durch welche die Umsturzvorlage als kultur- und volksfeindlich verworfen wird.
Berlin, 12. Jan. Nachdem Ahlwardt noch vorgestern als Hospitant der deutschen Reformpartei (Antisemiten) zugelassen worden war, wurde derselbe heute völlig aus der Partei ausgeschlossen und alle Parteibeziehungen zu ihm abgebrochen.
Deutscher Reichstag. (13. Sitzung.) Am Sonnabend wurde endlich nach fünftägiger Dauer die erste Beratung des Umsturzgesetzes zum Abschluß gebracht, und die Vorlage einer Kommission von 28 Mitgliedern zur Spezialprüfung überwiesen. Abg. Lerno (Cent.) erklärte gegenüber dem Abg. Sigl, es sei unwahr, daß über diese Vorlage in Bayern große Mißstimmung herrsche. Unzufriedenheit bestehe wegen der andauernden schlechten Zeiten, wegen des Stockens aller gewerblichen Verhältnisse. Redner empfiehlt die Einführung eines Befähigungsnachweises und eines Ehrengerichts für die Presse. Abg. Spayn (Cent.) bekämpft die Vorlage als Ausnahmegesetz und verwahrt seine Partei entschieden gegen den Verdacht, daß es bei dieser Vorlage politische Tauschgeschäfte treiben wolle. In der schrankenlosen Freiheit für Handel und Gewerbe und in dem Kulturkampf lägen die'starken Wurzeln der Sozialdemokratie Hierauf begründet der Reichskanzler Fürst Hohenlohe nochmals die Berechtigung der Vorlage und hofft aus das Zustandekommen des Gesetzes. Die Regierungen hätten mit Vorbedacht den Weg des Ausnahmegesetzes nicht betreten, dürften aber der dauernden Verhöhnung der heiligsten Gefühle der Bevölkerung nicht ruhig zusehen. Die Vorlage enthalte das Mindestmaß dessen, was zur Aufrechthaltung der Ordnung erforderlich sei. Die Regierung hoffe im Kampfe gegen internationale soziale Verbrechen auf die Zustimmung der Nation und die thatkräftige Mitwirkung der Mehrheit des Reichstages. (Bravo rechts.) Abg Leuschner (freck.) führt aus, daß die sozialdem. Hetzer keine Schonung verdienen und hofft auf Annahme der Vorlage. Abg. Frohme (Soz.) verteidigt seine Partei gegen die wieder sie erhobenen Angriffe. Er kommt dabei auf die Spezialthätigkeit zu sprechen, was dem Min. v. Köller zur Bemerkung veranlaßt, er werde niemals dulden, daß die Polizei Verbrechen anslifte und müsse die Polizeibeamten deshalb gegen den Vorwurf, daß sie dem Anarchismus Vorschub leisten, verwahren. Das zu behaupten, sei eine Beleidigung des ehrenwerten, geplagten Standes der Polizei, die er jederzeit gegen solche Angriffe in Schutz nehme. Auch der Kriegsmin. weist Angriffe des Abg. Frohme auf die Armee mit größter Schärfe zurück. Stach längeren Ausführungen des Abg. Buchka (lons.) wird die Diskussion geschlossen und die Vorlage einer Kommission überwiesen. Nächste Sitzung: Montag, 1 Uhr. (Interpellation über den Schutz der Deutschen im Auslande.
Deutscher Reichstag. (14. Sitzung.) Am Bun- desralstische: Der Reichskanzler, v. Böttcher, Graf Posa- dowsky, v. Marschall u. A. Das Haus erledigt zunächst einige Rechnungssachen, wobei der Abg. Richter (freis. Volksp.) die Höhe der Etatsüberschreitungen rügt. Es folgt Interpellation Paasche und Genossen betr. den inangelnden Schutz der Deutschen im Auslande, inbesondere in Zentralamerika. Abg. Hasse (nat.-lib.) erinnert an die Zeiten Bismarcks, wo tue Deutschen im Auslande geschützt waren. Bismarck schritt selten ein, wenn aber, dann in energischer Weise, so daß die Wirkung nicht ausblieb. Seit 1890 scheint das von Bismarck geschaffene Ansehen geschwunden zu sein, worunter unsere Stellung iin Auslande sehr gelitten hat. Seit Jahresfrist haben sich die Fälle gemehrt, wo es unseren Landleuten an Schutz fehlte. Redner zählt mehrere Fälle auf, in denen Deutsche im Auslande in grober, gewaltthätiger Weise behandelt wurden und kommt dann auf die bekannten Vorgänge in Zentralamerika zu sprechen, deren Resultat eine Schwächung des deutschen Ansehens gewesen sei. Weiter bespricht Redner den Fall Mathis in Guatemala. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen macht Redner dem Grafen Caprivi den Vorwurf, sich mir dem nationalen Empfinden in Widerspruch gesetzt zu haben. Nötig ist zunächst die Aenderung des Gesetzes von 1870 (Erwerb und Reichsangehörigkeit) und vor allen Dingen eine sorgfältigere Auswahl unserer Vertreter. Ich hoffe daher, daß besonders Herr Peyer abberufen wird. Frhr. v. Marschall sucht im ersten Teil seiner Rede die Vorwürfe gegen den Grafen Caprivi zurückzuweisen und betont, daß seit dem Jahre 1870 die Instruktionen der auswärtigen Vertreter keinerlei Aenderung erfahren hätten. Auf die vom Interpellanten näher angeführten einzelnen Fälle eingehend, muß der Regierungsverlreler zugeben, daß der deutsche Gesandte Peyer seine Schuldigkeit nicht gethan habe, jedenfalls habe sich derselbe allzu passiv verhalten. Der Deutsche im Auslande kann allerdings nur dann auf deutschen Schutz rechnen, wenn er sich darnach benimmt. Für die Bequemlichkeit der Deutschen im Auslande können wir allerdings nicht sorgen. Die würdige Vertretung Deutschlands dürfte aber allein nicht immer in der Lage sein, allen Nebeln abzuhelfen, inan müßte eben ab und zu die deutsche Flagge zu sehen bekommen, was leider in den letzten 10 Jahren nicht geschehen ist. Es folgt die Interpellation Heyl, welche der Interpellant sehr ausführlich begründet. Stach längeren Ausführungen des Min. v. Böttcher schlägt dieser vor die Gründung von Handwerkerkammern analog den in Preußen bestehenden Land- wirrschastskammern. Auf Antra, des Abg. Hitze (Zentr.) beschließt das Haus die Vertagung über die Beratung der Interpellation auf morgen 2 Uhr.
Frankreich.
Paris, 14. Jan. Der Pförtner der Rue Monceau 65 sah um Mitternacht vor dem Fenster eine Maschine und warf sie auf die Straße. Die Maschine explodierte, wobei Fensterscheiben und Straßenlaternen zertrümmert, aber niemand verletzt wurde. Die Schuldigen sind unbekannt. „Matin" zufolge war die Maschine eine lautlose Sturzbombe, eine große Blechbüchse, ähnlich einem Bisquitt-
kistchen, und enthielt wahrscheinlich wenig Dynamit und viel Gewehrpulver. Sie war, gleich Baillants Bombe, mit Eisenstückchen, vielleicht Kugeln, geladen.
Paris, 14. Jan. Die heute früh einqeleitete Untersuchung über die Explosion in der Rue Moncean hat noch zu keinem Ergebnis geführt. Die Polizei hat noch keine Anzeichen, welche auf die Spur des Urhebers der Explosion führen könnten. In der Polizei-Präfektur glaubt man, daß es sich eher um einen gefährlichen Scherz, als um ein anarchistisches Attentat handelt. Der Chef des Laboratoriums der Munizipalität ist gegenwärtig mit der Untersuchung der Trümmer des Explosionskörpers beschäftigt. Letzterer hatte die Form eines Petroleum-Behälters. Man glaubt, daß der Explosionskörper fast ganz mit Jagdpulver gefüllt war, aber kein Dynamit enthielt, und daß er nicht dazu bestimmt war, eine Zerstörung zu verursachen, sondern nur eine Detonation hervorzurufen.
Paris, 15. Jan. Die „Agence Havas" meldet: Bei der Beratung über die durch das Urteil des Staatsrats aufgehobene Zinsengarantie für die Südbahn hat die Kammer die von der Regierung gebilligte Tagesordnung, welche die Achtung gegenüber der Trennung der Gemeinden aussprach, mit 263 gegen 241 Stimmen abgelehnt. Daraufhin hat das ganze Ministerium um seine Entlassung gebeten.
Italien.
Rom, 14. Jan. Crispi und die übrigen Minister kehrten gestern früh aus Neapel hierher zurück. Vorgestern abend bei der Abreise von Neapel bereiteten etwa 3000 Arbeiter, die mit bengalischen Lichtern und Musikkorps aufzogen, Crispi eine Ovation. Die Behörden, sowie die in Neapel anwesenden Senatoren und Deputierten geleiteten den Ministerpräsidenten und die übrigen Minister zum Bahnhof. Im Augenblick der Abfahrt ertönten lebhafte Hochrufe auf Crispi.
England.
London, 12. Jan. Wie der „Stand." über Berlin erfährt, stellte Japan folgende Friedensbedingungen: Die Unabhängigkeit Koreas unter Oberhoheit Japans; Abtretung gewisser Inseln seitens Chinas; Schleifung der Takusorts; Port Arthur und Wai-Hai-Wai sollen nicht länger Kriegshäfen sein; Schleifung aller Forts auf dem Wege von Korea nach China; Anerkennung des Rechtes Japans, China die Anzahl und Bauart der Kriegsschiffe vorzuschreiben; Zahlung einer sehr bedeutenden Kriegsentschädigung; wenn möglich, Herstellung freundlicher Beziehungen als Vorbereitung für ein chinesisch-japanisches Bündnis. (Wie weit sich hier Vermutungen und That- sachen kreuzen, weiß man nicht, mild dürften die Friedensbedingungen aber trotz des amerikanischen diplomatischen Beirates für die Chinesen nicht werden.)
London, 14. Jan. Aus Montevidieo wird gemeldet, daß die Regierungstruppen von Rio Grand, welche die Insurgenten verfolgten, die Grenze von Uruguery überschritten und 1 Offizier nebst 3 Soldaten, welche sich widersetzten, getötet haben.
Türkei.
Konstantinopel, 14. Jan. Der Zustand des Ex-Khedive Ismail verschlimmert sich täglich. In dem von den Aerzten letzthin erstatteten Bericht wird die Krankheit als ein krebsartiges Unterleibsleiden betrachtet und der Eintritt einer Katastrophe als wahrscheinlich bezeichnet. Ein Wiener Univer- sitätsprofeffor bestätigt die Ansicht der Aerzte, welche die Ueberführung Ismails nach Aegypten anraten, wo der Ex-Khedive Genesung erhofft.
Amerika.
San Franzisko, 15. Jan. Aus Samoa wird gemeldet, daß dort eine neue, vollkommen unbekannte, aber furchtbar verheerende Epidemie ausgebrochen sei. Die Eingeborenen sterben in Masse.
Asien.
Vokohagla, 15. Jan. Nach einer amtlichen Depesche des Generals Nazi aus Kaiping sind in Erstaoho 10000 Chinesen zusammengezogen. Weitere Streitkräfte befinden sich in Amkao und in Laoyatea. Eine Depesche aus Haitscheng meldet: Die Hauptmacht der chinesischen Armee zog sich nach Kahohei zurück. General Nieh, der Kommandant von Kaiping, fiel in die Hände der Japaner. Wäh- reng des Rückzugs wurde das Pferd des Wagens des Generals getötet. Der General wurde an einem Schenkel verwundet.
Kleinere Witteilirirgen.
Stuttgarter Volkswitz. Auch der politischen Vorgänge in Preußen hat sich unser Volkswitz bemächtigt und sie zu der nachfolgenden Scherzfrage verarbeitet.
Frage: Welches ist das am meisten musikalische Land? — Antwort: Preußen: der Kaiser komponiert und die Minister gehen flöten.
Stuttgart, 14. Jan. Brandmeister Jakoby wurde bei seinem Weggang von Stendal zum Ehrenbrandmeister ernannt. In den letzten Tagen wurde ihm von dort ein künstlerisch ausgeführles Diplom über diese Auszeichnung übersrndl.
Nach Berechnung erfahrener Jäger sind in ganz Deutschland während der diesmaligen Hascnperiode ca. 5 Mill. Hasen zur Strecke gebracht worden, was bei einem Durchschnittsgebrauch von 8 Pfund 40 Mill. Pfund oder 400000 Zentner ausmacht. Nimmt man als Durchschnittspreis für einen Hasen 3 so ergiebt sich als Ertrag der diesjährigen Hasenjagd 15 Mill.
Der Buchhalter Johannsen in Hamburg ist nach Unterschlagung von 15,000 ^ flüchtig gegangen.
Preß bürg, 14. Jan. Der Stadtkommandant Feld- marschall-Lieutenant Jelentsek stürzte bei einem Jagdausflug, bei welchem er von zwei Herren begleitet war, mit dem Schlitten in die Donau. Die Jagdgesellschaft konnte sich nur mit großer Anstrengung retten. Der Schlitten mit den Pferden verschwand in den Wellen.
Rom, 14. Jan. In dem Marktflecken Mezzojuso in der Provinz Palermo, der an einer steilen Felswand liegt, hat ein Felssturz stattgefunden. Große Blöcke stürzten auf das Stadtviertel San Basilio nieder. Die Einwohner flüchteten erschreckt.
Professor Behring, der vor einigen Tagen zum Besuche des Pasteurschen Instituts in Paris eingetrossen ist, begab sich von dort zu seiner Erholung nach Aegypten. Wie weiter aus Paris gemeldet wird, soll Behring sowohl als Prof. Löffler wegen ihrer Verdienste um die Serum- Heilmethode das Kommandeurkreuz der Ehrenlegion verliehen werden.
— Die schwere Ausbeute. A. (zu B., der Sonntagsjäger ist): „Nichts geschossen auf der Jagd?" — B.: „O doch!" — A.: „Ihre Jagdtasche ist aber doch leer." B : „Na, denken Sie denn, ich werde drei angeschossene Treiber in der Jagdtasche mit herumtragen?"
Handel L Berkehr.
Nagold, 15. Jan. Ergebnis der im hies. städtischen Schlachthause und in den Schlachtlokalen der Metzger geschlachteten Tiere im Jahre 1894.
Im städt. Schlachthause wurden geschlachtet:
50 Ochsen,
11 Farren,
42 Kühe,
121 Rinder.
Im ganzen 224 Stück mit einem Gesamtschlacht-Gewicht von 51405 Kilogr.
In den Schlachtlokalen der Metzger wurden geschlachtet: 44 Schafe,
563 Kälber,
647 Schweine.
Im ganzen 1254 Tiere.
Gegen das Vorjahr wurden mehr geschlachtet: 17 Ochsen,
,, „ „ „ „ „ 7 Farren,
„ „ „ „ weniger „ 18 Kühe,
„ „ „ „ „ „ 138 Rinder,
„ „ „ „ ,, ,, 133 Kälber,
„ „ „ „ „ „ 211 Schweine.
Notschlachtungen kamen vor bei 6 Kühen, 2 Rindern und 1 Schwein.
Von auswärts eingebrachtes Fleisch:
1) von Gemeinden innerhalb des Bezirks 2255 Klg.
2) „ „ außerhalb „ „ 5139 Klg.
Im ganzen 7394 Klg. Gegen das Vorjahr wurden weniger eingef. 742 Klg. Stuttgart, 14. Jan. (Mehlbörse.) Suppengries: ^ 26.- bis Mehl Nr. 0: ^ 25.50 bis 26.50,
dto. Nr. 1: ^ 23.50 bis ^ 24.50, dto. Nr. 2: ^ 22.— bis ^ 22.50, dto. Nr. 3: ^ 20.— bis ^ 20.50, dto. Nr. 4: ^ 17 — bis ^ 17.50. Kleie mit Sack ^ 6.— pro 100 Kilo je nach Qualität.
Stuttgart, 14. Jan. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Klg.: Weizen, ungar. ^ 17.—, Rumän. 15.15, Ruff. Ia. 16.—, bayer. 14.25, Niederbayer. Ia. 16.50, Kernen, Oberländer la. 14.60—14.75, Gerste, bayer. 15.50, fränk. 16.—, Nördl. 15.50, Lauinger 15.60, Haber Land 10.40, Land prima 13.—, Alb 11.60, Alb pr. 13.20. Acker» bohnen hell 6.25 ^
U l m, 15. Jan. Bei der heute vormittag begonnenen Ziehung der Münsterbau-Lotterie ist der Gewinn mit 15000 ^ bereits herausgekommen; er fiel auf Nro. 158688. Weitere Gewinne fielen auf die Nummern: 121562, 231444, 92640, 66699, 169571, 206090, 68390, 123353, 126 616 und 182134.
Neuestes.
Stuttgart, 16 . Jan. (Privattelgr. des „Gesellschafter".) Paris. „Note agence Havas" meldet die Demission des Präsidenten Casimier Perier.
Briefkasten.
Anfragen von auswärts können nur beantwortet werden, wenn denselben das entsprechende Porto für die Postkarte bezw. Brief beigeschlossen ist. Im Interesse einer prompten Erledigung bitten wir gefl. darauf zu achten..
_ Die Redaktion.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.
Schützet die HöMume gegen Käsen!