Land, so gab es auch bei uns sehr wenig Heu und Oehmd. Nur die Wässerwiesen im Thal lieferten einigermaßen einen befriedigenden Ertrag; sehr wenig Futter gaben die Wiesen auf den Bergen, und das sogenannte Ackerheu fehlte fast gänzlich. Waldbauern teilten mir mit, ihr Heustock stehe gegenwärtig schon auf demselben Stand wie in sonstigen Jahren erst an Georgii. Trotzdem der landwirtschaftliche Verein, auch Ortsvereine, in größeren Mengen Heu und Krastsuttermittel von auswärts bezogen, waren doch schon manche Viehbesitzer in der Notlage, ihren Viehstand sehr zu verringern. Ein Bauer erzählte mir, er habe sonst 18 Stücke Vieh im Stall ernährt, jetzt habe er nur noch 6 Stücke, ein dritter statt 9 Stücke sogar bloß noch zwei Kühe. Soviel steht jetzt schon fest, daß der Viehstand unserer Bauern sich um '/s vermindert hat. Das ist ein bedeutender Rückgang des Volksvermögens. Manche, Kleinbauern, die noch einen Teil an ihrem Vieh dem Händler schuldig waren und dasselbe um einen Spottpreis veräußern mußten, sind am schlimmsten daran. Das Vieh ist fort, aber die Schuld ist geblieben. Bis der Viehstand wieder ergänzt ist, geraten manche in noch größere Abhängigkeit von schlauen Händlern, die es so gut verstehen in solchen Zeiten, wo der Landmann in Bedrängnis ist, zu ihrem „Prositchen" zu kommen. Gut wäre es daher, wenn schon frühzeitig landwirtschaftliche Vereine, Darlehenskassenvereine u. s. w. es in die Hand nehmen würden, größere Viehaufkäufe abzuschließen und an minder Bemittelte gegen allmähliche Abzahlung Vieh abzugeben. In solchen Orten, wo durch sogenanntes „Einstellen" der Viehstand von rücksichtslosen Händlern ergänzt wird, da wird die Verschuldung der Bewohner erfahrungsgemäß immer größer, und damit wächst auch die Unzufriedenheit derselben. Solche durch Viehwucher upterwühlte und von Schulden zerfressene Gemeinden sind auch politisch sehr schwer zu behandeln und werden im Handumdrehen eine Beute radikaler Elemente.
Stuttgart, 16. Nov. Der Reichshaushaltsetat für das württ. Militärkontingent weist eine Einnahme von 120,547 - // (U- 3000 fortdauernde Ausgaben von 18,864,826 ^ (ch 547,797 . /H auf. Die Mehrforderung aus Anlaß der Heeresverstärkung beläuft sich auf 674/166 °.N. In dem ordentlichen Etat der einmaligen Ausgaben sind 486,988 .
(— 535,018 -,/t) eingesetzt, in dem außerordentlichen Etat 2,689,0st0 (— 2,130,672 ^.) Unter den
einmaligen Ausgaben für das württ. Kontingent ist zu erwähnen -eine erste Baurate für ein Artilleriewagenhaus in Ulm.
Stuttgart, 18. Nov. Gutem Vernehmen nach findet die Hochzeit der Prinzessin Jsabella von Württemberg mit dem Prinzen Johann Georg von Sachsen hier in Stuttgart statt, und zwar am 15. April nächsten Jahres.
Stuttgart, 19. Nov. Se. Königl. Majestät haben den Armen Tübingens durch das Kgl. Oberhofjägermeisteramt zwei Hirsche von außerordentlicher Größe zuweisen lassen. Am Samstag Mittag fand unter großem Jubel der Beschenkten die Verteilung statt, und konnten ca. 180 Familien je mit einer Gabe von 11-2 Psd. bedacht werden.
Stuttgart, 19. Nov. Ebenso gefährlich wie allzuheißes Essen schadet ein zu kalter Trunk. Einem solchen ist der Tod des Hofmusikus Lange zuzuschreiben. Bald nachdem er ein sehr kaltes Glas Bier getrunken hatte, klagte er über Magenschmerzen, welche in kaum vier Tagen seinen Tod zur Folge hatten. Es ist stets zweckmäßig, einen Bissen Brot oder eine Bretzel zu genießen, bevor man zu kaltes Bier trinkt.
Stuttgart, 20. Novbr. Am letzten Samstag wurden drei Lehrlinge hier sestgenommen, welche aus verschiedenen Schaukästen Waren entwendet und an verschiedene Personen verkauft haben. Die gestohlenen Gegenstände sind größtenteils beigebracht.
Reutlingen, 20. Nov. Das Befinden des Herrn Bertsch ist sehr schlecht, und es ist keine Aussicht dazu da, ihn am Leben zu erhalten. Die- mer scheint auch jetzt noch keine Reue zu spüren. Cr ist in seinem Gefängnis ganz vergnügt und hat nur Angst vor dem Betreten der Straße.
Brandfälle: In Weidenstetten, (Ulm) die Scheuer der Witwe Wachler; in Stetten, (Brak- kenheim) die Scheuer des Schreiners Schilling; in
Böblingen die Schlecht'sche Doppelscheuer auf dem Marktplatz.
Jh ringen, 17. Nov. Der hiesige praktische Arzt, Schelldorf, hat seine Ehefrau, mit der er kaum ein Vierteljahr verheiratet war, vergiftet. Der Verbrecher ist verhaftet.
Sonnewalde, 17. Nov. Superintendent und Oberpfarrer E. Hengstenberg ist gestern nach kurzer Krankheit infolge eines Schlaganfalls gestorben.
Köstritz, 19. Nov. Herr Prof. Dr. Brümmer von der Universität Jena hat am 14. ds. Ms. im hiesigen landwirtschaftlichen Verein einen recht belehrenden Vortrag gehalten über das Thema: „Wie müssen wir in diesem Winter füttern?" Der gediegene Vortrag nahm nahezu zwei Stunden in Anspruch und es stellte sich heraus, daß der Hafer z. B. bei Pferden ganz gut zu entbehren sei. Herr Oekonomierat Zersch bestätigte, daß seine Pferde (einige 30 Spannpferde) kein Korn Hafer erhalten. Pferdebohnen und Mais (24 Stunden eingeweicht), ferner Erdnußkuchenfchrot bester Qualität, wovon 1 Pfund recht gut 2 Pfund Hafer gleichzuachten sei, böten vollständigen Ersatz. Das tägliche Putzen der Pferde wurde verworfen, das zweimaligem der Woche empfohlen, da man nicht mehr abnehmen soll, als die Natur abgestoßen hat. Jedermann hat neue Anregung und Aufklärung aus diesem Vortrag mit nach Hause genommen.
Die Zahl der Anträge, welche dem Reichstage aus der Mitte seiner Parteien zugegangen sind, ist eine so außerordentlich große, daß damit eine ganze Session allein ausgefüllt werden könnte. Sehr zu wünschen wäre es, daß der Reichstag wenigstens teilweise damit aufräumte, indem er definitive Beschlüsse herbeiführte. Es find gute alte Bekannte darunter, die Jahr für Jahr wieder kommen, viele Umstände verursachen und schließlich wieder auf die lange Bank geschoben werden. Da sind die alten Anträge wegen Einführung des Befähigungsnachweises und Beschränkung des Hausiergewerbes, mit welcher sich diesmal andere auf Vereinfachung der Alters- und Invalidenversicherung und Abänderung des Unfallversicherungsgesetzes verbinden; das Genossenschaftsgesetz, die Konkursordnunb und das Wahlgesetz sollen nach verschiedenen Setten hin abgeändert, den nichtdeutschen Juden soll die Einwanderung in däs Reichsgebiet verboten, ein neues Reichsmünzgesetz soll geschaffen werden. Die Sozialdemokraten treten allein mit einem halben Dutzend der schwerwiegendsten politischen Anträge hervor. Sie verlangen die Einführung des Reichstagswahlrechtes auch für die Landtagswahlen, volle Freiheit des Vereins- und Versammlungswesens, Aufhebung aller Koalitionsverbote, die Beseitigung der in Elsaß- Lothringen noch aus französischen Zeiten her bestehenden Ausnahmsgesetze, eine gesetzliche Neueinteilung der Reichstagswahlkreise, und endlich will man noch eine Interpellation über die gesetzliche Regelung des Strafvollzuges an den Reichskanzler richten. Der erste unter allen im Reichstage einge- brachten Anträge ist der der Zentrumspartei wegen Aufhebung des Jefuitengefetzes. Da die Beratung der Anträge nach dem Termin der Einbringung erfolgt, so wird also der Jesuitenantrag zuerst beraten werden, falls das Zentrum darauf besteht.
Dr. Hans Blum, der bekannte Politiker, bringt ein Buch zur Veröffentlichung über die Vorgeschichte zum Dreibund. Neu darin ist aber nur, daß Kaiser Alexander II. von Rußland einen Brief an den Kaiser Wilhelm I. geschrieben, worin er die unbedingte Unterstützung der russischen Orientpolitik durch Deutsch land verlangte, falls zwischen beiden Völkern der Friede weiter bestehen solle. Als Fürst Bismarck das Schreiben gesehen, soll er geäußert haben, wenn das eine offizielle Note wäre, müßte Deutschland mobil machen. Die Folge war dann das Bündnis mit Oesterreich, zu dem der alte Kaiser nur sehr schwer zu bewegen war.
Die Bundesratsausschüsse schlagen zur Stempelgesetznovelle für Frachtbriefe folgende Aenderung vor: n. Konnossemente über ganze Schiffsladungen 30 st; bei Teilsendungen von oder nach Häfe.i der Nord- und Ostsee 10, nach anderen Häfen 30; >>. Ladescheine bezw. Einlieferungsscheine im Flußschifffahrtsverkehr über ganze Schiffsladungen 30, Teilsendungeil 10 H; e. Frachtbriefe, Gepäckscheine, Packetadresfen bei ganzen Eisenbahnwagenladungen 20, sonst 10 Umfaßt das Papier mehrere Schiffsoder Wagenladungen oder umfaßt eine Ladung
mehrere Empfänger, so ist der Stempel für jede Ladung oder jeden Empfänger zu entrichten. Frei sind Frachtverträge, welche eine Mark nicht übersteigen und Reisegepäckscheine.
Hel. Kiel, 20. Nov. Infolge eines heftigen Orkans an der Küste der Ostsee sind die Straßen am Hasen überschwemmt. Mehrere Brücken drohen fortzuschwimmen. Aus Rostock und Flensburg werden ebenfalls Stürme und Ueberschwemmungen gemeldet.
Hcl. Berlin, 20. Nov. Nach dem „Reichsanzeiger" darf man, da in Hamburg *'ünd Altona seit mehreren Tagen kein Cholerasall oorgekommen ist, annehmen, daß die-Cholera in diesen Elbhäfen erloschen ist.
Hä. Berlin, 20. Nov. Der „Reichsanzeiger" meldet, daß heute der Fernsprechverkehr zwischen Berlin und Köln eröffnet worden ist.
Berlin, 20. Nov. Ein deutsch-englisches Abkommen wurde unterzeichnet, wonach das südliche Ufer des Tsad-Sees an Deutschland abgetreten wird.
Posen, 18. Nov. Fürst Bismark schrieb an eine Anzahl westpreußischer Herren, welche ihm telegraphisch eine Adresse zusandten, da sie ihn wegen seiner Erkrankung nicht besuchen konnten, aus Friedrichsruh wörtlich: „Meine Genesung geht langsam, aber doch so stetig vorwärts, daß ich mit Gottes Hilfe hoffen darf, im Laufe des Winters die frühere Gesundheit wiederzuerlangen, und werde ich mich dann stets freuen, meine politischen und persönlichen Freunde, welche mich mit ihrem Besuch beehren wollen, hier zu begrüßen."
Oesterreich-Ungarn.
Graz, 18. Nov. Graf Hartenau phantasierte die letzten 24 Stunden, sprach nur von Feldzügen und Schlachten, stieß Kommandorufe aus und rief wiederholt: „Lieber sterben als eine Schlacht verlieren!" — Die Verzweiflung der verwitweten'Gattin ist unbeschreiblich; sie blieb gestern zwei Stunden - über dem Leichnam liegen, bis vereinte Kräfte ihrer Freunde sie ins Nebenzimmer brachten. Der Sektionsbefund konstatierte das Ausbrecheu eines Geschwürs im Zwölffingerdarm, welches den Darm durchlöcherte und Blutvergiftung herbeiführte. , )
Graz, 18. Nov. Fürst Ferdinand von Bulgarien sandte an die Witwe des Grafen-Hartenau folgendes Telegramm: „Ich bin entsetzt über (die schreckliche Nachricht. Gott schütze und stärke Sie. Ich und meine Armee werden in Graz vertreten sein." Stambulow telegraphierte: „Der plötzliche unerwartete Tod ihres heldenmütigen Gatten hat das ganze Bulgarienvolk und die bulgarische Regierung mit dem tiefsten Schmerze erfüllt.. Wir nehmen lebhaften Anteil. Die göttliche Vorsehung, beschloß, die kostbaren Tage des Helden von Slimnitza an demselben Tage abzuschneiden, wo er den Feind besiegte, die bulgarischen Waffen mit, Ruhm bedeckt" und das Vaterland rettete. Das bulgarische Vol vereint seinen tiefen Schmerz mit Ihren bitterr Thränen und bittet den Allmächtigen, Ihnen K^gst und Mut zu geben." Der Kaiser beauftragte den Flügeladjutanten, Major Loyap, mit seiner Vertretung bei dem Leichenbegräbnis des Grafen Hartenau. Das Leichenbegräbnis hatte am Montag nachmittag auf dem protestantischen Friedhofe stattgefunden, wo die Leiche vorläufig beigesetzt wird.
Graz, 20. Nov. Unter Hunderten an der Bahre Hartenaus niedergelegten Kränzen befindet sich ein solcher vom Prinzen Albrecht von Preußen namens des Regiments der Garde-du-corps. ,
Hä. Wien, 20. Nov. Der Leichnam des Grafen Hartenau soll in bulgarischer Erde beigesetzt werden.
Der ungarische Justizminister wird im Verlaufe der Woche die Vorlage über die Zivilehe dem Parlament einreichen. Zugleich unterbreitet, der Kultusminister eine Vorlage über die Abänderung des Gesetzes, betr. die Religion der Kinder aus gemischten Ehen. Künftighin bestimmen die Eltern: die Religion der blinder.
Einer der begabtesten Bi.dhauer Ungarns, .Leo Seßler, ist in seiner Wohnung in Neupest verhungert aufgefunden worden. Kränchen und Rat haben den unglücklichen Mann menschenscheu gemacht.
Frankreich.
II<>. Paris, 20. Novbr. lieber den großen Sturm im Kanal wird weiter gemeldet: In den Häfen von Havre und Brest sind des Nachts 6 Schiffe untergegangen; in Dünkerque warf der Sturm