Die Abgg. Rickert (frs. Volksp.) und Förster (Resp.) ver­hallen sich vorbehaltlich, letzterer nur im Namen seiner Partei. In seinem Schlußwort legt Abg. Dr. Lieber Ver­wahrung gegen die Vermutung ein, seine Partei mache ihre Stellungnahme zum Umsturzgesetz von der Annahme dieses Antrages abhängig. Die Weiterberatung wird auf morgen vertagt. Es folgt die Beratung einer Reihe von Anträgen der Konscraliven und Nationalliberalen betr. die Abände­rung der Gewerbeordnung: Organisation des Handwerks­und der Konsumvereine. Abg. Jacobskötter (kons.) tritt für den Befähigungsnachweis ein und will, daß den Konsum­vereinen der Warenverkauf an Nichtmitglieder verboten werden soll. Nach einem Nesume des Abgeord. Heyl von Hernsheim (nat.-lib.) über die gestrigen Verhandlungen fuhrt Abg. Gamp (Reichsp.) aus: Eine staatliche Fürsorge für das Handwerk sei unerläßlich. Es empfehle sich die Einrichtung von staatlich un ersuchten Gewerbebanken, welche den Handwerkern Gelb zu billigeZinsfuß geben. Abg. Euler (Zentr.) empfiehlt den Besä.,:... ngsnachweis und die Einführung von Handwerkcreammer.i. Abg. Dr. Pachnicke (frs. Ver.): Die Zukunft des Handwerks wrrd besser durch die Förderung von Fachschulen, oder durch genossenschaft­liche Organisation gefördert werden. 'Abg. Reißhaus (Soz.): Den Befähigungsnachweis kann man n:cht einführen, ohne mir dem ganzen System der Geweroesreiheit zu brechen. Abg. v. Vierecke (kons.) hebt nach kurzen Ausführungen über die Notwendigkeit des Befähigungsnachweises hervor, daß die Handwerker nicht den Sozialdemokraten preisgegeben werden dürfen. Ein Antrag auf Vertagung wird ange­nommen. Nächste Sitzung: Morgen 1 Uhr. Jesuitenan­trag 2. Lesung und Justizvorlage (Prüfung in Strafsachen) in 1. Beratung.

DeutscherReichstag. (17. Sitzung.) Der Reichs­tag hielt am Donnerstag eine recht stille Sitzung ab. Be­raten wird zunächst der Antrag Hompesch (Centr.) betr. Aufhebung des Jesuitengesetzes. Abg. Rickert (freis.) be­antragt tz 2 des Jesuitengesetzes zu streichen. Der Antrag hat den Zweck, Ordensniederlassungen der Jesuiten in Deutsch­land nach wie vor unter Verbot zu stellen, die Aufenthalts­beschränkung einzelner Ordensmitglieder in Deutschland aber zu beseitigen. Abg. Förster (Ant.) will auch das Verbot der Ordensniederlassungen und nur für die Jesuiten, welche Ausländer sind, Aufenthaltsbeschränkungen zu lassen. Abg. Rickert (srers.) befürwortet seinen Antrag, für welchen, wie Abg. Friedberg erklärt, auch ein Teil der Nationalliberalen stimmen wird. Abg. v. Stumm (freik.) ist gegen alle An­träge. Abg. Lieber (Centr.) wird für den Antrag Rickert stemmen, wenn der Antrag seiner Partei abgelehnt werden sollte. Der Zentrumsantrag wird indessen ohne namentliche Avstimmung angenommen, womit der Antrag erledigt ist. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes betr. Aende- rungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes. Die Vorlage bestimmt die Wiedereinführung der Berufung gegen Strafkammerurteile, die Entschädigung unschuldig Verurteilter, die Einführung des Nacheides, sowie die Bei­setzung der Kammern und Verteilung der Geschäfte durch die Landesjustizverwaltung, statt, wie bisher, durch die Gerichts-Präsidenten. Staatssekr. Dr. Nieberding vertritt die Vorlage ausführlich und weist namentlich Einwände retour, welche gegen den letzten Punkt derselben erhoben sind. Abg. Ainieien (Zentr.) steht dem Entwürfe im All­gemeinen wohlwollend gegenüber, kann aber wegen Einzel­heiten Abünderungswünsche nicht unterdrücken. Abg. Dr. Enneccerus (nat.-lib.) hat noch mehrfache Wünsche, so sehr er über die Erfüllung lang vertriebener Forderungen er­freut ist. Namentlich erscheint ihm die Wiedereinführung der Berufung gar zu sehr mit anderen Dingen überlastet. Die Weiterberatung der Vorlage wird bis Freitag 1 Uhr vertagt.

Deutscher Reichstag. (18. Sitzung.) Bei der heute fortgesetzten Beratung der Justiznovelle erklärt Lenzmann (freis. Volksp.) die Vorlage als ein Produkt der Unzufriedenheit weiterer Volkskreise mit der Justizpflege. Den Richtern fehlt vielfach der nötige Widerstand nach oben. Die Vorlage zeigt eine Animosität gegen die Schwurgerichte. Sie hat eine reaktonäre Tendenz, namentlich bezüglich der Abänderung der Geschäftsverteilung, wodurch die Landes- justizbehörde gelegentlich abgängige Gerichte schaffen könnte. Vielleicht scheitert die Vorlage daran, was wegen der Wie­dereinführung der Berufung u. der Entschädigung unschuldig Verurteilter bedauerlich wäre. Redner wünscht auch eine Entschädignng für die unschuldig Verhafteten, Zuweisung der Preß- und politischen Delikte an die Schwurgerichte und bekämpft eingehend die faktischen Resumss der Schwurge- richlspräsidenlen. Der Justizminister Schönstedt erklärt, er könne auf die Einzelheiten nicht eingehen, weil er sich nicht mit allen Einzelheiten der von seinem Vorgänger übernommene Vorlage identifizieren könne. Die Vorlage stehe auf dem Boden früherer Reichstagsbeschlüsse. Für die Freunde der Berufung und der Entschädigung empfiehlt er, keine weitgehenden Abänderungsvorschläge einzubringen, damit nicht die ganze Vorlage verfalle.

Der deutsche Kaiser soll das Bedauern aus­gesprochen haben, daß ein so gemäßigter und beson­nener Staatsmann wie Casimir-Perier von der Prä­sidentschaft zurücktrete. Er soll gleichzeitig die Hoff­nung ausgesprochen haben, daß die Beziehungen des deutschen Reiches zu dem Nachfolger desselben ebenso leicht und angenehm sein würden.

Berlin, 17. Jan. Eine außerordentliche Aus­zeichnung hat gestern der bisherige russische Bot­schafter Graf Schuwalow vom Kaiser erhalten. Der Kaiser begab sich zu Fuß nach dem Palais und teilte dem Grafen mit, daß er ihm die Brillanten des Schwarzen Adlerordens verleihe.

Berlin, 17. Jan. In der Budget-Kommission des Reichstages beantragte Lieber eine Resolution, wonach die Bundes-Regierungen Bestimmungen treffen

möchten, daß der erfolgreiche Besuch eines Lehrer- Seminars für die Betreffenden die Berechtigung zum Dienst als Einjahrig-Freiwillige in sich schließen solle. Die Resolution wurde einstimmig angenommen.

Berlin, 18. Jan. Zu den Erörterungen über die Frage, ob Fürst Bismarck noch Mitglied des Staatsrats sei, erklärt dieKrzztg.", daß sie in der Lage sei, mit Bestimmtheit versichern zu können, daß an maßgebender Stelle diese Zweifel nicht geteilt werden. Fürst Bismarcks Zugehörigkeit zum Staats­rat gilt vielmehr als durchaus unbestreitbar.

Berlin, 18. Jan. DieNational-Ztg." hebt hervor: Faure ist nur mit Hilfe der Mehrheit des Senats gewählt worden. Das Schicksal Casimir- Periers, dessen Richtung Faure angehört, läßt auf größere Dauerhaftigkeit und einschneidender Wirksam­keit der neuen Präsidentschaft nicht schließen. Die Vossische-Ztg." schreibt: Faure, als Politiker im Auslände bisher unbekannt, gilt als vorwurfsfrei und sehr energisch. Er ist ein Mann ernster Arbeit. DasBerl.-Tagebl." erwartet von Faure eine fried­liche Politik, wirft jedoch die Frage auf, wie lange er wohl dem Radikalismus und Sozialismus wider­stehen könne.

Frankreich.

Periers Rücktritt wird stets mehr und mehr verurteilt. Der Senator Ranc erklärt imMatin", die Botschaft Casimir Periers sei ein Anklageakt gegen die republikanische Regierung vor Frankreich und dem Auslande.Figaro" teilt die Aeußerungen zahlreicher Mitglieder des Parlaments über den Rück­tritt Casimir Periers mit; ausnahmslos verurteilen sie den Rücktritt auf das schärfste. Boiffy erklärt den Rücktritt als eine Fahnenflucht, wofür Casimir Perier in Anklagezustand versetzt werden sollte.

Paris, 17. Jan. Zahlreiche Blätter veran­stalteten Abends Sonderausgaben. Auf den Boule­vards war eine große Menschenmenge, die sich be­sonders vor einer Zeitungsredaktion staute, wo durch Transparente das Wahlergebnis bekannt gemacht wurde. Einzelne Blätter besprechen bereits die Wahl. DerSoir" schreibt: Die vollendete Ehrenhaftigkeit Faures sichert uns eine korrekte Führung der Präsi­dentschaft. Wir zweifeln aber daran, daß er die nötige Kraft und Autorität besitze, um der soziali­stischen Strömung Widerstand zu leisten. Das Blatt Melines sagt, die Kandidatur Faures sei von den Freihändlern betrieben worden, die seine Wahl als eine Verurteilung der Schutzpolitik ansehen. Die aus der Provinz bereits eingelaufenen Nachrichten besagen, die Wahl Faures habe vorzüglichen Ein­druck gemacht.

! Paris, 18. Jan. Nach der Verkündigung des Abstimmungsergebnisses bei der gestrigen Präsidenten­wahl kamen im Kongreßsaale Kundgebungen der Sozialisten vor, welche die Protestrufe erhoben: Vivat Briffon! Nieder mit Faure!" Die Demon­stration währte mehrere Minuten. Die Versamm­lung wurde um 7s/e Uhr geschlossen. Aus Dover traf ein Manifest des Herzog von Orleans an die monarchistische Partei ein. Nach der Wahl statteten zahlreiche Parlamentsmitglieder Faure ihre Glück­wünsche ab. Dieser erklärte, er habe die große Ehre nicht erwartet, fei keiner Partei angehörig und werde Schiedsrichter für alle sein. Er betonte seine Sym­pathien für die untern Volkslaffen.

Paris, 19. Januar. Präsident Faure empfing gestern Abend Bourgeois. Nach einer langen Unter­redung beauftragte Faure Bourgeois mit der Kabi- netsbildung. Bourgeois behielt sich die Antwort bis heute vor, um zuvor mit seinen Freunden zu beraten.

Der neue Präsident der französischen Re­publik Felix Faure gehört zu den verhältnismäßig neuesten Männern der dritten Republik. In der Eigenschaft eines Ministers tauchte er überhaupt erst im Ministerium Dupuy vom 30. Mai 1894, und zwar als Marineminister auf. Er steht etwa im 50. Lebensjahre und ist einer, der sich aus kleinen An­fängen durch eigene Tüchtigkeit zu Wohlhabenheit und Ansehen emporgearbeitet hat. Er ist ein ange­sehener Schiffsreeder in Havre. Schon im Jahre 1881 berief ihn Gambetta in das Unterstaatssekre­tariat der Kolonien. Dort ist er auch später unter -Jules Ferry, Briffon und Tirard thätig gewesen. ^ Der Deputiertenkammer gehört Felix Faure als Ab- ! geordneter der Seine Jnförieure an und vertritt seine Heimatsstadt Havre. Er hat sich in der Kammer immer beliebt zu machen gewußt, und galt als fach­männische Autorität in Flottensachen. Er ist wieder­

holt Vizepräsident der Kammer gewesen. Als Mit­glied des Ministeriums Dupuy ist Felix Faure am am 14. Jan. d. I. von seinem Amt zurückgetreten.

Italien.

Rom, 15. Jan. DieAgsncia Stefani" meldet aus Maffauah vom heutigen Tage: General Bara- tieri kam am 12. Jan. abends, ohne vom Feinde bemerkt zu werden, in Coatit (?) an, griff am 13. ds. in frühester Morgenstunde den Feind, welcher 10000 mit Flinten und viele mit Seitengewehren aus­gerüstete Soldaten zählte, unvermuret an. Ras Mangascha mußte das Schlachtfeld verlassen und ging zurück, indem er die Berge von Gonde als Stützpunkt nahm. Sodann versuchte er einen Front­angriff, den Barattieri jedoch zurückwies. Ras Man­gascha hatte beträchtliche Verluste. Die Abessinier versuchten nunmehr eine Umgehung der Italiener. Letztere kamen jedoch zuvor. Einen Gesamtangriff wiederholte Ras Mangascha nicht. Das Gewehrseuer wurde aber auf beiden Seiten den ganzen Tag hin­durch fortgesetzt. Die 'Nacht verging vollkommen ruhig. General Baratieri hat mit seinen gesamten Truppen bei Coatit ein Lager aufgeschlagen. Die Haltung der italienischen Truppen in dem Kampfe war bewundernswert. Die gefangen genommenen Feinde haben bestätigt, daß die Verluste Ras Man- gaschas beträchtlich sind. Die Verluste auf italie­nischer Seite find nicht bedeutend.

Rom, 18. Jan. Der Mörder des Oberstaats­anwalts Cilli in Mailand beharrt auf alle Fragen des Untersuchungsrichters mit Schweigen. Derselbe ist in Monza gebürtig und heißt Bellochjo. Als er an den Oberstaatsanwalt hsrantrat, griff er mit der linken Hand das Spitzentuch, während die rechte Hand den Dolch versteckt hielt, mit dem er dem Oberstaatsanwalt dre Schlagader durchschnitt. Die Behörde glaubt an einen persönlichen Racheakt, wäh­rend die öffentliche Meinung den Mord als ein anarchistisches Attentat anführt.

Mailand, 17. Jan. Heute nachm. 3'/2 Uhr wurde der Generalstaatsanwalt des hies. Appellhofes, Celli, in seinem Kabinett durch ein Individuum e r- mordet, das ihn unter falschem Namen zu sprechen verlangte. Der Mörder faßte Celli an der Kehle und durchschnitt ihm die Schlagader. Celli starb nach wenigen Augenblicken. Der Mörder wurde alsbald verhaftet. Er nennt sich Attilius Bellochjo und stellt sich irrsinnig. Er antwortet nicht auf die an ihn gerichteten Fragen. Man glaubt, es handle sich um einen Anarchisten.

England.

London, 18. Jan. Der Herzog von Orleans verwandte gestern seine Zeit in Dover außer zu der Absendung seines Manifests noch dazu, daß er sich viermal photographieren ließ. (!) Die Photographien sind zur Massenverteilung in Frankreich bestimmt. Er kehrte heute morgen nach London zurück.

Der Herzog von Orleans, der auf die Kunde von dem Rücktritt des Präsidenten Casimir Perier seinen Hofstatt sofort nach Dover verlegt hat, er­klärte einem Vertreter desHerald", daß er bereit sei, sich dem Vaterlande zu opfern. Der Zweck seines Aufbruchs nach Dover fei, seinem geliebten Frank­reich näher zu fein. Seine Schritte hingen von der weiteren Entwicklung der Dinge ab.

Kleinere Mitteilungen.

Stuttgart, IS. Jan. Für den Bau der neuen Real­schule an der Hohenheimerstratze sind nunmehr die Betonier-, Maurer- und Steinhauerarbeiten zur Vergebung bis 21. d. M. ausgeschrieben. Der Voranschlag beträgt 2276000

Mannheim, 18. Januar. Der 59 Jahre alte Pfarrer Eduard Bonger in Wiesenbach wurde wegen zahlreicher Sittlichkeitsverbrechen von der Strafkammer zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt.

In der Eifel (Rheinpr.) sind in den letzten Tagen allenthalben im Auftrag der preußischen Regierung Sau­jagden abgehalten worden, die bei der ho Yen Schneelage recht ergiebig gewesen sind. Von 70 Schützen find mehr als 30 Stück Wildschweine erlegt worden.

Handel H Berkehr.

Ulm, 17. Jan. Am letzten Tage der Münsterbau- otterie wurden folgende größere Gewinne gezogen: Je 100 die Nummern 187583 163208 230093, je 1000 ^ :e Nummern 1478 226418 200307 171315 221973 32017, 500 ^ die Nummern 218745 183591 130677 282344 10387 262889 264911 31188 284306 64938 34496 93299, 300 ^ die Nummern 259110 256221 92095 233441 11816 137167 10742 109950 123650 159902 90733 225264 17775 95782 192226 269290 206090 41170 26815 255403 i3367 17239 240633 190089 176809 290107 169268 2641

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