werden wir auch bald wieder einen deutschen Kaiser bekommen, welcher uns den Frieden erhält." Wahr ist's geworden, der Friede ist uns bis heute ungetrübt erhalten geblieben, werden auch von denen, welche in jenen ernsten Tagen führend und leitend an der Spitze der geeinten Deutschen standen, nur noch wenige un­ter uns verweilen. Der Herbst des Lebens hat sie fast alle dahingerafft. Wir nähern uns nun mit raschen Schritten dem Herbst mit seinen Stürmen, seinem fallenden Laub, leinen kürzeren und kürzeren Tagen. Ein Heller Stern leuchtet aber doch in der dunkelsten Nacht dem deutschen Reiche und dem deut­schen Volke: Sedan! so heißt er.

Ebhausen, 29. Aug. Dem heutigen Bericht ^ über das hiesige Brandunglück ist noch nachzutragen, daß in den 3 völlig zerstörten Wohnhäusern mit angebauten Scheuern fünf Familien ihr Obdach hatten und nun fast ihrer ganzen Habe beraubt sind; denn leider ist eine der abgebrannten Familien gar nicht, die übrigen ungenügend versichert. Der Nichtver- stcherte hatte bei einem Agenten bereits einen An­trag zur Aufnahme gestellt, am Sonntag die Mobilien­werte zusammengestellt und in der folgenden Nacht traf ihn das Brandunglück. Die Not der Abge­brannten ist groß und eine Unterstützung derselben durch edle Menschenfreunde erscheint dringend ge­beten. Bereits ist auch eine kleine Summe gesammelt worden bei der gestern in Altensteig abgehaltenen Bezirksschulversammlung, wo auf die ergreifende Schilderung der Notlage der von dem Unglück Be­troffenen durch H. Pfarrer Müller alsbald gegen 30 ^ von den anwesenden Geistlichen und Lehrern zusammengelegt wurden. Unter den Abgebrannten befindet sich auch ein altes Ehepaar, das in der Schreckensnacht nur mit dem Hemd bekleidet aus dem Hause flüchten mußte, wobei es gefährliche Brandwunden erhielt; die bedauernswerte Frau hatte vor kurzem auch noch das Unglück, die Achsel zu brechen und liegt in gefährlichem Zustand darnieder. Dem verunglückten Feuerwehrmann geht es gottlob besser als man anfangs vermutete.

> Alten steig, 29. Aug. Die heurige Bezirks- schulversammlung wurde gestern wieder hier auf dem Rathause abgehMn. Derselben ging eine Musik­aufführung in der Kirche voraus, wobei Orgelstücke, Männerchöre, gemischte Choräle, Violinsoli, Bariton­soli rc. zum Vortrag kamen. Nach kurzer Begrüßung auf dem Rathaus gab H. Schulinspektor Dieterle einen Bericht über die im Bezirk herrschenden Schul­verhältnisse und das Ergebnis der dieses Frühjahr von ihm vorgenommenen Schulprüfungen. Nach dem Bericht sind im Bezirk Nagold 36 Schulgemeinden mit 72 Schulklassen, an welchen derzeit 47 ständige und 28 unständige Lehrkräfte wirken. Die Gesamt­schülerzahl beträgt 2121 Knaben und 2351 Mädchen. Gegen das Vorjahr hat die Schülerzahl um 210 Schüler abgenommen, woran die Ausscheidung der Schulgemeinde Holzbronn (73 Schüler) aus unsrem Bezirk, mehr aber noch die Bevölkerungsbewegung von Land in die Stadt schuld ist. Die größte Schul­klasse zählt 119, die kleinste (Beuren) 19 Schüler. In 30 Schulklassen wird wegen großer Schülerzahl Abteilungsunterricht erteilt. Nach dem Schulbericht folgte ein längerer Vortrag von Lehrer Veil über die Steilschrist, an welcher sich eine lebhafte Debatte anreihte. Erwähnt sei noch, daß beim gemeinschaft­lichen Wohle im Gasthof zur Traube vor den an­wesenden Geistlichen und Lehrern für die zu Ebhau­sen in letzter Nacht durch Brandunglück obdachlos gewordene 5 Familien 27 »-L 50 gespendet wurden.

>Ueberberg, 29. Aug. Ein hiesiger Bür­ger mußte eine Kuh schlachten, die an der Milzkrank­heit litt. Er half bei dem Geschäft dem Metzger, war aber so unvorsichtig, daß von dem Milzgift in eine kleine kaum bemerkbare Verletzung am Handge­lenk kam. Die Vergiftung teilte sich rasch dem gan­zen Arm mit, und der Mann schwebt nun in größter Lebensgefahr.

Tübingen, 29. Aug. Heute nacht um 4 Uhr sind sämtliche Aborte des hiesigen Bahnhofs abge­brannt.

Neuenbürg, 27. August. Bei dem Salmbacher Brandunglück ist es nun zur traurigen Gewißheit geworden. daß v i e r M ä d ch e n der Pforzheimer Ferienkolonie den Tod in den Flammen gefunden haben. Fünf Mädchen bewohnten mit einander ein Dachstübchen, während die übrigen in verschiedenen Zimmern des 2. Stockes untergebracht waren; von

jenen konnte sich nur eines retten. Verschiedene Personen erhielten zum Teil erhebliche Brandwunden. Das Feuer ist oberhalb des Pferdestalles entstanden und höchst wahrscheinlich durch böswillige Hand ge­legt worden.

Die diesjährige erste (sechswöchige) Hebung der Volksschullehrer findet in der Zeit vom 27. Sept. bis einschließlich 7. November statt.

Aus Karlsruhe, 24. August, wird geschrieben: Die Verhaftung des Begründers der Kaiserpassage, C. Betz, wegen Sittlichkeitsvergehen, hat hier großes Aufsehen erregt, weil Betz eine allseits bekannte Per­sönlichkeit war. Er hat vor ca. 20 Jahren das Schnciderhandwerk beiseite gelegt und das Hotel Tannhäuser erbaut, bei dessen Verkauf er die Klei­nigkeit von 300,000 ^ einheimste. Auf diesen Lor­beeren wollte der unternehmungslustige Mann nicht ausruhcn, er erbaute mit vielen Opfern die Kaiser- Passage, die aber seine Träume nicht verwilligte, weil Handel und Verkehr nicht bei ihr einzogen. Nun ist er vollends ruiniert.

Bad K i s s i n g e n , 26. Aug. Der württ. Mi­nisterpräsident Freihr. v. Mittnacht besuchte gestern den Fürsten Bismarck und konferierte lange mit ihm.

Bad Kissingen, 27. August. Etwa tausend Herren und Damen von Frankfurt und Umgebung wurden heute Nachmittag 2 Uhr vom Fürsten Bis­marck empfangen. Der Fürst dankte für den Besuch und bemerkte, daß er stets gern in Frankfurt geweilt und die Stadt der preußischen Monarchie deshalb einverleibt habe, weil sie den Brückenkopf bilden sollte zur Herstellung der Verbindung zwischen Nord und Süd. Der Fürst führte dann weiter aus, man mache ihm ungerecht den Vorwurf des Partiknlaris- mus; er wünsche nur, daß die Einzellandtage von ihren Ministern Auskunft über deren Haltung im Bundesrat verlangten und daß der Reichskanzler auch nach den preußischen Ministern frage, nicht bloß nach sich und seinen Adjutanten.

Ko bürg, 28. Aug. Der Kaiser traf heute vormittag hier ein. Nach l l Uhr langte der Bahn­zug mit der Leiche des Herzogs an. Zwölf Ober­förster hoben den Sarg auf den Leichenwagen. Um 11^4 Uhr fetzte sich der Leichenzug in Bewegung. An der Spitze der Leidtragenden schritt Herzog Alfred, rechts von ihm der Kaiser, links der König von Sach­sen. Es folgten der Herzog von Connaugth, Erb­prinz Alfred und der Prinz von Wales; hierauf Prinz Wilhelm von Baden, Prinz Philipp von Ko- burg und der Großherzog von Baden. Der Zug bewegte sich nach der Moritzkirche. Der ganze Weg, den der Leichenzug nahm, war mit Trauerschmuck, Fahnen, Obelisken und Flaggenmasten ausgezeichnet. Krieger- und Landwehrvereine bildeten Spalier; die Straßen waren von Tausenden dicht besetzt.

Koburg. Die Leiche des Herzogs Ernst wird nachts in aller Stille nach dem Mausoleum überführt.

Prinz Heinrich von Preußen hat am Freitag Nachmittag nach sehr herzlicher Verabschiedung vom König und vom Kronprinzen von Italien von Spezia aus die Rückreise nach Deutschland angetreten. Prinz Heinrich wird sofort nach seiner Rückkehr wieder das Kommando des PanzerschiffesSachsen" übernehmen.

Hofprediger a. D. Stöcker geht nach Chicago. Wie dasVolk" mitteilt, ist er von der Evangeli­sationsgesellschaft in Chicago aufgefordert worden, dorthin zu kommen und vier Wochen hindurch vor den deutschen Besuchern der Ausstellung religiöse Vorträge zu halten. Er ist dem Rufe gefolgt und bereits abgereist.

Aus Osterode (Ostpreußen), 26. Aug., wird ge­meldet : Bei dem Bau einer Schmiede sind durch Ein­sturz einer Mauer fünf Maurer getötet worden.

Der wirtschaftliche Rückgang läßt sich bereits wieder in den deutschen Ausfuhrziffern erkennen. Während die ersten sechs Monate dieses Jahres eine fortwährende Zunahme zu verzeichnen hatten, schließt die Ausfuhr im Juli mit einem Minus von 427,700 Doppelzentner ab. In diesem Rückgang ist eine Wirkung des Zollkriegs nicht enthalten, da die Kampf­zölle erst im August eintraten. Es ist deshalb zu befürchten, daß der August-Ausweis noch weniger günstig ist. Insgesamt wurden im Juli ausgeführt 16,798,717 Doppelzentner gegen 17,226,414 Doppel­zentner im Vorjahr. In den ersten sieben Monaten beziffert sich die Ausfuhr insgesamt auf 116,630,718 Doppelzentner, so daß das Plus gegen die vor­jährige noch 8,225,961 Doppelzentner beträgt. Die

i Einfuhr hat im Juli ebenfalls abgenommen, und zwar um 1,4l5,358 Doppelzentner. Sie betrug 28.125,706 Doppelzentner gegen 29,541,066 im Vorjahre. Die Gesamtabuahme der Einfuhr in den ersten sieben Monaten beziffert sich danach auf 3,765,753 Doppelzentner.

Die nahende Tabakfabrikatsteuer erweckt in den Fachkreisen fortgesetzt lebhafte Klagen und Vor­stellungen , namentlich aus den Kreisen der kleinen Tabakbauer. Ein Fabrikatsteuergesetz, welches auf diese, schon längst in recht mißlicher Lage befindlichen Kreise keine oder aber zu geringe Rücksicht üben würde, würde im Reichstage nun allerdings kaum auf Annahme rechnen können.

Einen recht netten Vorschlag zur Unterstützung der notleidenden Landwirtschaft machte die in Hild­burg Hausen (Sachsen-Meiningen) erscheinendeDorf­zeitung":Die Lehrer Sachsen-Meiningens möchten auf die ihnen bewilligte Gehaltserhöhung von 100 Mk. für nächstes Jahr zu Gunsten der notleidenden Landwirte verzichten." Donnerwetter, müssen die Meininger Lehrer Gehälter beziehen, wenn man ih­nen solches anmuten kann! Arme Württenbergerk Das könntet Ihr nicht aushulten.

Die Prinzessin von Icha umburg-Lippe, Schwester unseres Kaisers, steht wie dieKöln. Ztg." sicherem Vernehmen nach mitteilt, zu Neujahr einem frohen Ereignis entgegen. Infolge dessen wird die Kaiserin-Mutter auf den ursprünglich geplanten Win­teraufenthalt in Italien voraussichtlich verzichten.

An eine nahe Einführung der neuen Sonntags- ruhebestimmnngen für Industrie und Handwerk ist noch nicht zu denken; die Bewegung dagegen ist weniger laut, aber so ungemein ausgedehnt, daß es den verbündeten Regierungen absolut unmöglich sein wird, die Sache über das Knie zu brechen.

Zu den Erörterungen über die Organisation des Handwerks läßt sich dieKöln. Ztg." am Schlüsse eines längeren Artikels folgendermaßen ver­nehmen:Wir glauben nicht, daß mit dem Verzicht auf den obligatorischen Befähigungsnachweis den Innungen wirklich der Lebensfaden abgeschnitten wer­den würde. Es wird, abgesehen von den mancherlei Mitteln» die die Innungen zur Erhöhung ihrer An­ziehungskraft anwenden können, immer Leute genug geben, welche Wert auf eine besonders fachmännische Ausbildung ihrer zur Erlernung eines Handwerks bestimmten Kinder legen. Es ist merkwürdig, daß die Zweifler nicht fühlen, wie sie mit ihren pessimistischen Erwartungen selbst das Gelände ihrer Gründe Um­stürzen. Dean wenn der Ausbildung nach den Ge­bräuchen und Satzungen der Innungen nicht ein reel­ler Wert anhaftet, welcher sich unter allen Umständen im Wettbewerb geltend machen muß, was hat sie dann noch für ein Recht auf Verteidigung?"

Berlin, 23. Aug. In einer antisemitischen Ver­sammlung sprach gestern abend der Reichstagsabg. Ahlwardt über die Frage:Wie gelangen wir am schnellsten zum Siege?" Trotz der der drückenden Hitze wurde das Eintrittsgeld von 20 Pf. von etwa tausend Personen gezahlt, auch eine Anzahl Frauen und junge Mädchen wurden bemerkt. Redner führte aus, daß das Ziel der Antisemiten dahin gehe, Deutschland von den Juden zu befreien, d. h. die Juden samt und sonders aus Deutschland zu jagen. Es empfehle sich. mit der deutsch-sozialen Partei (Richtung Böckel) Hand in Hand zu gehen, den kon­servativen Flügrt dagegen rücksichtslos zu bekämpfen. (Lebhafter Beifall.) Ueberhaupt sei die konservative Partei mehr als jede andere Partie von den Anti­semiten zu bekämpfen, weil die Konservativen den Antisemitismus nur zu selbstsüchtigen Zwecken benützen wollen. (Lebhafter Beifall.) Jedenfalls müsse die antisemitische Partei eine Volkspartei sein, die dafür eintrete, daß die Lage des Arbeiters auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung eine bessere werde. Wenn die Partei in dieser Weise fleißig agitiere und allerdings schon jetzt die Wahlagitation beginne, dann werde sie bei den nächsten Wahlen, die vielleicht nä­her seien, als mancher glaube, im Reichstage die Mehrheit erhalten. (Stürmischer Beifall.) Jeden­falls müsse es bewirkt werden, daß alle von Juden ausgehenden Pländungen suspendiert werden. Er sei von Natur Pessimist; trotzdem sei es überzeugt, er werde es noch erleben, daß der letzte Juden den deutschen Staub von seinen Füßen schütteln werde. (Stürmischer Beifall.)