zur Traube wurde das Mittagsmahl eingenommen und abends konzertierten beide Vereine im Gasthof zur Linde. Vorstand Luz von hier begrüßte in warmer Ansprache die HH. Sänger, worauf gemein­schaftliche Gesänge. Einzelgesänge, Solis, Klavier­vorträge und Deklamationen den zahlreich erschienenen Zuhörern angenehme Abwechslung boten. Heute früh wurde ein Spaziergang gemacht, dabei auch die große TanneBerthatanne" besucht, sogar von einem turnerisch angelegten Mitglied des Sängerkranzes bis auf den Gipfel bestiegen. Der Stuttgarter Sän­gerkranz fühlte sich in unsrer Schwarzwaldluft ganz wohl und ungern schieden die liebgewordenen Gäste von hier.

Effringen, 19. Mai. (Korresp.) (Unliebsam verspätet) Am vorletzten Sonntag besuchte uns der neugegründete GesangvereinLiederkranz" von Wild- bcrg. Bald entwickelte sich im Gasthof zumHirsch" ein reges Leben, da Jung und Alt dem edlen Wett­streit der beiden Vereine von Effringen u. Wildberg anwohnen wollte. Bei gedrängt vollem Saal be grüßte der Vorstand des Effrg. Vereins, Schullehrer Gsell den sehnsüchtig erwarteten Gast mit einer er­munternden Ansprache, in welcher betont wurde, daß der Gesang mehr zu pflegen sei. Sein Hoch galt dem deutschen Lied. Im Gasthof z.Pflug" wurde der edle Wettstreit weiter gesponnen, bis zur fest­bestimmten Stunde beide Vereine sich trennten, welche den Beifall des hiesigen und auswärtigen Publikums ernten durften. Dem Verein Wildberg soll auch von dieser Seite aus gratuliert werden zu seinem tüchtigen Direktor. Die Produktionen zeugten von guter Schu­lung. Noch ist zu berichten, daß die projektierte Wasserleitung hier bis auf weiteres sistiert worden ist. Am 18. Mai feierten hier in aller Stille das seltsame Fest der goldenen Hochzeit Johann Andreas Kemps und seine Ehefrau geb. Hermann. Das Jubelpaar erfreut sich trotz des hohen Alters (der Ehemann zählt 79 Jahre, die Ehefrau 70 Jahre) der besten Gesundheit und sind beide imstande, ihren Berufsgeschäften noch nachzukommen. Möge dem Jubelpaar noch ein langer, ungetrübter Lebensabend beschieden sein!

> Pfalzgrafenweiler, 22. Mai. Heute wurde unser Ortsvorsteher Widmaier unter ausnahms- weise großer Leichenbegleitung zu Grabe getragen. Während seiner 20jähr. Amtsthätigkeit hatte er sich in seiner Gemeinde allgemeine Achtung und Liebe erworben. H. Grünbaumwirt Neiding legte im Namen der bürgert. Kollegien, H. Stadtschultheiß Hartranft vo^ Freudenstadt im Namen der Amts­korporation einen Kranz aufs Grab. Neben andrem hatte der Verstorbene seiner Gemeinde nach langem Kampf den Genuß einer guten Quellwasserversor- gnng verschafft.

Calw, 19. Mai. Unser seith. bewährter Reichs- tagsabg. v. Gülrlingen hat sich zur Uebernahme einer Kandidatur zur großen Befriedigung seiner Wähler endgiltig bereit erklärt; an seiner glänzenden Wiederwahl ist nicht zu zweifeln.

Calw, 20. Mai. Dem bisherigen Reichstags­abgeordneten des 7. württembergischen Wahlkreises, Frhr. v. Gülrlingen in Stuttgart, der die chm angebotene Kandidatur wieder angenommen hat, ist von Seiten der Volkspartei der frühere Eisenbahn- unlernehmer und jetzige Privatier Cleß in Stutt­gart gegenüber gestellt worden. Die Sozialdemokraten haben den Handschuhmacher Prvß von Eßlingen aus­gestellt. Zwischen der deutschen Partei und der De­mokratie wird allem nach ein heftiger und leiden­schaftlicher Parteikampf entbrennen.

O Calw, 23. Mai. Auf bis jetzt noch nicht aufgeklärte Weise, wahrscheinlich durch Erschütterung, explodierte beim Einlaufen des heutigen Bormittags­zuges im hiesigen Bahnhofe ein großer Behälter mit Phosphorsäure. Die Feuerwehr war sofort zur Stelle, konnte aber das Feuer nicht dämpfen. Ein Unglücksfall ist glücklicherweise nicht zu verzeichnen.

Stuttgart, 20. Mai. Mit dem in der Irren­anstalt Jllenau verstorbenen Dr. v. Teuffel ist einer unserer gesuchtesten praktischen Aerzte namentlich auf dem Gebiete der Geburtshilfe dahingeschieden. Wie bekannt, assistierte Teufel auch beim letzten Wochenbett der verstorbenen Prinzessin Marie.

Stuttgart, 20. Mai. Ständisches. Im Druck erschienen ist der Bericht der volkswirtschaftlichen Kommission der Kammer der Abgeordneten über den Entwurf eines Ge­setzes, betreffend die Beschaffung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau, sowie für außerordentliche Bedürfnisse der Derkchrsanstalten-Verwaltung in der Finanzpcriode 1893195.

Bcrichtcrstaitrr v. Lcibbraud. Die Anträge der Kommis sion gehen mit einer geringen Ausnahme durchweg auf Zu­stimmung zu den einzelnen Artikeln des Gesetzes, dessen wich tigsten Teil die zur Entlastung des Bahnhofs Stuttgart not­wendigen baulichen Anlagen ausmachen.

Ständisches. Bekanntlich konnte, solange das einst­weilige Schicksal der Militärvorlage noch nicht entschieden war, die Höhe des Matrikularbeitrags Württembergs noch nicht festgesetzt werden. Nunmehr ist derselbe, während er 1892193 15,700,000 betrug, pro 1893/94 auf 15,545,229 und pro 1894195 auf 16,809.009 normiert worden. Für den Fall, daß späterhin durch den Reichsbaushaltsetat eine Erhöhung des Matrikularbeitrags bestimmt würde, bleibt die Einbringung eines Nachtragsetats Vorbehalten. Es sind für diesen Fall 914,625 aus der Restverwaltung reserviert worden. Der Anteil Württembergs aus den Zöllen, der Tabak- und Branntweinsteuer und den Reichsstempelabgaben ist mit je 14,388,830 in den Etat pro 1893195 eingestellt gegen 14,109,910 pro 1892193. Der schon seit längerer Zeit bestehende Plan, daß der Staat der K. Zivillistever­waltung das Marstallgebäude an der Königsstraße abkaufen will, ist nunmehr zur Thatsache geworden, indem die Regie­rung vorbehältlich der Genehmigung der Stände das Areal für 1,790,000 übernehmen will, und zwar gegen 8 Vier­teljahrsraten von je 212,500 .2 zunächst aus Mitteln der Grundstocksverwaltnng. Die Zahlung der ersten Rate soll am 1. Januar 1894, die der letzten am 1. Oktober 1895 er­folgen. Hingegen verpflichtet sich die K. Zivillisteverwaltung ein neues Marstallgebäude auf dem Platze des Schloßbaucs (Akademie) zu errichten. Die Regierung befürwortet weiter, das Betriebs- und Vorratskapital der Staatshauptkasse von 6 Millionen auf 7 Millonen Mark zu erhöhen, da ein Be­dürfnis hiefür vorliegt. Bei der Deckung des Fehlbetra ges für die neu zu gründende Pensionskasse für Köryerschafts- beamte handelt es sich nicht, wie schon irrtümlich angegeben wurde, um ein Eintreten des Staates, sondern der Fehlbe­trag soll durch Umlage auf diejenigen Körperschaften, in deren Dienst die der Kasse angehörenden Beamten stehen, nach Maß­gabe des Betrags der jeweiligen pensionsbercchtigten Bezüge der letzteren beschafft werden. - Der bei der Kammer cinge- brachte Antrag v. Gültlingen, betr. Fürsorge für die kleinbäuerliche Bevölkerung infolge des durch die Trockenheit hervorgerufencn Notstands, ist noch von 41 weiteren Abge­ordneten oller Fraktionen unterzeichnet worden.

Stuttgart, 23. Mai. Gestern wurde die Mai messe eröffnet und war sehr gut besucht; namentlich die Möbelmesse in und um die Gewerbehalle war sehr gut befahren und es wurde viel und rasch zu guten Preisen verkauft.

Eßlingen, 22. Mai. Das XI. Jahresfest des Württembergischen Kriegerbundes, das gestern und heute hier abgehalten wurde, hat einen sehr schönen Verlauf genommen. Das Wetter war günstig. Die Stadt hatte in der Vorbereitung für das Fest allem aufgeboten; die öffentlichen Gebäude und die Häuser in den Hauptstraßen waren reich geschmückt und schön beflaggt. Der Festplatz, die schöne, schattige Maille, war mit Tischen und Bänken ganz bedeckt. Am Sonntag morgens um 9 Uhr kamen der Ehrenpräsident Prinz Weimar und das Bun­despräsidium an und wurden von den hiesigen Ver­einen am Bahnhof empfangen, die das Bundes­banner für die Festtage übernahmen; von 10 Uhr an hielt der Bundesausschuß seine Beratungen im Rathaussaal, und abends von 7stz Uhr an war Bankett im Kugelschen Festsaal (Reden und Trink­sprüche von Ehrenpräsident Prinz Weimar, Direktor Ottenbacher, Medizinalrat Dr. Späth, Frhr. v. Wöllwarth u. a.), an dem die Vereinsmitglieder teilnahmen. Zum eigentlichen Bundes- und Vereins­tag war der heutige Feiertag bestimmt; Böller­schüsse, sowie die Tagwache einer Musikkapelle durch die Straßen der Stadt galten als Morgengruß; zu Tausenden strömten die Gäste in die Staat, mit Jubelruf und Hurrah begrüßt; um 9 Uhr begannen die Verhandlungen des Bundestages in der Turn­halle. Nachmittags 2 Uhr bildete sich der Festzug in der Oberthorstraße, der dann sich zum Festplatz bewegte. Auf dem Spitalplatz war eine Tribüne errichtet, ganz mit Tüchern in den württembergischen Farben bekleidet; auf derselben stellten sich der Eh­renpräsident Prinz Weimar und die Mitglieder des Landesausschusses auf, um die Teilnehmer am Fest­zug zu begrüßen. Es war eine Lust, den fast end­losen Zug mit den prachtvollen bunten Fahnen an­zusehen. Der Festzug war nach den vier Kreisen geordnet. Auf dem Festplatze entwickelte sich bei Bier, Wein und Gesang ein reges Leben in Freude und Geselligkeit unter den Klängen der Militärka­pellen. In den Abendstunden verließen viele Vereine den Festplatz, um wieder heimznkehren.

DerSchwäb. Merk." und dieWürtt. Volksztg." teilen eine Bittschrift von Laienmitgliedern der ev. Landeskirche mit, welche an das Evang. Konsistorium abgegangen ist. Unter Berufung auf den Fall Schrempf wird darin ausgeführt, daß und wa­rum eine Aenderung der bestehenden kirchlichen Lehr-

ordnung notwendig sei. Insbesondere sollen Geist­liche und Laien bei Taufe und Konfirmation von der Ablegung des Glaubensbekenntnisses befreit und nur an das Bekenntnis zu dem Eoangelium Jesu gebunden werden. Unter ven Unterzeichnern sind Fabrikanten und Kaufleute, Lehrer an Gymnasien und Realanstalten, Aerzte, Rechtsanwälte, Landwirte re. aus Stuttgart und den näher gelegenen Städten und Ortschaften.

Der Futtermangel macht sich auch in Süd­deutschland allenthalben empfindlich bemerkbar. Viele Bauern müssen ihr Vieh verkaufen, weil sie nicht in der Lage sind, die hohen Preise für Futtermittel anzulegen. In Hechingen sind einem Landwirt zwei Stück Vieh am Hungertyphus verendet.

Brandfall:'In Deißlingen das Wohn-und Oekonomiegebäude des Engelwirts Karl Huber nnd Schreiners Fridolin Amma.

München, 19. Mai. Der liberale Abgeordnete Bankdirektor v. Schauß ist vormittags gestorben.

Die Sozialdemokraten stellten bereits 280 Kandidaturen auf und renommieren, noch in sämtli­chen 397 Reichstagswahlkreisen eine allgemeine Heer­schau über ihre Wählerkräfte halten zu wollen.

Dieser Tage ist eine Sendung von 700 lebendi­gen Wachteln als Geschenk des Königs von Italien an den deutschen Kaiser nach Berlin geschickt worden.

DieGallische Ztg." erfährt aus sicherer Quelle, daß der neuerdings viel besprochene Brief des Prinzen Albrecht tatsächlich geschrieben worden, aber niemals in die Hände des Adressaten, des Ge­nerals v. Winterfeld, Kommandeurs des Garde­corps, gelangt sei. Auf dem Wege von Camenz nach Berlin sei er auf bisher unaufgeklärte Weise verschwunden.

Görlitz, 18. Mai. Der Kaiser traf um 12sts Uhr hier ein und begab sich sofort zum Fest- Platz. Die Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. vollzog sich programmgemäß. Sodann erfolgte der Vorbeimarsch der Truppen und Krieger­vereine. Darauf begab sich der Kaiser mit seiner Begleitung zum Festmahle.

Görlitz, 18. Mai. Der Kaiser erwiderte beim Festmahle auf die Ansprache des Grafen Fürstenstein etwa Folgendes: Was Kaiser Wilhelm I. einst ge­wonnen und geschaffen, wolle er, der Kaiser, festhalten. Es gelte, die Zukunft des Vaterlandes zu sichern. Dazu bedürfe es der Erhöhung und Stärkung der Wehrkraft; er habe die Nation aufgefordert, die er­forderlichen Mittel zu bewilligen. Gegenüber dieser ernsten Frage, von deren Entscheidung das Dasein des Vaterlandes abhänge, träten alle anderen Fra­gen zurück. Zu ihrer Losung bedürfe es der Einig­keit. Was das deutsche Volk auch trennen, was immer die persönlichen Anschauungen in verschiedene Bahnen leiten möge, Alles sei beiseite zu setzen, wo es die Zukunft des Vaterlandes gelte. So möge die Lausitz, gleich allen Teilen der Monarchie, treu, zur Krone und zur Dynastie stehen und die Gesamt­heit der deutschen Männer fest gcschaart um ihre Fürsten. Alle deutschen Männer möchten der großen Zeit vor 23 Jahren gedenken, wo die deutsche Ein­heit mit dem gemeinsam vergossenen Blut zusammen­gekittet worden sei; sie möchten die Zukunft des Vaterlandes wahren und sein Bestehen, seine Frei­heit zu sichern. Er trinke auf das Wohl der Lausitz und der Stadt Görlitz.

Marienwahl, 20. Mai. Seine Majestät der König ist heute abend nach Arolsen abgereist.

Besterrrich-Ungarn.

Wien, 19. Mai. Ein Wolkenbruch richtete bei Jglau große Verwüstungen an; der Verkehr auf der Nordwestbahn war eine Zeit lang unterbrochen. Nach dem Unwetter trat starker Schneefall ein.

Wien, 23. Mai. Der ehemalige Minister An­ton v. Schmerling ist heute Nachmittag gestorben

Wien, 23. Mai. In Simmering äscherte eine Feuersbrunst 30 Gebäude, darunter 13 Wohn­häuser, ein.

Italien.

Professor Jakob Moleschott ist am 20. Mai in R o m unerwartet gestorben.

Rom, 23. Mai. Der Leichnam (Moleschotts wurde heute früh verbrannt und seinem letzten Wunsche zufolge die Asche dem Winde übergeben.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in »Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser' jchen Buchdruckern.