Der Gesellschafter.
Amts- und Jntelligeuz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
.V 62.
Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 -1, in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 1 30
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Dienstag 30. Mai
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1893.
Amtlicher.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Aufnahme von Zöglingen in die Ackerbauschulen.
Mit dem Ablauf des Schuljahres 1892/93 wird eine Anzahl von Zöglingen in die Ackerbauschulcn zu Hohenheim, Ellwangen, Ochsenhausen und Kilchberg ausgenommen. ES werden daher diejenigen Jünglinge, welche in die eine oder die andere Acker- bauschule einzutreten wünschen, aufgefordert, sich innerhalb 4 Wochen, von heute an gerechnet, je bei bem Borsteheramt der betreffenden Anstalt zu melden. Die Aufznnehmenden müssen das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben, vollkommen gesund, für anhaltende Feldarbeiten körperlich erstarkt und mit den gewöhnlichen landwirtschaftlichen Arbeiten bekannt sein, die Kenntnisse eines guten Bolksschülers und die Fähigkeit besitzen, einen einfachen Vortrag über Landwirtschaft und deren Hilssfächer aufzufassen. Kost, Wohnung und Unterricht erhalten die Zöglinge für die von ihnen zu leistenden Arbeiten, woneben sie nach Maßgabe ihrer Leistungen und ihres Verhaltens je am Schluß des Schuljahres noch mit besonderen Prämien bedacht werden können. Etwaigen Bedürftigen kann außerdem eine Unterstützung in Aussicht gestellt werden.
Mit dem Eintritt in die Schule ist die Verpflichtung zu übernehmen, den vorgeschriebenen Lehrkurs, welcher in Hohenheim, Ellwangen und Ochsenhausen Z Jahre dauert, in Kilchberg zunächst auf 2 Jahre bestimmt worden ist, vollständig durchzumachen, und zu diesem Zweck im Fall der Aushebung zum Militärdienst von der Vergünstigung, sich zurückstellen zu lassen, Gebrauch zu machen.
Den Eingaben, in welchen die bisherige Laufbahn des Bewerbers darzulegen ist, müssen em Geburtsschein, Impfschein, ein Zeugnis des Gemeinderals über das Heimatrecht und das Prädikat des Bewerbers, über den Stand und den etwaigen Grundbesitz des Vaters und das dem Bewerber etwa von seinen Eltern anfallende Vermögen, sowie eine schriftliche Einwilligung des Vaters, beziehungsweise Vormunds, zum Besuche der Ackerbauschule beiliegen.
Die Bewerber, welche nicht durch besonderen Erlaß zurückgewiefen werden, haben sich am Montag, den 17. Juli d. I., morgens 8 Uhr, zur Erstehung einer Vorprüfung in Hohenheim em- zufinden.
Stuttgart, den 17. Mai 1893.
v. O w.
Bekaunt«achung deS Kriegsmimfteriums, betreffend den Ankauf von Zugremouten für die Feldartillerie.
Das Kriegsministerium beabsichtigt, eine Anzahl ZugrrmoNjten für die Königliche Feldartillerie frei- händig durch eine besondere Kommission im Lande auskaufln zu lassen und zwar im Anschluß an die staatliche Prämierung ausgezeichneter Zuchtpferde und Fohlen
am 8. Juli in Herrenberg, am 11. Juli in Saulgau unter folgende^ Bedingungen :
l) die Pferde müssen mindestens 1,61) m Stockmaß haben, im Alter von 4—6 Jahren stehen und nach Knochenstärke, Form und Gang sich zu Artillerie-Zugpferde» eignen, also Zugfähigkeit mit Beweglichkeit verbinden.
3) Hengste, Spitzhengste, trächtige Stuten, Schimmel und Falben sind vom Ankauf ausgeschlossen.
3) Der Ankauf erfolgt nur von Züchtern oder Pferdebesitzern. Die Abstammung der Pferde ist durch Deckschein nachzuweisen.
4) Der Verkäufer haftet für die gesetzlichen Gewährsmängel (Reg.-Bl. vom 4. Februar 1862).
5) Die angekauften Pferde werden sofort gegen baare Bezahlung abgenommen. Jedem Pferde ist eine Trense und ein Halfter mit je 2 m langen Stricken mitzugeben.
Stuttgart, den 20. Mai 1893.
Schott von Schottenstein.
Nagold.
Aushebung der Militärpflichtige».
In Folge der aus den 15. Juni d. I. angeordneten Reichstagswahl haben die festgestellten Reisepläne der K. Oberersatzkommissionen eine teilweise Aetderung erfahren und findet die Vorstellung der Militärpflichtigen zur Aushebung im Bezirk Nagold nunmehr am 28. und 30. Juni d. I. statt.
Nähere Bekanntmachung wird später Nachfolgen.
Den 29. Mai 1893.
K. Oberamt. Vogt.
Die zweite Schulstelle iu Ebhausen wurde dem Unterlehrer Arnold in Nagold und die Schulstelle in Holzbronn dem Unterlehrer Schnitzler in Linsenhofen, Bez. Nürtingen, übertragen.
Gestorben: in Watertown, Wis. Johann Jakob Gutekunst aus Haiterbach.
Die Handwerker und die Reichstagsneuwahlen.
Von manchen anderen Dingen, als von der Militärvorlage, ilt im Wah kämpfe für die Reichstagsneuwahlen noch die Rede, und manche Jnteres- sentengruppe, von größerer oder geringerer Bedeutung, an der Spitze der Bund der Landwirte, vertritt in der Bewegung seine Forderungen mit dem größten Eifer. Es ist das nur erklärlich und auch ganz natürlich, aber was die Einen thun, sollten die Anderen nicht lassen. Bisher noch völlig im Hintertreffen stehen die Kreise der Handwerker und der kleinen Gewerbetreibenden, obwohl diese Kreise mit mindest eocnso gcoßem Recht und mit nicht geringerer Ursache sprechen können und sollen. In jeder Reichstagssession ist sehr viel von der Handwerkernot und von Vorschlägen für eine gedeihliche und praktische Handwerkergesetzgebung die Rede, in jeder Reichstagssession wird hierüber sehr viel gesprochen, aber sehr wenig beschlossen, denn wenn das Ende der Verhandlungen da ist, so gehören zu den unerledigt gebliebenen Gesetzentwürfen und Anträgen stets diejenigen, welche den Handwerkerstand betreffen. Mancher von den gestellten Anträgen ist gewiß nicht in der Form praktisch verwertbar, in welcher diese ge- dacht worden ist, und es knüpft sich deshalb daran eine recht heftige Debatte, aber es scheint nachgerade doch, daß man auch h'er einmal sagen sollte: Probieren geht über Studieren! Und in gewissem Sinne und mit bestimmter Beschränkung dürste das gewiß zutreffend sein. Gewiß kommen auch heute noch manche Handwerker und kleine Gewerbetreibende auf einen grünen Zweig, aber diese eine Thatsache schließt doch die andere nicht aus, daß außerardenllich viele selbständige Handwerker ein recht hartes Brod essen und nicht von der Stelle komme» Das Unglück der Handwerker, das mit allen schönen Worten nicht aus der Welt zu bannen ist, ist nun einmal, daß der Kreis ihrer Thätigkeit ein begrenzter ist. während die koakncrie-
rende Großindustrie viel freier sich bewegen kann, und daß in dieser engen Thätigkeit die Kosten von Jahr zu Jahr aus verschiedenen Ursachen größer werden, während der kleine Geschäftsmann doch nun recht schwer wirklich ihm bemerkbare Preiserhöhungen vornehmen kann. Zur Abhilfe dieses Uebels giebt es kein anderes wirksames Mittel, als gesteigerten Absatz und damit erhöhten Verdienst, denn bei der Konkurrenz der Maschiuenfabrikation und den bekannten tristen Zeiten ist an nennenswerte Preisaufschläge nicht zu denken. Zu diesem erhöhten Absatz kann man das breite Publikum, das auch heute noch in recht bedenklichem Maße dem Grundsätze, „Billig, aber schlecht," huldigt, nicht bei den Ohren herbeiziehen, aber man kann ihn dadurch ermöglichen, resp. fördern, daß dem Handwerk eine andere und höhere soziale Stellung gegeben wird. Dagegen Hilst der Einwand nicht, daß das Handwerk verloren sei. wenn es sich nicht selbst helfen könne; die reichen Fluren welche in den Flußniederungen liegen, können auch nur durch Walle gegen Ueberflutungen gesichert werden und das Handwerk kämpft heute einen Existenzkampf unter Verhältnissen, die übermächtig sind. Das Handwerk ist von seiner früheren, machtvollen Stellung nicht durch seine Schuld herabgekommen, sondern dadurch, daß sich alles Geld den Groß-Un- terneymen zuwandte. Große Geldanlagen in einem Handwerksbetrieb können sich selbst im günstigsten Fall nur schwach verzinsen, und wollte man den Betrieb entsprechend erweitern, so würde er eben aufgehört haben, den Namen Handwerksbetrieb zu führen und zu verdienen. Wollen wir alle Handwerksbetriebe auf gleichen Boden mit Fabrikbetrieben stellen, so würde nur der Mittelstand gewaltig geschwächt, die Arbeitermasse bis zu einer Ausdehnung vermehrt werden, welche den tiefsten Einfluß auf die Lohnverhältnisse haben müßte. Die Erhaltung eures kräftigen, aus seinen Stand stolzen Handwer- kes liegt aus diesen Gründen im Interesse der Allgemeinheit, noch im Besonderen in dem der Arbeiter deshalb, weil der strebsame Arbeiter so ungemein oft zum Handwerker oder -cleingewrrbetreibendcn wird. Welche Aussichten hätten denn noch die Tausende von Handwerkslehrlingen und Gewerbegehilfen» wenn auf einmal dem selbständigen Handwerkertum nur die Wahl bliebe, zu verschwinden oder die Gestalt eines Fabrikdetrieves anznnehmen? Im Handwerksbetrieb giebt es ja, wie überall, auch Schattenseiten; aber so viel steht fest, bei einer ins Ungemessene gehenden Vermehrung der Fabrikvetriebe und bei einem Verschwinden des Handwerks würden gerade die am meisten stöhnen und wehklagen, die da meinen, das Handwerk habe sich überlebt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist der von Millionen von Dollars unterstützte und geförderte Fabrikbetrieb obenauf; aber wie sieht's dort aus? Arbeiter nnd Polizei führen alle Augenblicke regelrechte Straßenkämpfe auf, versagt dem Arbeiter, der ja doch nur eine Ziffer in solchem Riesenbetrieb bedeutet, die Kraft, so wirft man ihn auf die Straße, mag ec dort sterben und verderben. Und trotz allem ist die Arbeislosigkeit eine ungeheure, eine viel größere. als bei uns; es giebt eben bei vermehrten Großbetrieben, bei denkbar größter Ausnutzung der maschinellen Leistung für die Arbeit der Menschenhände am allerfrühesten eine Stockung und einen Stillstand. Wir wollen deshalb bei uns in Deutschland lieber an einem kräftigen Stand des Handwerks und der kleineren Gewerbetreibenden sesthal- ten, und damit Kraft und Saft im Mittelstand, bleibe,