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Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

.N 115

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 Pfg., in dem Bezirk 1 Mk., außerhalb des Bezirks 1 Mk. 20 Pfg. Monats-Abonnement nach Verhältnis.

Donnerstag 14. Dezember

Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Heile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Emrückung 9 Pfg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.

1893.

Amtliches.

Den Standesämtern

ist der Bedarf an Formularen für das Jahr 1894 heute zugegangen.

Der Empfang der Formulare ist auf dem der Sendung beigeschlossenen Bestellschreiben zu beschei­nigen und diese Bescheinigung alsbald hieher vor­zulegen.

Nagold, den 12. Dezbr. 1893.

K. Oberamt. Vogt.

Tages-Weuigkeiten.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 9. Dez. (Beisetzung des Staats­ministers v. Schmid.) Durch eine wahrhaft groß- ! artige und erhebende Trauerkundgebung bei der heu­tigen Leichenfeier hat König, Regierung und die Be­wohnerschaft von Stadt und Land dem dahingeschie- denen Minister v. Schmid den Dank und die An­erkennung für sein dem Gemeinwohl gewidmetes se­genreiches Wirken dokumentiert. Die Leiche war im § großen Saale des Ministerhotels unter Palmen und ; von Kandelabern umgeben aufgebahrt. Ueber 200 ! Kränze waren rings um den Sarg hergelegt. Um ! 2 Uhr begann der Hausgottesdienst, zu welchem sich S. M. der König, Herzog Albrecht, die Prinzen, o. Weimar, Vater und Sohn, Herzog Wilhelm von Urach, Prinz Max von Schaumburg-Lippe persön- i sich eingefunden halten. Die Königin und die Prin­zessinnen ließen sich hier wie im Zuge durch ihre Hofmarschälle vertreten. Am reichgeschmückten Grabe hielt Stadtpfarrer Mangold in ergreifenden Worten hie Leichenrede, in welcher er kurz das vielbewegte sind thatenrxiche Leben des Verstorbenen schilderte. Im Auftrag der K. Oberregierung sprach am offe­nen Grabe Oberregierungsrat v. Schicker Worte der Verehrung und Dankbarkeit. Nach ihm widmete Präsident v. Hohl dem Verstorbenen, der 19 Jcchre lang Kammermitglied war, einen warmen Nachruf. Frhr. v. Ellrichshausen überbrachte einen Lorbeer ' zm Namen der Deutschen Reichspartei des Reichs­tages und Oberstlieutenant v. Wolfs feierte den Da­hingeschiedenen als einstigen Führer der Deutschen Partei. Weitere Kränze wurden niedergelegt namens der Heimatstadt Schmids, Munderkingen, namens pes XV. Wahlkreises und des Bezirks Ehingen, na- snens der Tübinger Landsmannschaft Ulmia und namens der bürgerlichen Kollegien von Schwäb. Gmünd. Mit einem Trauerchoral schloß der feier­liche Akt.

Stuttgart, 11. Dez. Die vielfach verbreiteten Gerüchte in Betreff eines Garnisonswechsels des hie­sigen Ulanenregiments scheinen sich zu bestätigen. Den: Vernehmen nach soll Ende Juli nächsten Jah- ^ res das hiesige Ulanenregiment König Karl nach Ulm und das seither in Ulm garnisonierende Dragoner­regiment König Wilhelm nach Stuttgart verlegt werden.

l Stuttgart, 11. Dez. Schon seit mehreren Tagen wird der bisherige Präsident der Zentralstelle für die Landwirtschaft Freiherr H. v. Ow als der Nachfolger des ff Ministers v. Schmid bezeichnet und verbürgten Nachrichten zufolge soll auf ihn die Auf­merksamkeit Sr. Mas. des Königs in erster Lime gerichtet sein. Herr v. Ow ist heute 50 Jahre alt und Träger des Majorats der Freiherrlichen Linie v. Ow auf Wachendors. In den Staatsdienst trat v. Ow. erst vor einigen Jahren, indem er als Di­rektor an die Spitze der landwirtschaftlichen Zentral- i stelle berufen wurde. Herr von Ow hat von jeher

ein lebhaftes Interesse für die Hebung von Land­wirtschaft und Gewerbe an den Tag gelegt. Im Landtag gilt Herr v. Ow als einer der besten und auch schlagfertigsten Redner, der keineswegs vor einer Polemik zurückschreckte. In der Kammer gehörte Herr von Ow der Fraktion der deutschen Partei an, im Reichstage saß er bei der Reichspartei. Sein Reichstagsmandat verlor er bekanntermaßen bei der vorletzten Wahl an Herrn v Münch. Herr v. Ow ist Katholik und Schwiegersohn des württ. Gesand­ten in München Freiherr v. Soden.

Ueber angebliche Verstimmungen zwischen Berlin und Stuttgart, als deren Niederschlag die Abberufung des württ. Gesandten am Berliner Hofe, v. Moser, betrachtet wird, gehen allerlei sensationelle Mitteilungen durch die Tagespresse. Es heißt, der von der württ. Regierung so dringend befürwortete Ausfall der geplant gewesenen Kaisermanöoer in Württemberg und weiter der energische Widerspruch der württ. Vertreter im Bundesrate gegen das Wein­steuerprojekt hätten an maßgebendster Berliner Stelle ungemein verstimmt. Andere Meldungen aber wol­len wissen, es handle sich in der ganzen Angelegen­heit mehr um persönliche, als um sachliche Differ­enzen. Hoffentlich stellt sich der Zwischenfall als ein Sturm im Glase Wasser heraus, durch welchen das bisherige so freundschaftliche Verhältnis der württ. Regierung zu den leitenden Berliner Kreisen nicht weiter berührt wird.

In parlamentarischen Kreisen verlautet, bezüglich der Weinsteuer seien im Reichstag Erfolg verspre­chende Verhandlungen im Gange; der Naturwein solle von der Steuer ganz ausgeschlossen und letztere auf Schaumwein und Kunstwein beschränkt werden, vielleicht mit erhöhten Sätzen.

Vom Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Koch soll in nächster Zeit, wie dieNational Ztg." berichtet, eine umfangreiche Veröffentlichung über eine verbes­serte Methode der Anwendung seines Tuberculins und die diagnostische Eigenschaft des Tuberculins zur Erkennung der ersten Anzeichen der Tuberculose be­vorstehen. Hoffentlich tritt man diesmal etwas ru­higer als das erste Mal an die Entdeckung des Herrn Geh. Rates heran!

Berlin, 12. Dez. Ein hiesiger Kaufmann erhielt gestern durch die Post eine zwei Finger länge Rolle in blauem Papier. Die Rolle wurde durch die Erzieherin, während die Familie bei Tisch saß, geöffnet. Als die Dame die Umhüllung abriß, er­folgte eine Explosion. Kleine Blechstücke wurden umhergeschleudert, die Augenbraunen der Dame versengt und das dreijährige Söhnchen erlitt leichte Kontusionen. Der angegebene Absender, Dr. Cohn, Müllerstraße, ist pseudonym. Polizeiliche Untersu­chung ist eingeleitet.

Schweiz.

Bern, 11. Dez. Der Bundesrat nahm die mitteleuropäische Zeit an. Diese Maßnahme wird in der Westschweiz große Unzufriedenheit Hervor­rufen.

Frankreich.

Paris, 9. Dez. Nach dem Attentat wurden sofort die Thore des Palais Bourbon geschlossen. Niemand durfte eintreten, selbst nicht der Polizeiprä­sekt und ein vom Präsidenten Carnot entsandter Offizier. Vor dem Palais standen viele Menschen, darunter der Herzog von Broglie, die im Sitzungs­saal gewesen waren. Man spricht von 20 Verwun­deten. 2 Krankenwagen fuhren in den Hof des Palais.

Paris, 9. Dez. Dem getöteten Saaldiener wurde der Kops abgerissen. Einem Deputierten sind zwei

Finger abgerissen. Unter den Verwundeten befindet sich eine Dame. Viele Zuhörer sind an den Beinen verletzt. Die Kammer setzte die Verhandlungen fort.

Paris, 9. Dez. Wie sich derTemps" aus Berlin melden läßt, sollen Herrn v. Mitternacht, sowie die württ. Bevollmächtigten am Bundesrat über die Haltung Bayerns, das sich blindlings der Finanzpolitik Preußens anschließe, da vom Biersteuer­gesetz abgesehen worden ist, sehr ungehalten sein.

Paris, 10. Dez. Die Zahl der bei dem Bom­benattentat in der Kammer Verwundeten, denen bis gestern abend in der Quästur des Palais Bourbon Hilfe geleistet wurde, beträgt 47; weitere 50 Ver­letzte hatten sich nach ihren Wohnungen begeben. Die Verhöre der Zuschauer waren abends 9 Uhr beendet. 8 Personen blieben auf dem Polizeibureau verhaftet. Heute vormittag wurde der Bombenwer­fer in einer nach Choisy le Roi gehörigen Persön­lichkeit ermittelt. Dieser befand sich unter den in­folge Ueberfüllung der Krankenabteilung des Ge­fängnisses zur Unterbringung im Hotel Dien be­stimmten Verwundeten. Er wurde durch die B-- fragung des Polizeipräfekten in die Enge getrieben und legte ein umfaffendes Geständnis ab.

Italien.

Rom, 9. Dez. Crispi wurde mittels könig­lichen Dekrets mit der Kabinetsbildung beauftragt.

Kleinere Mitteilungen.

ffff Aus Afrika. Vom Reichslehrer Karl Kü­bele ist nebst Grüßen an seine Freunde und Be­kannten eine Photographie eingetroffen, die ihn samt seinen zwei Hunden im Kanu auf oer etwa 150 m breiten Lagune darstellt, und die im Schaufenster der Zaiser'schen Buchhandlung zu sehen ist. Den Hintergrund bildet Badji mit seinen Kokospalmen, die Residenz von King Lawson Hl. Das Ding rechts unten ist nicht etwa, wie man meinen könnte, ein im Moment der Aufnahme gütigst erschienener Krokodilskopf sondern das Ende einer ganz unschul­digen Palmblattrippe. Die Schuljugend von Popo wird in kurzer Zeit mit militärischem Pomp ausrük- ken können. Der Polizeimeister hat das Geld zu einem Schulbanner gestiftet, das nun von Deutsch­land bezogen werden soll. Auch 4 Trommeln und 4 Pfeifen werden angeschafft, und die Jungen wer­den mit den Kaiser!. Trommlern und Pfeifern in Sebbe eingelernt werden. Karl Köbele ist gesund; doch fühlt er zumal bei der jetzt beginnenden heißen Zeit, daß er schon das dritte Jahr in Afrika ange­treten hat, und freut sich auf den Urlaub im näch­sten Jahr.

Stuttgart. Wie groß der Hasenreichtum die­ses Jahr ist, zeigt die am Freitag vom Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar auf Möglinger Mar­kung abgehaltene Feldjagd, bei welcher 386 Hasen zur Strecke gebracht wurden. Von einem Statisti­ker ist die Zahl der in diesem Jahre im Deutschen Reich bereits erlegten und noch zu erlegenden Hasen auf rund 5 Millionen berechnet worden. Das Durch­schnittsgewicht eines Hasen zu 8 Pfund gerechnet, ergiebt dies 400,000 Zentner. Berechnet man den Preis eines Hasen zu 3 . ((, so ergiebt sich ein Wert von 15 Millionen Mark.

Waldsee, 8. Dezbr. Gestern früh starb dahier ein wunderlicher Bürger, der ledige Schäfer Karl Notz. Der­selbe hat selbst bei der grimmigsten Kälte, auch noch im Winter 1892 93, niemals seine Stube geheizt. Im Ofen hausten die Spinnen, während er sich Winters bei seiner einzigen Hausgenossin, der Kuh, im Stall aufhielt und schlafen legte.