Dkl GchlljWkk.

1

l

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts -Bezirk Nagold.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 Pfg., in dem Bezirk 1 Mk., außerhalb des Bezirks 1 Mk. 2V Pfg. Monats-Abonnement nach Verhältnis.

Samstag 16. Dezember

Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Heile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Emrückung 9 Pfg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.

1893.

Tages-Weuigkeiten.

Deutsches Reich.

Bondorf, 15. Dez. Die Viehzählung hat in hiesiger Gemeinde ergeben: 813 Stück Rindvieh und 504 Stück Schweine, gegenüber 975 Stück Rindvieh und 562 Stück Schweine am 1. Dez 1892.

Nufringen, 11. Dez. Vergangene Nacht be­kam der ledige, ca. 26jährige Bierbrauer Hauber, welcher in Böblingen in Arbeit steht, mit seinem Vater unweit des Bahnhofs Streit, der so weit ausartete, daß der Sohn dem Vater 2 Stiche hinter dem Ohr und im Rücken beibrachte. Trotz des großen Blutverlustes hofft man den Verletzten am Leben erhalten zu können.

Stuttgart, 8. Dez. DerBeobachter" spricht die Hoffnung aus, die Regierung werde sich der ge­planten Schmälerung der militärischen Selbständig­keit Württembergs energisch widersetzen.

Stuttgart, 11. Dez. Gegenüber den Versuchen norddeutscher Blätter, einen Konflikt Mittnacht-Moser zu konstruieren, kann auf das Bestimmteste versichert werden, daß ein solcher nicht existiert. Die alleinige Ursache zum Rücktritt des Gesandten von Moser ist in Berlin zu suchen.

Stuttgart, 11. Dez. Dem Vernehmen des N. T." zufolge finden im Herbst 1894 dreitägige Kaisermanöver des kgl. württ. Armeekorps statt.

Stuttgart, 14. Dez. Der wirkl. Staatsrat v. Pischek dürste demnächst zum Minister des Innern ernannt werden. Pischek ist der Sohn des verst. berühmten Sängers, der der Glanzzeit des Stutt­garter Hoftheaters angehörte.

Stuttgart, 15. Nov. (Privattelegramm des Gesellschafters".) Neckarsulm. Abgeordneten­wahl. Schmid, Oekonomierat, 1912, Lang 1053, Hermann 849. Schmid gewählt.

Potsdam, 12. Dez. 200 Sänger aus Han­nover veranstalteten heute an der Grabstätte Kaiser Friedrichs eine Kundgebung. Im Verlaufe derselben wurde auf dem Sarg ein Riesenkranz niedergelegt, mit der Inschrift:Dem Förderer deutscher Kunst!

Hamburg, 12. Okt. Aufsehen erregt hier die Verhaftung des Inhabers des großen Mühlenfabrik- Betriebs, der einer hiesigen ersten Bank unter fal­schen Angaben 90000 Mk. entlockte.

Deutscher Reichstag. Am Freitag fand des katho­lischen Festtages wegen keine Sitzung statt. Am Sonnabend wurden zunächst Anträge auf Aufhebung schwebender Straf­verfahren gegen die Abgg. Leuß und König (Antis.) für die Dauer der Session in üblicher Weise erledigt. Alsdann wurden Anträge beraten, die zur Reform der Jnvaliden- und Altersversicherung eingebracht sind. Abg. Aichbichler (Ctr.) beantragt, die verbündeten Regierungen möchten Erhebungen über die Mängel des Alters- und Jnvaliden- versicherungsgesetzes anstellen und dem Reichstage bald einen bezüglichen Aenderungsgesetzentwurf vorlegen. Abg. v. Staudy (kons.) ersucht um einen Aenderungsgesetzent- ivurf, durch welchen besonders die Mißstände beseitigt werden, die eine Folge des heutigen Markensystems sind. Beide Redner betonen, daß das Gesetz eine große Unzu­friedenheit hervorgerufen habe und wegen der mit dem­selben verbundenen schweren Lasten stellenweise sogar ver­haßt sei. Staatssekretär v. Bötticher bespricht eingehend die gerechten Ausstellungen. Der Junge sei allerdings' nicht so geraten, wie seine Väter es wünschten, aber er habe doch auch seine guten Seiten. Reformen seien wohl nötig, aber keine Aenderungen von Grund aus, denn wenn auch viele Leute mit der Versicherung unzufrieden seien so seien doch wieder andere damit recht zufrieden. Besse­res sei schwer zu machen, und auch das Markensysten schwer zu beseitigen. Die Verwaltungskosten seien no nicht so hoch, wie man erst angenommen habe. Eine H- absetzung der Beiträge jetzt schon sei gefährlich, weil in in die Lage kommen könnte, sie wieder zu erhöhen. Aufhebung der Zwangsversicherung und Einführung freiwilligen Versicherung sei mit dem ganzen Gesetzpri.

unvereinbar. Redner verspricht, die Regierung werde die

Verbesserung des Gesetzes im Auge behalten und alle hier gemachten Vorschläge eingehend prüfen. Bayr. Geh. Rat Landmann verteidigt die heutige Organisation der Ver­sicherung. Abg. Sigl (wild) betont, daß mit demWap- perlpappgesetz", wie es in Bayern genannt werde, alle Welt unzufrieden sei, namentlich die Landwirtschaft werde dadurch schwer geschädigt. Wenn dies Gesetz beibehalten und die Handelsverträge nun angenommen würden, dann könne man sein blaues Wunder erleben. Abg. Ga mp (frkons.) macht verschiedene Reformvorschläge und wünscht namentlich die Einführung von Quittungsbüchern. Am Montag wurde die Weiterberatung fortgesetzt; außerdem ist der Zollzuschlag für Rußland genehmigt.

Berlin, 12. Dez. In einer gestern abend hier abgehaltenen Anarchistenversammlung, die ruhig ver­lief, erklärte ein Redner, Deutschland sei kein Boden für Attentate; ein anderer meinte, die Attentate in jüngster Zeit seien arrangiert worden, um den Re­gierungen Grund zur Bekämpfung des Anarchismus zu bieten.

Der vielgenannte ehemalige Jesuitenpater Graf Hoensbroech ist nun von Florenz, wo er mit seinen früheren Ordensvorgesetzten verhandelt hat, zurückgekehrt. DieKreuz.-Ztg." hat bereits mitgeteilt, daß die Gerüchte, er habe dem Orden gegenüber seine Jrrtümer zugegeben und sich unter­worfen, der Begründung entbehren, dies wird jetzt auch aus dem Grafen Hoensbroech nahestehenden Kreisen bestätigt. Sein Name und seine Schriften sind in der Jesuitendebatte des Reichstags nicht genannt worden, weil die Gegner des Zentrums­antrags eine Debatte überhaupt nicht wollten, aber in den Schaufenstern der dem Reichstagsgebäude gegenüberliegenden Buchläden waren jene Schriften dafür um so stärker vertreten. Mit Bestimmtheit wird übrigens auch in Abrede gestellt, daß Graf Hoensbroech den Uebertritt zur evangelischen Kirche beabsichtige.

Schweiz.

Bern, 13. Dez. (Anarchistische Kundgebungen.) Die im großen Uhrmacherdorf Chaux-de-Fonds am Sonntag in Wirtschaften verbreitete anarchistische Kundgebung enthält folgende Stelle:Jeder Arme ist befugt, sich aller Mittel zu bedienen, welche ihm die Wissenschaft an die Hand giebt, um sich zu rä­chen für die Leiden, welche die Gesellschaft ihn sc­hulden läßt, und um Tod und Schrecken inmitten her reichen Schufte (?) zu jagen, namentlich wenn sie sich versammeln, um zu lachen und sich zu amü­sieren." (Anspielung auf Barcelona.) Das Mani­fest, betitelt:Der Krieg gegen die Armen" wurde gedruckt in der Rue Mouffetard in Paris, in der Nämlichen Druckerei, wo oas AnarchistenblattLa Revolte" erscheint. Man glaubt, das Manifest sei durch französische Anarchisten in die Schweiz einge­schmuggelt worden.

In der Mädchen-Rettungsanstalt Kehrsatz bei Bern ist der Veitstanz epidemisch ausgebrochen. ?.i Mädchen, welche befallen wurden, mußten ize Anzahl in stadt-bernischen Spitälern un- .cht werden. Dieselbe Erscheinung ist vor in Basel in solcher Ausdehnung zutage ge-

Oesterreich-Ungarn, en, 12. Dez. Nach einem Pariser Telegramm Wiener Tagbl." wird die Anregung Frank­internationale Vereinbarungen gegen die Anar- zu treffen, nirgends Widerstand finden. Eng- .nd die Schweiz, welche früher dies verwei- stimmten jetzt zu, ebenso Deutschland. Wahr- ch ist die Einberufung einer Konferenz nach Küster der internationalen Sanitätskonferenz,

deren Abmachungen verpflichtenden Charakter besitzen

werden.

Frankreick.

Paris, 11. Dez. In oer Kammer brachte Casimir-Perier einen Antrag ein, betreffend eine Mo­difikation des Preßgesetzes. Die Verherrlichung von Verbrechen soll bestraft werden, ebenso die Aufrei­zung und Provokation, gleichviel ob sie direkt oder indirekt ist. Die präventive Verhaftung und Be­schlagnahme soll gestattet werden. Ein zweiter An­trag erhöht die Strafen für die unerlaubte Anferti­gung und den Besitz von Sprengstoffen. Ein drit­ter Antrag modifiziert die Bestimmungen des Straf­gesetzbuches über verbrecherische Assoziationen und stellt ihnen die anarchistischen Vereinigungen gleich. Ein vierter Antrag eröffnet einen Kredit von 800 000 Frks. zur Schaffung neuer Polizeikommissariate. Ca­simir-Perier verlangte die sofortige Diskussion der Preßgesetz-Novelle und für die übrigen Vorlagen die Dringlichkeit.

Paris, 12. Dez. Die Haussuchungen bei ver­dächtigen Personen werden fortgesetzt, ebenso die Verhaftungen. Zahlreiche ausländ. Arbeiter werden demnächst den Ausweis-Befehl erhalten.

Paris, 13. Dez. Einem Pariser Telegramm derVoss. Ztg." vom Vorgestrigen entnehmen wir: Vaillant wurde heute aus dem Hotel Dieu ins Ge- sängniskrankenhaus übergeführt. Er ist nahezu wie- oerhergestellt. Seit seinem Geständnis ist er lustig und redselig; er rühmt sich seiner That, nennt sich einen Glaubensboten und Blutzeugen und sagt, er sei glücklich, sein Leben für den neuen Glauben der Befreiung durch die That opfern zu können. Dem Justizminister, der ihn fragte: Wie konnten Sie dies Verbrechen begehen?" erwiderte er:Es hätte keinen Zweck, Ihnen zu antworten; Sie sind ein Bourgeois, Sie würden mich ja doch nicht verstehen." Da alle Umstände des Verbrechens aufgeklärt sind, ist die Untersuchung abgeschlossen, und der Fall kann schon in der nächsten Schwurgerichtstagung, also Mitte Januar, zur Schlußverhandlung kommen. Der Un­tersuchungsrichter mißt Vaillants Angabe, daß er keinen Mitschuldigen habe, Glauben bei. Die Po­lizei hat fast alle Verdächtigen freigelassen und nur zwei erklärte Anarchisten im Gewahrsam behalten.

Paris, 13. Dez. Die Polzei entfernte vom Triumphbogen Plakate, worin gesagt ist, diejenigen, die im Kriege ihre Nächsten töten, werden durch Denkmäler geehrt, aber Männer wie Ravachol, Vaillant, welche die Gesellschaft von krebskranken Mitgliedern befreien, töte man. Zum Schluß heißt es:sei furchtlos, Vaillant, man wird Dich rächen, Hoch die Anarchie."

Italien.

Rom, 13. Dez. Das Kammerprästdium hat bereits Vorsichtsmaßregeln für die Kammer getroffen. Die Anordnungen, betreffend der Zutritt zu den öffentlichen reservierten Tribünen wurden abgeändert und der Vorschlag, die Tribünen mit Metallnetzen zu versehen, erwogen.

Rom, 14. Dez. Das Cabinet Crispi gilt als gebildet. Heute soll die amtliche Publikation er­folgen. General Perotti wird Kriegsminister. Crispi übernimmt interimistisch das Auswärtige.

Mailand, 12. Dez. Die hiesige Polizei ver­haftete gestern 20 der Landstreicherei verdächtige junge Deutsche, wovon nur acht, die sich genügend aus- weisen konnten, wieder entlassen wurden. Die Ver­haftungen dürften mit dem angesichts der letzten anarchistischen Anschläge von der Regierung ergris-