Amts- und Intelligenz-Blakt flir den Obrrsmks-Bezirk Nagold.

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Samstag 9. Dezember

Jnsertionsgebühr für die lspaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 Pfg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.

1893.

Amtliches.

Die Gemeindepfleger

werden unter Bezugnahme auf den oberamtl. Erlaß vom 28. Oktbr. d. Js. angewiesen, die seit 1. Okt. 1898 fälligen Kranken-, Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Beiträge für die Bezirks­straßenwärter an die Bezirkskrankenkassen Nagold bezw. Altensteig auszubezahlen.

Nagold, de,n 7. Dezbr. 1893.

K. Oberamt. Vogt.

Den König!. Standesämtern

sind heute die Formulare für die nach der Ver­fügung der Ministerien der Justiz, des Innern und der Finanzen vom 14. März 1876 (Reg.-Bl. S. 101) von den Standesbeamten für die Zwecke der Bevölkerungsstatistik im Jahr 1894 zu führenden Verzeichnisse der Geburten, der Eheschließun­gen und der Sterbfälle zugegangen.

. Im übrigen wird auf die Bestimmungen der gen. Ministerial-Verfügung und insbesondere auf die den Verzeichnissen vorgedruckten Erläu­terungen, welche genau zu beachten sind, hinge­wiesen.

Nagold, den 6. Dezember 1993.

K. Oberamt. Vollmar, Amtmann.

Auf das Umgeldskommissariat Calw wurde der Um­geldskommissär Huber in Oberndorf seinem Ansuchen ge­mäß versetzt.

Hages-Weuigkeilen.

Deutsches Reich.

Tagesordnung zum Schwurgericht vom IV. Quar­tal 1893. Den 11. Dez. Strafsache gegen Johann Martin Stumpp, Zimmermann und Korbmacher von Dußlingen, wegen Meineids; den 12. Dez. Strafsache gegen Franz Köhler, Taglöhner von Poltringen, wegen versuchten Mords; den 13. Dez. Strafsache gegen Joseph Schneider, Schuh­machergesellein Oeschingen, wegen Meineids; den 14. Dez. Strafsache gegen Ernst Mauer, Säger von Feldrennach und 1 Gen. (Schifferle) wegen schwerer räuberischer Er­pressung und Raubs; den 15. Dez. Strafsache gegen Wil­helm Theodor Bräuning, Bauer von Wildberg, wegen Tot­schlags; den 16. Dez. Strafsache gegen Johann Friedrich Henßler von Altensteig und seine Frau, wegen Betrugs, Bankerutts u. a. B.; am gleichen Tage Strafsache gegen Johannes Brenner, Dienstknecht von Egenhausen, wegen versuchter Notzucht; den 18. Dez. Strafsache gegen Stefan Wanner, Schreiner von Kayh wegen Betrugs und Banke­rutts.

Stuttgart, 6. Dez. Der Staatsminister des Innern v. Schmid ist von der Eröffnung der neuen Brücke in Munderkingen mit einem heftigen Anfall an Influenza zurückgekehrt. Nachdem am Samstag und Sonntag eine leichte Besserung eingetreten war, haben^ sich am Montag neue Komplikationen gezeigt, so daß das Befinden des Herrn Ministers ziemlich bedenklich geworden ist.

Stuttgart, 7. Dez. (Ministerv. Schmid ch.) Erschütternd rasch wurde gestern abend 6 Uhr der seit letzten Samstag an Influenza erkrankte Mün­ster des Innern v. Schmid durch den Tod wegge­rafft. Eine Darmentzündung war im Verlauf sei­ner letzten Krankheit so heftig aufgetreten, daß die Aerzte bald die Hoffnung auf Erhaltung des Lebens aufgaben. Der schwere Kranke empfing die Sterb­sakramente und verfiel bald darauf in Bewußtlosig­keit, die in den Todesschlummer überging.

Weilimdorf, 30. Nov. Heute wurde im Föhrichswald hier Hosjagd gehalten, wobei sich etwa 20 Schützen beteiligten. Obwohl das anhaltend nebelige Wetter der Jagd nicht sehr gün­stig war, so konnten doch 3 Rehböcke, 2 Fasanen,

1 Raubvogel und 100 Hasen zur Strecke gebracht werden.

Cannstatt, 5. Dez. Gestern abend 9 Uhr hat der Schaffner Trautwein wegen eines geringfügigen Wortwechsels seinen Schwager Barth in der Lud­wigsstraße erstochen. Der Ermordete hinterläßt eine Frau mit 4 Kindern; auch der Mörder ist verheiratet und hat zwei Kinder. Es sind somit auf diese Weise zwei Familien ins Unglück gestürzt.

Brandfall: In Dennjächt, (Calw), das Wohnhaus nebst Scheuer und Holzhütte des Joh. Nolle, Schreiners.

München, 3. Dez. Der ehemalige Reichstags- abg. Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger Kon- rad Fischer wird steckbrieflich verfolgt. Der grimmigste Feind Fischers war Dr. Sigl, der ihm ein Ende mit Schande oft prophezeite. Besonders griff Sigl die Partei Fischers an, weil sie ihm durch einflußreiche Leute den päpstlichen Segen für seine Zeitungsgründungen erwirkte, den Fischer dann in schamloser Weise zu Reklamezwecken ausnützte, z. B. durch Riesenplakate in den Straßen. Der seitens des ersten Staatsanwalts München I erlassene Steckbrief lautet auf dringenden Verdacht des Mein­eids, der Verleitung zum Meineid, Unterschlagung rc.

Darmstadt, 5. Dez. Am hiesigen Hofe er­wartet man in den nächsten Tagen den Besuch des Königs von Württemberg.

Im Reichstage herrscht, trotzdem es an Ar­beit nicht mangelt, doch das lebhafte Bestreben, in der Handwerkerfrage auf Grund des eingebrachten Vermittlungsantrages endlich einmal einen Schritt nach vorwärts zu thun. Bisher gingen die von Seiten der Konservativen und der Centrumspartei in der Handwerkersrage eingebrachten Anträge be­kanntlich immer dahin, die Erlaubnis zum Betriebe eines Handwerks davon abhängig zu machen, daß der Betreffende eine Prüfung bestand. Im Reichs­tage ist wohl dieser Antrag mit schwacher Mehr­heit angenommen, aber die verbündeten Regierungen haben sich nicht entschließen können, den fraglichen Reichstagsbeschlüssen ihre erforderliche Zustimmung zu geben. Nun ist ein Vermittlungsantrag einge­bracht, zu welchem man nicht nur die Zustimmung des Reichstags, sondern auch die des Bundesrates erwartet. Der Antrag fordert für die Eröffnung eines selbständigen Gewerbebetriebes auch einen Be­fähigungsnachweis von Seiten des Reflektanten, der aber nicht durch eine besondere Prüfung erbracht werden soll, an welcher die verbündeten Regierun­gen in erster Reihe Anstoß nehmen, sondern durch die Thatsache, daß der Reflektant seine richtige Aus­bildung als Lehrling und Geselle in seinem Fache erlangt hat. Ferner sollen zur Herstellung einer festen Handwerkerorganisation Handwerkerkammern gebildet werden, die viel wirken können, wenn ihre Einrichtung praktisch und frei von allem behördli­chem Zopfe ist. Die Handwerkerkammern müßten denn auch die Stelle sein, an welche die ersten Mel­dungen für die Eröffnung eines selbständigen Ge­werbebetriebes zu richten wären. Ob ein definitiver Beschluß über diese Frage schon in dieser Reichs­tagssession zu erzielen ist, bleibt allerdings abzuwar­ten, weil es, wie gesagt, an Arbeit nicht mangelt; versucht soll es aber werden. Eine genaue Erörte­rung kann dann noch die einzelnen Punkte der neuen Forderung klarstellen.

Den Antrag auf Erlaß eines Gesetzentwurfes, betreffend die Einwanderung ausländischer Juden, hat Abg. Leuß (deutschsoz.) mit Unter­stützung anderer Antisemiten eingebracht. Derselbe

lautet: tz 1. Die Einwanderung von Juden, die nicht staatsangehörig sind, ist untersagt, tz 2. Aus­ländische Juden, die sich bei Inkrafttreten dieses Ge­setzes in Deutschland aufhalten, um sich dauernd niederzulassen, ohne bisher in einem deutschen Bun­desstaate die Staatszugehörigkeit erworben zu haben, und nicht schon vor dem 1. August 1893 ein selb­ständiges Gewerbe oder Geschäft in Deutschland be­treiben, sollen alsbald aus dem Gebiete des Deut­schen Reiches ausgewiesen werden, tz 3. Die Ge­währung der Staatsangehörigkeit in einem deutschen Bundesstaate an ausländische Juden ist untersagt, tz 4. Die Begünstigung der Einwanderung fremder Juden wird mit Geldstrafe von 500 bis 1000 ^ oder mit Gefängnis bestraft. § 5. Der Bundesrat erläßt die zur Ausführung und Sicherstellung des Vollzuges dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen. Z 6. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Ver­kündigung in Kraft. Von demselben Antragsteller wird ein Gesetz, betreffend Betäubung der Schächttiere beantragt. Danach soll beim Schlach­ten aller Tiere, mit Ausnahme des Federviehs, der Blutentziehung die Betäubung vorausgehen. Aus­genommen bleiben Notschlachtungen. Beim Rinde soll die Betäubung mit der Schlachtmaske erfolgen. Das Schlachten soll nur von kundigen Personen in geschlossenen Räumen ausgeführt werden.

Der deutsche Jesuitenantrag wird von der Petersburger Presse" durchaus abfällig kritisiert. Die Haltung des Reichstags, mit dessen Ansichten Kaiser Wihelm kaum einverstanden sein könne, zeige die Art eines krankhaften Zustandes der Geister und die Symptome der Redaktion, welche die aufgeklärten Geister Deutschlands erschrecken müsse. Durch die Macht der Thatsachen beginne der Parlamentaris­mus im Hohenzollernreiche die Oberhand zu gewin­nen, trotz des noch unbedingt antiparlamentarischen Charakters der Regierung. Einen derartigen Um­schwung hätte noch vor einigen Jahren niemand für möglich gehalten. Ein Blatt nennt kurzweg den 1. Dez. 1893eine Schmach in der Geschichte des deutschen Reichstags."

Deutscher Reichstag. Bei schwach besetztem Hause erledigte der Reichstag am Montag nur kleine Vorlagen, zuerst den Gesetzentwurf, betr. die Abänderung des Unter- fiützungswohnsitzgesetzes, welcher die Altersgrenze für Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes auf das 18. Le­bensjahr heruntersetzt. Staatssekretär v. Bötticher er­suchte, es vorläufig bei den hier vorgeschlagenen Aenderun- gen bewenden zu lassen. Die Vorlage wird einer Kom­mission von 21 Mitgliedern' überwiesen. Es folgt die erste Beratung der Novelle zum Viehseuchengesetz, welche die Herbeiführung von wirksameren Schutzmaßregeln gegen die Seuche bezweckt. An der Debatte beteiligt sich auch der preußische Landwirtschaftsminister v. Heyden. Der Entwurf geht an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Nachdem noch einige Rechnungssachen erledigt waren, wurde die Sitzung aus Dienstag vertagt. (Erste Beratung des neuen Stempelfieuergesetzes.)

Berlin, 4. Dez. Wie verlautet, hat der Kai­ser angeordnet, die in dem Spielerprozeß verwickel­ten Offiziere je nach Beteiligung zur gerichtlichen bezw. ehrengerichtlichen Untersuchung heranzuziehen.

Schweiz.

Wie man in der freien Schweiz das Zusam­menstehen der deutschen Ultramontanen und Demo­kraten für die Jesuiten beurteilt, mögen einige Sätze aus der N. Zürich Z. zeigen. Dort heißt es:Die Katholiken erklären allerdings, daß sie gute Patrio­ten seien. Das ist auch ganz richtig. Die Rechnung, die im Jahre 1866 gemacht wurde, daß die kathol. Truppen aus den westlichen Provinzen sich nicht gegen Oestreich führen ließen, war ganz falsch; ebenso haben im Kampfe gegen Frankreich die kathol.

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