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Zeitungen melden: Aus Belgrad verlautet, es stehe ein weiterer llkas des Königs bevor, wodurch Milan zum Adlatus des Königs und zum Generalissi­mus der Armee ernannt werden soll!

Oe st erreich-Ungarn.

Wien, 28. April. Die hiesigen Zeitungs­setzer beschlossen, entgegen früheren Jahren, am

1. Mai nur vormittags zu arbeiten, weshalb am

2. Mai keine Blätter erscheinen.

Wien, 30. April. In zwei von Bauarbeitern gestern abgehaltenenruhigverlaufenen Versammlungen wurde beschlossen, morgen zu streiken. Die Bau­arbeiter, deren Zahl 30 000 beträgt, verlangen Ver­kürzung der Arbeitszeit um eine Stunde und Ein­führung einer einheitlichen Arbeitsordnung; die Zimmerleute lehnten einen Ausstand ab.

Wien, 1. Mai. Belgrader Nachrichten der Wiener Blätter zufolge tritt König Alexander demnächst eine mehrmonatliche Auslandsreise an. Er wird seine Mutter besuchen. Während seiner Abwesenheit übernimmt sein Vater die Regentschaft.

P e st, 1. Mai. Hier eingetroffenen Nachrichten aus Braila zufolge sollen die Landungsbrücken der Donau-Dampfschiffahrtsgefellschaft eingestüvzt und 200 Personen dabei umgekommen sein.

Frankreich.

Paris, 28. April. (Prozeß Henry.) Der Staatsanwalt beantragte die Todesstrafe. Henry entwickelt die Motive zu der That in einer halb­stündigen aus dem Gedächtnis gesprochenen, wohl­gesetzten Rede. Er sei in der bürgerlichen Moral erzogen, aber Anarchist geworden, nachdem er ein­gesehen, daß die Gesellschaft auf Lug und Trug basiert sei. Das Attentat gegen die Kompagnie Carmaux habe er begangen, um die Freude der reichen Bourgeois über das Nachgeben der Arbeiter zu stören, nachdem der Streik dank dem Eingreifen der Sozialisten mißlungen, und um den Arbeitern zu zeigen, daß die Anarchisten ihre wahren Freunde seien. Die Anarchisten sitzen nicht im Parlament wie die Sozialisten, sondern gehen auf die Guillotine. Das Attentat im Terminus-Cafe habe er begangen, um gegen die unmenschliche Repression zu protestie­ren, welche auf die Attentate Vaillants folgte. Ebenso wie die Bourgeosie die ganze anarchistische Partei für die That des einzelnen Vaillant verantwortlich gemacht, ebenso habe er die ersten besten Bourgeois, die er im Cafe gefunden, als Sühnopfer gewählt. Die Anarchisten, die die Gesellschaft durch den Tod bekämpfen, wissen ihn zu erdulden. Nach nur werden andere Köpfe fallen, aber die Anarchie wird nicht sterben und Euch schließlich töten. (Große Beweg­ung.) Die Jury beriet Stunden und bejahte alle Schuldfragen. Darauf sprach der Gerichtshof das Todesurteil gegen Henry aus. Er nahm es lächelnd hin und rief im Abgehen: Mut Kameraden und hoch die Anarchie!

Paris, 29. April. Im Prozeß Henry ver­suchte der Arzt Goupil, ein langjähriger Freund von Henry's Familie, Henrys Unzurechnungsfähig­keit nachzuweisen. Dieser erhob sich dagegen und sagte: Ich bin vollkommen zurechnungsfähig. Sie wollen meine Verrücktheit auf eine typhöse Erkran­kung zurückführen, die ich durchmachte, aber nach dieser Krankheit bestand ich alle meine Prüfungen. Ebensowenig beweist der Gehirnschlag, dem mein Vater erlag. Meines Vaters Tod war verursacht durch Quecksilberdämpfe, die derselbe in seiner Fabrik einatmete. Ich bin nicht erblich belastet und wünsche die volle Verantwortung zu tragen. Henry trug nun auswendig eine lange Rede vor, die er während der Untersuchungshaft auswendig gelernt hatte. Er entwickelte, warum er Anarchist geworden sei. Bis vor 2' 2 Jahren habe er dieselben Grundsätze gehabt wie die andern auch, habe Vaterland, Familie, Au­torität und Eigentum hochgeschätzt. Aber die Er­fahrung habe ihm die Augen geöffnet, habe ihm ge­zeigt, daß man nur durch Cynismus und Kriecherei zu etwas komme. Nicht auf Gerechtigkeit und Gleich­heit, sondern auf Lüge und Betrug sei die Gesell­schaft basiert. Jeden Tag sei er um eine Illusion ärmer geworden, täglich habe er mehr erkannt, wie die Schlagwörter Ehre, Opferwilligkeit, Pflicht, nur eine Maske seien, welche die schändlichsten Schlech­tigkeiten zudecken. Ein Ehrenmann der Fabrikant, der ein kolossales Vermögen aus dem Schweiß cher darbenden Arbeiter aufbaut! Ein Opferwilliger der Abgeordnete, dessen Hände sür Trinkgelder offen sind! So sei er zur Ueberzeugung gekommen, daß

die ganze soziale Gesellschaft verbrecherisch sei. So­zialdemokrat habe er nicht werden wollen, die Sozial­demokratie knechte den Menschen, sie halte das Prin­zip der Autorität aufrecht und paktiere mit den be­stehenden Gewalten. Vorerst thue, um ein neues Gebäude zu errichten, das Eine not: alles Alte ab­zureißen und zu zerstören, deshalb sei die Anarchie die notwendige Durchgangsform zum Besseren. So lange die Bourgeoisie nicht sehe, daß Ernst gemacht werde, thue sie keinen Zug. Man habe es bei den Streiks gesehen: mit Kugeln und Bajonetten seien die Streikenden gezwungen worden, zur Arbeit zu­rückzukehren und die Bourgeoisie habe sich beglück­wünscht, nach wie vor ihre Dividenden einzustreichen! Es sei notwendig gewesen, unter das goldene Kalb, das von den Kapitalisten umtanzt werde, einige Dy­namitpatronen zu legen. Das sei das Motiv seines ersten Verbrechens gewesen. Das zweite sei die Ant­wort gewesen aus die Massenverfolgung von Un­schuldigen, die man auf schmähliche Denunziationen hin eingekerkert habe. Seine Handlung werde von dem ungenügend verbreiteten Volk heute noch nicht begriffen, selbst viele Arbeiter wenden sich entrüstet von ihm ab, und es gebe Anarchisten, die die Pro­paganda durch die That verleugnen. Das seien Feig­linge, sie setzen nicht ihr Leben ein, um die Welt frei zu machen. In diesem Krieg aufs Messer könne niemand auf Gnade rechnen, er am allerwenigsten. Das Individuum sterbe, aber die Anarchie lasse sich nicht ausrotten, sie ziehe reichliche Nahrung aus der verfaulten Gesellschaft und werde nicht aufhören, bis wirklich Freiheit und Gleichheit hergestellt fei.

Paris, 30. April. Die Maifeier in Paris kündigt sich friedlich an. Die Sozialisten wollen zeigen, daß sie Männer der Ordnung sind. Der Exkommunarde Protot erklärt, die Maifeier sei eine deutsche Erfindung", rät von der Nachahmung ab und veröffentlicht ein Blatt mit Angriffen auf Bebel und Liebknecht.

Paris, 30. April. Das BlattLibre Parole" behauptet, der Anarchist Henry habe von Rothschild 200 Frks. zum Druck anarchistischer Papiere erhalten.

Paris, 1. Mai. In der Kammer stand gestern die Interpellation Jauräs über die Geldquellen der Anarchisten auf der Tagesordnung. Dieselbe wünscht Aufklärung über die Maßregeln, welche die Regie­rung gegen die Kapitalisten und Priester zu ergrei­fen gedenke, welche die Propaganda der That un­terstützt haben sollen. Jaurss beschuldigte die Re­gierung, sie bediene sich des Anarchismus für ihre Sammlungspolitik gegen den Sozialismus und ver­heimliche deshalb die Anzeichen, die den Klerus und die Börse in ihren Beziehungen zu den Anarchisten bloßstellen könnten. Jauräs beschuldigte dann die Kirche des Doppelspiels. Der Regierung stelle sie sich als Bollwerk gegen den Sozialismus dar und auf der andern Seite suche sie die Arbeiter an sich zu ziehen. Justizminister Dnbost erklärte die An­gaben von Jaurtzs für falsch. Gras Hugues hält die Behauptung aufrecht, daß die Anarchisten Geld von Rotschild empfangen hätten und verlangt eine Untersuchung.

Griechenland.

Athe n, 28. April. Nach vorhergehenden leich­ten Erdstößen, die bereits als die Vorzeichen einer neuen Katastrophe von der Bevölkerung mit großem Schrecken wahrgenommen wurden, trat eine solche leider gestern abend mit furchtbarer Gewalt wieder ein. Die Erdrevolution hatte eine Dauer von 15 Sekunden. Auch hier wurde die Erschütterung ge­spürt. Mehrere Häuser haben bedenkliche Risse be­kommen. Nach den bisher aus den Provinzen spär­lich eingelaufenen Meldungen ist die traurige That- sache zu konstatieren, daß dieses neue Erdbeben der Stadt Atalantis und den Dörfern in Lokris und Theben den Todesstoß gegeben hat. Nach den hier vorliegenden Berichten sollen wieder viele Menschen­leben zu beklagen sein. .

Serbien.

Belgrad, 29. April. Nach einem Ukas des Königs wurden dem Exkönig Milan und der Ex­königin Natalie die ihnen als Mitglieder des Kgl. Hauses zustehenden Rechte wieder zuerteilt.

England.

London, 1. Mai. Aus Kamerun laufen Nach­richten über neue dortige Unruhen ein. Täglich würden neue Plünderungen begangen, welche die Regierung außer Stande wäre, zu unterdrücken.

Amerika.

Washington, 26. April. Die Arbeitslosen sind in einer Stärke von 6500 Mann, die sich auf etwa 6 .Kolonnen verteilen, im Anmarsche auf Washington, wo dieseTramps" der Polizei und den Behörden viel zu schaffen machen dürften. Daß die meisten dieser Landstreicher bei den Landwirten sehr wohl Arbeit finden würden, wenn sie nur ar­beiten wollten, steht fest. Das abenteuerliche Leben gefällt ihnen aber viel besser. Wohl kommt es ab und zu vor, daß ein ganzesArmeekorps" von dem mutigen Bürgermeister einer kleinen Stadt gleich nach seinem Einzug für die Nacht in den Polizei­gewahrsam eingesperrt wird, aber für solche unlieb­same Erlebnisse bieten die feierlichen Begrüßungen, die diesen modernen Kreuzfahrern anderswo zu teil werden, hinreichende Entschädigung. Kommt es doch vor, daß ein auf der Höhe der Zeit stehendes Städt­chen diese Landstreicher mit Glockengeläute empfängt, mit Speise und Trank reichlich versieht und schließ­lich auch noch die nötigen Fuhrwerke für den Transport jener Tramps liefert, denen das Mar­schieren bereits zu lästig geworden ist. Beson­ders eifrig aber wird von diesen Burschen der Sport gepflegt, Eisenbahnzüge zu stürmen und auf diesen ohne Entrichtung eines Fahrgeldes so lange munter und unentwegt weiter zu fahren, als dies die Langmut der g eschädigten Bah ngesellschaften gestattet.

Kleinere Mitteilungen.

(Zur Warnung.) Wenig bekannt in Volks- kreifen ist es, daß die Ausgabe eines falschen Geld­stückes, von dem man weiß, daß es nachgemacht ist, ein Münzverbrechen involviert, welches vor dem Schwurgericht gesühnt wird. Ein junger Arbeiter, der ein gefundenes falsches 10 -//-Stück einer Krä­merin in Zahlung gab, erhielt dieserhalb vom Schwur­gericht 2 Monate Gefängnis.

Das Cafe Luitpold in München ist am Donners­tag um den Preis von 3160 000 ^ in den Besitz des Oberstlieutenants Lindpaintner übergegangen. Der Vor­besitzer Hoch hat in diesem Jahr ca. 200 000 Ab­schlagszahlungen geleistet.

Der zweite deutsche Taubstummenkongreß findet zu Pfingsten d. I. in Wiesbaden statt.

Der Kugelsicherheit des Dowe'schen Panzers steht die Leüensversicherungsgesellschaft, bei der Dome sich versichert hat, zweifelnd gegenüber. Sie hat zwar die Versicherung beibehalten, lehnt aber die Zahlung der Ver­sicherungssumme ab, falls Dome bei den Schießversuchen getötet oder tödlich verwundet wird.

In Lüttich ist eine ganze Hochzeitsgesellschaftauf dem Weg zum Rathause beim Ueberschreiten des Bahn­eleises von einem heranbrausenden Schnellzug über- ahren worden. 2 Personen wurden getötet, 7 verwundet.

Ein Elephant mit Zahnschmerzen. Der größte Elephant des Zoologischen Gartens zu Paris hatte schon seit mehreren Wochen seine ehemalige Lebhaftigkeit einge­büßt und war ganz melancholisch geworden. Er lag re­gungslos auf seinein Lager und nur ab und zu rieb er seine Kinnlade am Boden. Das brachte die Direktion auf den Gedanken, einen Zahnarzt kommen zu lassen und die­ser stellte in der That fest, daß der Elephant an Zahn­schmerzen leide. Einer seiner Stoßzähne war schon be­denklich angefresseu. Der Arzt nahm, nicht ohne Schwie­rigkeiten, bei dem Dickhäuter die Operation des Ausboh- reüs der schadhaften Stelle vor, mit vollkommenem Erfolg, wie jM Aiedergekehrte gute Laune des Patienten beweist. TenWWst soll der kranke Zahn mit Gold plombiert wer­den wenn das nicht zu teuer kommt. _

Handel L Verkehr.

Stuttgart, 30. April. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Kilo: Weizen La Plata 16. (dis­ponibel), La Plata 15.50 (auf Lieferung), bayr. 15.50, azima 15.50, Theodosia, prima, 17.25, Kernen 15, Dinkel, beregnet, 10. -, unberegnet 10.60, Gerste, rumän. 15.50, Hafer, prima 17., Land 15.60, Mais, Donau 12.

Stuttgart, 30. April. (Mehlbörse.) Suppengries: ^ 26.50 bis ^ Mehl Nr. 0: ^ 26. bis. /(. 27,

dtö. Nr. 1: 24 bis ./L 25., dto. Nr. 2: . // 22.50

bis ^ 23., dto. Nr. 3: ^ 20.50 bis 21., dto. Nr. 4: 17.50 bis/(i 18.. Kleie nnt Sack 8.30 pro

100 Kilo je nach Qualität.

Konkurseröffnungen. Alois Erhärt, Kistenfabri­kant in Mittelbiberach, und dessen Ehefrau Aloisia geb. Erhardt. Babette Vogel, Bäckers Witwe in Niederstetten, OA. Langenburg. Wilhelm Fuß, Gärtner in Schramberg, OA. Oberndorf. Gottlieb Jetter, Schreiner und Krämer in Lausen, OS!. Rottweil. Jakob schube, Schreiner in Bönnigheim, OA. Besigheim. Sofie Döbler, Modistin in G münd. ___

Hiezn Schwäbischer Landwirt Nr. A.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen

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