Nro. 44
62. Jahrgang
unä Intelkigenzbkatt für äen Bezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
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Samstag, äen 16. Äprik 1887.
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ganz Württemberg 2 X- 70
Amtliche Wekcrnntmcrchrrrrgerr.
Hirsau.
Bekanntmachung,
betreffend die Datierung des Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufs-Einkommens für das Jahr 1. April 1887 bis 31. Mär; 1888.
Die Steuerpflichtigen und die Ortssteuerkommissionen werden hiemit auf die in der Beilage zum „Staats-Anzeiger" vom 1. April 1887 Nr. 76 erfolgte Aufforderung des Königl. Steuerkollegiums zu Datierung des Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufs-Einkommens aus 1. April 1887 für das Steuerjahr 1. April 1887 bis 31. März 1888 hingewiesen, wobei den Ortssteuer-Kommissioue» und Steuerpflichtigen insbesondere Folgendes bemerkt wird:
1) Die Aufforderung zur Einkommensfatierung ist in der ortsüblichen Weise unter Anberaumung einer bis zum 1. Mai 1887 sich erstreckenden Frist öffentlich bekannt zu machen, und mit einer geeigneten Belehrung am Rathause oder an einem sonst hiezu geeigneten Orte öffentlich anzuschlagen, wobei zu bestimmen ist, zu welcher Zeit und in welchem Lokale die Erklärungen (Fassionen) an die Kommission abgegeben werden müssen.
2) Die Ortssteuerkommissionen haben die denselben zukommenden neu angelegten Aufnahmeprotokolle nach § 12 der Instruktiv,r vom 10. Juni 1853 alsbald in der Richtung zu prüfen, ob Steuerpflichtige des Vorjahrs abgegangen, oder neue Steuerpflichtige hinzugekommen sind und hienach die neuen Protokolle zu ergänzen. Nach dieser Prüfung ist die Einkommens-Aufnahme ohne Verzug vorzunehmen, wozu den Kommissionen die Ausnahmeprotokolle, sowie die Verzeichnisse über Ansprüche auf Steuerbefreiung des Vorjahrs, nämlich pro 1. April 1886, zugefertigt werden.
3) Wenn in den Fassionen Wert-Anschläge für Naturalbezüge, wofür in Art. 6 des Gesetzes vom 19. September 1852 und der Finanzministe- rialversügung vom 5. Juli 1871 (Reg.-Bl. S. 175), sowie in dem Gesetz vom 24. Juli 1875 (Reg.-Bl. S. 330), keine Preise vor- gesehen sind, oder wenn Ansätze sür den Genuß von Grundstücken u. s. w. einkommen, so muffen solche hinsichtlich ihrer Richtigkeit von
den Ortssteuerkommissionen oder Gemeinderäten auf den betreffenden Fassionen oder am Schluffe der Aufnahmsprotokolle beurkundet werden. H'ebei werden die Ortssteuerkommissionen noch ausdrücklich auf Art. 1. Hl. des Gesetzes vom 19. September 1852 hingewiesen, wonach jede Person, ohne Unterschied des Alters, welche aus persönlichen Leistungen einen der Gewerbesteuer nicht unterworfenen Erwerb von über 300 Mark bezieht, der Dienst- und Berufs-Einkommens- steuer unterliegt.
Die Kommissionen haben daher insbesondere auch die Beiziehung der arbeitenden Klasse angehörigeu Personen zur Einkommenssteuer in's Auge zu soffen und die Aversalbeträge für Kost rc. unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der Lebensmittelpreise durch den Gemeinderat entsprechend festsetzen zu lassen.
4) Bei Steuerbefreiungsansprüchen haben die Ortssteuerkommissionen die vorgeschriebenen, schon aus den Vorbemerkungen und Rubriken des Verzeichnisses ersichtlichen Erfordernisse vollständig in das Verzeichnis über solche Ansprüche aufzunehmen.
Nach dem Gesetz vom 31. März 1887 ist das Gesamteinkommen des steuerfreien Zinsen, und Renten-Einkommens der Witwen, geschiedenen oder verlassenen Ehefrauen, vaterlosen Minderjährigen, sowie gebrechlichen Personen auf 500 Mark erhöht worden. Der Art. 1 obigen mit 1. April d. I. in Wirksamkeit tretenden Gesetzes bestimmt nämlich unter Abänderung der seitherigen Gesetzesbestimmungen, daß die einen Jahresertrag von 500 Mark nicht übersteigenden Zinse und Renten derjenigen Witwen, geschiedenen oder verlassenen Ehefrauen, vaterlosen Minderjährigen, sowie gebrechlichen Personen, welche im Gauzeu nicht mehr als 500 Mark Einkommen beziehen, ohne Unterschied, ob dieselbe bei einer Witwen- oder Waisenanstalt beteiligt sind oder nicht, von der Einkommenssteuer frei bleiben.
Diejenigen Personen, welche auf Grund dieses Gesetzes Steuerbefreiung in Anspruch nehmen wollen, haben (wie seither), diesen mit vollständigen Nachweisen zu begründenden Anspruch die Ortssteuerkommissionen beim K. Kameralamt anzubringen.
5) Die Ortssteuerkommissionen haben das Geschäft pünktlich und unter genauer Beachtung der bestehenden gesetzlichen und instruktiven Bestimmungen zu besorgen und die Aufnahme-Akten pro 1. April 1887 mit -solchen den Vorjahrs nebst den Kostenverzeichnissen spätestens bis zum 31. Mai d. Js. hierher vorzulegen.
JeuilleLon. ma-Mus °-rb°.-n.>
In sIüZIs.
Novelle von Wotfgang ZZrachvogek.
(Fortsetzung.)
„Nun, nun, ich nähme es Dir auch nicht übel, wenn es so wäre; ich weiß recht gut, daß Du nicht meinetwegen die Mähren Deiner Mutter zu schänden reitest, sondern daß Du hauptsächlich um Ebba herüberkommst! — und", fügte sie, den schmucken Burschen mit Innigkeit anblickend, hinzu — „weißt Du, es freut mich, daß Du das Kind so lieb hast."
Tiefe Glut süeg in Holger's sonnengebräunte Wangen und er blickte verschämt zu Boden.
„Du willst es doch nicht etwa leugnen!" fragte Frau Giedde, die des Junkers Verlegenheit sehr ergötzlich fand. Als er darauf auch noch keine Worte der Erwiederung fand, sagte sie:
„Was führt Dich denn heute noch so spät herüber, und — bei Gott! — Du bist ja in großem Staat, als wolltest Du unserem allergnädigsten Herrn Friedrich aufwarten; eben sehe ich erst, daß Du Deinen neuen Koller anhast, von dem mir Ebba schon so viel erzählt hat. Also das ist das Wunderding — nun", meinte sie dann, nachdem sie das prächtig gestickte Kleidungsstück gemustert hatte, „das muß wahr sein, Dein Oheim hat einen guten Geschmack. Aber zu was denn den Aufwand?"
„Ich komme Abschied nehmen", entgegnete Holger, sich hoch aufrichtend, und seine Augen glänzten so froh, als bereitete ihm der Abschied und die Trennung nur die größte Freude.
„Was — Abschied nehmen?" wiederholte Giedde erschreckt.
„Ja, mein Oheim hat an meine Mutter geschrieben, daß sie mich zu ihm nach Kopenhagen schicken möge", sagte Holger, und sein hübsches Gesicht strahlte vor Glück über diese Forderung des Oheims.
„Natürlich ist das wieder Dein Oheim, der Herr Rosenkrands?" fragte Frau Giedde mit gerunzelter Stirn.
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„Und Deine Mutter?"
„Nun, Ihr kennt diese ja, Frau Pate", meinte Holger verschmitzt, „erst ist sie fest entschlossen, sich Allem zu widersetzen, dann wankte sie und schließlich —"
„Ja, ja", zürnte die Kammerherrin, „Sie hat Dich viel zu lieb, weil Du der einzige Bube unter den Mädchen und das Konterfrei Deines seligen Herrn Vaters bist."
„Aber Frau Pate, ich habe dieses Mal gar nicht so lange zu bitten brauchen; meine Mutter ist viel zu vernünftig, als daß sie nicht von selbst einsähe, wie wenig mir ein längeres Verweilen in Harrested frommt."
„Das was Du vernünftig nennst, möchte ich thöricht schelten, wenn es nicht Deine Frau Mutter und meine liebe Freundin wäre", entgegnete Frau Giedde besorgt, aber doch schon milder und ungestimmt.
„Ich denke nicht, daß es ein Fehler ist, und will nicht Holger Wind heißen, wenn ich kein großer Mann in Kopenhagen werde!" rief der Junker ernsthaft.
„Ein großer Narr bist Du alleweil schon", schalt die Kammerherrin, „aber nein, aus Deiner Abreise wird nichts; morgen in aller Frühe komme ich nach Harrested, um Deiner Frau Mutter den Kopf zurecht zu setzen. — Was willst Du in Kopenhagen. Du bist so schon ein leichtsinniger Schlingel, dort aber gehst Du vollends unter. O, Ihr in Harrested kennt ja die Welt nicht; Ihr wißt nicht, wie schlecht die Menschen in Kopenhagen sind —"
„Und Herr Ove?" fragte Holger, die erregte Dame unterbrechend und mit den Augen blinzelnd.
„Du willst mich durch Deine Schelmereien abbringen, aber nein — morgen, ehe noch die Sonne über die Eichen gekommen ist und Euch in die Halle scheint, bin ich schon drüben —"
„Und ich bereits auf hoher See und fahre geraden Weges nach Kopenhagen", meinte der Junker und sah die Kammerherrin schalkhaft an.
Frau Giedde schwieg und legte sorgsam ihre Stickerei zusammen.
„Vielleicht ist es zu Deinem Glück", sagte sie endlich leise, so daß es Holger kaum hörte.
„Wo ist denn die Kleine?" fragte Holger nach einer Pause.