kerung fuhren die Monarchen durch die Stadt. Die Straßen prangen in festlichem Flaggenschmuck.

Pforzheim, 3. Nov. Der von hierverzogene" Handelskammersekretär Dr. Nolte wird voraussicht­lich behördlicherseits eine Einladung zur Rückkehr in Form eines Steckbriefs erhalten, da ihm verschiedene unsaubere Manipulationen zur Last gelegt werden. Zwei Bijouteriefabrikanten hier sollen allein über 4000 - // an ihn zu fordern haben. Die Entrüstung gegen Dr. Nolte ist um so größer, als derselbe in seiner Eigenschaft als Sekretär der Handelskammer ein Jahresgehalt von 4000 ^ bezog, und außer­dem verstanden hat, noch einige Tausend Mark nebenbei" zu verdienen, zudem er ein alleinstehender junger Mann war.

Annaberg i. Erzgeb., 5. Nov. Heute mittag wurde hier ein Denkmal für Adam Riese enthüllt. Die Festrede hielt Lehrer Finck. Der Rechenmeister Riese lebte hier von 1518 bis 1559.

In Mölln in Lauenburg kam am 2. ds. abends eine Feuersbrunst zum Ausbruch, die gegen 20 Häuser in Asche legte.

Heute Dienstag findet die Wahl der Abgeord­neten für das preußische Abgeordnetenhaus statt. Das neue Haus wird wohl, nach den Ur- wahlen zu schließen, im großen Ganzen dieselbe Physiognomie zeigen wie das vorige. Gewinn und Verlust dürften sich bei allen Parteien so ziemlich ausgleichen. Der hervorstechendste Zug der Wahl bleibt, daß fix der Ausdruck einer beispiellosen Gleichgültigkeit der Bevölkerung war. Wir lesen darüber in einer Zeitungskorrespondenz:Es ist geradezu ein öffentlicher Skandal, daß ein Abgeord­netenhaus aus Wahlen zustande kommen soll, an denen sich vielleicht noch nicht ein Zwölftel der wahl­berechtigten Bevölkerung beteiligt hat. Aus manchen Landstrichen liegen Nachrichten vor, wonach ganze Urwahlbezirke keine Wahlmänner gestellt haben, weil memaud am Wahltische erschienen ist. Die kühnsten Echötzmigen der Wahlbeteiligung gehen über 10 Prozent nicht hinaus. Die Stimmung der Wähler ist offenbar meistens die gewesen, daß . man die im Besitz befindlichen Parteien weder zu unterstützen brauche (weil ihre Kandidaten ja ohnehin durch­kommen würden), noch bekämpfen sollte (weil das ja doch nichts Helsen könnte). So sind denn Freunde wie Gegner in holdseliger Eintracht von den Wahl­tischen fortgebljeben. Höchstens in den Wahlkreisen, wo die bisherigen Mandatsinhäber nur wenig Stim­men über die erforderliche Mehrheit hatten, war die Bewegung etwas lebhafter, aber auch nur etwas. Von einer Teilnahme, die auch nur annähernd an die matteste Beteiligung bei Reichstagswahlen heran­gereicht hätte, ist in der ganzen Monarchie nirgends die leiseste Spur warzunehmen gewesen. Es wird eher schlimmer denn besser bei den entscheidender. Wahlen am nächsten Dienstag sein."

Dem Bundesrat ist der Etat für das Reichs­heer, die Marine, sowie für die deutschen Schutzge­biete für das Jahr 1894/95 zugegangen, so daß ihm nunmehr der gesamte Reichshaushaltsetat vor­liegt.

Zum Spielerprozeß in Hannover. Die Breslauer Ztg. bringt folgende interessante Mittei­lung:Im übrigen scheinen die durch den Prozeß bekannt gewordenen Verluste auf die meisten der aus allen Gegenden als Zeugen Herbeigerufenei Liebhaber des Spiels noch nicht abschreckend genm gewirkt zu haben; denn, wie uns berichtet wird haben sich dieselben schon wiederholt in den Prozeß­lagen zu einem kleinen Spielchen zusammengefunden, ja man munkelt sogar, daß selbst die langweilige Wartezeit im Zeugenzimmer einOuinzechen" oder Ecartöchen" ab und zu verkürzt hätte." (!?)

Berlin, 6. Nov. Nach derVoss. Ztg." hat der Kaiser anläßlich des Spielerprozesses an die Offiziere der Armee eine Kabinetsordre erlassen, worin er in unzweideutigen Ausdrücken das Hazard- spiel verurteilt und dasselbe mit den strengsten Strafei' bedroht.

Hannover, 0. Novbr. Rittmeister a. D. v. Meyerink, der in dem bekannten Spielerprozeß zu mehrjähriger Gefängnisstrafe verurteilt wurde, hat sich im Gefängnis erhängt.

Schneidemühl, 4. Nov. An der Ausbruchs­stelle fließt heute viel Schlammwasser aus, das große Thonstücke mit sich führt. Gleichzeitig entströmt auch dem Ausflußrohr viel Wasser. Der Brunnentech­niker Beyer nimmt an, daß mehrere Wasserschichten

im Thonlager vorhanden sind. Er will an der Ausbruchsstelle ein sechszölliges Rohr in die Tiefe führen, um alle Wasserschichten abznfangen. Die Lage ist bedenklicher geworden.

Die Steuerreform im Reiche. Wie dieN. A. Ztg." erfährt, sind von den Reichssteuervorlagen die beiden wichtigsten, betr. den Tabak und die Reichsstempelabgaben so gut wie fertiggestellt, um an den Bundesrat gelangen zu können. Mit dem Gesetzentwurf, betr. die Besteuerung des Weins, wird ein Gleiches binnen wenigen Tagen der Fall sein.

Berlin, 6. Nov. Wie zuverlässig verlautet, wird eine Reihe von Offizieren infolge des Spieler­prozesses den Abschied erhalten.

Berlin, 7. Nov. Die Morgenblätter melden aus Schneidemüyl: Amtlich wird mitgeteilt, daß der Wasserschlamm aus dem hohen Rohre von selbst versiegt, jedoch wird der Wiederausbruch befürchtet. Der sonstige Erguß ist geringer.

Stettin, 5. Nov. Vom 23. Sept. bis 4. Nov. sind 83 Personen an Cholera erkrankt: 42 Personen sind daran gestorben.

Schweiz.

Zürich, 6. Nov. Der außerordentliche Arbei­tertag, auf dem 525 Delegierte, die 191185 Arbeiter vertreten, anwesend waren, beschloß einstimmig die sofortige Sammlung von Unterschriften für die Ini­tiative, betreffend die Einführung der unentgeltlichen Krankenpflege. Die Kosten, die ungefähr 20 Mill. Frank betragen, wären durch das Tabakmonopol aufzubringen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 4. Nov. Fürst Windischgrätz ist aus Pest zurückgekehrt. Seine Uebernahme der Kabi­nettsbildung wird allseitig freudig begrüßt. Er ver­handelt mit mehreren Persönlichkeiten. Pleners Ein­tritt gilt als gesichert.

Pest, 4. Nov. Der König hat nun dem Gesetz betreffs der Zivilehe zugestimmt.

In Tamsweg (im Salzburgischen) hat eine Feuersbrunst 34 Häuser samt 'Nebengebäuden eingeäschert.

Frankreich.

Aus Paris: Präsident Cärnot hat am Sonn­tag in Maulbeuge der Errichtung eines Schlächten- dmkinals zur-Erinnerung an 1870 71 beigewohnt. Der Präsident betonte Frankreichs Stärke / und ge­achtete Stellung und wies darauf hin, daß es im Bewußtsein seiner tiefen Friedensliebe ruhig-in die Zukunft blicken könne.

Paris, 6. Nov. Der Vorfall zwischen dem deutschen Förster und den französischen Wilderern wird jetzt in gehässiger Weise dargestellt. Angeblich soll nur der Förster geschossen haben, während die- fer behauptet, die Wilderer hätten drei Schüsse ab­gegeben.

Belgien.

Lüttich, 3. Nov. In der hiesigen Martins­kirche ereignete sich während der Allerseeleninesse eine furchtbare Katastrophe. Die große Glocke stürzte plötzlich in das Schiff der Kirche, wobei eine Person getötet und sieben Personen verwundet wurden.

Einem Amsterdamer Blatt zufolge ist der Pro­zeß gegen den Frauenmörder deJong verscho­ben worden, weil sich herausgestellt haben soll, daß de Jong noch eine vierte Frau, nämlich Anna Ver- höven aus Amsterdam, am 29. März 1892 ermor­det und ihre Barschaft im Betrage von 7000 Gul­den geraubt habe. Die Mordthat. erregte seinerzeit großes Aufsehen, da dieselbe am helllichten Tage im belebtesten Teile Amsterdams verübt wurde.

Spanien.

Aus Madrid: Bei Melilla haben wiederum mehrere Scharmützel zwischen Kabylen und spanischen Truppen stattgesunden. Die Letzteren sind andauernd . im Vorteil geblieben. Von wichtigen spanischen Bahnlinien werden mehrfache Streiks der Bahnan­gestellten gemeldet. Man hofft aber bald genug die Ruhe wieder zu sichern.

Madrid, 6. Nov. Die Zeitungen machen den Hafenbehörden von Santander den Vorwurf, die Katastrophe nicht durch rechtzeitige Versenkung des Schiffes verhindert zu haben und werfen die Frage auf, wie eine Explosion möglich gewesen sei, da nur durch Schlag und nicht durch Feuer Dynamit ent­zündet werden könne.

Die Dynamit-Explosion bei Santander, lieber die schon gemeldete furchtbare Katastrophe im Hafen von Santander wird noch folgendes berichtet:

Das Schiff, aus dem die Explosion stattfand, hieß Cabo Machichaco. Das Feuer brach im Waren­raum aus und verbreitete sich nach der Kammer, die zwanzig Kisten Dynamit als Contrebande neben einer Petroleumladung enthielt. In diesem Augen­blicke fand die Expplosion statt, die auch die Be- mannuyg des transatlantischen Dampfers Alphons j XII, der Hilfeleistung herbeifuhr, ferner zahlreiche § andere Personen, alle bei der Bewältigung des Brandes thütigen Gendarmerie-Offiziere, alle Gen- darmen außer zweien, den leitenden Kapitän, dessen / Stellvertreter und den ersten Steuermann tötete. - !

Die Trümmer wurden weithin sortgeschleudert, fielen auf benachbarte Häuser, zerstörten die Eisenbahnge­leise und verwundeten und töteetn viele Menschen. Gleichzeitig wurden zehn Häuser in Brand gesetzt und ein in den Bahnhof einlaufender Personenzug zertrümmert, wobei mehrere Reisende getötet und verwundet wurden. Auch Post- und Telegraphen­gebäude sind zerstört. Die Gesamtzahl der Getöte­ten wird auf 300 geschätzt; unter ihnen befindet sich auch der Zivilgouverneur der Stadt und an- ^

dere hervorragende Persönlichkeiten. (Die Zahl der s

in Flammen gesetzten Häuser wird von anderer Seite auf 60 angegeben). Finanzminister Gamazo ist in Santander eingetroffen.

England.

In England scheint man mehr und mehr zu der Einsicht zu kommen, daß das französisch-rus­sische Bündnis nicht weniger gegen England als ge­gen Deutschland gerichtet sei, und daß es sich der einem zukünftigen Krieg vielleicht noch mehr um die Frage der Seeherrschaft, für welch' letztere das Mit­telmeer die erste und wichtigste Station ist, handeln werde, als um die elsaß-lothringische. Es gilt da­her in englischen Marinekreisen als sicher, daß die Regierung dem Parlament in nicht allzu ferner Zeit > umfassende Pläne für die Verstärkung der Stellung Englands im Mittelmeer vorlegen werde. Wenn England der vereinigten Seemacht Frankreichs und Rußlands gewachsen bleiben will, so thut diese Ver­stärkung auch dringend not.

Rußland. ,

Die Russen kommen nun auch von ihren Schwär-, mereien während der Festlichkeiten in Paris wieder zurück, und eiuige Zeitungen sagen mehr, deutlich,, als klug, der Zar habe sich Frankreich gegenüber / nicht im Mindesten gebunden. Besonders ausfallend ist die Kühle Moskau's, genauer der einflußreichen Moskauer Kaufmannschaft gegen Frankreich. Seit der französischen Ausstellung in Moskau finden die dortigen Geldsäcke in der französischen Freundschaft ein Haar und ein umfangreicher Protest gegen Han- i delsverträge, den mit Frankreich schon abgeschlossenen nicht ansgenommen bestätigt diese Thatsache. Plan will bei den Altrussen von einer französischen in- ^ dustriellen Konkurrenz gerade so wenig wissen, wie von der deutschen.

Rumänien.

Bukarest, 1. Nov. (Zur Taufe des Prinzen.) Unter den vielen, reichen Geschenken, die dem prinz- lichen Täufling dargebracht wurden, befindet sich auch eine Uniform, die des 1. Jägerbataillons, dessen Befehlshaber der Kronprinz ist. Wann der kleine Prinz sie tragen soll, ist nicht gesagt. Der > Klub der Reservisten schenkte einen silbernen Degen mit goldenem Griff, den der Prinz mit dem 10. Lebensjahr, wenn er, wie seine hohenzollerischen Vettern, dann der Armee einverleibt wird, tragen soll. Die Pathen und Pathinnen des Prinzen sind: König und Königin von Rumänien, Herzog und Herzogin von Koburg-Gotha, Fürst und Fürstin von Hohenzollern, Fürstin-Mutter von Hohenzollern und ' die älteste Tochter des Zaren, die Großfürstin Leine. ! Die Taufe des Prinzen wurde nach griechischem Ri- ! tus vorgenommen.

A merika.

Der General-Direktor der Welt-Ausstellung in Chicago hat aus Anlaß des Schlusses dieser "Aus­stellung dem deutschen Reichskommissar ein Telegramm gesandt, in welchem mit warmen Worten ausgespro­chen wird, daß man, obwohl das Ende der Aus­stellung unter dem Schatten einer großen Tragödie (Ermordung des Bürgermeisters von Chicago) stehe, doch der Beteiligung Deutschlands mit höchster Ge- nugthuung gedenke und dem Deutschen Reich und seinem erhabenen Herrscher für immer dankbar blei­ben werde.