Ebba zwar glück­lich schien, aber es nicht war.

Zu den Pflichten der Burgfrau gehörte auch die Wahrnehmung der Kranken und Armen; daher ging Ebba von Zeit zu Zeit nach dem zu der Herrschaft gehörigen, eine halbe Stunde entfernt gelegenen Kirchdorf; ja sie ging, wie der alte Verwalter Ole zu bemerken glaubte, öfter nach dem Dorf, als es von Nöthen war, und wußte, wenn Leonore Rantzow sie begleiten wollte, immer einen Grund zu finden, um sie zu Haus zu lassen und ihren Weg allein machen zu können.

Auf der Rückkehr pflegte sie bei den Schafhürden, die auf einer großen Lichtung am Kreuzweg nach Harrested sich befanden, auszuruhen; sie setzte sich dann auf die umgestürzte Birke, um welche das Farrenkraut üppig hochgewuchert war und die großen blauen Glockenblumen bühten, und blickte lange den schattigen Waldweg hinauf, an dessen Ende die Thürme des festen Harrestedt ragten und wo das Wind'sche Banner lustig über den Buchenwipfeln flatterte, ein Zeichen, daß der Herr in der Burg an­wesend war.

Wenn sie dann aufstand, seufzte sie tief und ging gedankenvoll und langsam bis zu der Zugbrücke. War sie aber erst jenseits innerhalb der Ringmauer, so schien sie den treulosen Junker ganz vergessen zu haben, denn dann lachte sie so froh und heiter wie vor zwei Jahren noch, tollte mit dem Vetter Friedrich und scherzte mit Leonoren nach after harmloser Weise.

In Harrestedt hatte sich auch viel verändert Holzers älteste Schwester hatte sich verheiratet, und Frau Wind weilte mit ihrer noch ledigen Tochter bei ihr auf einem Schloß in Holstein auf Besuch.

Die Sonne ging nach einem heißen Tag klar unter; die Lust war durch frischen Seewind etwas abgekühlt und ganz mit dem süßen Duft der Milliarden von Linden­blüten erfüllt, als Ebba in einem Kleide aus Hellem Leinenstoff, ein Körbchen am Arm, die Schloßtreppe hinab in den Hof stieg.

Eine riesige Dogge, die so lange auf der Erde gelegen und geschlafen hatte, sprang, als sie den leichten Tritt vernahm, bellend auf, ihr entgegen und halb an ihr empor, so daß sie sich gegen die übergroße Zärtlichkett ordentlich wehren mußte.

Ja, ja doch", rief sie lachend,Du sollst mich begleiten. Du sollst mein Kavalier sein; ich hoffe aber. Du fürchtest Dich nicht auch wie der Jägerkarl vor dem Spuk, der nach Sonnenuntergang im Walde lebendig wird. Wenn Du Dich fürchtest, kann ich Dich nicht brauchen nun, nun, beruhige Dich nur."

Ole, der aste Verwalter, der unweit stand und das Abladrn eines HeuwagenS überwachte, hatte ihr scherzhaftes Geplauder gehört und meinte, eilig ganz nahe kommend, im Flüsterton: