in der Fortbildungsschule geleistete Widerstand als Widersetzlichkeit gegen die Staatsgewalt nach 8 13 Str.-G.-B. zu bestrafen.

Ms Nachtrag zu dem Bismarck-Tag kann auch noch gemeldet werden, daß S. M. der Kaiser am Freitag bei Gelegenheit seines Spazierritts, den er am Nachmittag unternommen hat und bei dem er vom Publikum so begeistert begrüßt worden ist, den bekannten Amtsrat v. Dietze-Barby, einen der älte­sten Freunde des Fürsten Bismarck, unter den Lin­den mitten im Publikum erblickt, ihm vom Pferd herab die Hand gereicht und ihm seine hohe Befrie­digung darüber ausgesprochen hat, ihn gerade an diesem denkwürdigen Tag in Berlin begrüßen zu können.

Berlin, 29. Jan. Der General-Superintendent I). Dyrander in der Dreisaltigkeitskirche teilt mit, daß der Text der Geburlstagspredigt ebenfalls von Sr. Majestät selbst ausgewählt worden sei. Derselbe lautete bekanntlich: Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen aus. (Jes. 34, V. 8.)

Berlin, 29. Jan. Die Reichstagskommission zur Vorbereitung des Antrags Rintelen und Abän­derung der Konkursordnung beriet heute die lleber- schuldungsfrage. Bassermann (natl.) hatte beantragt, daß wegen Ueberschuldung nur der Gemeinschuldner den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stellen darf. Derselbe muß diesen Antrag stellen, wenn nach der Bilanz die Schulden das Doppelte des Vermögens betragen. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt oder Konkurs eröffnet haben, sollen mit Gefängnis bis zu drei Monaten und außerdem mit Geldstrafe bis zu 5000 Mark bestraft werden, falls sie den Antrag aus Eröffnung des Konkursverfahrens unterlassen haben. Bestrafung soll wegfallen, wenn nachweislich ohne Verschulden der Eröffnungsantrag unterblieben ist. Die Abstim­mung wurde hier vertagt und über die Anträge zu den tzß 96, 97 verhandelt.

Die deutsche Ausfuhr nach dem Auslande hat im Jahr 1893 1705 Millionen mehr betragen, als im Jahre 1892, die Wirksamkeit der Handels­verträge ist also ganz unverkennbar. Die Einfuhr nach Deutschland ist um etwa 17 Millionen gesun­ken. Es sind das Ziffern, die bei der bevorstehen­den Beratung des deutsch-russischen Handelsvertrages wohl vor allen Dingen ins Feld geführt werden dürften.

Deutscher Reichstag. Der Reichstag begann am Dionlag die erste Beratung des Finanzreformplanes im Reiche, die zu längerer Debatte führte. Reichsschatzsekre­tär Graf Posadowsky leitete dieselbe unter Hinweis darauf ein, daß mehrere Einzellandtage sich für die Reform aus­gesprochen hätten, die auch wirklich unabweisbar sei. Die zur Durchführung de/ Reform vorgeschlagenen Steuern seien ganz zweckmäßig. Bessere werde man nicht finden. Der Reichstag sei >a in der Lage, alle Ausgaben zu kon­trollieren. Die Regierung könne also von den neuen Steuern nichts für sich verwenden. Abg. Lieber erklärt sich namens der Centrumsfraktion gegen die Finanzreform, weil unter den heutigen schwierigen Verhältnissen eine Erhöhung der indirekten Steuern nicht zu empfehlen sei. Es werde schon schwer genug werden, die Kosten der Militärvorlage auf­zubringen. Wenn eine wirkliche Besserung der Erwerbs- verhällnisse eingetreten sei, dann sei vielleicht weiter über ' die Sache zu sprechen. Abg. Rickert (frs.) meint, nach die­ser Rede werde Finanzminister Miquel doch wohl in sei­nen zuversichtlichen Hoffnungen schwankend werde». Tie Vorlage ist jetzt schon gerichtet. Ihre Einbringung war ein politischer Fehler, der sich noch bitter rächen wird. Tie Kosten der Militärvorlage müssen von den reichen Leu­ten getragen werden und dürfte mit der Finanzreform nicht verquickt werden. Es ist das eine Ehrenpflicht der Reichen. Finanzminister Miquel hält an der Reformnot­wendigkeit fest, die man wohl verschieben könne, aber ein­mal doch werde annehmen müssen. Das Reich müsse die Einzelstaaten unterstützen; woher sollten denn diese ihre Bedürfnisse befriedigen? Nachdem noch Abg. Graf Limburg (kons.) für die Finanzreform gesprochen, wird die Debatte vertagt.

Deutscher Reichstag. Am Dienstag wurde die Be­ratung des Finanzreformgesetzes fortgesetzt. Trotz fast sechs­stündiger Debatte wurde die Verhandlung abermals dis Mittwoch vertagt. Abg. Richter-Hagen (freist) trat in sehr ausgedehnter Rede gegen die Finanzreform auf und be­stritt, daß die finanziellen Verhältnisse der Einzelstaaten so schlecht seien, um ihnen vom Reiche neue Unterstützung zukommen lassen zu müssen. Am wenigsten sei das in Preu­ßen der Fall. Tie Bewilligung neuer Steuern vermehre nur die Neigung zu neuen Ausgaben. Abg. v. Kardorff (freikons.) erwidert, man könne doch unmöglich die Kosten der vom Reichstage genehmigten Militärvorlage den Ein- zelstaateu zuweisen. Abg. Schippe! (Soz.> ist prinzipieller Gegner der Reform. Abg. Hammacher (ntlb.) hält die Fi­nanzreform für unabweisbar und auch den gegenwärtigen Zeitpunkt für geeignet. Werde die Reform abgelehnt, so werde ein heftiger und verderblicher Finanzkrieg zwischen Reich und Einzelstaaten ausbrechen. Abg. Bachem (Etr.)

lehnt die Klagen der Einzelstaaten rundweg ab; jene soll­ten Geld erhalten, das Reich es bewilligen, das sei ein ganz verschiedener Standpunkt. Heute sei die Reform un­möglich, die breiten Volksklassen dürften nicht mehr mit schweren Steuern belastet werden. In Militär und Ma­rine sei mehr zu sparen. Die Kosten der Militärvorlage bewillige seine Partei, mehr nicht, und hiervon könnten die Einzelstaaten recht wohl einen Teil tragen. Abg. Förster (Antis.) ist gegen eine sofortige Reform. Zudem seien die vorgeschlagenen Steuern nicht empfehlenswert. Finanzmi­nister Dr. Miquel empfahl nochmals dringend die Vorlage: in den Einzelstaaten seien Finanznot und Steuern so hoch­groß, daß es nicht weiter gehen könne. Und wenn auch die direkten Steuern erhöht werden sollten, so würden doch die breiten Klassen davon erst recht betroffen. Die seit 20 Jahren befolgte Finanzpolitik hätte unbedingt einmal in die Brüche gehen müssen und nun sei man eben so weit. Die Debatte wird bis Mittwoch vertagt.

Zur Neuregelung der Militairpslicht der Volksschullehrer schweben jetzt Verhandlungen zwischen dem preußischen Cultus- und dem Kriegs­ministerium. Der Kriegsminister soll nicht abgeneigt sein, den Lehrern allgemein die einjährige Dienst­zeit zu gewähren. Obgleich Minister Dr. Bosse geneigt ist, auf die Wünsche der Lehrer einzugehen, werden wohl eine Reihe praktischer Schwierigkeiten hinwegzuräumen sein, so daß bis zur Erledigung der Frage noch längere Zeit vergehen wird.

Berlin, 30. Jan. Die Kaiser Wilhelm-Ge­dächtniskirche soll am 1. September 1895 feierlich eingeweiht werden. Die Kirche soll etwa 2' - bis 3 Millionen kosten,von denen 2 Millionen vorhan­den sind.

Berlin, 30. Jan. Die Budgetkommission des Reichstags lehnte 20,000 - // Zulage für den Bot­schafter in Rom ab.

Berlin, 30. Jan. DieVoss. Ztg." erfährt, daß gegen verschiedene in den Hannover'schen Spie­lerprozeß verwickelt gewesene Offiziere ehrengericht­liche Untersuchungen schweben. Der Kaiser habe einigen bereits gefällten Urteilen wegen zu großer Milde die Bestätigung versagt und die Wiederholung des Verfahrens befohlen.

Berlin, 31. Jan. Die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses lehnte dje für den Stuttgarter Gesandtschaftsposten geforderte Gehaltserhöhung von 6000 . ab.

Vergebliche Liebesmishe. In Deutschland besteht eine Friedensgesellschaft, die ja das an und für sich ganz löbliche Ziel verfolgt, die Gegensätze zwischen den einzelnen Nationen zu vermindern und damit die Kriegsursachen aus der Welt zu schaffen. Das Ziel ist, wie gesagt, nur zu billigen, aber wenn die Herren vom Vorstande persönlich den Russen­tagen in Frankreich beigewohnt hätten, so würden sie sich ganz gewiß das jetzt von ihnen erlassene Rundschreiben mit einer Auffprderung zur Beitritts­erklärung gespart haben. Wir deutsche sind fried­fertig genug, aber die anderen. Man studiere die genau und dann gründe mag Friedensgesellschaften, wenn man sonst nichts besseres zu thun hat.

Frankreich.

Die französische Kammer ist am Sonnabend einmal wieder der Schauplatz stürmischer Auftritte gewesen. Bei der Debatte, die der Deputierte Clo- vis Hugues wegen der jüngst erfolgten Haussuchun­gen und Verhaftungen von Anarchisten an die Regierung gerichtet hatte, verursachten die Ausfüh­rungen des Ministers des Innern auf der Linken lebhaften Widerspruch und mehrere Deputierten rie­fen:Es lebe die Kommune!" Darob entstand gro­ßer Lärm im Zentrum und da der Sozialist Thi- vrier nicht abließ zu rufen:Es lebe die Kommune!", beschloß die Kemmer, ihn von der Sitzung auszu­schließen. Die Sozialisten protestierten lebhaft, Thi- vrier weigerte sich, den Saal zu verlassen. In Folge dessen suspendierte der Präsident die Sitzung auf eine halbe Stunde. Darauf verließen die Deputier­ten den Saal mit Ausnahme Thivriers und etwa 30 Sozialisten. Der Militär-Kommandant des Pa­lais Bourbon betrat in Begleitung von Soldaten den Saal und forderte Thivrier zum Verlassen des Saales auf. Thivrier weigerte sich und ^erklärte, nur der Gewalt weichen zu wollen. Die Soldaten gingen vor; Thivrier richtete einige Worte an sie und verließ dann mit den anderen Sozialisten unter den Rufen:Es lebe die Kommune!" den Saal. Die Sitzung wurde hierauf unter lebhafter Bewe­gung wieder ausgenommen. Der Schluß der Ver­handlung war, daß die Kammer mit 468 gegen 64 Stimmen eine Tagesordnung anpahm, worin die Zustimmung zu der Haltung der Regierung und das

Vertrauen zu deren Energie, die Ordnung und Ruhe aufrecht zu erhalten, ausgesprochen wird.

Paris, 30. Jan. Nach demFigaro" beab­sichtigt Cornelius Herz zu seiner Rechtfertigung Do­kumente zu veröffentlichen, welche bekannte Deputierte schwer kompromittieren werden.

Paris, 30. Jan. Man glaubt allgemein, daß die Hinrichtung Vaillants in Kürze vollstreckt wird. Vaillant selbst giebt sich keinen Illusionen hin und erwartet gelassen jeden Morgen die Ankündigung seiner Hinrichtung.

Spanien.

Madrid, 29. Jan. Aus Melilla wird gemel­det, daß infolge »on anhaltenden Regengüssen der Typhus unter den spanischen Truppen ausgebrochen ist. Bereits über 400 Mann liegen in den Spitä­lern darnieder. Die Soldaten sind tief in die Mo­räste geraten, so daß an ein kriegerisches Vorgehen augenblicklich keinesfalls zu denken ist.

Bulgarien.

Sofia, 30. Jan. Der Staatsanwalt beantragte gegen den jüngeren Angeklagten im Prozesse Jwa- nofs 10 Jahre Kerker, gegen dessen Bruder Todes­strafe, welche in 15jährige Haft in Eisen umge.van- delt wurde. Das Publikum begrüßte diese Wendung sympathisch.

Sofia, 30. Jan. Die Gemahlin des Fürsten Ferdinand ist von einem Knaben entbunden. Der Jubel im ganzen Lande ist unbeschreiblich. Die Zeitungen sprechen die Hoffnung aus, das Land werde nun endlich, nachdem es eine Dynastie erhal­ten habe, zur Ruhe gelangen. Das frohe Ereignis sei außerdem geeignet, die Stellung des Fürsten im Lande selbst außerordentlich zu befestigen.

Asien.

Nach weiteren Berichten über das Erdbeben in Persien wurde die Stadt Roschau gänzlich zerstört. 12 000 (?) Einwohner wurden getötet; bisher sollen übe r 10000 Leichen geborgen sein. _

Handel L Berkehr

", Nagold, 29. Jan. (Viehmarkt.) Zu Markt wurden gebracht: 24 Paar Ochsen, 125 St. Kühe, 98 Sk. Kälber, 27 St. Schmalvieh, 260 St. Läuferschweine, 156 St. Saugschweine. Verkauft wurden: 12 Paar Ochsen nur einem Erlös von 9820 62 Stück Kühe mit einein Er­lös von 14581 15 Stück Kälber mit einem Erlös von

2095 11 Stück Schmalvieh mit einem Erlös von 790

212 Stück Läuferschweine mit einem Gesamterlös von 4905 Mark, Preis für 1 Paar 45-116 128 Stück Saug­

schweine mit einem Gesamterlös von 1121 Preis für 1 Paar 2598 r

Eisenbahnsache. Auf ein Gesuch des Gewerbe­vereins Nagold hat die K. Generaldirektion der Staats­eisenbahnen angeordnet, daß der Zug 585 Nagold-Alten- steig am 7. und 8. Februar je um eine Stunde hinaus­gerückt wird, also in Nagold erst um 10.05 abends abgeht und in Altensteig um 11.05 ankommt.

Man schreibt uns aus Stuttgart: Herr G. Dähne

aus Dresden hielt vor einem dicht gescharten, sehr auf­merksamen Publikum im Conzertsaale einen Experimental­vortrag aus der neueren Physik, den er durch wahrhaft glänzende Experimente unterstützte. Herr Dähne unter­scheidet sich himmelweit von der Mehrzahl der reisenden Experimentatoren, die vielfach den Zuschauer durch das Gestrüpp der Anfangsgründe der Physik zerren, oder, sobald sie sich auf das Gebiet der höheren Physik begeben, als Ignoranten und Taschenspieler sich ausweisen. Unbescha­det seiner Wissenschaftlichkeit bleibt Herr Dähne jedoch immer leichtverständlich und populär, daß auch der völ­lig Unkundige niemals einen seiner Vorträge ohne Beleh­rung und Anregung verlassen wird. Mit ganz besonderer Aufmerksamkeit folgte die Zuhörerschaft dem Physiker, als er die neuesten Forschungen auf dem Gebiet« der Beziehun­gen zwischen Licht und Elektrizität durch das Experiment darzustellen begann. Die von Maxwell angebahnte, von Prof. Heinrich Hertz-Bonn zur bahnbrechenden Lehre aus­gebildeten elektromagnetischen Lichttheorie, nach welcher elektrische Fernwirkungen wie das Licht ausgebreitet, re­flektiert und gebrochen werden, wußte Herr Dähne durch Vorlesungsversuche über elektrische Resonanz trefflich zu illustrieren. Einen neuen Beweis für den innigen Zusam­menhang zwischen Licht und Elektrizität lieferte der Vor­tragende durch die experimentelle Wiedergabe der aller­jüngsten Entdeckung, derzufolge gewisse Körper ihre elekt­rische Kraft einbüßen, sobald sie belichtet werden. Den Glanzpunkt des Abends bildete die optische Darstellung der mechanischen Vorgänge, die auf einer elastischen Mem­bran beim Sprechen erzeugt werden. Sätze, welche gespro­chen, ein Volkslied, welches gesungen wurde, spiegelten ych auf der elastischen Membran gleichsam im Bilde wieder, so daß man hier Gelegenheit hatte, das gesprochene Wort,

das gesungene Lied nicht nur zu hören, sondern-zu

sehen". Eine treffliche Veranschaulichung der analogen in­neren Schwingungsvorgänge im Telephon. Der gefeierte Experimentator wurde wiederum mit Beifallserweisungen völlig überschüttet. Er steht auf der Höhe der modernen Experi mentalphysik. _

Hiezu das UntechaicunyMatt Nr. 5.

^ Redaktion, Druck und Vertag v.r G. W. Zaiser'scheu j Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagotd.