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Königsberg Hofmann (nat.-lib.), in Stettin Brömel (veutsch-freis.), in Danzig-Stadt Schräder (veutsch-freis.), in Breslau-Osten v. Seydewitz (kons.), in Breslau- Westen Kräcker (Soz.). in Köln Braubach (Zentr.), in Dresden Hultzsch (kons.), in Greiz Henning (Reichsp.), in Frankfurt a./M. Sabor (Soz.),' in Bremen Bulle (deutsch-freis.), in Elberfeld Harm (Soz.), in Mainz Racke (Zentr.), in Magdeburg - Stadt Duvigneau (nat.-lib.), in Zittau Buddeberg (deutsch-freis.), in H a l l e - Stadt-Saalkreis Meyer (deutsch-freis.), in Hannover Stadt und Amt Meister (Soz.), in Nordhausen Lerche (deutsch-freis.), in Bromberg Habn (kons.) mit großer Majorität. In Osnabrück hat Frhr. v. Schele (Welfe) wieder gesiegt.
Lübeck, 1. März. In der heutigen Reichstagsstichwahl wurde Konsul Fehling (nat.-lib.) mit 7206 Stimmen gewählt. Schwärtz (Soz.-Dem.) erhielt 5200. (Lübeck war bisher dtsch.-freis. vertreten.)
Belgien und Niederlande.
— Aus Holland kommen neue Nachrichten über Unruhen. In Leyden hat am Sonntag ein Haufe von vierhundert Personen ein Wirtshaus angegriffen und demoliert, in welchem die Sozialisten ihre Zusammenkünfte zu halten pflegten. Dann ging es zu dem Haus des Präsidenten des sozialistischen Vereins, an dem Hause blieb keine Scheibe ganz. Nur mit Mühe gelang es der Polizei, die Ordnung herzustellen. Diesen antisozialistischen und speziell monarchisch-loyalen Charakter trugen auch die Unruhen, von denen vor acht Tagen aus Amsterdam berichtet wurde. Die Bevölkerung war durch etliche sozialistische Flugschriften, in denen dem König übel milgespielt war, sehr entrüstet worden und am Abend von Königs Geburtstag (19. Februar) zog eine groß- Volksmenge mit den Farben des Hauses Oranten geschmückt an den Häusern bekannter Sozialisten vorbei, unter Absingen des Liedes: „üop, lwp, dop, bsnZft dem op, (hängt ihn auf)! Am 22. Februar zog die Menge vor das Haus eines gewissen Pennings am Waterlooplein, wo mehrere Sozialisten versammelt waren. Die Menge erbrach die Wohnung, die Sozialisten wehrten sich init Revolvern und es kam zu einem förmlichen Geiechle, in welchem es zahlreiche Verwundete gab und das Lokal fast vollständig demoliert wurde. Der verstärkten Polizei gelang es endlich, die Kämpfenden auseinanderzubringen und die Ruhe wieder herzustellen. Die Zahl der Verwundeten betrug 34, darunter 5 Polizeibeamte. An den folgenden Tagen wurde in Amsterdam die Ruhe nicht mehr gestört, da die Polizei umfassendere Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte; nur bemerkte man, daß die Bevölkerung sich auf der Straße vielfach dem Verkauf sozialistischer Schriften widersetzle.
R u f; t a u d.
— Dem „Pol. Corr." wird unter dem 23. Februar geschrieben: In den Räumen des Auswärtigen hat am 21. d. eine glänzend Soiröe stattgefunden, zu welcher die Mitglieder der kaiserlichen Familie und alle hervorragenden Notabilitäten der hohen St. Petersburger Gesellschaft erschienen waren. Die Anwesenheit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin bei der Festlichkeit bildete einen vielbemerkten sichtlichen Beweis dafür, daß der Minister des Aeußern, Herr v. Giers, sich nach wie vor des Vertrauens und der Sympathien des Zars erfreut und daß seine Stellung keineswegs, wie dies in letzter Zeit in mehreren Kreisen behauptet wurde, eine Eischütterung erfahren hat. — Dem Vernehmen nach werden die im russischen Kriegsministerium seit längerer Zeit geplanten Heeres. Verstärkungen schon in allernächster Zeit ausgeführt werden. Insbesondere handelt es sich in erster Linie um eine große Vermehrung der Schützenbrigaden, aus denen besondere Schützendivisionen gestaltet und die mit reicher Artillerie ausgestattet werden sollen. Die Veröffentlichung der betreffenden Erlasse soll nahe bevorstehen. — Einer Warschauer Meldung zufolge hat die russische Regierung eine Reorganisation der Grenz- zollwache und zwar in der Weise in Auisicht genommen, daß dieselben
einen rein militärischen Charakter erhalten und dem Kriegsministerium unterstehen soll.
— Ein russischer Ingenieur soll eine Explosivmaffe erfunden haben, die 15mal so stark ist als Pulver. Die Substanz ist von einem Könnt ö unter General Notbek geprüft und geeignet erfunden worden. — In der Nähe von Elisabetgrad haben zwei Nihilisten, die bei einem reichen Gutsherrn Namens Gorosello angestellt waren, ihren Herrn, seine Frau und die 8 Kinder ermordet und 800,000 Rubel mit sich fortgenommen. Sie wurden in Odessa arretiert, als sie sich nach Konstantinopel einschiffen wollten.
Gages-Werrigkeiten.
* Hirsau, 3. März. Gestern abend von 7 Uhr an fand im hiesigen Waldhorn eine Abschiedsfeier zu Ehren des nach Kirchheim u. T. beförderten Hrn. Kameralverwalters Rinck statt. An dieser Festlichkeit, für deren äußeres Gelingen Küche und Keller des betreffenden Gasthauses in ausgezeichneter Weise gesorgt hatte, nahmen nicht nur viele, allen Berufs, kreisen angehörende Einwohner von Hirsau den lebhaftesten Anteil, sondern ebenso auch aus Calw sämtliche Bezirksbeamte, der Hr. Stadtschultheiß und andere Vertreter der bürgerlichen Kollegien, höhere Militärs, die Vertreter der technischen, Eisenbahn- und Postbehöcden, viele Fabrikanten, Gewerbetreibende u. s. w. Den ersten Toast brachte Gemeinderat Zahn von hier auf den Gefeierten aus, indem er in warmen Worten die vielen Verdienste des Scheibenden nicht nur um den ganzen Bezirk, sondern auch namentlich um Hirsau selbst, dankbar hervorhob. Hierauf feierte Hr. Oberamtmann Flaxland Hrn. Kameralverwalter als den pflichtgetreuen, umsichtigen Bezirksbeamten und liebenswürdigen Kollegen. Denselben ungeteilten Beifall wie die beredten Worte des Vorredners fand der von Herrn Dekan, der zugleich namens der Geistlichen des Bezirks herzlichen Dank aussprach, ausgebrachte Toast auf die Gattin des Scheidenden, welche mit ihren musikalischen Leistungen dem Calwer Kirchengesangverein so wesentlich gedient habe. Hr. Sradtschultheiß Haffner aus Calw betonte in freundl. Dankesworten die guten Beziehungen, welche der abgehende Kameralbeamte gegenüber den Ortsvorstehern stets gepflogen. Der Ortsgeistliche wies darauf hin, daß, da die Kirchheimer Kameralamtswohnung ein ehemaliges Nonnenkloster sei, der Scheidende Kloster mit Kloster vertausche und sprach die bestimmte Hoffnung aus, daß dem Gefeierten und seiner Familie in dem neuen Sitze viel bessere und fröhlichere Tage erblühen werden als den Insassen jenes Klosters vor gerade 400 Jahren, welche eine dreimalige Belagerung aushalten mußten. Hr. Stadtpfarrer von Liebenzell erinnerte in dankenden Worten daran, daß das materielle Wohl der Geistlichkeit mit einem fürsorglichen Kameralverwalter enge verbunden sei. Schullehrer Eiding entwarf in einem beifällig aufgenommenen Gedicht mit lebhaften Farben die Mühen und Nöten eines Kameralbeamten. Noch hielt Hr. Gemeinderat Zahn zum Schluffe eine zweite Ansprache, worin er den Calwer Herren die herzliche Freude Hirsaus über ihr zahlreiches Erscheinen bei uns dankend ausdrückte und auf das ein- trächtige Zusammengehen von Calw und Hirsau ein begeistert aufgenommenes Hoch ausbrachte. Der Gefeierte selbst gab in bewegten Worten einen kurzen Ueberblick über sein 8jähriges Wirken in dem ihm und seiner Familie so teuer gewordenen Hirsau, drückte bewegten Herzens für alle ihm an diesem Abend entgegengebrachten Kundgebungen von Teilnahme und Liebe den herzlichsten Dank aus, betonte die freundl. Unterstützung, die er in seinem amtlichen Wirken im Ort und Bezirk stets erfahren und schloß mit einem Hoch auf den Bezirk und Hirsau. Weitere Abwechslung und Anregung brachte das Singen verschiedener Lieder und erst in sehr vorgerückter nächtlicher Stunde trennten sich dre Festfeiernden hoch befriedigt über den gelungenen Verlauf der Feier und mit den besten Wünschen im Herzen für das fernere Wohlergehen ves Gefeierten und seiner verehrten Familie. — Tags zuvor wurde bei einem von hiesigen Frauen und Fräulein überaus zahlreich besuchten
Wirtschafterin, deren Vorladung zur Verhandlung das Gericht vorher nicht für nötig erachtet hatte.
Als sie kam und vernommen wurde, stimmten ihre Aussagen mit denen des Doktor Henrik vollständig überein. Sie war in jener Nacht von ihm geweckt worden, hatte Feuer angemacht, sich dann wieder niedergelegt, und am andern Morgen vom Diener den Tod des Fremden erfahren.
Die Einzelheiten, die sie berichtete, waren genau dieselben, wie Doktor Henrik sie angegeben hatte, so daß die Wahrhaftigkeit und Unschuld des Letzteren nun sonnenklar waren.
IV.
Der Präsident entließ die Zeugin.
Das Publikum begrüßte Doktor Henrik's Freisprechung mit lautem Jubel, — da, — im letzten Augenblicke rief noch der Staatsprokurator die Zeugin zu sich.
„Als Sie sich in dem Zimmer befanden, durch dessen Fenster man den Lichtschein gesehen hat", fragte er, „hatten Sie ein Licht in der Hand?"
„Ganz wohl."
„War der Angeklagte zugegen?"
„Ja"
„Hatte er ebenfalls ein Licht in der Hand?"
„Nein; es stand auf dem Tische."
„In diesem Zimmer schlief der Fremde, oder Sie glaubten, daß er noch schliefe?"
„Ja
„Hatten Sie damals Feuer in dem Zimmer Ihres Herrn schon angemacht?'
„>)a.
„Weshalb gingen Sie in das Zimmer des Fremden, was hatten Sie dazu thun?' Ich wollte meinen Herrn fragen, ob ich wieder zu Bette gehen könne?" „Woher wußten Sie denn, daß Ihr Herr in jenem Zimmer sich befand?"
„Er war krank, und so dachte ich mir, er sei dahingegangen, um ein Arzneimittel sich zu holen."
„Also er hat dort Arzneimittel vorrätig; — wahrscheinlich in einem Schranke?"
Die Frau antwortete nicht.
„Es scheint, als wenn Sie mich nicht verstanden hätten. Ich frage Sie, ob Ihr Herr die Arznei, die er habe holen wollen, in einem Schranke aufbewahrte. Ferner, ob er sie aus dem Schranke auch wirklich genommen und ob er dabei die Thür des Schrankes offen stehen ließ oder wieder schloß?"
„Als er ein Fläschchen Arznei herausgenommen hatte, schloß er die Thür wieder zu."
„Und dann öffnete er die Thür wieder, um das Fläschchen hineinzustellen?" „Ja-"
„Wie lange blieb der Schrank offen?"
„Ungefähr eine Minute."
„Hatten Sie unterdessen immer das Licht in Hand?"
„Nein; ich hatte es auf den Tisch gestellt."
„Befindet sich die Thür des Schrankes, wenn sie geöffnet wird, gerade zwischen dem Tische, auf dem die beiden Lichter standen, und dem Fenster in der Mitte?"
„Ich glaube wohl."
„Aber ich besinne mich nicht mehr — sagten Sie mir nicht schon, wo der Schrank steht, rechts oder links vom Fenster?"
„Links, der Stubenthüre gerade gegenüber."
„Hat der Schrank noch an derselben Stelle sich befunden, als Sie den Dienst Ihres Herrn verließen?"
Die Zeugin sah den Fragenden an, als hätte sie ihn nicht verstanden.
„Ich frage", wiederholte er, „ob der Schrank noch an derselben Stelle gestanden, als Sie den Dienst Ihres Herrn verließen, — oder hat man ihn vielleicht in ein anderes Zimmer dann gebracht?"
Die Frau schwieg wieder, während auf ihrem Gesichte ein Befremden sich ausdruckte, welches zu sagen schien, daß sie sich die Frage, die Sie beantworten solle, nicht erklären könne, oder daß Sie sehr sonderbar gestellt sei.
(Schluß folgt.)