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** Nagold, 29. Juni. Das in allen Teilen wohlgelungene, reich gesegnete Jahresfest des Kinderrettungsvereins, mit dem zugleich das Jahressest des Hilssbibelvereins verbunden war, wurde heute in Sulz gefeiert. Zu demselben hatten sich die meisten Vereinskinder mit ihren Pflege- eltcrn eingefunden. Vor dem Festgottesdienst wurden Pe in derKrone" bewirtet. Unter dem Geläute der Glocken zogen sie in die schöne, geräumige Kirche, in der sich die Gemeinde mit der zahlreichen Jugend eingcfunden hatte, um zum erstenmale diese Jahres­feste mitzufeiern. Nach dem Gemeindegesang (Lied 276) hielt der Ortsgeistliche, Pfarrer Wacker, die Eröffnungspredigt über l Mose 18, 1. Er redete von den wichtigen Aufgaben der Eltern und Pflegeeltern, ihre Kinder durch Wort und Beispiel im Sinne des Textes zu erziehen, sowie davon, wie denselben bisher Genüge geleistet worden sei. Auch an die Pflegekinder wurden ernste Worte gerichtet. Daran reihte sich der Bericht über den Kinderret­tungsverein. Die Summe der Einnahmen des Vereins belief sich im abgelaufenen Vereinsjahr auf 1787,85 Sie floß aus Kostgeldern der Gemeinden, aus einem namhaften Beitrag der Amtskorporation, aus frei­willigen Liebesgaben, Vermächtnissen und Kirchen­opfern zusammen. Ausgaben hatte der Verein 1707,32 so daß in der Kasse blieben 80,53 ^ Die Zahl der Pfleglinge ist gegenwärtig 29, nämlich 20 Knaben und 9 Mädchen. Von diesen sind 28 im Bezirke, ein Knabe in Leonberg untergebracht. Pfarrer Schick von Gültlin- gen redete über die Bibelsache. Er legte seiner

Ansprache die Worte zugrund: Weil du von Kind auf die h. Schrift weißest rc. und beantwortete die beiden Fragen: Was haben wir an der h. Schrift? Wie sollen wir dieselbe gebrauchen? Dann wurde über den Hilfsbibelverein des Bezirks Bericht erstattet. Am I. April 1892 war der Kassenstand 94,56 Aus h. Schriften wurden erlöst 80l,4l v-L. Das Opfer am Reformationsfest betrug im ganzen Bezirke 328,50 Durch Beiträge und Kollekten flössen der Kasse ^ 432,34 zu, so daß sich die Gesamtein­nahme auf die Summe von 1656,83 ^ belief. Dieser Einnahme steht eine Ausgabe von 1506,69 ^ gegenüber, so daß in der Kasse blieben 150,14 Unter den Ausgaben befinden sich 120 -/A für Bi­belblätter, welche denjenigen Mitgliedern des Bibel- Vereins in den Bezirksorlen unentgeltlich zugesendet werden, die einen jährlichen Beitrag von 1 ^ be­zahlen. Der Bibelanstalt in Stuttgart konnte von unsrem Verein ein freier Beitrag von 400 ^ Übermacht werden, obgleich von verkauften Bibeln und Neuen Te­stamenten 318,6 am vollen Preise nachgelassen wur­den. Zum Schlüsse hielt der Vereinsvorstand, Dekan Schott von Nagold, mit den 21 anwesenden Vereinskindern (13 Knaben und 8 Mädchen) eine ansprechende Katechese über den Hauptmann zu Ka- pernaum (Ev. des letzten Sonntags). Nach dem 2ftrstündigen Festgotkesdienst versammelten sich die Kinder mit ihren Angehörigen wieder in derKrone," um vor der Heimkehr nochmals bewirtet zu werden. Denselben wurden zur Erheiterung biblische Rätsel­fragen vorgelegt, deren Beantwortung nut kleinen Preisen bedacht wurde. Hiezu hatte sich auch der Kirchengemeinderat von Sulz eingefunden. Zu den Kosten des Festes spendeten, wie wir hörten, Freunde des Vereins einen namhaften Beitrag: auch das Kirchenopser, das dem Verein zukommr, fiel sehr lustig aus.

* Nagold, 30. Juni. Vorgestern 2^4 Uhr mittags brannte das Sägewerk des Werkmeisters Benz an der Herrenberger Straße vollständig nieder. Die Entstehung des Feuers ist noch nicht ausgeklärl. Ware der Brand bei Nacht ausgebrochen, so hätte das Wohnhaus schwerlich gerettet werden können, so aber konnte die Feuerwehr mit vorteilhafter Be­nützung der Wasserleitung der Wciterverdreilung des verheerenden Elements Einhalt rhun und das Feuer aus die Säge beschranken. Der Besitzer war dienstlich abwesend und erhielt telegraphisch von dem Brande Nachricht.

In Höfen, OA. Neuenbürg, hat am 20. d. M. der 22 Jahre alte Maurer Ludwig Großmann aus Pfinzweiler den 13 Jahre alten Flößerssohn Wilh. Gioßmaun von Höfen mit einem etwa ein halb Kilo schweren Stein aus geringfügigem Anlaß dermaßen a» den Kopf geworfen, daß derselbe am 24 d. M. gestorben ist. Der Thäter ist verhaftet.

Heilbronn, 27. Juni. Heute früh übergab ein auswärtiger Herr einer Frau aus dem Mainhardter Wald, welche Heidelbeer feil hatte, einen 100 Mark- Schein zum Wechseln; die Frau verschwand eiligst mit dem Schein, ohne bis jetzt wieder zurückgekommen zu sein. Die von der hiesigen Polizei ausgeführte Verfolgung blieb ohne Ergebnis.

Die Erkrankungen im Jnfanterie-Leibre- giment in München. Nach amtlicher Mitteilung sind von den 637 erkrankten Mannschaften des Jn- fanterieleibregiments in München 16 gestorben, 173 geheilt, 280 noch an Abdominaltyphus, 168 an In­fluenza, Lungen- und Halsentzündung oder Gelenk­rheumatismus erkrankt. Man befürchtet, daß ein Teil der Jnflucnzakranken noch typhös erkranken wird. In den heißen Tagen sollen die provisorisch in Ar­tilleriebaracken untergebrachten gesunden Mannschaf­ten überaus unter der Hitze zu leiden gehabt haben, da die unter dem Dach gelegenen Räume nicht ge­nügend frische Luft haben sollen. Ein Blatt will sogar wissen, daß zwei Todesfälle auf diesen Um­stand zu zurückzuführen seien.

Leipzig, 26. Juni. Freude herrscht in Leip­zigs Hallen über die heute veröffentlichte Nachricht, daß Fürst Bismarck auf seiner Reise nach Kissingeu am 15. Juli hierher kommen werde. Leipzig ist die­jenige Stadt unter den deutschen Großstädten, die in Verehrung und Dankbarkeit für unseren Nationalhel­den aufgeht. Hier wird dem Ehrenbürger der Stadt eine Aufnahme zu Teil werden, die für den Patrio­tismus der Bürgerschaft ein glänzendes Zeugnis ab- legen wird.

Die neue Militärvorlage nach dem Antrag Huene, wie sie dem Reichstage in der kommenden Dienstag beginnenden Sesfion vorgelegt werden soll, ist schon seit mehreren Wochen fertig gestellt, und hat selbstverständlich auch schon die Zustimmung des Bnndesrates. Wenn in Berliner Zeitungen mi - geteilt wird, hierüber müßten noch Beschlüsse gefaßi werden, so ist das also unzutreffend.

Bon Schneidemühl aus ergeht ein Hilferuf, dem wir entnehmen: Bei Bohrung eines artesischen Brunnens brach aus einer Tiefe von 75 Metern ein mächtiger erdhaltiger Wasserstrahl hervor, der aller Maßregeln ungeachtet in einem Zeitraum von 5 Wo­chen rund 8400 Kbmtr. ausgeschwemmter Erde dem Erdkörper entzog und an den bedrohten Stellen all­mählich Bodensenkungen bis zu 1 Mtr. verursachte. Die dadurch entstandenen Verwüstungen spotten jeder Beschreibung. Der Erdboden klaffte auseinander, das Straßenpflaster und die Trottoirplatten hoben sich und bildeten Hügel mit Hohlräumen, die Gebäude barsten auseinander und stürzten zum Teil zusammen. Die noch stehenden Gebäude müssen gesprengt und abgetragen werden. Von der Katastrophe sind 20 Grundstücke mit teilweise wertvollen 2- und 3stockigen Häusern betroffen. 86 Familien mit 327 Köpfen ha­ben ihre Wohnstätten verlassen müssen; ihre Erwerbs­quellen sind beeinträchtigt, der Kredit ist erschüttert; die Hausbesitzer, Haus und Hof verlierend, sind der Verarmung Preis gegeben. Der entstandene Scha­den wird auf mehr als eine Mill. geschätzt. Zur Milderung dieses Elends ist ein Ausschuß zusammen­getreten, der sich an die allgemeine Wohlthätigkeit, au den Gemeinsinn aller Bürger des weiten deutschen Vaterlandes mit der dringenden Bitte, sich der Not der Verunglückten durch Spendung von Gaben zu erbarmen, wendet. llnlerstützungsbeiträge nimmt die Schnerdemühler Stadthauplk.ffse entgegen.

Die Wahlergebnisse sind jetzt bis auf 5 be­kannt. Die Mehrheit für die Militäcvorlage beträgt 208 (unter 397 Abg.), wenn man die Polen, die Antisemiten und die Mitglieder der Freis. Vereinig, sämtlich cinrechuet, die sog. Freihändigen unter den Zentrumsmitgliedern aber hiebei ungerechnet läßt. Von allen Parteien erhielten die Nationalliberalen den stärksten Zuwachs, dann die Antisemiten, die Sozialdemokraten und die Konservativen.

Berlin, 27. Juni. Ahlwardt wurde heute vom hiestgcn Landgericht I wegen Beleidigung der Gesamtheit der preußischen Beamten des JustizressortS, begangen in seiner Essener Rede, zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Berlin. 27. Juni. Bebel erklärte privatim, daß er die Wahl in Straßburg annehme; also hätte Hamburg wieder zu wählen.

Berlin, 28. Juni. Bis Mittag sind 392 von 397 Wahlen bekannt, davon 75 Konservative, 23

Reichsp., 53 Nat.-Lib., 13 freisinn. Bereinigung, 25 freis. Volkspartei, l 1 süddeutsche Bolkspartei, 92 Zentrum, 2 Bauernbund, 7 Welfen, 19 Polen, 1 Däne. 10 Elsäßer, 17 Antisemiten, 44 Sozialdemo­kraten.

Die deutsch-russischen Handelsvertrags- Verhandlungen dauern formell noch immer fort, und man kann also allerdings nich: von einem de­finitiven Abbruch der Verhandlungen sprechen. Aber ebensowenig kann man auch sagen, daß irgendwelche begründete Aussicht auf das Zustandekommen eines Vertrages besteht, denn cs ist Thatsache, daß die Reichsregierung die russischen Vorschläge als nicht genügend bezeichnet, während die Petersburger Re­gierung nicht weiter gehen will, als sie heute ge­gangen ist. Die Ausführung ihrer Drohung, gegen Deutschland einen Zollkrieg zu eröffnen, können wir ruhig abwarten.

Das älteste Mitglied des neuen Reichs­tags ist der Zentrumsmann Dieden. das jüngste Mitglied dürfte der Sozialdemokrat Bueb sein, der an Stelle Hickels den Wahlkreis Mülhiusen i. Ets. im Reichstag vertreten wird. Bueb ist geboren in Mülhausen am 12. Dezember 1865, also kaum 27flü Jahre alt. Er ist Schreiber in Slraßburg. Als vor drei Jahren die Rede davon ging, ein sozialde­mokratisches Organ in Mülhausen zu gründen, glaubte man keine bessere Persönlichkeit für den Redakceac- posten finden zu können, als den jungen Bueb.

Äeltrrreich-ttngarn.

Prag, 27. Juni. Die Ortschaft Hinan in Nocd- böhmen brannte bei heftigem Sturmwind vollständig nieder. Drei Menschen fanden in den Flammen den Tod.

Frankreich '

Der Stand der französischen Ernte war, nach amtlicher Zusammenstellung des Pariser Land­wirtschaftlichen Bureaus, am 15. Juni im Allgemei­nen günstig, der des Hafers gut in 10 Departements, ziemlich gut in l2 Departements, le.wlich ,n 15 De­partements , mittelmäßig in 37, schlecht in 10 De­partements. Das Fntterquanlum war in 5 Depar­tements gut, in 8 ziemlich gut, in l l erträglich, m 32 mittelmäßig, in 28 schlecht.

Die Fniternot. Es scheint nach den vorlie­genden Nachrichten, daß der Futtermangel in Frank­reich und Belgien im Durchschnitt noch weit größer ist, als bei uns in Deutschland. Aus Frankreich und Belgien liegen mehrfache Mitteilungen vor, daß man dort umfassende Vorkehrungen trifft, um aus dem Ausland, insbesondere auch aus Deutschland. eine reichliche Zufuhr von Futtermitteln ins Werk zu se­tzen. Es dürste trotz des inzwischen eingetrcteaen erfreulichen Umschwungs der Witterung wohl zu überlegen sein, ob ein schleuniges Ausfuhrveraoc nicht vom Bnndesrat verhängt werden muß, damit nicht durch erhöhte Ausjuhr der jetzt in Deu.schland noch vorhandenen Futtecvorcäte die Preise noch mehr ge­steigert werden.

Englan d.

London, 27. Juni. Die Nachricht vom Tode des Cornelius Herz wird von Borncmouth aus de­mentiert. Der Zustand Herz' hat sich nicht geändert. B r i e n t.

Neulich ist bekanntlich gemeldet, der Kaiser von Rußland habe dem türkischen Sultan ein Album, mit den Abbildungen der ruffischen Schwarzen-Meecflotte verehrt. Der Sultan revanchiert sich jetzt durch ein türkisches Flottenalbum.

Asien.

Dsch edda, 26. Juni. Gestern sind in Mekka 455 Todesfälle infolge der Cholera vorgekommen.

Jeddah, 27. Juni. Gestern kamen in Mekka 999 Choleratodesfälle vor.

Den Bericht über die Versammlung des Württ. SchwarzwaldvereinS können wir leider erst in nächster Nummer folgen lassen.

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Hiezu das Unterhaltungsblatt Nro. 26. _

üerantworilicher Redakteur Steinwandel iu Nagold. Druck und Verlag der G- W. Zaiser'schen Buchbruckerei.

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