Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Donnerstag 3. August

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1893 .

A m N i ch e i.

Nagold.

An die Orts-Borsteher.

Es ist zur Zeit eine Hauptaufgabe der Ortspo- lizeivehörden, mit Nachdruck dafür zu sorgen, daß die Erzeugnisse des Feldes gegen Entwendungen ge­sichert werden.

Vielfach sind Klagen über Entwendungen von Obst laut geworden.

Die Ortsvorsteher werden angewiesen, derartige Entwendungen auf Grund des Art. 36 d. Pol.-St.-G.-B. und zutreffendenfalls auf Grund des Z 361 Ziff. 9 des St.-G.-B. mit empfindlichen Geld- oder Hast- (Arrest-) Strafen abzurügen.

Diese Anweisung ist in den Gemeinden allgemein bekannt zu machen.

Weiterhin ist durch Rücksprache mit den Ortsschul- Jnspektoraten dahin zu wirken, daß die Schulkinder vor Entwendungen von Obst und anderen Feldfrüch- ten unter Hinweisung auf strengste Bestrafung ernst­lich verwarnt werden.

Der Vollzug vorstehender Anordnungen wird vom Oberamt kontroliert werden.

Den 30. Juli 1893.

K. Oberamt. Vogt.

Bekanntmachung.

Bei einem Pferd des Fuhrmanns M. Kirn in Egenhausen ist die Rotzkrankheit festgestellt worden.

Nachdem das Pferd auf polizeiliche Anordnung gelötet worden ist, ist die Seuche hiemit erloschen.

Nagold, den 1. August 1893.

K. Oberamt. Vollmar, Amtm.

Gestorben: 30. Juli zu Stuttgart Friedrich Graf v. Pttckler, Genekal L. 1. s. Sr. Mas. des Königs, 66 I. a.

Die Befähigung zum Gewerbebetrieb.

Unter den Anträgen, welche in der letzten kurzen Reichstagssession eingebracht wurden, aber mit den meisten ihresgleichen nicht mehr zur Erledigung ka­men, befand sich auch ein solcher, der es von neuem unternehmen wollte, die seit Jahren hart umstrittene Frage des Nachweises der Befähigung zum Betriebe eines Handwerkes, zu lösen. Seit etwa zehn Jahren sind Jahr für Jahr diesbezügliche Anträge im Reichs­tage eingebracht worden, welche die Erlaubnis zur Eröffnung eines Gewerbebetriebs von einem Nachweise der Befähigung, also von einer Art Meisterprüfung, abhängig gemacht sehen wollten. Diese Anträge sind wiederholt abgelehnt, wiederholt auch mit einer ge­ringen Mehrheit angenommen worden, haben indessen die Zustimmung des Bundesrates nicht zu finden vermocht. Die verbündeten Regierungen stellen sich aus den Standpunkt, daß die Einführung eines sol­chen Befähigungsnachweises nicht blos das Prinzip der Gewerbesreiheit durchbreche , sondern auch keine Garantie dafür biete, daß der betreffende Handwerker sein Geschäft in solider Weise betreiben werde, da wiederholt die Erfahrung gelehrt, daß man wohl ein geschickter Fachmann sein könne, aber doch kein reeller Geschäftsmann zu sein brauche. So ist die Angelegenheit denn bisher unverändert in der Schwebe geblieben. Es ist aber nicht zu leugnen, daß unter den Handwerkern und Kleingewerbetreibenden, gleich, viel welcher Partei sie angehören, ein recht tiefgehen­der Verdruß darüber besteht, daß sich so häufig frag­würdige Elemente, welche manchmal, um einen popu­lären Ausdruck zu gebrauchen, keinen blauen Dunst von den Details ihres Geschäftes haben, als Ge­

werbetreibende aufthun, sich mit einem stolzen Namen schmücken, das Geschäft und die Preise ruinieren und dann spurlos verschwinden. Nun weiß ja jeder Prak­tiker , daß es heute nichts weniger als schwer ist, einen Geschäftszweig zu ruinieren. Das Publikum einer deutschen Stadt soll erst noch einmal gesunden werden, welches nicht spornstreichs jede ihm nahe­gelegte Preisdrückerei mitmacht, ohne sich um den Ursprung derselben, sowie darug, zu bekümmern, ob denn diese Preise für die Dauer bestehen können. Das Publikum hält an solchen Pceissätzen lange fest, und ein reeller Gewerbetreibender, der seine solide Ware nicht umsonst liefern kann, der auch seine tüchtigen Arbeiter entsprechend bezahlen muß, hat einen schweren Kampf zu kämpfen, da er es mit dem Publikum schließ­lich ebensowenig verderben kann, wie mit seinem Re­nommee. Unter diesen Gedanken sind so ziemlich ausnahmslos alle Handwerker der Ansicht, es müßte doch ein Mittel gesunden werden, welches nicht jedem gestattete, ihnen in das Handwerk zu pfuschen und daß Handwerker eigcntl. nur derjenige sein soll, werffein Handwerk gelernt hat, alle übrigen aber nur das, was sie in Wahrheit sind, Händler. Verkannt wird dabei ja nicht, daß es unmöglich ist, den alten Hand­werksbetrieb in seiner vollen, früheren Ursprünglichkeit wiederherzustellen. Die Massenfabrikation und das Händlerwesen haben die früheren Grundlagen verrückt, und kein Gesetz der Welt wird im Stande sein, diese Neubildungen im geschäftlichen Leben wieder rück­gängig zu machen. Aber der Handwerkerehre kann doch durch diese Gesetzgebung mehr als bisher gedient werden und die Handwerker meinen doch, es werde sich manches ändern, wenn ihre äußere Stellung eine andere würde. Heute trampelt alles auf dem Hand­werk umher, da dies meist kapitalschwach ist: wenn das deutsche Reich dem Handwerk eine Fabrikatprümie oder dergleichen gewährte, dann brauchten wir keinen Befähigungsnachweis; aber solange keine praktische Unterstützung gewährt wird, kann der, welcher nichts hat, auch nichts anfangen, auch mit schönen Worten nicht. Und dann nun soll noch eine sehr ernste Sache berührt werden, der Handwerker besitzt nicht jene sog. geniale Gewandtheit, die manchem modernen Geschäfts­mann eigen ist und ihm ermöglicht, das Strafgesetz­buch und seine Paragraphen höchstens mit dem Aermel zu streifen. Und in der mitunter recht lohnenden Kunst des Bankerottmachens ist der deutsche Hand- Werker anerkanntermaßen kein Schlauberger.

Die gesetzliche Regelung dieser Frage ist zumeist daran bisher gescheitert, daß im Reichstage die Ein­führung einer Prüfung verlangt wurde. Das hat, von dem oben erwähnten abgesehen, stets seine zwei Seiten. Diejenigen, welche keine Prüfungen mehr zu machen haben, sehen die Dinge mit ganz anderen Augen an, wie diejenigen, welchen ein solcher Moment noch bevorsteht. Und die verbündeten Regierungen haben augenscheinlich nicht etwas zugestehen wollen, welches den Beifall der Einen, den Widerspruch der Anderen hervorgerufen und vielleicht dazu beigetragen haben würde, das Handwerk in zwei Lager zu spalten. Etwas anders stellen sich die Dinge aber dar, wenn die Errichtung eines selbständigeu Gewerbebetriebes von einer regelrecht beendeten Lehrzeit und von einem gewissen Lebensalter abhängig gemacht würde, derart, daß niemand einen Handwerkerbetrieb eröffnen, keine Lehrlinge und Gesellen halten darf, welcher nicht die von ihm vertretene Sache selbst gelernt hat. Er soll sonst Händler sein, weiter nicht. Nun wird man ja in unseren kritischen Zeiten niemanden sein Fortkommen

unnötig schwerer machen wollen, als es schon heute ist, ihn nicht verhindern dürfen, einen neuen Beruf zu ergreifen, wenn er mit dem Alten nicht zurecht kommt. Aber auch das würde in diesem Falle nicht geschehen, denn die Thatsache, daß Handwerksmeister noch total umsatteln, ist recht selten. Gesellen und Gehilfen wenden sich wohl noch zu einem verwandten Handwerk, aber Handwerksmeister kommen im ungün­stigen Gange ihrer Geschäfte meist zum Händlertum und dergleichen. Durch eine solche gesetzliche Vor­schrift würde den Großkapitalisten die Möglichkeit genommen, direkt mit dem Handwerk zu konkurrieren. Das ist aber auch kein Unglück; wer Geld hat, wird schon nicht zu darben brauchen, während die Hand­werker heute ununterbrochen sich mühen und Plagen und doch nicht auf einen grünen Zweig kommen. Eine solche Gesetzesvorschrift würde freilich noch lange nicht alles thun, das Handwerk, das damit gesammelt ist, muß dann erst avancieren. Es ist unendlich weit zurückgedrängt, schwer geschlagen, aber doch noch lange nicht bis zur Vernichtung. Und es handelt sich heute durchaus nicht nur um das Handwerk. Wir haben im deutschen Reiche Tausende von intelligenten Ge- Hilfen und Gesellen, die einen prächtigen Meister ab­geben würden, denen aber im Laufe der ungemein eintönigen Fabrikarbeit alle spezielle Fertigkeit abhan­den kommt. Sie würden gern selbständig werden und eine eigene Werkstatt anlegen, an praktischen Kenntnissen fehlt es ihnen ebensowenig, wie an Ar­beitslust, aber sie können es doch nicht, denn immer sagt man ihnen und sagen sie sich selbst: Dazu gehört so und so viel Geld und das hast Du nicht! Sind wir denn aber wirklich schon soweit, daß jemand, der nicht wenigstens tausend Thaler hat, gar nichts mehr anfangen kann? Sollen denn fleißige und ge­schickte Hände, ein Heller Kopf gar nichts mehr gel­ten? Das wäre doch schlimm und müßte unendlich bedauert werden.

Vor den letzten Wahlen sind den Handwerkern wieder mancherlei Versprechungen gemacht worden. Viele schöne Worte haben sie gehört, und sie hoffen auch wohl, daß mindestens ein Teil davon sich er­füllen und in praktische Thaten umgesetzt werden wird. Freilich fehlt es auch nicht an solchen Mitgliedern des Handwerkerstandes, die durch viele trübe Erfah­rungen schon recht pessimistisch gestimmt worden find. Alle sind es aber wackere Leute, die man nicht länger warten lassen sollte. Und gerade beim Handwerk sollte doch an die alte Wahrheit gedacht werden: Probieren geht über Studiexen!

Tages-WeuigkeiLen.

Deutsches Weich.

Nagold, 30. Juli. Der hiesige Kranken- umerstützungsverein hielt am heutigen Sonntag in derRose" seine halbjährige Hauptversammlung, die aus Anlaß der Feier des 25jährigen Bestehens dieses Vereins sehr zahlreich besucht war. Nach Eröffnung der Versammlung durch den Vorstand uvd ebenfalls 25jährigen Leiter des Vereins, Re­dakteur Steinwandel, wurde zur statutenmäßigen Neuwahl des Ausschusses geschritten, welche wiede­rum ein Vertrauensvotum für denselben war, indem die seitherigen Mitglieder zur Wiederannahme ihrer Stellen berufen wurden. Aus dem vorgetragenen Rechenschaftsbericht, der allgemein befriedigte, ent­nehmen wir folgende Zahlen: Es betrugen vom 1. Januar bis 31. Juli d. I. die Einnahmen 495 65 die Ausgaben 419 34 Bei 34 Kran-