waren Schattierungen nach Gipsmodellen und endlich noch am nebenstehenden Tische Arbeiten einer höheren Stufe mit freiem, künstlerischem Zeichnen. Einzelne Schüler zeichnen sich sichtlich durch Talent, Fleiß und Pünktlichkeit aus, doch wollen wir ihre Namen vor der zu erwartenden Preisverteilung nicht verraten. Der Leiter des Ganzen aber — Herr Stadtbaumeister Schmidt — hat bewiesen, daß er durchaus befähigt ist, einer solchen Schule erfolgreich vorzustehen; mit seltenem Geschick hat er das Ganze geleitet. Zu hoffen wäre nur, daß auch von seiten der Lehrlinge durch fleißigen Besuch anerkannt würde, was hier geboten wird. Wir können es nicht verschweigen, daß es ausgefallen ist, daß die Schreinerei verhältnismäßig sehr zurücksteht, und bedauerlich ist die Klage, daß die meisten Schreinerlehrlinge nach den 2 Pflichtjahren die Schule wieder verlassen, wenn sie doch eigentlich erst einen rechten Anfang gemacht haben. Wir möchten die Meister dringend bitten, doch ja auf fleißigen Besuch der Schule von seiten ihrer Lehrlinge zu dringen; die Schreinerei sollte hier ja eine hervorragende Rolle spielen. Wie verlautet, wird in allernächster Zeit, anläßlich der stattfindenden Prüfung ein Antrag zur Anschaffung von weiteren Lehrmitteln von seiten der Lehrer gestellt werden, wir können das vorhandene Bedürfnis bestätigen, und auch die Lokalitäten (Zeichensaal und Modellzimmer) dürften der Neuzeit entsprechend eingerichtet werden. Wir zweifeln jedoch nicht daran, daß die Stadtbehörde den Ratschlägen des Herrn Visitators und des Herrn Stadtbaumeisters, welch letzterer großes Geschick in seinem Nebenamt gezeigt hat, willig Gehör schenken wird.
—4. Altensteig, 24. März. Auf gestern abend war ins Gasthaus „z. Waldhorn" eine Versammlung des hiesigen Gewerbevereins anberaumt worden. Bei derselben sollte als Hauptgegenstand der Besprechung ein Vortrag von H. Lehrer Knieser in Cannstatt, früher längere Zeit hier, gehalten werden. Die stark besuchte Versammlung wurde vom dermaligen Vorstand, H. Privatier PH. Maier, eröffnet und H. Knieser im Namen des Vereins willkommen geheißen. H. Knieser dankte und sprach seine Freude darüber aus, daß er einmal wieder Gelegenheit gesunden habe, in hiesiger Stadt mit seinen Freunden zusammen zu kommen und bei einer Versammlung des Gewerbevereins, dessen Vorstand er bis zu seinem Scheiden aus Altensteig gewesen sei, zu sprechen. Nach diesen einleitenden Worten hielt der H. Redner einen Vortrag über „das deutsche Handwerk im Mittelalter mit besonderer Berücksichtigung der Handwerkszünfte." Es würde zu weit führen, auf alles Einzelne des interessanten und sehr belehrenden Vortrags einzugehen, und es möge darum genügen, daraus das Wichtigste herauszugreifen. Die Handwerker in den ältesten Städten, welch letztere nichts anderes als große Höfe oder Pfalzen des Königs oder der Bischöfe gewesen seien, haben um Obdach, Kleider und Kost ihren Herren, die den Rohstoff lieferten, arbeiten müssen; sie seien somit Hörige gewesen. Erst nach und nach haben sie sich, als die Kaiser ihnen mehr Freiheiten einräumten, auf eigene Füße gestellt. Die Landwirtschaft sei mehr und mehr aus den Städten hinaus verdrängt worden und letztere ausschließlich Sitz des Handels und der Gewerbe geworden. Die Anfänge der Handwerkszünfte, die freie Genossenschaften waren, seien mit der Bildung des städtischen Gemeindewesens entstanden. Der Nächstliegende Zweck der Innung sei der rein genossenschaftliche nicht der gewerbliche gewesen. Gleiche Gewerbe gaben den Anlaß zur innigern Vereinigung, zum gegenseitigen Schutz und Teilnahme im Leben und Sterben. Die Jnnungsgenossen wohnten zusammen in einer Gasse, sie verschwägerten und ver- schwisterten sich untereinander, hatten eine Ehre, ein Geheimnis, einen Gottesdienst, einen Freudenbecher und eine Bahre. Sie schufen ihre besonderen Feste und Schmäuse, und verwiesen ihre Mitglieder in besondere Herbergen und Trinkstuben. Die Zünfte bildeten aber auch die Grundlage zur Verteidigung der Stadt, und jeder Zunft war ihr besonderer Posten angewiesen. Durch ihre Kampfspiele und Waffenübungen übten sie sich, um in Gefahr die Freiheit der Stadt schützen zu können. Die Innungen waren anfangs eine gute Schule der Gewerbe und Künste, ein Hort der Sittlichkeit mitten m der verderbten Zeit, eine Heimat und ein stattliches Besitztum der Armen, der Stolz der Handwerker. Sie regelten die handwerksmäßige Ausbildung der
Einzelnen, das ordentliche Durchlaufen der Bildungsstufen des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters; sie erleichterten die Bildungsreisen des Gesellen und den Austausch der gewerblichen Gebräuche, Erfahrungen und Erfindungen. In diesem Erwerbsleben fanden auch die häuslichen Tugenden ihre Pflege. Der Hausvater versammelte morgens und abends und bei Tische seine ganze Familie zum gemeinsamen Gebet. Die Hausmutter versorgte Mann, Kinder, Lehrlinge und Gesellen. Einfache Sitte, Arbeitsamkeit galten als bürgerliche Tugenden. Dies alles trug dazu bei, daß die Gewerbe sich so sehr entfalteten und daß damals die Handwerker vollbrachten, was wir heute nur von Künstlern, die in einer Kunstschule ausgebildet werden, fordern. Nirgends traf man Pfuscherei, überall freies, selbständiges und heiteres Schaffen! Der Redner erinnerte gelegentlich auch an die aus jener Zeit stammenden Erzeugnisse des Handwerks in den Städten unseres engeren Vaterlandes, welche in der im Jahr 1881 in Stuttgart stattgefundenen Landesgewerbeausstellung zu sehen waren. Dieser hohe Stand des Gewerbes wurde erreicht durch die strenge Disziplin in der Ausbildung, durch das geregelte Wandern, durch die freie Entwicklung der Städte, durch den herrschenden Wohlstand, aber insbesondere auch durch die Gesetze, die sich auf die Herstellung der zur Schau gefertigten Gegenstände bezogen. So mußte z. B. jeder Meister ein eigenes Zeichen haben, und damit man leicht erkennen konnte, daß keiner ein dem andern gleiches oder ähnliches Zeichen benütze, mußten die Zeichen sämtlicher Meister in eine auf der Schau ausbewahrte Bleiplatte geschlagen werden. Jede gefertigte Arbeit mußte mit diesem Zeichen versehen und den Geschworenen zur Begutachtung vorgelegt werden. Aus diesen Gründen ist es nicht zu verwundern, daß das deutsche Gewerbe im 14. und 15. Jahrhundert, in der Blütezeit der Hansa, sich so sehr entfaltete. Jede Stadt verfügte über eine stattliche Anzahl geschickter Meister aller Handwerksgattungen, die mit einer großen Zahl tüchtiger Gesellen eine Menge der Arbeiten zu bewältigen im stände waren. Aus den Nachbarländern kamen Jünglinge, um bei deutschen Meistern zu lernen. In weitester Ferne verlangte man deutsche Gewerbeprodukte und ließ deutsche Meister kommen, wenn es galt, besonders kunstvolle und schwierige Arbeiten
hundert ein allmählicher Verfall des Gewerbewesens bemerkbar, welcher im 17. und 18. Jahrhundert unaufhaltsam fortschritt. Das Zunftwesen entartete nach und nach. Eigennutz und Scheelsucht rissen ein. Es gab Streitigkeiten und Nörgeleien; die Gesellenverbindungen arteten in wüste Gelage aus; dazu kamen die Kämpfe der Zünfte unter sich und mit den Patriziern der Städte und dann brach der schreckliche 30jährige Krieg aus, der so unheilvolle Folgen für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft hatte. Den Todesstoß erhielten die Zünfte durch das Gesetz von 1864, das die absolute Gewerbefreiheit brachte. — Lebhafter Beifall folgte dem belehrenden Vortrag.
München, 25. März. Kultusminister Dr. v. Müller ist, ohne das Bewußtsein wieder zu erlangen, gestern nachm, um 3 Uhr sanft entschlafen.
Deutscher Reichstag. (63. Sitzung.) Am Samstag hatte der Reichstag wieder eine historische Sitzung, Haus und Tribünen waren dicht gefüllt und unter gewaltiger Spannung sah alle Welt der Entscheidung über den Antrag des Präs. Levetzow, dem Fürsten Bismarck zu seinem 80. Geburtstage die Glückwünsche des deutschen Parlamentes zu übermitteln, entgegen Herr v. Levetzow stellte seinen Antrag sofort zum Eingang der Sitzung und nun ergriffen die einzelnen Parteiführer das Wort zu kurzen Erklärungen, die je nach dem Inhalt von heftigem Zischen oder lautem Bravo begleitet wurden. Im Namen der Centrumspartei betonte Gras v. Hompesch, die Beglückwünschung des Fürsten Bismarck bilde einen politischen Akt, an welchem das Centrum um des willen sich nicht beteiligen könne, weil damit auch eine Billigung der vom Fürsten Bismarck befolgten politischen Grundsätze verbunden sei. Teilen könne man die Politik des Fürsten Bismarck nicht, auch seine Person nicht von seinem Amte trennen. Das Centrum lehne daher die Teilnahme an der Beglückwünschung ab. Abg. v. Bennigsen (natl.) weist darauf hin, daß es ohne den Fürsten Bismarck keinen deutschen Reichstag geben und die Welt es nicht verstehen würde, wenn der Reichstag sich schmollend bei Seite halten wollte. Er vergesse die politischen Kämpfe unter dem Fürsten Bismarck nicht, aber nachdem dieser aus dem Amt geschieden sei, solle man sich nur seiner unsterblichen Verdienste um die Wiedererrichtung des Reiches erinnern. Richter (freist Volksp.) will die Verdienste des Fürsten Bismarck um die Auswärtige Politik nicht verkennen. Aber nachdem diese Geburtstagsfeier zu einer Huldigung der Gesamtpolitik des Fürsten Bismarck gemacht werde, könne seine Partei daran nicht teilnehmen. ^
Die freisinnige Partei habe stets Fürst Bismarcks zersetzende Jnteressenpolitik bekämpft, welcher der Altreichskanzler auch heute noch Einfluß zu sichern bemüht sei. v. Manteuffel (kons.) stimmt der Ehrung zu, die Fürst Bismarck gerade um den Reichstag wohl verdient habe. Singer (Soz.O protestiert entschieden dagegen, da seine Partei vom Fürsten Bismarck durch Ausnahmegesetze geächtet und seine Politik eine volksfeindliche gewesen sei. Rickert (frs. Ver.) stimmt, dem Glückwunsch in kurzen Worten zu. Fürst Radziwill (Pole) ist gegen den Antrag des Präsidenten, weil Fürst Bismarcks Politik nicht die Rechte der Polen geachtet habe, v. Kardorff (freikons.) legt dar, der Reichstag würde sich vor der ganzen Welt unsterblich lächerlich machen, wenn er dem Fürsten Bismarck die schuldige Ehrung verweigern wollte, v. Hoden berg (Welfe) ist gegen, Gras v. Jnn- und Knyphausen und Liebermann v. Sonnenberg befürworten den Antrag des Präsidenten, über welchen nunmehr abgestimmt wird. Der Antrag wird in namentlicher Abstimmung gegen die Stimmen von Nationalliberalen, Konservativen und freist Vereinigung mit 163 gegen 146 Stimmen abgelehnt. Präs. v. Levetzow verkündet das Ergebnis und bemerkt, daselbe veranlasse ihn, das Präsidium niederzulegen. (Stürmisches, minutenlanges Bravo und Händeklatschen im Hause und auf den Tribünen.) VizeprLs. v. Boul übernimmt den Vorsitz, v. Bennigsen erklärt, nachdem die Ruhe einigermaßen wiederhergestellt ist, daß auch der zur Zeit kranke zweite Vizepräsident Dr. Bürklin sein Amt niederlegen werde. (Ist inzwischen geschehen.) (Abermaliger stürmischer Beifall.) Richter (frs.) meint, es werde auch ohne diese beiden Herren gehen. (Stürmischer Beifalk links.) Nunmehr tritt das Haus endlich in die Tagesordnung ein und genehmigt nach kurzen Bemerkungen die Etats der Eisenbahnverwaltung, Zölle, Zuckersteuer und Brausteuer. Hieraus vertagt sich das Haus bis Dienstag 1 Uhr. Die Neuwahl des Präsidenten soll, um ausführlichere Besprechungen zu ermöglichen, erst Mittwoch stattfinden.
Berlin, 25. März. Das Befinden des Prinzen Joachim ist auch heute zufriedenstellend. Die Besserung schreitet gleichmäßig fort.
Zum 8V. Geburtstage Bismarcks.
Stuttgart, 24. März. Mit Ausnahme des Organs der vaterlandslosen Sozi verurteilen sämtliche Blätter Stuttgarts das Vorgehen des Reichstags auf das schärfste, das keiner politischen Partei huldigende „Neue Tagblatt" meint, der politische Parteihaß habe am Samstag in einer wahrhaft beschämenden Weise die Majorität des Reichstags verblendet. Der klägliche Beschluß stelle Deutschland für alle Zeiten bloß. Die Majorität des Volkes denke aber anders, als die Majorität dieses Reichstags. - Die „Württ. Volksztg." glaubt, daß der Tag noch kommen werde, an welchem sich diejenigen glücklich preisen, welche für diesen Beschluß keine Verantwortung tragen. — Der „Schwäbische Merkur" schreibt: „Das Volk steht nicht hinter dem Reichstag." — Das Organ der Konservativen, die „Deutsche Reichspost", urteilt, der Beschluß sei für die deutsche Nation beschämend und fragt, wie Deutschland eigentlich so weit habe kommen können. — Aus diesen Kundgebungen kann der demokratische württ ember- gische Abgeordnete Johann Jakob Julius Oskar Galler-Freudenstadt erkennen, wie wenig er Fühlung hatte mit der Volksseele, als er letzten Sonntag vor „Gesinnungsgenossen" die Handlung des Reichstags unter Adhiebierung etlicher Witze verherrlichte. Wir hätten Galler doch für ernster genommen, obwohl ihn die „Tagwacht" schon einigemal als „lustige Figur in der Volkspartei" vorgeführt hat. (Schw. B.)
Berlin, 24. März. Dem Kaiser ging nach-, stehendes Telegramm aus Friedrichsruh zu: An Se. Maj. den Kaiser und König, Berlin. Eure Majestät bitte ich, den ehrfurchtsvollen Ausdruck meiner Dankbarkeit für die Allerhöchste Kundgebung entgegenzunehmen, durch welche Eure Majestät jede mir noch unbekannte Unerfreulichkeit meiner alten politischen Gegner zum Anlaß einer erfreulichen Genugthuung für mich umwandeln. Bismarck.
Berlin, 26. März. Wie verlautet, hat der Kaiser auch verschiedenen Mitgliedern der Regierung gegenüber seine Mißbilligung über das Verhalten des Zentrums im Reichstage bezüglich der Bismarckovation ausgesprochen.
Dresden, 26. März. Infolge des ablehnenden Reichs- tagsbeschlusses zeichneten 2 Bürger 15,000 für ein hier zu errichtendes Bismarck-Denkmal.
Leipzig, 26. März. Eine Versammlung von 60 Frauen Leipzigs regte eine Huldigungssahrt nach Friedrichsruh an. _
Bulgarien.
Sofia, 26. März. 3 große Dörfer mit 8000 Katholiken wollen zur orthodoxen Kirche übertreten. _
Briefkasten.
Wegen Mangel an Raum wird der Bericht über die Obstbau-Vereins-Versammlung in Ebhausen erst in nächster Nummer d. Bl. erscheinen. _
H iezu Schwäbischer Landwirt Nr. «.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schsn Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.