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angegeben wurde, so dürste das immerhin zu hoch gegriffen sein. Allerdings haben sowohl Ludwig als auch sein ebenfalls entwichener Buchhalter Wiede» mann in den letzten Tagen noch beträchtliche Summen bar Geld sich zu verschaffen gewußt. Wie hoch sich diese und die noch im Umlauf befindenden Wechsel belaufen, kann bis jetzt kaum belohnt werden. Jedenfalls dürfte sie 100,000 übersteigen. Von den Entwichenen hat man bis jetzt noch keine Spur.
Von der Eyach, 1. Apr. Der in diesen Tagen wegen Fahnenflucht steckbrieflich verfolgte Musketier O. vom 125. Jnf.-Reg., welcher in Cannstatt in einem Metzgerhause seine Uniform mit Zivilkleidern vertauscht hatte, hat sich seiner Heimat zugewandt. Als er in seiner Wohnung (O. ist verheiratet) verhaftet werden sollte, flüchtete er sich auf die Bühne und schloß die zu derselben führende Fallthüre. Als nun der Landjäger in Begleitung des Ortsvorstandes mit Gewalt öffnen wollte, erdröhnte ein Schuß, die Eindringenden fanden den Unglücklichen mit zerschmettertem Kopfe tot. Was O. zum Verlassen seines Truppenteils veranlaßt«, ist nicht bekannt.
— In Hedelfingen mußten wegen der seit Wochen herrschenden Halsbräune, der bereits 16 Kinder erlegen sind, die mittleren Schulklaffen gänzlich geschlossen werden. — Wegen des Verdachts, den letzten Brand in F r i e d r i ch s h a f en angestiftet zu haben, ist dem „Oberschwäb. Anzeiger." zufolge der Inhaber eines Viktualiengeschäfts in Haft genommen worden; derselbe wohnt in dem abgebrannten Hause und war eben im Begriff auszuziehen. Das Haus war nämlich verkauft und sollte an dem dem Brande folgenden Tag dem Käufer übergeben werden; die Partien sind nun uneins, ob der Kauf perfekt ist oder nicht. — In der „Schm. B.-Ztg." ist ein dem K. Staatsarchiv in Stuttgart entstammendes Dokument wiedergegeben, wodurch festgestellt wird, daß die Rottweiler Pulverfabrik jedenfalls schon seit 252 Jahren besteht. Es ist ein Erlaß des Generalfeldmarschalllieutenants Wolfs Ruodolff von Ossa „geben Hailbronn den anderen Augusti Anno 1635", worin derselbe auch seinen Truppen befiehlt, die Arbeiter und Werke des „Hanneß Gebell Burger und Hanndelßmann zue Rothweil", der sich erboten, „monatlich alles Pulver So Er Immer durch steetiges Laborieren ver- ferttigen und machen lassen kahnn gegen versprochener barer Bezahlung her- zuegeben", nicht zu plündern und zu stören. — Von einem Hofe bei der Waldburg berichtet der „O. A." folgendes Geschichtchen. Der Hofbesitzer gab dem Pferdeknecht dreimal des Tags eine Portion Rindschmalz, um damit den kranken Fuß eines Pferdes zu behandeln. Als der Herr nach einigen Tagen in den Stall trat, fand er den Knecht eine große Zahl eingeschlagener Eier verzehren, die er den Hühnern weggenommen und sich in dem überlassenen Schmalz gebacken hatte.
Baden-Baden, 2. April. Die Badener Lotterie kommt in diesem Jahr doch wieder zu Stande. Die Regie der Lose wird dem Bankhause Molling in Hannover übergeben werden, welches demnächst das Unternehmen auf ganz neuer Basis und veränderter Gestalt in Kraft setzen wird. Nur auf diesem Wege kann der zur Erhaltung der Jffezheimer Rennen nötige Beitrag aufgebracht werden. Die Bürgerschaft Badens ist mit diesem Ausgang der Angelegenheit befriedigt.
Aachen, 4. April. Heute nachmittag ertrank hier das 4jährige Knäblein des früheren Handschuhlederfabrikanten W. Enßlin in einer mit Jauche und Schneewasser angefüllten, etwa 80 cm tiefen Dunglege. Diese befindet sich zwar in einem eingezäunten Hinterhofe, allein die Umzäunung hat verschiedene Lücken, welche das Einschlüpfen ermöglichen.
Wevrnifchtes.
— Vom Prinzregenten Luitpold erzählen die Neuesten Nachr. folgende hübsche Geschichte: Wie es erst unlängst vorkam, daß ein den Prinzregenten nicht erkennender Soldat denselben ansprach und nach einem Bäcker fragte, so ist neuerlich ein ähnliches Vorkommnis zu verzeichnen. Prinz Luitpold machte dieser Tage in Zivilkleidung einen Spaziergang durch die Ludwigsstraße und hinter ihm ging der Oberst eines Infanterieregiments. Dieser bemerkt, daß ein des Weges kommender Soldat seines Regiments den Prinzregenten zwar ansah, aber nicht grüßte, weshalb der Oberst durch Hand-
bewegung bemerklich zu machen suchte, der Soldat solle grüßen. Der Soldat mißverstand aber diese Zeichen und hielt den Prinzen mit den Worten an: Sie, bleibens ein wenig stehen, der Herr Oberst möcht' Ihnen was sagen!"
— (Unwetter.) Die Witterung in England ist wieder recht winterlich geworden. Am 1. April stellte sich in London und fast ganz England starker Schneefall ein. Dabei wütete ein heftiger Sturm, der an den Küsten zahlreiche Schiffsunfälle veranlaßte/ Unter den verunglückten Schiffen befindet sich die nach New-Dork unterwegs befindliche deutsche Barke St. Matthias, die aus der Höhe von Liverpool strandete. Die Mannschaft wurde von dem Liverpooler Rettungsbote ausgenommen. — Aus Aachen, 3. April, wird gemeldet, die englische Post vom 2. April ist ausgeblieben, weil das Schiff in Ostende wegen ungünstiger Witterung im Kanal nicht herangekommen ist. — In Bordeaux fand am 1. ds., nachmittags um 5 Uhr, ein heftiges Gewittter mit Hagel statt. — Aus Halifax, 30. März, wird berichtet: In Folge von Schneestürmen in Kanada war der Verkehr auf der interkolonialen Eisenbahn 6 Tage lang vollständig gehemmt. Kaum aber fuhren die Züge wieder, so brach ein noch schlimmerer Schneesturm aus. 1000 Personen, welche von hier mit dem Pakistan nach England fahren wollten sind eingeschneit und eine ungeheure Menge Güter wartet auf Beförderung.
— Aus St. John (Neu-Fundland), 31. März, wird gemeldet: Der zum Robbenfang benutzte Dampfer Eagle ist mit 260 Mann an Bord untergegangen. Der Eagle war ein Schiff von 340 Tonnen Tragkraft und segelte vom hiesigen Hafen mit der Robenflotille am 19. März nach der 100 Meilen nördlich von St. John gelegenen Bonavista-Bai ab. In der Nacht vom 11. März segelte der Eagle in Gesellschaft der Aurora, eines der Schiffe der Flotille unweit der Funk-Insel, als sich ein furchtbarer Sturm erhob. Am nächsten Morgen war der Eagle nirgends sichtbar, noch ist er seitdem gesehen worden. Die Funkinsel ist ein etwa 60 Fuß hoher Felsen mit einem Flächenraum von 400 Meilen und etwa 40 Meilen von Bonavista gelegen. Die Insel ist aus Meilen von einer Brandung umgeben und der gefährlichste und gefürchtetste Ort an der Neufundländischen Küste. Allgemein wird geglaubt, daß der Eagle durch die Wucht des Sturmes in die Brandung getrieben wurde und zerschellte. Diese Annahme wird bestätigt durch die Thatsache, daß Trümmerteile und das Namensschild des Eagle von vorüberfahrenden Dampfern gesehen worden sind. Der vermißte Dampfer hat eine Besatzung von über 260 Mann, die genaue Ziffer ist jedoch unbekannt. Es waren meist verheiratete Männer, welche in der Nachbarschaft von St. John lebten. Nach einer anderen Annahme soll eine Dampfkesselexplosion das Unglück veranlaßt haben.
Calw.
Eanäwirtk»^ustki<Her Hezir^verein.
Der beim Vereine bestellte Grassameik ist angekommen und unfehlbar am Samstag, den 9. April, von Morgens 8 Uhr an, im Gasthaus zur Kanne abzuholen. Säumige haben Unkosten zu gewärtigen.
Calw, 6. April 1887. Der Vereinssekretär:
E. Horlacher.
Die bestellten Obstbäume können am Ostermontag Nachmittag bei mir abgeholt werden. Auch ist'noch eine kleine Partie nicht bestellter Bäume von großer Schönheit zu haben.
E. Horlacher.
Gottesdienste.
Karfreitag. Borm.-Pred. um halb 10 Uhr Hr. Dekan Berg. Feier des h. Abendmahls. Abendprcdigt um 3 Uhr in der Kirche: Hr. Helfer Braun. Vorbereitung und Beichte für das Osterabendmahl.
Werfest. Vom Turme: Nro 171. Vorm.-Predigt um halb 10 Uhr: Hr. Dekan Berg. Feier des h. Abendmahls.
Nachm.-Pred. um 2 Uhr in der Kirche, Hr. Helfer Braun.
Wermoatag. Vorm.-Predigt um halb 10 Uhr in der Kirche, Hr. Helfer Braun.
„Ist 58 Centimeter Ihre gewöhnliche Taillenweite?" fragte jetzt der Jüngling und blickte dabei zum ersten Male Erika ins Gesicht. Diese sah jetzt, daß er auf dem linken Auge schielte, zwar nicht viel, aber es war doch ein unverkennbares Schielen, „Bald werde ich in seine treuen blauen Augen blicken" — hatte sie noch heute früh beim Aufstehen zu sich gesagt, und nun? Erwin kein Assessor, ein wirklicher schielender Schneider! Sie fing an, den Menschen zu hassen und zornig antwortete sie auf seine Frage:
„Genug der Komödie, mein Herr! Vergessen Sie, daß Sie hier waren. Sie haben mich betrogen."
„Aber mein gnädiges Fräulein!"
„Gehn Sie, gehn Sie, bevor mein Vater kommt!"
„Aber ich begreife nicht, gnädiges Fräulein" stammelte erschrocken der Jüngling —
„Sie haben mich auf das Abscheulichste hintergangen, wie konnten Sie es wagen, Sich bei mir einzuschleichen?"
„Ich habe mich nicht eingeschlichen, ich bin bestellt worden" fuhr nun der junge Mann auf, „betrogen und hintergangen habe ich auch noch Niemand. Auf einen solchen Empfang war ich allerdings nicht gefaßt, sonst wäre ich zu Hause geblieben."
„Nun so machen Sie jetzt, daß Sie wieder nach Hause kommen und behelligen Sie mich nicht mehr. Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie oder —
„Da soll ich am Ende gar noch hinausgeworfen werden!"
„Gut, ich werde gehen mein Fräulein; aber ich verlange Entschädigung, und darüber werde ich noch ein Wort mit ihrer Frau Mama sprechen."
Mit diesen Worten ging der in seinm heiligsten Gefühlen gekränkte Jüngling, nicht ohne Würde, zur Thür hinaus.
„Der Elende verlangt Entschädigung! Er wird Mama alles sagen", jammerte Erika.
„O! Hedwig! Hedwig! Was hast Du gethan! Du allein hast mich in dieses Unglück gestürzt!" Und weinend stützte sie ihr trauriges blondes Köpfchen in die weißen Hände.
„Verzeihung*, klang da eine sonore Männerstimme, „habe ich die Ehre —"
Erika sprang auf. Wie kam dieser stattliche schöne Mann zu ihr? Wer war er! Verlegen wußte sie nicht wie sie ihm begegnen sollte.
„Habe ich die Ehre, Fräulein Mestelbach vor mir zu sehen?" — sagte Assessor Wittich, denn kein anderer war der neue Ankömmling.
„Ja — ich bin es", antwortete noch immer wie erstarrt das Mädchen. Sollte sie denn heute aus den Ueberraschungen gar nicht herauskommen? Nun, die neue Ueberraschung war wenigstens eine angenehme, und wohlgefällig ließ sie ihre Blicke über die Gestalt des Mannes schweifen, welcher im schwarzen Gehrock, den Seidenhut in der Hand, einen recht vorteilhaften Eindruck machte. Ach, wenn so der soeben heimgeschickte Briefschreiber ausgesehen hätte!
„Ich bin —" sagte jetzt der Fremde und blickte geheimnisvoll um sich. Da öffnete sich die Thür und herein trat Erikas Mutter, hinter ihr der erzürnte Schneider.
„Erika, was hat Dir denn dieser Herr zu Leide gethan, daß Du ihn fortschicktest" begann Mama, als ihr Blick auf den Assessor fiel. „Ah, wer sind Sie?
„Das ist der Schneider, Mama", sagte Erika verlegen.
„Ja wohl, Damenschneider, gnädige Frau", erwiderte, der erhaltenen Weisung getreu, Assessor Wittich, und ließ einen verständnisvollen Blick zu Erika hinüberblitzen.
„Er ist's", jubelte diese und verstohlen setzte sie hinzu: „Ganz wie in seinen Briefen! Ach wären wir allein!" (Schluß folgt.)
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