Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag 15 August

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gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S bei mehrmaliger je 6 Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1893

A m N i ch e r.

Die Güterbuchsbeamten des Bezirks

werden beauftragt, längstens bis zum

1. Oktober d. Js.

über die Erledigung des Güterbuchsänderungsge­schäfts in ihren Gemeinden hieher zu berichten, even­tuell sind die der Erledigung entgegenstehenden Hin­dernisse anzuzeigen.

Nagold, den 5. August 1893.

K. Amtsgericht.

Oberamts richter Sigel.

Die Wahl des VerwaltmigsaktuarS Christof Friedrich D e ck e r in Frendenstadt zum Ortsvorsteher der Gemeinde Pfalzgrafenweiler wurde bestätigt._

Die auswärtige Politik

ist, nachdem die Siamfrage zum überwundenen Stand­punkt geworden ist, fast ebenso still, wie unsere innere. Die Franzosen verdauen ihren neuen Erwerb und richten sich häuslich ein. Die Wahlbewegung für die Ende dieses Monats in Frankreich bevorstehenden allgemeinen Neuwahlen zur Deputiertenkammer ist ruhig, der Panamaskandal ist selbst in den Provin­zen, wenn nicht ganz vergessen, so doch stark in den Hintergrund getreten, und das siamesische, glücklich überstandene Abenteuer gie.t für die Republik eine prachivolle Wahlreklame ab. Der große Riesenstreik der englischen Bergarbeiter, der wohl der umfang­reichste Ausstand ist, der jemals in Europa stattge^ fanden hat, schwankt hin und her; bald sind die Chancen für eine Wiederaufnahme der allgemeinen Thätigkeit größer, bald sind sie geringer, es dürfte aber doch noch eine beträchtliche Zeit währen, bis alles wieder im alten Geleise ist Die Wirkungen deö Ausstandes sind, da viele Etablissements wegen Kohlenmanzels zur unfreiwilligen Arbeitseinstellung gezwungen werden, sehr schädliche, und die Folgen der jetzigen Einnahmeausfalle werden erst nach langer Zeit überwunden werden. Dem aufsässigen Khedive Äbbas von Aegypten gegenüber hat sich die Londoner Regierung jetzt zu einigem Entgegenkommen bereit erklärt, und namentlich den persönlichen und auf Eti­kettenfragen gerichteten Wünschen des jungen Fürsten mehr als bisher Rechnung getragen. Man hofft, daß Abbas nun in der nächsten Zeit wenigstens auf­hören wird, seinen britischen Beschützern Berlegenheiten zu bereiten. Aus Rußland, Oesterreich-Ungarn, Ita­lien und von der Balkanhalbinscl liegt etwas neues von weitergehendem Interesse nicht vor. In Belgien sind wieder einmal die schon seit Jahren andauernden inneren Streitigkeiten in scharfer Weise an die Ober­fläche getreten; in Zürich in der Schweiz tagt der internationale Arbeiterkongreß. Aus Spanien und Portugal ist wieder einmal eine bedeutende Zunahme der inneren Schwierigkeiten zu berichten. In Mad­rid verhindert der unausrottbare Parteihader und der Parteiegoismus alle und jede ernsthaften Refor­men, und von diesem Versumpfen der Verhältnisse ziehen dann die Republikaner ihren Nutzen. Ihr Anhang wächst von Tag zu Tag, und es ist wohl lediglich eine gewisse Rücksichtnahme auf die Jugend des jungen Königs Alfonso, welche sie hindert, einen entscheidenden Schlag zu thun. Besonders im Argen liegen in Spanien die Justizverhältnisse, und alle Bemühungen, hierin Wechsel zu schaffen, sind geschei­tert. Keine Partei hat dem Bestrchungsunwesen ein Ende zu setzen vermocht. In Portugal sieht es nicht viel besser aus. Die bürgerlichen Unruhen in Ame­rika dauern fort; der vollständige Mangel einer festen

und energischen Hand in Brasilien und Argentinien läßt auch nicht sobald eine totale Beruhigung er­hoffen. In Washington ist der Kongreß der Ver­einigten Staaten von Nordamerika zusammengetreten. Hauptaufgabe der Verhandlungen soll bekanntlich die Aenderung des Währungsgesetzes sein, welches s. Z. zu Gunsten der Silbergrubenbesitzer geschaffen wurde, aber unter der heutigen Silberkrisis nicht aufrecht zu halten ist. Daß der Einnahme-Ausfall bei der Weltausstellung von Chicago ein sehr großer sein und man lange nicht auf die Kosten kommen wird, stellt sich immer deutlicher heraus. Die gesamte geschäftliche Situation ist eine recht ungünstige. Man wird drüben" wohl nicht sobald wieder an eine Welt­ausstellung denken.

Tages-WeuigkeiLen.

Deutsches Weich.

fff Nagold, 14. Aug. Das gestrige Kirchen­konzert lockte ziemlich viele Besucher aus Stadt und Land an, die in ihrer Hoffnung, etwas Gediegenes zu hören, jedenfalls nicht enttäuscht worden sind, da die ganze Aufführung als wohlgelungen bezeichnet werden darf. Die Orchesterchöre:Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut" von I. S. Bach,Siehe, der Hitler Israels" von Mendelssohn undWer bis an das Ende beharrt" von Mendelssohn kamen zwar in dem großen Raum der Kirche nicht zur vollen Geltung, wie dies im Seminarsaal der Fall gewesen wäre, waren aber pünktlich einstadiert und wurden gut vorgetragen. Durchschlagender wirkten zwei ge­mischte Chöre:Ich folge Jesu nach" von Fink und namentlichDanket dem Herrn, denn er ist freund­lich" von Hegele, eine gelungene Komposition von lebhafter Farbengebung und überraschender Wirkung, ferner zwei Männerchöre:Hilf mir Gott" von Bern­hard Klein undWie lieblich sind deine Wohnungen" von MüllerHartung m't einem einleitenden Solo (von H. Hornberger gut wiedergegeben) und ganz ergreifenden Chorparlien. Zwei stimmungsvolle geist- liche Lieder für Sopran und Orgel:Wenn der Herr ein Kreuze schickt" undLiebster Mensch, was mags bedeuten" von E. Hegele wurden von Frl. Emma Hegele gesungen, die wir zu diesem ersten noch etwas schüchternen Versuch im öffentlichen Auftreten herzlich beglückwünschen. Auch die Jnstrumentalstücke, die uns diesmal besonders glücklich ausgewählt schienen, wurden vorzüglich gegeben: eine Bach'sche Orgelfuge in O-äur von Herrn Hornberger, der auch die Or­gelbegleitung bei den Orchesterchören übernommen hatte, ein tief empfundenes ^.nckants roliZioso für Violinenchor und Orgel von Mendelssohn, ein wei­ches Andante für Violinsolo (Herr Häußler) und Orgel (Herr Hegele) von Claus, ein sehr ansprechen­des Allegretto für 2 Violinen (Herr Hornberger und Herr Häußler) und Orgel von CH. W. Gluck und ein liebliches ^.näants oantabils für Violinenchor und Orgel von Mendelssohn. Es möge zum Schluß allen Mitwirkenden für ihre unverdrossene Mitwirkung und liebevolle Hingabe herzlicher Dank gesagt sein!

Stuttgart, 9. Aug. Infolge der Aenderungen, welche durch die Annahme der neuen Militärvorlage herbeigeführt werden, herrscht in den weitesten Kreisen eine große Ungewißheit bezüglich der der Ersatzreserve neueren Stils in Zukunft obliegenden Aufgaben. Wie aus militärischen Kreisen verlautet, werden die! vom Reichskanzleramt erst zu erwartenden Bestim-! mungen darüber Klarheit bringen. Doch erfährt man aus zuständigen Kreisen, daß diejenigen, welche

bisher wegen geringfügiger körperlicher Gebrechen, wie Knochenbrüche von geringfügiger Bedeutung, Schielen geringen Grades, Breitfüßigkeit, leichteren Plattfüßen u. a. zur Ersatzreserve gezogen wurden, nunmehr zum zweijährigen Dienst mit der Waffe beigezogen werden, während in Zukunft die mit stär­keren körperlichen Defekten, wie Fettleibigkeit, allge­meine Schwäche, Steifheit oder Verlust einiger Fin­ger, schwache Brust, Krampfadern, Kropf u. a. wie bisher dw Ersatzreserve zugewiesen werden. Die Er- satzreseroe bleibt als solche bestehen, wird aber wäh- rend der Friedenszeit zum Dienst mit der Waffe nicht mehr beigezogen; sie kann jedoch in einigen Spezial­zweigen wie z. B. Verwaltungsdienst und Kran­kendienst in beschränktem Maße herangebildet werden. Ueber das bisherige Verhältnis der Musterungs­entscheide bemerken wir, daß die Zahl der bisher jährlich als tauglich ausgehobenen Rekruten während der letzten 10 Jahre in Württemberg durchschnittlich 7095 betrug gegen durchschnittlich 5777 Ueberwei- sungen zum Landsturm oder zur Ersatzreserve. 2637 Befreiten und 47 Ausgeschlossenen. Von 100 Ent­scheidungen lauteten also 45,6 auf tauglich, 37,1 auf Ersatzreserve, 17 auf untauglich, 0,3 auf ausgeschlossen. Im ganzen Reich lauteten von 100 Entscheidungen der letzten 10 Jahre 40,7 auf tauglich, 44,9 auf Ersatzreserve, 14,1 auf untauglich und 0.3 auf aus­geschlossen. Bemerkt sei noch, daß die Zahl der in Württemberg wegen moralischen Defekts Ausgeschlos­senen ständig zurückgeht.

Heilbronn, 11. Aug. (Strafkammer.) Heute vormittag 8 Uhr wurde in der gegen Oberbürgermeister Hegelmaier und Pfleger Füger fortgefahren. In einem sehr ein­gehenden und durchdringenden Bortrag schloß sich der Staatsanwalt nach Berücksichtigung der in den Gut­achten der beiden Psychiater zu Tage getretenen Mo­mente für und wider die Zürechnungsfähigkeit des Oberbürgermeisters Hegelmaier dem Gutachten des Geh. Rats Dr. Schüle in Jllenau an und sprach als seine offene Ueberzeugung aus, daß der Angeklagte Hegelmaier zwar Abnormitäten zeige, seine Geistes­kraft aber vollständig intakt sei. Man habe ihn daher als zurechnungsfähig zu behandeln. Die Plaidoyers nahmen den ganzen Vormittag in Anspruch. Um 12 Uhr war die Verhandlung zu Ende.

Heilbronn, 11. Aug. Hegelmaier wurde zu einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten, Füger zu einer solchen von 1 Monat und 10 Tagen verur­teilt. Die durch die Verbringung Hegelmaiers in die Irrenanstalt Jllenau erwachsenen Kosten hat He­gelmaier selbst zu tragen.

Zur Futternot. Die Notstandskommission in Württemberg hat fünf Klassen von Bezirken aufge­stellt: schlecht heißen die, welche höchstens 20°/o einer Durchschnittsernte an Futter haben; gering die, welche bis 40°/o; mittel die, welche bis 50°/»; gut die, welche bis 80°/o; sehr gut die, welche bis 100°/o geerntet haben. In die letzte Klasse gehören nur ein paar Oberämter im Allgäu, Wangen und Leutkirch; alle anderen Kreise fallen in die Rubrik gering oder gar schlecht; namentlich die schwäbische Alb und einige Hochflächen sind trostlos daran. Man hat überall die Aecker mit Futterpflanzen zu bestellen angefangen;

! durchschnittlich werden 30°/o der Aecker in dieser Weise ! herangezogen; für Futtermittel verschiedener Art und Ersatz dafür hat die Kommission bis jetzt etwa 1 Million Mark ausgcgeben.