Ulm, 18. Dez. Am 11. d. Mts. wurden in St. Gallen zwei Burschen sestgenounnen, die bei der Polizei durch ihr verschwenderisches Auftreten Verdacht erregt hatten. Bei ihrer Durchsuchung stellte sich heraus, daß der eine, namens Al. Zauner aus Mazenbach, OA. Crailsheim, in den Stiefeln 500 Mk. versteckt halte. Sein Begleiter gab im Verhör an, ein dritter, K. Fr. Joos aus Gerstetten, OA. Heidenheim, habe noch mehr Geld, aber sich von ihnen getrennt.- Die telegraphische Verfolgung desselben führte zu seiner Festnahme in Frauenfeld in der Schweiz. Bei dessen Durchsuchung fanden sich 700 Mk. in die Hosen eingenäht und überdies noch ein anständiger Betrag in der Tasche. Er gab an, er habe in einem Haus in Ulm, das er in der Absicht zu betteln betreten habe, ein größere Summe Geldes am ll. d. M. gestohlen. Die Nachforschungen in hiesiger L>taA-bestätigten seine Aussagen. Der Dieb hatte in' dem Kontor eines hiesigen Kaufmanns an jenem Tag die Summe von 8000 Mk. in einein unbewachten Augenblick gestohlen. Um zum Schaden nicht auch noch den Spott zu Hatzen, hat letzterer eine Anzeige unterlassen, so daß cs der'Tiebsgssellschaft möglich wurde, in der kurzen Zeit von 8 Tagen beinahe 1200 Mk. zu verjubeln.
Die Influenza ist keine neue Krankheit, sondern sucht die Menschheit schon seit Jahrhunderten heim, nur bald stärker und bald schwächer auftretend. So schreibt Steinhofer in seiner „Chronik von Wirtemberg": „In dem Jahr 1580 lagen an vielen Orten die Leute an dem Kopfweh und Schnuppen.zu Bette, und allein in dem fürstlichen Stipendio zu Tübingen von Studenten 7 Tische; die sich aber des Weins- enthalten, waren davon frei." Dieser muß allerdings auch darnach gewesen sein; denn er fährt fort: „Ein Maß Wein, den man in dem letzten Herbst eingethan, wurde wegen seiner Säure um 1 Pf. verkauft.
, In Pforzheim hat man bei einem verhafteten Bettler 6000 Mk. in Wertpapieren, ebensoviel in einem Sparkassenbuch, eine goldene und eine silberne Taschenuhr, Schmucksachen u. f. w. gefunden. Der Verhaftete giebt an, er habe alles von seiner verstorbenen Mutter geerbt. Die eingeleitete Untersuchung wird feststellen, inwieweit diese Angabe auf Wahrheit beruht.
Rüdesheim. Einer hiesigen Weinhandlung ist vor Kurzem eine Postkarte mit folgenden Versen zugegangen: „Liebe Herrn'» am Rheinesstrand Schickt mir' Euren Preiskourant,
Aber eilig müßt Jhrs machen,
Denn man brütet schlimme Sachen.
Miquel will mit Zoll und Steuern Uns den Weingenuß versäucrn;
Darum noch vor Thoresfchluß Euer Wein verkauft sein muß!"
Eine Zigarre als Todesursache. Wie vorsichtig man beim. WcglegeN von angerauchten Zigarren sein soll, zeigt folgender Vorfall: Der Gutsbesitzer W. aus Striese Kreis Trebnitz i. Schl, steckte einen Zigarrenrest unvorsichtiger Weise in die Brusttasche seines Ruckes, ohne sich vorher genau vom völligen Erlöschen der Zigarre überzeugt
zu haben. Er entkleidete sich in seinem Schlafzimmer und legte die Kleider neben sich auf einen Stuhl. Der Cigarrenrest glimmte jedoch in der Tasche unbemerkt fort, und auch die Kleider gerieten ins Glimmen. Als W. ani andern Morgen nicht zur bestimmten Zeit aufstand, betrat man sein Zimmer. Ein dunkler Qualm entströmte beim Oeffnen desselben, und leider fand man Herrn W. erstickt im Bette liegen. Die hochbetagten Eltern des Unglücklichen verlieren in ihrem Sohne die einzige Stütze.
Die preußische Nationalhymne. Hundert Jahre waren am 17. Dez. verflossen, seit das unsere Nationalhymne gewordene Lied „Heil Dir im Siegerkranz" in Berlin bekannt und dann auch gesungen wurde. Als Friedrich Wilhelm II. aus dem Feldzuge gegen Frankreich zurückkehrte, brachten es die „Berlinischen Nachrichten" als Berliner Volksgesang. Ein Verfasser war nicht genannt, und so kam es, daß sich bald nachher ein Dr. Schuhmacher als Dichter des Liedes öffentlich ausgab und bis in die jüngsten Zeiten als solcher gegolten hat. Der wirkliche Dichter ist der Flensburger Theologe Heinrich Harnes, der das Gedicht an König Christian VIII. von Dänemark gerichtet hat. Nach demselben ist unsere Nationalhymne umgeändert worden. Harnes war Deutscher mit Liebe und Seele und dazu ein Verehrer Friedrich des Großen. Die Melodie ist bekanntlich die der englischen Nationalhymne.
Berlin, 15. Dez. In einer Berliner Restauration hatte sich ein Gast drei Streichhölzer aus einem Behälter der Wirtsstube angeeignet, war deswegen vom Wirte wegen Diebstahls angezeigt und vom Gericht zu — einem Tage Gefängnis verurteilt worden. Gegen dieses Ungeheuer von Wirt nimmt jetzt dessen ganze Berliner Kollegenschaft Stellung. Die „Deutsche Gastwirts-Zeitung" bringt an leitender Stelle einen geharnischten Artikel und meint: „Nach unserem Gefühl und unserer Keuntnis der Verhältnisse besaß der Wirt überhaupt kein Verfügungsrecht über die zu dem Belieben seiner Gäste aufgestellten Streichhölzer. Die zur beliebigen Benutzung in den Lokalen ausgestellten Berbrauchsgegenstände, wie Streichhölzer, Salz, Pfeffer, Mostrich rc. sind nach den hiesigen Ansichten dem Gast zur freien Verfügung gestellt. Die von dem einzelnen Gast verbrauchten Streichhölzer haben nur einen Bruchteil von einem Pfennig Wert: die Voraussetzung des Diebstahls oder der Unterschlagung aber ist, daß ein derartiger Gegenstand mindestens den Wert der kleinsten Münze, also eines Pfennigs, haben muß. Der „Beschuldigte" konnte auch sicherlich nicht das Gefühl haben, etwas Gesetzwidriges begangen zu haben." Die zweite Gerichtsinstanz wird wohl der hier vertretenen Anschauung beipflichten. (?)
Ein Knabe in Unterlemnitz, der sich vor kurzem in den Finger geschnitten und dem die Mutter, um das Blut
zu stillen, Spinngewebe, die jedenfalls staubig gewesen sein mögen, auf die Wunde gelegt hatte, ist am Starrkrampf gestorben. Blutvergiftung infolge des staubigen Spinngewebes mag wohl die eigentliche Todesursache gewesen sein.
Der Kulturwert des Deutschen. Der berühmte Professor Blackie scheint die Vorliebe seines Landsmannes Carlple für deutsches Wesen und deutsche Sprache zu teilen. In einem Bortrag „über Sprachen, ihr Platz und Einfluß in moderner Kultur", den er dieser Tage in Edin- burg hielt, zollte er uns folgendes hübsches Kompliment. „Das Deutsche steht heutzutage in derselben Stellung in Bezug auf europäische Kultur, den das Lateinische im Mittelalter einnahm. Die Deutschen sind nicht nur die emsigsten Bücherwürmer der Welt, sondern auch die tiefsten Denker und das weitgebildetste Volk Europas. Heute ist auch das Französische eine Notwendigkeit; ich halte es aber nicht für so nützlich wie das Deutsche." Blackie steht mit dieser Ansicht nicht vereinzelt da; seit dem Jahre 1870 studieren Kreise, die vorher nur ans Französisch Parlieren sachten, und insbesondere alle Gelehrte mit Vorliebe die Sprache Goethe's.
Hohes Alter. In Esseg ist am 14. Dez. Frau Barbara v. Schiesl, die im Jahrr 1777 geboren ist, also 116 Jahre alt wurde, gestorben. Wie die „N. Fr. Presse" schreibt, lebte die alte Frau in den letzten zehn Jahren fast ausschließlich von Kaffee.
Aus der Schweiz werden Veruntreuungen öffentlicher Gelder durch höhere Beamte gemeldet. In Neuenstadt ist der Notar Hafer und in Bern der Friedensrichter Zoß wegen Betrugs und Unterschlagung von mindestens 200,000 Franks, die meistens deponiertes Geld von Waisen und Witwen und Ersparnisse fleißiger Arbeiter treffen, verhaftet worden.
Infolge des Boykotts, den die Wiener Wirte über das Pilsener Bier verhängt haben, sank der tägliche Bierexport von Pilsen nach Wien von 12 auf I Waggon.
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