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62. Jahrgang.
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Dienstag, äen 26. Aprik 1887.
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^otttrsche Wcrchvichterr.
Deutsches Reich.
— Am Donnerstag wurde ein französischer Spezialgrenzkommissar Namens Schnabels beim Ueberschreiten der deutschen Grenze von zwei deutschen Gendarmen verhaftet und nach Metz gebracht. Das -lst der Thatbestand einer Nachricht, die nach französischen Berichten in Paris wie an der deutsch- französischen Grenze eine ungeheure Aufregung verursacht hat. Die „Ag. Havas" trägt das ihrige dazu bei, diese Aufregung zu vermehren, indem sie über den Fall die obsurdesten Geschichten erzählt. Nach ihr ist Schnäbele in eine ihm gestellte Falle gegangen, da derselbe von dem deutschen Polizeikommissar Gautsch in Ars mehrere Schreiben erhalten habe, worin er auf- gefordert worden sei, mit ihm über die Handhabung des Dienstes an der Grenze zu konferieren. Schnäbele habe sich darauf zu Fuß zu Gautsch auf den Weg gemacht, sei dabei von zwei deutschen Gendarmen festgenommen und zunächst nach Noveant, dann nach Metz geführt worden. Die Gendarmen sollen mit weißen Blousen bekleidet gewesen und sich in den Weinbergen versteckt gehalten haben. Bei dem Ueberfall sei Schnäbele zu Boden geworfen worden. Die Behauptung der „Metzer Ztg.", die Verhaftung Schnäbeles hänge von der Agitation der Patriotenliga zusammen, wird von der genannten Agentur für vollständig unbegründet erklärt. — Selbstverständlich ist die Behauptung, Schnäbele sei von einem deutschen Kommissar in einen Hinterhalt gelockt worden, böswillige Erfindung und wird von zuverlässiger Seite energisch bestritten. Da das französische Ministerium sich mit der Angelegenheit befaßt, wird die Sache jedenfalls bald richtig gestellt werden. Eine Aufklärung von deutscher Seite wird wohl baldigst erfolgen.
(24.Apr.) Während die deutsche Presse durchweg den „FallSchnäbele" ruhig und ohne Voreingenommenheit beurteilt und auf die Notwendigkeit hinweist, weitere Aufklärungen abzuwarten, ergeht sich ein Teil der Pariser Blätter in den gröbsten Brschimpfungen und Beschuldigungen Deutschlands. Dabei wird die gehässige Darstellung des Falles seitens der „Agence Havas" aufrechtgehalten, nach welcher Schnäbele (der ein Schwager des bekannten Antoine ist) in einen Hinterhalt gelockt und überfallen wurde; es wird sogar die Behauptung aufgestellt, Schnäbele sei auf französischem Boden festgenommen und mit Gewalt über die Grenze gebracht worden. Ueber den Vorgang der Verhaftung und die Gründe derselben ist Bestimmtes noch nicht bekannt. Festgestellt ist aber, daß die Verhaftung auf deutschem Boden erfolgte. Dies haben der Oberstaatsanwalt von Colmar, der Erste Staatsanwalt von Metz in Begleitung des vom Reichsgericht beauftragten Unter
suchungsrichters aus Straßburg und Polizeibeamte von Metz und Novöant an Ort und Stelle in jeder Weise festgestellt. Einem Gerücht zufolge soll Schnäbele sich mit einem Dolchmesser gewehrt haben. Ob Schnäbele, wie behauptet wird, die in Metz aufgebrachten Geldmittel zur Unterstützung der Patriotenliga nach Paris vermittelte oder ob noch schwerere Beschuldigungen wider ihn vorliegen, wird die Untersuchung gegen ihn erweisen. Nach einer Angabe hätte man bei tec Verhaftung ein Verzeichnis der Mitglieder der „Liga" in seinem Besitz gefunden. Einer Nachricht der „K. Z." zufolge wäre Schnäbele im Augenblick verhaftet geworden, wo er die Berichte eines seiner Spione in Elsaß-Lothringen entgegennahm. Offiziös wird von Berlin aus, wie schon gemeldet, erklärt, daß die Verhaftung Schnäbeles auf Verfügung des Untersuchungsrichters (Leonie in Straßburg) erfolgt sei und in Verbindung mit landesverräterischen Vorgängen im Reichslande stehe. In Uebereinstimmung damit will die „Libertö" aus deutscher Quelle erfahren haben, daß das Reichskanzleramt in Berlin seit einiger Zeit davon unterrichtet gewesen, daß Schnäbele des Spionierens verdächtig sei und daß Befehl gegeben worden, ihn festzunehmen, wenn er deutsches Gebiet betrete.
Berlin, 24. April. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Wie wir aus zuverlässiger Quelle hören, ist durch Zeugenverhör festgestellt, daß die Verhaftung des P o liz ei k o m m is s a r s Schnäbele aus deutschem Gebiet erfolgt ist. Es wird dies von ihm selbst nicht in Abrede gestellt. Nach den an Ort und Stelle eingezogenen Nachrichten über die Verhaftung des französischen Polizeikommissars Schnäbele hat dieselbe auf Requisition der Staatsanwaltschaft und des Untersuchungsrichters stattgefunden, sobald sich Schnäbele auf deutschem Gebiete betreten ließ. Derselbe hat den, ihm die Verhaftung ankündigenden deutschen Polizeibeamten zu Boden geworfen und einen Fluchtversuch gegen die Grenze gemacht, ist aber diesseits der Grenze wieder eingeholt und dingfest gemacht worden. Die Anklage gegen ihn bezieht sich auf Beteiligung an landesverräterischen Umtrieben in den Reichslanden unter Mißbrauch seiner amtlichen Stellung zur Beförderung derselben. Die Verhaftung ist gerichtlich nichi beschlossen worden, ohne daß überzeugende Beweisstücke für die Schuld des Verhafteten Vorlagen."
Hcrges-Weuigkeiten.
* Teinach. Wie wir mit großem Bedauern erfahren, wird Hr. Wundarzt Schrägle, welcher seit vielen Jahren mit seltener Treue und
JeuitLeton. , Nachdruck --rbol.n.»
In sIüZ-is.
Novelle von Wolsgang Brachvogel.
(Fortsetzung.)
Bald nach dem Fest verließ Herr Giedde das Schloß seiner Väter wieder; seine Pflicht rief ihn auf seinen Posten und er fuhr, ehe er sich an das Hoflager des Königs begab, nach Kopenhagen zu seiner Schwägerin, der Gräfin Friedrich von Ranzow, in deren Hause er seinen Schatz, sein Kind, unterbrachte.
Ebba schied mit heißen Thränen von den Plätzen ihrer Leiden und Freuden — es war ihr, als hätte die sonnige Vergangenheit nun gänzlich ein Ende und als nahte sich nun der ganze Ernst des Lebens.
An Holger hatte sie sofort nach der Beisetzung ihrer Mutter einen rührenden Brief geschrieben und inst den Worten begonnen:
„Nun mußt Du mich doppelt lieb haben, denn meine Mutter, die mich so sehr geliebt, ist von uns gegangen."
Darauf erhielt sie bald nach ihrer Ankunft in Kopenhagen eine Antwort aus Paris, dann aber hörte sie von Holger gar nichts mehr.
IV.
Im Spätherbst 1653, gerade nach einjähriger Abwesenheit, kehrte Herr Rosen- krands mit den drei Junker Gantzow, Reventlow und Wind nach Kopenhagen zurück. Sie hatten in der Zeit viel gesehen, waren über zwei Monate am Hofe in Versailles gewesen und hatten sich dann in Deutschland und Italien getummelt.
Holger Wind sollte jetzt von seinem Oheim bei Hofe eingeführt und st, die Verwaltung gebracht werden.
Der Ritter Rosenkrands war ein sehr vornehmer Herr und in Dänemark berühmt durch seine Gelehrsamkeit und das Wohlwollen, mit dem er die Künste und Wissenschaften, schützte und protegierte. Da er mit dem Könige zusammen erzogen
war und viel bei demselben galt, stellte man dem Junker Wind allgemein ein gar günstiges Prognostiken.
Nachdem Herr Rosenkrands um eine Audienz nachgesucht hatte, fuhr er an einem Hellen aber kalten Dezembertage nach der Residenz, um seinen Neffen seinem erhabenen Jugendgespielen vorzustellen.
Friedrich III. zeigte sich außerordentlich gnädig gegen den Junker, dessen keckes und doch feines Wesen ihm sehr zu gefallen schien; er ließ sich von ihm die Verhältnisse in Deutschland, die ihn besonders interessierten, schildern, und lachte herzlich über die witzigen Einfälle Holzers der seiner übermütigen Laune die Zügel schießen ließ, als er sah, wie es ausgenommen wurde.
Der König entließ die beiden Herren erst spät und sagte beim Abschiede, dass er bei der nächsten Vakanz im Kammerjunker-Korps an den Junker denken werde.
Als Rosenkrands und Holger den langen Gang, ver zur Treppe führte, entlang schritten, wehrte ihnen eine Wache mit der Hellebarde das Weitergehen; dicht vor ihnen wurde eben der Saal des Reichsrats geöffnet, und die Männer, in deren Hände das Wohl und Wehe Dänemarks gelegt war, kamen in stattlicher Robe mit Pelzbarett und goldenen Ehrenketten langsam vorübergezogen.
„Da der schöne Mann", flüsterte Rosenkrands seinem Neffen zu, „dem die Anderen den Vortritt lassen, ist der erste Minister."
„Corfitz Uhlefeld?" rief Holger überrascht, „wenn ich mir einen Premier-Minister vorstellte, mußte ich immer an den Kardinal Mazarin und den Fürsten von Eggenberg denken, d'rum hätte ich mir Herrn Uhlefeld nicht so jugendlich gedacht; er schrecket einher, als gehörte ihm die Welt zu eigen."
„Dann der hagere Mann, der so höflich sein Barett eben zog, ist Hannibal Sehestedt, Uhlefeld's größter Festst»."
„Der Held vom Femern? Aber ich denke, Uhlefeld und Sehestedt sind Schwäger."
„Gewiß, sie haben Stiefschwestern unseres allergnädigsten Herrn Friedrich, Töchter des Königs Christian IV. und der schönen Christine Numck, zur Ehe, aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hassen sie sich mehr als Tag und Nacht, die doch, wenigstens in der Dämmerung sich vereinigen."