Verabschiedung harren sich auf dem Bahnhofe der Ministerpräsident Frhr. v. Crailsheim und der preuß­ische Gesandte Frhr. v. Thielmann eingefunden.

Straß bürg, 10. Nov. Der Fürst Reichskanzler ist mit dem Prinzen Alexander um 10 Uhr 23 Min. abends hier eingetrosfen. Er wurde am Bahnhof empfangen vom Staatssekretär Schraut und 3 Be- zirkspräfidenten. Die Begrüßung war sehr lebhaft.

Der Sohn des Reichstagsabg. Dr. Haas in Metz hatte, wie erinnerlich, s. Zt. die Aufnahme in die französische Militärschule von St. Cyr nachge- sacht und auf Grund der schriftlichen Prüfung die Zulassung in Aussicht gestellt erhalten. Neuerdings hat nun die alljährliche mündliche Aufnahmeprüfung für die in Rede stehende Anstalt stattgefunden und derOfficiel" veröffentlicht die Namen der 600 auf Grund der Prüfung zur Ausnahme gelangten jungen Leute, Herr Haas .jnn. befindet sich aber nicht unter dieser Zahl. Vielleicht hat man in Paris die Takt­losigkeit des Vorgehens des Herrn Haas 8snior ringesehen und die französische Armee um einen zu­künftigen Marfchall gebracht!

Der Ausschuß des Bundes der Landwirte beriet am Montag und Dienstag die Reorganisation des Getreidehandels und beschloß sieben umfangreiche Resolutionen, worunter die Hauptforderungen fol­gende sind: Reform der Getreidebörse auf Grund des Geschäfts nur in Effektivware; Ordnung der internationalen Währungsverhältnisse, verbunden mit der Kontrolle der ausländischen Anleihen, Errich­tung staatlicher Kornhäuser, rückhaltlose staatliche Förderung des Kleinbahnwesens, Aufhebung der ge­mischten Getreidetransitlager. Der Staat müsse aber alsbald Mittel finden, um einen den Produktions­kosten entsprechenden Getreidepreis zu erzielen. Be­hufs Förderung der Beschlüsse wurde ein Unter­ausschuß eiugejetzt.

Die neuen Bajonn ett-Seitengewehre, welche von einigen Truppenteilen während der Herbstmanö­ver zur Probe getragen wurden, sollen, wie gemeldet wird, bei der Leibkompagnie des 1. Garde-Regiments z. F. wieder eingezogen worden sein, so daß von einer allgemeinen Einführung in der Armee danach abgesehen zu sein scheint.

Berlin, 10. Nov. Ueber den Erhohlungsauf- euthalt des Grafen Caprivi erhält derB. L." aus Vevey folgende Mitteilungen: Der ehemalige Reichs­kanzler ist in der Pension Lorius zu Clärens abge­stiegen. Hart am Ufer des entzückenden Genfer Sees gelegen, gegenüber der deutsch-evangelischen Kirche, ist oiese Pension, welche besonders von Deutschen stark frequentiert wird, eine solche zweiten Ranges. Dieselbe ist ca. 10 Minuten von Montreux entfernt. Graf Caprivi kam ohne jede Bedienung dort an und führt ein sehr zurückgezogenes Leben. Er macht viele Spaziergänge, bei welchen er die zahllosen, ihn neugierig verfolgenden Fremden und Einheimischen durch seine Frische und sein gutes Aussehen über­rascht. Den vielen täglich eintreffenden auswärtigen Interviewern gegenüber verhält er sich sehr reserviert, und es ist bisjetztnoch keinem gelungen, eine Unterredung mir dem ehemaligen Kanzler zu erlangen. Der aus Schweizern und Deutschen zusammengesetzte Vorstand des in Montreux befindlichenVereins der Reichs­deutschen" hat den Grafen eingeladen, seine ,tegel- resp. Herrenabende, die regelmäßig zweimal wöchent­lich stattfinden, zu besuchen.

Varzin, 12. Nov. Das Befinden der Fürstin Bismarck ist durchaus kein gutes. Wenn eine augen­blickliche Lebensgefahr nicht vorhanden ist, so ist man dennoch nicht ohne Besorgnis. Die Fürstin kann Spaziergänge machen.

Berlin, 12. Nov. Das Denkmal, welches die württembergischen Offiziere ihren im Kolonialdienst ver lorbenen Kameraden den Hauptleuteu Kling u. Kr.ingler und den Lieutenants Günther und Frhr. v. Varnbüler auf dem hiesigen Garnisonskirchhof an der Gruft des dort beigesetzten Hauptmanns Kling err:.hiel haben, wurde gestern nachm, in Anwesenheit des würtl. Gesandten, des Frhr. v. Varnbüler, von vielen hohen Offizieren und des gesamten Offizier­korps der württ. Eisenbahnkompagnie feierlich ent­hüll. Die Kolcmiol-Abteilung des Auswärtigen Amts verdat Geheimrat Kursier,

Berlin, 13. Nov. Zur Vorbereiluug der stuF

sts.hen Huldigungsseier zum 80. Geburtslage des, . : sten Bismarck wird ein Ausschuß gewählt, dem ; Vertreter aller studentischen Korporationen und Vereine angehören. Es wird beabsichtigt, die Huldigungs-

adreffe der gesamten deutschen Studentenschaft auf eine möglichst glänzende Weise zusammenzustellen und durch eine großartige Chargiertendeputation aller deutschen Hochschulen dem Fürsten überreichen zu lassen.

Hamburg, 13. Nov. Bei Pinneberg erschoß der Landmann Striekel den Arbeiter Müller aus Versehen. Der Schuß galt dem neben Müller gehenden Zahntechniker Grotkopp, der sich geweigert hatte, für Striebel eine Bürgschaft zu übernehmen.

Frankreich.

Paris, 10. Nov. Der Ministerrat beschloß, für die Gesandtschaft zur Teilnahme an den Beisetz­ungsfeierlichkeiten für den Zaren einen Kredit von 250000 Franken nachzusuchen.

England.

Eine russisch-englische Verbrüderung. Die Engländer drohen den Franzosen in ihrem Werben um die Freundschaft Rußlands eine gefährliche Kon­kurrenz zu machen. In den Daily News hat ein Diplomatist" hinter dem kein andrer als Gladstone vermutet wird, den Engländern den Rat gegeben, mit den Russen ein gutes Einvernehmen herzustellen. Eine Allianz sei nicht nötig, wohl aber könnte ein gutes Einvernehmen zwischen Rußland und England herbeigeführt werden und zwar auf Grund einer förmlichen Teilung aller derjenigen Ländereien in Mittelasien, die noch nicht von Rußland oder Eng­land annakliert worden sind. Dabei müßten- dann natürlich die Russen alles das, was sie wünschten erhalten, da sonst das Geschäft nicht zu machen wäre. Diplomatist" scheint deshalb bereits mit russischen Staatsmännern verhandelt zu haben, denn er ver­sichert, daß Rußland bereit sei, England auf halbem Wege entgegenzukommen.

Rußland.

Petersburg, 12. Nov. Die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, der Erbprinz von Oldenburg und die Herzogin Wera von Württemberg sind hier eingetroffen.

Petersburg, 12. Nov. Heute vorm, ritten 2 Herolde mit einem Trompeter und einer Kavallerie­eskorte durch die Straßen. Sie verkündigten die morgige Uebersührung der kaiserl. Leiche in die Peter Paulskathedrale. Vor dem Winterpalais ist viel Volks versammelt.

Moskau, 12. Nov. Gestern vorm. 10 Uhr 35 Min. traf die Leiche des Kaisers Alexander hier ein. Außer Kaiser Nikolaus kamen die Kaiserinwitwe, die kaiserl. Braut, die Großfürsten, der Prinz und die Prinzessin von Wales, die Prinzessin von Koburg- Gotha, die Minister Woronzoff und Daschkopf, die Generale Richter und Tscherewin hier an. Im Pa­villon erwarteten den Trauerzug: die Großfürsten Michael Nikolajewitsch und Sergius mit Gemahlin, Minister Darnowo, der Prinz von Oldenburg, die Geistlichen der Hauptkathedralen und Kirchen Mos­kaus. Um 11 Uhr setzte sich die Prozession von dem Pavillon aus in Bewegung. Hinter dem Sarge schritten der Kaiser mit dem Prinzen v. Wales, die kaiserl. Braut mit den übrigen Großfürstinnen fuhren in Traaerequipagen. Militär schloß den Zug. Bei vier Kirchen wurde gehalten. Um 5 Uhr traf der Leichenzug in der Archangelsks Kathedrale ein. Nach dem Gottesdienst begaben sich der Kaiser und die Großfürsten mit ihrer Suite nach der Uspensky-Ka- thedrale und dem Tchendoffkloster. Bald daraus gingen der Kaiser und die Großfürsten in das Palais der Kaiserin-Mutter: die kaiserliche Braut und die Großfürstinnen begaben sich in die inneren Gemächer 'des Palais. Gleich darauf wurde das Publikum in die Archangelker Kathedrale Hineingelaffen. Die Länge des Zuges betrug 6 Werst (ca. 5 Kil.). Die Ordnung blieb überall ungestört.

! Petersburg, 13. Noobr. Der Weg bis zur ! Peter-Pauls-Festung, welchen der Trauerzug mit der ! Leiche Alexander's III. vom Bahnhof zu nehmen hatte, ist plötzlich abgeändert worden. Die Gründe ^dieser Maßregel werden geheim gehalten.

! Petersburg, 13. Nov.Der Regierungsbote"

^ meldet: Der Kaiser hielt bei dem gestrigen Empfange !der Vertreter der Moskauer Stände folgende An­sprache; Es ist Mir schwer und schmerzlich, jetzt in ! Moskau zu sein, welches Mein unvergeßlicher Vater ' so herzlich liebte, allein, die Kaiserin und Ich finden den wahren Trost in den Gebeten, welche ganz Ruß­land in diesen Tagen emporsendet und in den Thrä- nen, welche ganz Rußland weinte. Gott helfe Mir, Unserer heißgeliebten Heimat ebenso zu dienen, wie

Mein dahingegangener Vater ihr gedient und sie zu führen auf dem Hellen strahlenden Weg, welchen er gewiesen.

Petersburg, 13. Nov. Wie demBerl. Lokalanz." von hier gemeldet wird, sind hier bereits seit gestern Mittag Straßen und Plätze von Menschen überfüllt. Der Verkehr ist infolgedessen teilweise gänzlich gehemmt. Alles ist in Tranerdekoralion ge­hüllt. Die Hauptstraßen, schwarz drapiert und mit grünen Laubgewinden versehen, machen vor allem einen überaus würdigen Eindruck. Die Zahl der Gesuche, welche unausgesetzt an das Hofministerium gelangen um die Erlaubnis, Kränze auf den Sarg des hohenVerstorbenenniederzulegen,istungemein hoch.

Aus «Petersburg. Eine richtige Meldung über das Testament des Zaren geht soeben ein, nach der der Zar seinem Sohne dem Kaiser Nikolaus, dringend ans Herz legte, die freundschaftlichen Be­ziehungen zu Frankreich fortzusetzen und noch fester zu knüpfen, und zwar nicht nur im Interesse des europäischen Gleichgewichts, sondern in dem speziellen Interesse Rußlands.

Afrika.

Algier, 12. Nov. Zwischen französischen Li- railleuren-Emgeooreneu und Israeliten fanden gestern neue blutige Zusammenstöße statt. Mehrere Juden wurden verwundet und getötet, die Lage ist äußerst bedenklich.

Asien.

Aus Tschifu wird derPall Mall Gazette" berichtet, Port-Arthur sei nun gefallen. Meldungen desNewyork Herald,, aus Shanghai zufolge herrscht in China allgemeine Demoralisation. Die Chine­sen flüchten aus der Mandschurei und ziehen sich auf Peking zurück, wo der General Hanneken (er ist seit tangerer Zeit chinesischer General) augenblicklich Be­festigungen aufwirft und die alten ausbeffern läßt. Am 8. ds. hat der große Reichsrat in Anwesenheit des Kaisers und des Prinzen Kung beschlossen, daß der Hof vor der Belagerung von Peking, die für- unvermeidlich gehalten wird, die Stadt verlasse. Ein Teil der Flotte der nicht in Port-Arthur eingeschloffen ist, soll Befehl erhalten haben, die japanische Flotte an­zugreifen, aber die Offiziere bezeigten dazu keine Lust. Ein Teil der Garnison von Niutschang ist aus Furcht vor den Japanern desertiert. Die Großmächte drän­gen China zur Eröffnung direkter Verhandlungen mit Japan und Japan habe schon versprochen, et­waige Eröffnungen Chinas wohlwollend aufzunehmen.

Kleinere Mitteilungen.

Mit Rücksicht aus dis vorgerücktere Jahreszeit und die iu Folge dessen schon gegen ö Uhr einlretcnde Dämme­rung, die in den Häusern sich zur Dunkelheit gestaltet, werden die Hausbesitzer an ihre Verpflichtung erinnert, für Beleuchtung Sorge zu tragen, denn nach einem Urteil des Reichsgericht haftet der Hausbesitzer für jeden Schaden, der Unglücksfälle infolge mangelhafter Beleuch­tung ausgeführt wird. Hat ein Mieter durch die Bestim­mungen des Mietvertrages die Verpflichtung zur Beleuchtung üoeruommen, so bleibt dem Hauseigentümer nur oer Regreß an diesem Vorbehalten, wenn er zur Verantwortung gege­benen Falles gezogen würde.

Stuttgart, 8. Nov. Wie noch erinnerlich, wurden am 13. v. M, nachm, aus dem Abort der Wirtschaft zum Elefanten in der Friedrichsstraße hier emem Bauern Namens Wilh. Pfäsfle von Merklingen aus dessen Geldgurte, die er dort aus Vergeßlichkeit zurückgelassen hatten, 1070 , /< gestohlen. Pfäsfle merkte es erst eine Stunde später auf einem Gang zum Schlachthaus, daß er die Geldgurte ver­gasen hatte, und sandte alsbald seine ihn begleitende To­chter ia die Wirtschaft zurück. Die Geldgurte war aber inzwischen verschwunden, doch wurde der Dieb bald ermit­telt in Person des 22jährigen ledigen Zeichners Hermann Körkel von Breslau. Derselbe hatte von dem Geld sofort einen großen Leil verbraucht; er kaufte am gleichen Nach­mittag noch eine goldene Uhrenkette um 120 BL, ein goldenen Ring um 30 sowie eine Menge sonstiger Gegenstände; gerade diese Ausgaben führten aber zu seiner Verhaftung. Man fand noch 595 BL. 92 si bei ihm vor, die Pfäsfle heute zugesprochen wurden; dieser erhielt auch die mit seinem Gelds angeschafften vielen Gegenstände, welche der Angekl. übrigens gegen volle Barentschädigung von Pfäsfle wieder an sich zu nehmen versprach, da seine Eltern bemittelt seien. Körkel, welcher noch nicht vorbestraft ist, wurde unter An­nahme mildernder Umstände zu dreimonatlicher Gefängnis­strafe verurteilt. ^ ^

Heilbronn, 12. Nov. Die Untersuchung wegen des an der Witwe Schuhmann begangenen Raubmords Achtet sich nun auch gegen ein im Hause der Ermordeten wohnen­des Ehepaar. Dasselbe wurde, wie man hört, am < 2 am-- taa verhaftet. Der 28 Jahre alte Mann, ein früherer Hausknecht, jetzt Kutscher, soll durch sein Benehmen und durch seine Reden mit Beziehung aus den Mord den Ver­dacht auf sich gelenkt, und diesen Verdacht daoucch bestärkt haben, daß er sich bereits in mehrfache Widersprüche ver­Karlsruhe. Bor dem Schwurgericht stand unlängst wegen Diebstahls und Brandstiftung ein gewisser Gervas