Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

^§ 53 .

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 -t, in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 1 20

Samstag 6. Mai

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Amtliches.

Berhaltungs- und Borfichtsmatzregel«

gegen die Maul- «nd Klauenseuche.

Die nachstehenden von dem Vertreter des K. Medizinalkollegiums, Tierärztliche Abteilung, im vori­gen Herbst bei seiner Anwesenheit im Bezirk dringend empfohlenen Berhaltungs- und Vorsichtsmaßregeln gegen die Maul- und Klauenseuche werden hiemit wiederholt zur öffentlichen Kenntnis gebracht.

1) Die Stallungen sind täglich mehrmals zu lüsten und überhaupt für einen mäßig kühlen Stall zu sorgen. Wenn die Tiere Schüttelfrost zeigen, so kommt dies in der Regel nicht von der Lüftung, sondern von dem mit der Krankheit verbundenen Fieber. In solchem Falle sind die Tiere auf der Haut mit Branntwein einzuspritzen, mit Strohwischen gut abzureiben und nachher mit wollenen Decken gut zuzudecken.

2) Im Stall soll die größte Reinlichkeit herrschen. Der Dünger muß täglich mehrmals entfernt werden und der Stallboden ist möglichst trocken zu halten. Es empfiehlt sich zuerst eine Schichte Sägmehl ein­zustreuen und dann Stroh oder Moos darauf zu geben.

3) Alles Rauhfutter ist zu vermeiden und den Tieren nur weiches Fntter zu geben: feines Wie­senheu oder weiches trockenes Gras, Kleientrank, gekochte oder angebrühte Rüben, Angersen, Kartoffeln, Leinsamen u. s. w., auch wird den Tieren mehrmals täglich frisches Wasser geboten. Wenn die Tiere in den ersten Tagen dieses Futter verschmähen, so darf es ihnen nicht aufgezwungen werden, nament­lich sind ihnen diese Futtermittel nicht einzuschütten, da durch das erschwerte Schlucken diese Flüssigkeiten oftmals anstatt in den Schlund in die Luftröhre gelangen und hier eine tötliche Lungenentzündung verursachen. Das vielfach geübte Äusreiben des Maules der Tiere ist ebenfalls zu unterlassen.

4) Als Heilmittel ist vom K. Medizinalkollegium, Tierärztliche Abteilung, das Pyoktanin empfohlen, welches nach der gemachten Erfahrung sich bis jetzt am besten bewährt habe. Von diesem Mittel werden 2 Gramm in l Liter Wasser gelöst und morgens und abends je ^/» Liter dieser Lösung mit einer Spritze von der Seite, nicht von vorn in das Maul gespritzt, bis die ganze Maulschleimhaut von der Lösung blau gefärbt ist. Mit der gleichen Lösung sind die Klauen zu benetzen, namentlich ist dieselbe in die entstandenen Klüfte und Fisteln gut einzu­spritzen. Das losgetrennte Horn an der Fußsohle ist vorher wegzuschneiden, damit sich kein Eiter oder sonstiger Unrat ansammeln kann. Ueberhaupt ist die größte Reinlichkeit an den Klauen anzustreben.

5) Zur Verhütung der Verschleppung der Seuche sind Dunglegen und die Gülle zu desinfizieren.

Es ist zu diesem Zweck Eisenvitriol, welches auf Gemeindekosten beschafft werden kann, zu lösen ('/« Pfd. auf 3 Liter Wasser) und täglich der frische, aus die Dunglege gebrachte Mist zu übergießen. Namentlich ist dafür zu sorgen, daß keine Mistjauche in den Ortsstraßen herumläuft und die Hofplätze immer gereinigt find, damit von fremden Personen, welche die Orte durchreisen, die Seuche nicht ver­schleppt wird.

Die Schultheißenämter werden angewiesen, vor­stehendes in den Gemeinden sofort wiederholt allge­mein bekannt zu machen.

Da durch den Hausierhandel mit Vieh im v. I. die Seuche in dem Bezirk verschleppt worden ist,

so erscheint diesem Handel gegenüber besondere Vor­sicht geboten. Den Gemeindebehörden wird anheim­gegeben, zum Schutz der Viehbesitzer Hiewegen das Erforderliche vorzukehren.

Den 3. Mai 1893.

K. Oberamt. Vogt.

Nagold.

An die Gemeindebehörden und Berwaltuugsaktuare.

Anläßlich der bevorstehenden Beratung der Ge­meinde-Etats werden die Gemeindebehörden im wohl­verstandenen Interesse ihrer Gemeinden dringend auf­gefordert, zum Zweck der allmählichen Uebernahme der Farrenhaltung in eigene Verwaltung der Gemeinde entsprechende Beträge in den Gemeinde-Etat einzu­stellen, soweit dies nicht schon geschehen.

Der Ankauf der Farren Äs Eigentum der Gemeinde ist überall als guter Anfang anzustreben.

Im O.-A.-Bezirk Balingen ist die Uebernahme der Farrenhaltung in eigene Verwaltung der Gemeinden in einer großen Zahl von Gemeinden durchgeführt. Der dortige Bezirk veranstaltet mit Erfolg Zuchtviehmärkte.

Den 3. Mai 1893.

_ K. Oberamt. Bogt.

Die von der Freiherrlich von Gültlingen'schen Patro- natshcrrschast dem Unterlehr»r Dinkelmann i.> Hohnweiler, Bez. Backnang, erteilte patronatische Nomination auf die Schulstelle zu Gaugcnwald, Bez. Calw, ist bestätigt worden.

Uctges-WeuigkeiLen.

Deutsches Hkeich.

Stuttgart, 3. Mai. Wie verlautet, soll die Kammer der Abgeordneten morgen oder Freitag auseinandergehen und erst wieder am Freitag der nächsten Woche zusammentreten. Die Verzögerung wird damit begründet, daß die Kammer zunächst keinen Stoff mehr zur Beratung habe und erst die Beschlüsse der Ersten Kammer abwarten wolle.

Stuttgart, 3. Mai. Abgeordnetenkammer. Die Kammer der Abgeordneten fetzte heute die Beratung des Eisenbahnetats fort. Bei Titel 49 hatte die Regierung für Unterhaltung der Lokomotiven und Tender je 1,160,009 Mark und für Unterhaltung der Güterwagen je 1,150,000 exigiert. Die Kommission dagegen beantragt, diese Summen auf 1,100,000 -E und 1,080,000 ^ zu reduzieren, während die Abgg. v. Wöllwardt, v. Wolfs und v. Sandber­ger den Antrag einbringen, die volle Exigenz zu genehmigen. Das HaaS beschloh auch demgemäß, nachdem Ministerpräsi­dent Dr. Frhr. v. Mittnacht die absolute Unmöglichkeit hervorgehobcn hatte, mit einer geringeren Summe als der exigierten auszukommen. Die Voranschläge der Werkstätten seien sogar noch wesentlich höher gewesen als die angebrach­ten Exigcnzen. Mache man die Abstriche, so müsse man even­tuell zu Arbeiterentlaffunaen schreiten, und für die nächste Etatsperiode werden die Ausgaben um so größer sein. Der Reinertrag unserer Eisenbahnen wird pro 1893194 mit 13,239,595 Mark, pro 1894,95 mit 13,474.882 ^ eingestellt.

Stuttgart, 4. Mai. Abgeordnetenkammer. Zu Beginn der heutigen Sitzung nahm die Kammer der Ab- geordneten die Wahl von 2 Mitgliedern in die Kommission für den Gesetzentwurf, betr. die Kunstweinfabrikation vor. Gewählt wurden die Abgeordneten v. Seckendorf und Bayha. Sodann trat man in die Spezialberatung des Gesetzentwurfs, betr. die Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh ein. Bei Art. 1, welcher bestimmt, daß die Entschädigung nur für gefallenes Rindvieh, nicht für notgeschlachtetes gewährt werde, wurde von ver­schiedenen Rednern (Spieß, Deutle r) auch für die Ent­schädigung bei Notschlachtungen plaidiert, während sich die Mehrzahl der Redner und auch der Minister dagegen aus- sprachen. Der Art. 1 wurde sodann in obiger Fassung an­genommen.

Heilbronn, 1. Mai. Die Beamten, Meister, Aufseher und Arbeiter der hiesigen chemischen Fabrik, welche schon fünf Jahre und länger im Dienste des Vereins chemischer Fabriken stehen, wurden wie jedes

Jahr durch eine schöne Belohnung erfreut. Unter hundert Personen wurde der Betrag von 5100 verteilt, der geringste Betrag war 30

Ulm, 1. Mai. Die Donau hat gestern schon ein Opfer gefordert. Einige junge Leute unternah. men einen Spaziergang ins Steinhäule, und nachdem sie den Nachmittag dort gemeinsam froh verlebt, bekam einer von ihnen die unsinnige Idee eines Wettschwimmens. Der Sohn des Briefträgers Keck weigerte sich erst teilzunehmen; doch warf er schließ­lich dennoch seine Kleider ab und folgte dem vor­ausschwimmenden Genossen nach. Kaum aber hatte er ungefähr 5 bis 6 Schwimmzüge gethan, als er den Namen des Vorausschimmenden zu rufen anfing. Dieser wandte sich ihm auch zu; aber er kam leider zu spät. Der vom Krampf oder Schlag Betroffene sank unter. Die Leiche ist bis jetzt noch nicht auf- gefunden.

Karlsruhe, 2. Mai. Das Kaiserpaar traf um Vs7 Uhr auf dem Bahnhof ein, empfangen von dem Großherzog und der Großherzogin, den Angehörigen der großherzoglichen Familie und der Generalität. In den festlich geschmückten Straßen begrüßte das Publikum die Majestäten enthusiastisch.

Karlsruhe, 3. Mai. Das Kaiserpaar reffte um 10 Uhr ab, vom Großherzog und dem Erbgroß­herzog zum Bahnhof geleitet. Ein zahlreiches Pu­blikum brachte begeisterte Ovationen dar.

Horgen, 2. Mai. Den Abgebrannten in Klengen haben gestern die bürgerl. Kollegien 100 ^ aus der Gemeindekasse verwilligt, welchen Herr Rapp, Guts­besitzer von Wildenstein, und seine Angehörigen noch weitere 72 ^ beifügten.

In Bischoffiugen am deutschen Kaiserstuhl konnten am 29. April die ersten reifen Kirschen gepflückt werden.

Mannheim, 2. Mai. Nach dem hiesigen Volksblatt" ist der Ex-Jesuitenpater Graf Hoens- broech wegen Mitteilungen über die Verletzungen des Beichtgeheimnisses exkommuniziert worden.

Bei den nächsten Reichstagswahlen wollen die Antisemiten in 15 Wahlkreisen des Großher­zogtums Hessen und des Regierungsbezirks Kassel, in 8 Wahlkreisen des Königreichs Sachsen, in 11 Wahlkreisen der Provinz Brandenburg, in 5 der Provinz Pommern und in noch 6 andern Wahlkrei- sen, im ganzen also in 45 Wahlkreisen, besondere Kandidaten aufstellen.

Berlin, 2. Mai. DieNationalzeitung" teilt mit, daß der Kompromiß-Borschlag von Huene, statt 60,000 Mann Rekruten-Erhöhung 53,000 zu­zugestehen und in 2*/, Jahren eine Erhöhung der Präsenzstärke zu erreichen, welche schließlich um 13,000 hinter der Regierungsforderung zurückbliebe» die Zustimmung des Reichskanzlers erhalten habe. Die Erhöhung der Bier- und Branntweinsteuer soll fortfallen. Die Kosten der Heeresverstärkung sollen im ersten Halbjahr, l. Sept. 1893 bis 1. April 1894, durch Erhöhung derMatrikularbeiträge gedeckt werden.

Berlin, 2. Mai. Im Seniorenkonvent teilt« der Präsident des Reichstags mit, die Regierung wünsche morgen die zweite Beratung der Militär. Vorlage, sie verzichte auf alles klebrige, sie werde im Falle der Ablehnung den Reichstag sofort auf- lösen.

Im Reichstag hat gestern die 2. Lesung der Miltärvorlage begonnen. Caprivi war gegen seine Feinde", die Konservativen, auffallend liebenSwür- dig, erhob Bismarck, gegen den er die bekannte»