sind die Kinder vor vollendetem 14. und in Württem­berg vor vollendelem 12. Lebensjahre der Versicher­ung entzogen. Sowohl das Reichsversichcrungsamt als auch das bayerische Landesversicherungsamt haben den in gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben verletzten Kindern bis herunter zu 6 Jahren die Un­fallrente zugesprochen und in den Entscheidungen aus­drücklich hervorgehoben, daß auch Gelegenheit»- und Gesälligkeitsdienste der Kinder gegen Betriebsunfälle versichert sind.

Ein Berliner Blatt will aus Württemberg er­fahren haben, daß der komm. General des 13. Ar­meekorps, v. Wölckern, nach den Manövern seine Verabschiedung nachsuchen wird. Als Nachfolger werde Gen.-Lieut. von Lindequist, Komm, der 26. Dio. in Stuttgart, genannt, da der nächstälteste würltemb. Offizier, Generallieut. Frhr. v. Falken­stein, Gen.-Adj. des Königs von Württemberg, im Dienstalter noch zu weit zurückstehe. Seine Ver­wendung als kommandierender General in Preußen werde indessen als sicher bezeichnet. (?)

Berlin, 14. Aug. Bei einer gestern abend in der Elisabethstraße stattgehabten Verhaftung er­griff ein Verhafteter die Flucht, schoß sechsmal unter das Publikum, wobei zwei Kriminalbeamte und einige noch nicht ermittelte Zivilpersonen ver­wundet wurden. Schließlich wurde der Thäter, der Schemen heißt, festgenommen und nach dem Polizeipräsidium gebracht.

Berlin, 14. August. Bezüglich der gestrigen Schießgeschichte wird gemeldet, daß der Thäter, Schewe, mit Genossen von Polizeibeamten auf der Straße beobachtet wurde; als die Beobachteten dies merkten, fingen sie niit den Beamten Händel an, mpbei sie Schlagringe gebrauchten. Schewe wurde hieraus verhaftet; bei der Verfolgung hat er auf die Beamten 6 Schüsse abgegeben, wodurch 2 leicht verletzt wurden, Schewe wurde schließlich gefaßt; seine Genossen entkamen. Im Laufe der Nacht wurden jedoch noch verschiedene Verhaftungen vor­genommen.

Berlin, 15. Aug. DiePost" schreibt: Der Kaiser hat der Schulbehörde gegenüber die Absicht kundgegeben, zur Hebung des Rudersports an den höheren Schulen Berlins einen Wanderehrenpreis zu stiften. Aus Veranlassung dieser Kundgebung hat die Schulbehörde bei sämtlichen in Frage kommenden Anstalten Bericht erbeten, ob und in welchem Um­fange der Rudersport bereits von den Schülern gepflegt wird bezw. ob Ruderabteilungen schon be­stehen.

Berlin, 15. August. Das preußische Kriegs­ministerium erteilte seinen Bescheid auf die vom Ver­band deutscher Leinenindustrieller ausgegangene Ein­gabe, die die Einführung leinener Bekleidungsstücke in der Armee an Stelle der wollenen und baum­wollenen befürwortet. Das Kriegsministerium bedauert, dem Wunsch nach Einführung leinener Hemden an Stelle der baumwollenen keine Folge zu geben kön­nen; über die gesundheitliche Frage seien die An­schauungen verschieden und das schwere Gewicht des Leinenhemds mache dessen Einführung unthunlich.

Berlin, 15. Aug. Anläßlich der aufqetauchten Gerüchte über den Aufschub der Vermählung der Prinzessin Alix von Hessen mit dem russ. Thron­folger leitartikelt dieVoss. Zeitg." über den Glau­benswechsel einer deutschen Prinzessin. Sie verurteilt das Verlangen der russischen Kaiserfamilie, wonach die deutsche Prinzessin zwecks Aufnahme in das kai­serliche Haus zur orthodoxen Kirche überzutreten habe, insoweit dieser Glaubenswechsel nicht aus wirklicher Ueberzeugung geschieht. Für diesen Zustand sei hauptsächlich die deutsche Regierung als verantwort­lich anzujehen, welche dem Ansinnen Rußlands nicht enlgegenlräte.

Für das Grundgesetz der deutschen Turner­schaft werden einige bemerkenswerte Abänderungen geplant, welche durch Vorgänge der jüngsten Zeit, ins­besondere durch das Auftreten sozialdemokratischer Turnvereine, veranlaßt sind. Der Ausschuß der deut­schen Turnerschaft hat einstimmig für die Satzungen der Vereine empfohlen, in das Grundgesetz die Pflege vaterländischer Gesinnung als Zweck aufzunehmen. Ferner hat man Bestimmungen angeregt, die den Ausschluß von Mitgliedern ermöglichen wegen eines Verhaltens, welches das turnerische Leben gefährdet cd.r politische Umtriebe begünstigt. Man empfiehlt weiter, das Stimmrecht in allen den Verein und seine rechtliche Stellung betreffenden Angelegenheiten

erst mit dem vollendeten 21. Lebensjahr und nur in rein turnerischen Angelegenheiten mit dem 18. Jahr eintreten zu lassen.

Strafbarkeit Jugendlicher. Im Reichs­justizamt ist schon für die nächste Reichstagssession ein Gesetzentwurf betr. Abänderung der Bestimmungen über die Strafbarkeit Jugendlicher ausgearbeitet worden, der, den Wünschen des Landesvereins preu­ßischer Volksschullehrer entsprechend, die Straf­mündigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr hinauf­setzt und die Zulassung von Zwangserziehung ins Auge faßt.

Zur Lage des Berliner Baugeschäfts. Ein erschöpfendes Bild von der augenblicklichen, wenig erfreulichen Lage des Berliner Baumarktes wird in einem Abschnitte des Berichts des Aeltesten-Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft gezeichnet. Danach ist das Grundstücksgeschäft jetzt fast vollständig einge­schlafen und dre Umsätze, die darin stattfinden, sind meistens Tauschhandel. Das Baustellengeschäft liegt jetzt fast ausschließlich in den Händen der Boden- geseüschaften und der mit den Hypothekenbanken verbundenen Baugesellschaften. Diese Gesellschaften halten die Preise der Baustellen immer noch viel zu hoch und lassen ihre Unternehmer immer weiter bauen, obgleich ein Bedarf nicht vorhanden ist. Letz­tere können nicht mehr bestehen, und die Bauliefer­anten noch weniger. Die Ursache zu den vielen Versteigerungen liegt fast immer in dem zu hohen Preise der Baustellen und den Vorgängen bei der Äaugeldgewährung. Die Schuld fällt weit weniger auf die Bauunternehmer als auf die Baustellen- und Baugeldgeber, in deren Diensten besonders der Bau­unternehmer ohne Vermögen steht. Der Rückgang der Mieten und die leeren Räume manchen es schwa­chen Besitzern unmöglich, ihre Häuser zu halten. Zu wünschen bleibt, daß das Baugeschäst sich nicht mit allzu großer Wucht auf die Herstellung neuer Wohnhäuser legen, sondern vielmehr dem Umbau und der Berschönerung der inneren Stadt, wo noch sehr viel zu thun übrig bleibt, seine Kräfte zuwenden möge. Eine stärkere Anregung für das Bauwesen erwartet man von der Berliner Ausstellung im Jahre 1896.

Johannesburg (Ostpreußen), 15. Aug. Bei dem großen Waldbrand im Mehlaukcner Forst, wel­cher 700 Morgen Wald vernichtete, sind 3 Personen in den Flammen umgekommen.

Oesterrcich-U ngarn.

Die lebhafte Bewegung, die unter den öster­reichischen Arbeitern zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts unterhalten wird, hat am Sonntag wieder in mehreren stark besuchten Arbeiterversammlungen, die im Prater und in Schwechat unter freiem Himmel abgehalten worden sind, ihren Ausdruck gesunden. Man schätzt die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 30 000, trotzdem sind die Versammlungen in voller Ruhe verlaufen. Alle Redner haben be­tont, daß die Arbeiter entschlossen seien, Bewegung in das politische Leben zu bringen und den Kampf für die Einführung des allgemeinen Wahlrechts zu führen.

Frankreich.

Lyon, 16. Aug. Caserio wurde heute früh hingerichtet. Ein Zwischenfall ist nicht vorgekom­men. Caserios letzter Ruf war:Mut Kameraden! Es lebe die Anarchie!"

Lyon, 16. Aug. Der Gefängnisdirektor weckte Caserio um 4'/- Uhr und sagte ihm:Mut, die Stunde ist gekommen." Caserio setzte sich auf das Bett und wurde aschfahl. Er wurde von krampf­haftem Zittern ergriffen, das ihn nicht mehr verließ, er kleidete sich langsam an, genoß nichts, wies die Tröstungen des Geistlichen zurück und erklärte:Ich habe nichts zu sagen, gebt nur meiner Mutter den Brief, den ich geschrieben habe." Als während des Ankleidens der Direktor Caserios Mutter erwähnte, stiegen diesem die Thränen in die Augen. Er be­zwang sich aber sofort und nahm eine gleichgültige Miene an, immer erschrecklich bleich. Sodann sprach er nichts mehr und zitterte fortdauernd konvulsivisch. Im Wagen klapperten ihm die Zähne, beim Aus­steigen stieß er ein Knie an. Als er das Fallbeil und Publikum erblickte, wurde sein Blick verstört, Mund und Kiefer zeigten sich verzerrt. Als das Beil fiel, erschollen Bravorufe unter den Anwesenden. Als der Wagen mit der Leiche fortfuhr, wiederholte ein Insasse des Gefängnisses St. Paul, welcher schon nachtsHoch die Anarchie!" geschrien, diesen

Ruf. Untersuchung wurde gegen ihn eingeleitet. Eine zahlreiche Menge schaute zu, wurde aber sehr- entfernt gehalten durch einen Kordon von Polizei und Soldaten, welche alle auf den Richtplatz mün­dende Straßen absperrten.

Italien.

Rom. Durch Königliches Dekret vom 12 d. M. ist der Belagerungszustand in Sizilien nun wirk­lich aufgehoben worden. Die frühere Meldung war verfrüht. Der Belagerungszustand hat in Sizilien nunmehr 7 Monate bestanden.

England.

Aus London wird gemeldet: Ein in Viktoria angekommener Postdampfer berichtet, daß die Ein­geborenen der Fidschi-Inseln mehrere Ortschaften überfielen und auffraßen. Seit 20 Jahren ist dies der erste dortige Rückfall in den Kannibalismus.

London, 14. August. Kaiser Wilhelm wurde vergeblich zu dem militärischenPreisboxen" erwar­tet. Gegen 6 Uhr traf die Nachricht ein, daß er der Kaiserin Eugenie auf dem Schloß Farnbo- rougy Hill einen Besuch abgestattet habe. Ehe man mit der Bahn in Farnborough Station ankommt, fällt das Schloß und ihm gegenüberliegend die dem Andenken des dritten und vierten Napoleon gewid­mete Gedenkkirche in die Augen. Letztere ist ein kreuzförmiger, von einer Kuppel überragter Bau, dessen Gruft die Sarkophage von Vater und Sohn birgt. Daß der Enkel des Mannes, der vor 24 Jahren die Macht ihres Gemahls brach, jetzt der verwaisten Witwe einen Besuch abstattet, gehört zu den ernsten Zwischenfällen der Geschichte, die das Nachdenken anregen. Aber nicht in deutscher Uni­form kam er, noch in Zivil, sondern in dem Jnte- rimsrock seines englischen Regiments, also nicht so sehr als Enkel des Siegers denn als Enkel der Herrscherin, die in Freud und Leid der Kaiserin treu gewesen, der Königin Viktoria.

London, 16. Aug. DerPall Mall Gazette" zufolge sind in den letzten Tagen 400 Anarchisten vom Kontinent in England gelandet.

Kleinere Mitteilungen.

Witdbad, 14. Aug. In der letzten Stacht wurde in dem Laden des Bijouteriewarenhändlers Treibs aus Ober­stem eingebrochen und wurden Schmuck- und Edelsteine entwendet. Der Schaden soll 5 -6000 ^ betragen.

Vom Schönbuch. Derzeit bildet in unserer Gegend der Seegrashandel eine gute Einnahmsquelle. In den Förstereien des Schönbuchs, Bebenhausen, Einsiedel, Neüen- hauS und Weil im Schönbuch wird das Waldgras in gro­ßer Menge gerupft und alsSeegras" in den Handel ge­bracht. Dieses fälschlich genannie Waldgras wird von Stuttgarter Sattlern und Tapezierern aufgetausl.

Cannstatt. Beim Verkauf des Gemeindeobstes, das zu 2718 Simri geschätzt war, wurde durchschnittlich per Simri ca. 1.651.29 erlöst. An dem Mindererlös gegen das Vorjahr dürste das schlechte Aussehen des Ob­res schuldig sein.

Biberach, 14. Aug. Eine Blutthat setzte die Stadt in große Aufregung. Dre Angehörigen des Orgelbauers Scheffold saßen gestern abend 7 Uhr beim Nachtessen, als ein Fremder herernlrat und 6 Schüsse aus einem Revolver auf die Famiue abseuerle. Die Tochter wurde in die Schul­ter und einen Finger getroffen, die Mutter in den Ober­schenkel. Das Dienstmädchen erhielt einen Schuß aus die Brust, der aber am Korsett abprallte. Der Thäter ist ein irüher im Hause wohnhaft gewesener Schlosscrgesclle Na­mens Tobias Dobmayer aus Bayern. Das Motiv der Thal ist verschmähte Liebe. Ter Attentäter war gestern von Ochsenhausen, wo er in Arbeit steht, direkt hieherge- kommen, um die Mordthat auszuführen.

Neusen OA. Nürtingen, 14. Aug. Zwischen 11 u. 12 Uhr nachts wurde kürzlich in dem Schlafzimmer der Ehe- Lau des Metzgers Jakob Hjemer eingebrochen. Als die Frau an dem Geräusch erwachte und um Hilfe schrie, zerrte sie der Einbrecher an den Haaren aus dem Bett unv be­arbeitete ihren Kopf mit einem harten Werkzeug. Ta die Frau aber immer stärker um Hitfe schrie, ergriff der Dieb endlich die Flucht. Ein hiesiger Einwohner wurde als der That verdächtig verhaftet.

Handel L Verkehr.

Stuttgart, 14. Aug. (Kartoffel- und Krautmarkt.) Zufuhr am Leonhardsplatz 500 Zlr. Kartoffeln, Preis per Ztr. ^ 6.503.80, am Marktplatz 1100 St. Fitderkraut, Preis per 100 St. 2025 ^

Tettnang, 13. Aug. Im Hopfengeschäft ist der Han­del derzeit flau, da wenig trockene Ware vorhanden tfl. Per Ztr. werden immer noch 140 ./^..bezahlt. ^

Konkurs-Eröffnungen. Josef Burkert, Schuhma­cher in Pfedelbach. - Heinrich Girrbach, 24 alter ledi­ger Fuhrmann in Gompelscheuer, Gmde. Enzthal. Fried­rich Diemand, Schreinern,, in Stuttgart, Rothebuhl,tr. 135.

Hiezu das Unterhaltungsblatt Nr. 33.

Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Zaiser'scherr Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.