Zko. 34
62. Jahrgang
Amts- unä Intekkigenzökalt für äen Aezir^
Erscheint Ate»»laz, §o««er»tag L Samstag.
Die EinrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12
Dienstag, äen 22. März 1887.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Amtliche Bekanntmachungen.
Calw.
An die Ortsvorsteher.
Nachdem durch Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 12. d. M. (StaalS-Anzeiger Nr. 64) bestimmt worden ist, daß fernerhin für die rechtzeitige Anzeige von Pockenerkrankungen bei Kühen und die Gestaltung der Abnahme von Impfstoff von denselben Prämien nicht mehr bewilligt werden, werden die Ortsvorsteher beauftragt, dies zur Kenntniß der Viehbesitzer ihrer Gemeinden zu bringen.
Calw, den 20. März 1887. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
politische Wachvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 19. März. Der Kaiser erfreut sich des besten Wohlseins ; er wohnte gestern abend mit dem Großherzog und der Großherzog von Baden der Vorstellung des „Tannhäuser" im Opernhaus bei. — lieber das deutsch-österreichisch-italienische Bündnis verlautet, daß dasselbe auf der vollsten Parität aller drei Beteiligten gegründet ist. Der Vertrag ist ein schriftlicher und stipuliert die gegenseitige Bürgschaft des Besitzes und der Großmachtstellung.
— Prinz Wilhelm von Preußen begleitete heute Vormittag 9 Uhr den Kronprinzen Rudolf von Oest-erreich nach dem Artillerie-Schießplatz bei Kummersdorf, wo dieselben den Schießübungen längere Zeit beiwohnten. Nach Beendigung der Exerzitien kam Kronprinz Rudolf nach Berlin und erteilte im hiesigen Schlosse mehrere Audienzen. Später fuhr derselbe, einer Einladung des Prinzen Wilhelm zum Diner folgend, von hier wieder nach Potsdam zurück.
— Fürst Bismark ist persönlich am 14. März, dem Geburtstage des Königs Humbert, beim italienischen Botschafter Grafen Launay erschienen, um diesen zu bitten, seinem Könige die Glückwünsche des deutschen Reichskanzlers zu übermitteln.
Berlin, 18. März. Reichstag. Am Tisch des Bundesrats unter andern Ministerpräsident Dr. v. Mittnacht. — Der Reichstag genehmigte ohne Debatte in erster und zweiter Lesung den Vertrag mit Serbien, betreffend den gegenseitigen Schutz gewerblicher Muster und Modelle. — Der Gesetzentwurf, betreffend das Verfahren mit bleihaltigen
und zinkhaltigen Gegenständen wurde nach unerheblicher Debatte einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
— Die „Frankfurter Ztg." schreibt: „Es stellt sich nachträglich Heraus, daß die Stimmenthaltung des Zentrums bei der Militärvorlage das durch die Not gebotene einzige Mittel war, ein vollständiges Auseinandergehen der Partei in dieser Frage zu verhindern oder vor der Welt zu verbergen. Ein großer Teil der Partei wollte für das Septennat stimmen, ein anderer hielt an der Opposition gegen dasselbe fest. Nur dadurch, daß dieser linke Flügel auf die Geltendmachung seines Standpunktes verzichtete, war es möglich, die andere Seite von dem Eintreten für die Regierungsvorlage anzubringen und von derselben die Zustimmung zu der Franckenstein'schen Erklärung zu erlangen."
— Von dem bevorstehenden Besuch eines Sendboten des Papstes in Berlin giebt die „Nordd. Allg. Ztg." mit folgenden Worten Kunde: Der Sekretär der Heiligen Kongregation für außerordentliche geistliche Angelegenheiten, Monsignore Galimberti, der sich auf Befehl des Papstes nach Berlin begiebt, um Kaiser Wilhelm ein eigenhändiges Geburtstags-Glückwunschschreiben des Papstes zu überreichen, gilt für einen der ausgezeichnetsten Würdenträger des Vatikans, was auch durch die Thatsache hinreichend dargethan wird, daß er es war, der in den letzten Monaten vor dem Ableben des Kardinal-Staatssekretärs Jakobini das Ressort desselben aushilfsweise und stellvertretend bearbeitete, und sich auf diesem Posten als ebenso leistungsfähig wie gewandt bewährte. Daß der Abgesandte des Papstes, meint das Frkf. I., nicht lediglich zu dem Zwicke nach Berlin gekommen ist, um die Glückwünsche Seiner Heiligkeit zu überbringen, liegt auf der Hand und ist auch in der vorstehenden Notiz zwischen den Zeilen zu lesen. Aus Rom wird ganz bestimmt gemeldet, Galimberti hätte den Auftrag, persönlich mit dem Fürsten Bismarck über die Anträge des Bischofs Kopp zur Kirchenvorlage zu verhandeln, nachdem der Curie die Annahme dieser Anträge in Aussicht gestellt worden. Letzteres klingt allerdings sehr unwahrscheinlich.
Frankreich.
Paris, 18. März. Graf v. Lesseps erklärte dem Chefredakteur des Voltaire gegenüber wegen der Zeitungsangriffe gegen seine Widmung, die er dem französischen Vizekonsul Brandt in Köln auf seine Photographie geschrieben, er halte den Wortlaut der Widmung vollständig aufrecht. Alles weist Frankreich auf ein Zusammengehen mit Deutschland an. Wenn Frankreich Deutschland zu Anfang des Jahrhunderts und Deutschland Frankreich jetzt besiegt habe, so sei das kein Grund, daß das so weiter gehen müsse. Wegen ihrer Nachbarschaft und der gemeinsamen Interessen seien beide Nationen natürliche Freunde. Auch Rußland sei ein
Jeuicteton. ^druck °°-b°t°n.>
Van Bock nnd weine erste Liebe.
Von Jiritz ZSrenlano.
(Fortsetzung.)
Herr van der Knypsen war in einer sehr vergnügten Laune. Er hatte außerordentlich Glück im Spiele und ich verlor eine Partie nach der andern, bis ich sogar vollständig matsch wurde, was er der Familie triumphierend mitteilte, ohne daß sich dieselbe besonders dafür zu interessieren schien.
Ich war, als wir unsere Sitzung beendigten, erstaunt zu vernehmen, daß es bereits 8 Uhr war, wir also über vier Stunden dem verwerflichen Laster des Piquet- spielens gestöhnt hatten. Das Abendessen wurde aufgetragen und obwohl mir dies anfänglich einige Verlegenheit bereitete, mußte ich doch endlich dem allseitigen freundlichen Drängen nachgeben und Teil an demselben nehmen. Die darauf folgende Konversation, an welcher sich alles beteiligte, fesselte mich noch eine geraume Weile und erst gegen 10 Uhr suchte ich meine bescheidene Wohnung in der Amstelstraat auf.
Unterricht habe ich zwar nicht erteilt, sonst aber den Nachmittag ganz gemütlich verbracht, und wenn ich denselben etwas ausführlicher, als vielleicht nötig war, geschildert habe, so geschah dies nur, um zu sagen, daß auch die folgenden dem ersten auf ein Haar glichen.
Ich wanderte Wochen lang täglich, meinen Schiller, den ich immer wieder auf's Neue glossierte, unter dem Arm, Nachmittags in das van der Knypsen'sche Haus — allein wunderbarer Weise wußte es der Alte immer so einzurichten, daß der projektierte Unterricht durch irgend einen Umstand verhindert wurde, worauf wir Kaffee tranken, Piquet spielten und — zu Nacht speisten.
Nach und nach bemerkte ich freilich, daß die ganze Geschichte nur eine Kriegslist des Exnotars gewesen war, der weniger einen Lehrer für seine Töchter, als einen geduldigen Partner im Spiel für sich hatte gewinnen wollen. Allein da die
„Kinder" auch gerade keine große Lust zu verspüren schienen, in die Geheimnisse der deutschen Literatur eingeweihk zu werden, so war mir schließlich der Tausch auch einerlei und ich fügte mich geduldig in meine neue Stellung, wo ich im vollsten Sinne des Wortes mein Geld spielend verdiente, da van der Knypsen es trotz meines anfänglichen, energischen Protestes sich nicht nehmen ließ, mir täglich eine Stundenkarte mit dem Bemerken einzuhändigen, daß ja durch seine und nicht meine Schuld die Lektion versäumt worden wäre.
Das war nun freilich wahr, und wenn mich die Sache auch anfänglich peinlich berührte, schließlich fügte ich mich doch. Ich war ja so jung und unerfahren, und wenn ich auch heute mit einer gewissen Beschämung an jene Zeit denke — damals — nein! —
Du lieber Himmel, ich hatte eben keine große Sehnsucht, den Lehrerberuf auszuüben, und wenn ich eine Leidenschaft dafür gehabt hätte, so wäre sie jedenfalls reichlich jeden Morgen bei den sechs Orgelpfeifen befriedigt worden, die mit einer Beharrlichkeit Dummköpfe blieben, die mich einigermaßen in Erstaunen setzte. Ueberhaupt war meine Lage in dem Cafetierhause eine nichts weniger als behagliche geworden. Denn da ich nun die Nachmittage und Abende bei dem Notar zubrachte, und in Folge dessen mein Stundenhonorar nicht mehr bei den Eltern meiner Schüler verzehrte, so sahen mich dieselben von Tag zu Tag scheeler an, und habe ich die moralische Gewißheit, daß, wenn sich ein anderer Mensch gefunden hätte, der so dumm gewesen wäre, sich mit ihrer holden Jugend für das mäßige Honorar abzumühen, meine Herrlichkeit ein rasches Ende gehabt hätte. So aber mußten sie den „deutschen Muff", der ihnen ein Dorn im Auge war, schon als Lehrer beibehalten.
Wenn ich nun auch freilich Louise und Anna, so hießen die beiden Kinder des Exnotars, keinen eigentlichenjUnterricht gab, so würde ich mir doch selbst Unrecht thun, wenn ich sagen wollte, daß mein Umgang so ganz ohne Nutzen für sie gewesen wäre. Wenn das Abendessen vorüber war, Papa van der Knypsen in der Sophaecke seine „Amsterdam'sche Courant" las und seine Gattin in ihrem. Sessel einnickte, so führten wir manches Gespräch, welches die Mädchen über Vieles in der Literatur und Kunst