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— Verbesserungen im englischen Heerwesen. Aus London schreibt man: Die englische.Heeresleitung ist seit Ende des verflossenen Jahres sehr thätig gewesen, in allen Teilen des Heerwesens die als unbedingt notwendig erachteten Reorganisationen durchzuführen. Wohl mit Recht äußern jedoch die englischen Zeitungen ihre Ansicht dahin, daß man sich bezüglich der rasche« und zweckentsprechenden Durchführung dieser Reorganisation keinen zu sanguinischen Hoffnungen hingeben dürfe. Mit großem Beifall ist im ganzen Reich die Denkschrift des Kriegsministers Stanhope zu dem neu entworfenen Mobilmachungsplan ausgenommen worden, durch welche eine klare Einsicht in die verschiedenen für die Landarmee vorgeschlagenen Reformen gewonnen wird. Ein detaillierter Mobilmachungsplan für die Armee existierte bis jetzt nicht. Zunächst sind, wie verlautet, endgültig alle Vorbereitungen getroffen, um 2 starke Armeekorps und 1 Kavallerie-Division, zusammen etwa 63,000 Mann, in kürzester Zeitfrist mobil machen und innerhalb 24 Stunden nach Eintreffen des Befehls zu Operationen im Auslande einschiffen zu können. Nach dem Muster dieses Detail-MobilmachungsplaneS soll nunmehr der Entwurf für die Mobilmachung der gesamten englischen Landarmee ausgearbeitet werden. Für die Marine wird gleichfalls ein detaillierter Mobilisierungsentwurf ausgearbeitet.
Rußland.
Petersburg, 9. Mai. Der Kaiser reist in diesen Tagen mit seiner Familie zu den dänischen Kosaken, wo der Hetmanstab aller Kosakenheere dem Thronfolger überreicht werden wird. Tag und Stunde der Abreise werden strengstens geheim gehalten. Heute rücken die zur Ueberwachung der Nikolaibahn bestimmten Truppen aus; auf je 2 Werst Bahnstrecke kommt eine Kompagnie. Die Soldaten werden auf Gehörweite aufgestellt, so daß Nachrichten durch Zurufe rasch befördert werden können. Am 28. Mai kehrt der Kaiser wieder nach Petersburg zurück.
Gcrges-Weuigkeiterr.
— (Amtliches.) Bei der vom 20. bis 30. April in Tübingen vorgenommenen ersten Forstdienstprüfung ist u. A. für befähigt erkannt und hienach zum Forstreferendär ll. Klaffe bestellt worden: Carl Krauß in Calw.
— Infolge der an den Seminaren zu Nürtingen, Nagold und Eßlingen vorgenommenen ersten D i e n st p r ü f u n g sind u. A. nachstehende Kandidaten zur Versehung von unständigen Lehrstellen an Volksschulen für befähigt erklärt worden: Eberspächer, Karl, von Calw, Beutelspacher, Theodor, von Liebenzell, Breitling, Friedrich, von Gechingen.
— In der Zeit vom 15. Mai bis 30. Septbr. ds. Js. werden, wie im Vorjahr, wieder Bad-Abonnementsfahrkarten ll. und lil. Wagenklasse für die Bahnstrecke Pforzhei m—C alw und umgekehrt, zur Fahrt nach Liebenzell ausgegeben.
Ulm, 10. Mai. Heute wurde von dem hiesigen Schöffengerichte eine hiesige Oekonomenfrau Noll, welche nach dem Ergebnisse der von der Polizei vorgenommenen Milchvisitation und den nachher vorgenommenen Nach- und Stallproben in 4 Fällen ihrer Milch 8 bis 14 Proz. und 14 bis 18 Proz. Wasser nach dem Gutachten des Gerichtschemikers zugesetzt hatte, zu der Geldstrafe von 100 -/kL, event. 20tägigem Gefängnis und Tragung der Kosten des Verfahrens und des event. Strafvollzugs verurteilt. Außerdem wurde ausgesprochen, daß die Publikation des Urteils im hiesigen Tagblatt zu erfolgen habe. Einer weiteren Milchlieferantin aus Offenheim wurde eine Geldstrafe von 10 und die Tragung der Kosten des Verfahrens zuerkannt. — Ein 27jähriger, verheirater Schlosser, welcher am Montag, den 21. März, am Vorabend des Geburtsfest S. M. des Kaisers, in einer hiesigen Wirtschaft beleidigende Ausdrücke über den Kaiser in angetrunkenem Zustande — er hatte den ganzen Tag über in verschiedenen Wirtschaften gekneipt gebraucht hatte und zur Anzeige gebracht worden
war, wurde gestern von der hiesigen Strafkammer zu einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten verurteilt.
Baden-Baden, 15. Mai. Die Kaiserin ist gestern 114/^ Uhr nachts hier angekommen. Das Wetter war äußerst ungünstig, der Regen fiel in Strömen. Ein offizieller Empfang am Bahnhof fand nicht statt. — Heute wohnte die Kaiserin dem Gottesdienste bei.
Metz, 11. Mai. In den letzten Tagew-ist eine Anzahl von Dienstmädchen aus Frankreich hierhergekommen, welche in Folge des bekannten B 0 ulange r'schen Erlasses, der den Offizieren das Halten deutscher Dienstboten untersagt, stellenlos geworden. Auch zahlreiche Arbeiter aller Art sind zur Rückkehr gezwungen worden, da sie in Folge der neuerlichen chauvinistischen Hetzereien von ihren zum Teil langjährigen Arbeitgebern entlasten werden mußten und nirgendwo ein Unterkommen finden konnten. Jedenfalls- kann Arbeitsuchenden nicht dringend genug geraten werden, im gegenwärtigen Augenblick nicht nach Frankreich zu gehen.
Hamburg, 11. Mai. Die in Folge eines Streiks brotlos gewordenen Hamburger Bäckergesellen wollten mit Unterstützung von Hamburger und Altonar Arbeitern eine große korporative Bäckerei ins Leben rufen. Wie die „M. Z." meldet, hat bereits ein Comits die Eintragung der Bäckerei in das Hamburger Firmenregister besorgt, über 5000 Anteilscheine gezeichnet und Geldbeiträge abgesührt. Die Sammlungen sollen jedoch fortgesetzt werden, da man eben die Absicht hat, die Bäckerei in großartigstem Maßstabe zu errichten; sie soll mit Dampf betrieben werden und Schwarz- und Weißbrod Herstellen. Wenn dieser Plan der Hamburger Arbeiter, an besten Verwirklichung nicht mehr zu zweifeln ist, von Erfolg gekrönt sein sollte, so wird er unzweifelhaft die Streiks auf ein ganz neues Gebiet hinüberspielen, die Arbeiter werden eben versuchen, durch Errichtung von Konkurrenz-Etablissements ihren ehemaligen Arbeitgebern die Spitze zu bieten. In mehreren Fabrikstädten haben die Fachvereine bei einem eventuellen Unterliegen die Gewerksgenoffen in einem drohenden Streik ähnliche Maßregeln angekündigt, und insofern ist der Hamburger Vorgang von Bedeutung.
— Ein tragisches Ende. Der Selbstmord zweier jungen Damen findet in München allgemeine Teilnahme. Am Dienstag abend sind im Starnberger See zwischen Berg und Kempfenhausen die Leichen zweier jungen, sehr hübschen Mädchen, die sich fest verschlungen hielten, aufgefunden und als die Freifräuleins Anna und Louise von Guttenberg, elftere St. Annaordens-Stiftsdame und 26 Jahre alt, letztere 23 Jahre alt, agnosziert worden. Sie sind Töchter des verstorbenen Freiherrn v. Guttenberg, der früher Major in Würzburg war. Das traurige Ende der Lebensmüden ist zweifellos auf Schwermut zurückzuführen. Die Unglücklichen waren in letzter Zeit häufig melancholisch gestimmt und fühlten sich sehr vereinsamt. Sie lebten sehr zurückgezogen, besuchten weder Theater noch Konzerte und fanden ihre einzige Zerstreuung in Lektüre. Nach einem Besuch der Schwestern in Starnberg, den sie vor acht Tagen machten, sollen sie viel von Schloß Berg und der Stelle im See, wo König Ludwig ll. vor ungefähr einem Jahr seinen Tod fand, erzählt haben. Wie man misten will, sollen die Bedauernswerten schon damals einen Versuch gemacht haben, sich in den See zu stürzen. Am Montag abend nun entfernten sich die Mädchen unbemerkt aus ihrer Wohnung, fuhren nach Starnberg und führten in der Stille der Nacht ihren Selbstmordplan aus. Die Damen genoffen die größte Achtung und waren wegen ihres freundlichen Wesens allgemein beliebt.
— Mitgcteilt von dem konzessionierten Bezirks-Agenten Ernst Schall in Calw: Der Postdampfcr „Trave- vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 4. Mai von Bremen abgegangen war, ist am 13. Mai morgens wohlbehalten in New- V 0 rk angekommen.
vergeben, wenn sein dürrer Wanderstab in die Erde gepflanzt von Neuem grünen würde; der Ritter, von der Unmöglichkeit eines solchen Wunders überzeugt und verzweifelnd an seinem Heil, kehrte nach dem Venusberg zurück, — der Wanderstab aber begann dann zu grünen, als es zu spät war den Sänger zurückzurufen.
Er mochte den Vergleich nicht ausdenken. Warum gemahnte ihn die Gräfin immer an die fürchterliche Herrin des Nenusberges? die Liebe Ebba's schien geschwunden zu sein und glich wohl dem Wanderstab — wenn sie aber dennoch von Neuem knospen und blühen möchte!
Holger verhehlte sich nicht, daß er, wenn er jetzt zur Gräfin Penz ginge, Ebba in wenigen Minuten vergessen habe; er wußte, daß immer die Gegenwart Siegerin war, und weil er das wußte, drum ging er — nicht zur Gräfin.
Er wandte sich nach seiner Wohnung und traf auf der Treppe den Ritter Rosenkrands, der von ihm kam.
„Wart Ihr bei mir, Herr Oheim?" fragte Holger, über diese Begegnung ziemlich erstaunt, denn Rosenkrands hatte ihn fett längerer Zeit kalt behandelt und sichtlich gemieden.
„Ich war bei Dir und hörte, daß Du bei der Gräfin Penz zu finden seiest", entgegnete der Ritter, seinen Neffen scharf beobachtend.
Der Junker errötete.
„Ich hatte erfahren, daß Se. Majestät Dich zum Jägermeister ernannt hätten, und kam. Dir Glück zu wünschen. Es freut mich, daß Du meiner Protektion ent- raten kannst; Du wirst Deinen Weg schon machen."
Holger erwiderte nichts, sondern begann nur ärgerlich die Treppe völlig hinaufzusteigen.
In seinem Zimmer angelangt, wollte er dem Oheim den Alante! und Hut abnehmen, doch Rosenkrands wehrte es ihm und meinte:
„Laß nur, ich belästige Dich nicht lange; ich habe nur eine Sache von Wichtigkeit mit Dir zu besprechen."
„Ich bitte Euch, nehmt Platz und beginnt."
Der Ritter folgte der Einladung und erblickte, sich im Zimmer umschauend, das schöne Porträt der Gräfin Penz.
„Ich will Dir eine Geschichte erzählen", begann er nach einer Pause, „einen Roman —"
„Dessen Held Ihr seid?" fragte Holger, die Stirn runzelnd, und preßte die Lippen aufeinander, denn er wußte ganz gut, worauf diese Einleitung zielte, hatte ihn doch der Oheim wenige Tage nach dem Feste beim Kanzler Walkendorf vor der Gräfin Penz gewarnt und dieselbe dabei eine schöne Schlange genannt; und gewiß war er nur deshalb so kühl gegen ihn, weil er von den innigen Beziehungen, die zwischen ihm und der Gräfin Penz Platz gegriffen hatten, gehört hatte. Jene Warnung des Ritters war übrigens nicht ganz erfolglos geblieben; trotz seiner leidenschaftlichen Liebe für die schöne, geistvolle Frau, hätte Holger ein gewisses Mißtrauen, das nur ihre Gegenwart verscheuchte, nicht aus seinem Herzen bannen können."
„Der Held?" wiederholte Rosenkranz nachdenklich — „nein, aber ich habe ihn verfaßt."
„Ich wußte nicht", meinte Holger mit schüchternem Spott, „daß Ihr für dergleichen neben Eueren astronomischen Studien und Berechnungen noch Zeit erübrigt."
„In der Zeit, aus der mein Roman stammt", erwiderte der Ritter schnell und etwas wärmer, „wußte ich von Astronomie noch wenig; die. Sterne hatten damals für mich keine andere Bedeutung, als für jeden verliebten Junker vor einigen zwanzig Jahren — ich verglich sie mit den Augen irgend eines schönen Fräuleins, das mir gerade das Herz entzündet hatte, und fand, daß nur ihr sanftes Licht wert wäre, das Glück zweier Liebenden zu beleuchten."
Der Ritter Rosenkrands blickte lange schweigend und sinnend auf das Bild der Gräfin.
„Meine Historie", fuhr er endlich fort, „wird Dir nicht gefallen, doch hoffe ich, sie wird Dir nützen."
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(Fortsetzung folgt.)