trinken, so müsse er um Erlaubnis fragen. Der je­suitischen Beichte fehle die Gewähr der Verschwie­genheit, denn der Obere könneim Nutzen des Or­dens" von den Eröffnungen Gebrauch machen. Be­züglich der wissenschaftlichen Ausbildung gelte ebenfalls der Grundsatz strengster Ueberwachung: so geschehe es, daß nach siebenjährigem Studium der junge Jesuit in fast völliger Unwissenheit sei über die Geisteskämpfe der Gegenwart, über die aktuellen wissenschaftlichen Richtungen. Zum Beweise der These, daß der Je- suitismus Nationalitätsgefühl und Patriotismus un­terdrücke, führt Graf Hoensbroech an, das System arbeite auf Nivellierung der Gesinnung hin und rufe allmählich Gleichgiltigkeit in Bezug auf Wohnort, Sprache und politische Institutionen hervor. Der Jesuitenorden selbst sei kein Hüter und Pfleger des Patriotismus. Wohl aber habe in den jesuitischen Erziehungsanstalten für die männliche Jugend die Pflege der patriotischen Gesinnung ihre Stelle. Graf Hoensbroech erklärt, er habe als Deutscher und Mit­glied einer alt angestammten Familie unüberwindliche Abneigung gegen diesen kosmopolitischen Geist em­pfunden. Der deutsche Jesuit befinde sich bald in der nordamerikanischen Republik, bald im monarchi­schen Indien, bald in dem stets in politischer Gärung begriffenen Brasilien, so verliere er allmählich die alte heimische Form in Gesinnung und Anschauung.

DieKölnische Volksztg." widerruft infolge einer Zuschrift des Grafen Paul Hoensbroech ihre Mit­teilung, daß Graf Hoensbroech schon seit zwei Mo­naten krank und in Köln behandelt worden sei.

DieKöln. Volksztg." meldet aus Rom über dm Verlauf des Frühstücks bei dem Gesandten v. Bülow:Der Kaiser unterhielt sich bei dem Früh­stück im Hause des Hrn. v. Bülow lebhaft mit Le­dochowski, schenkte ihm, wie schon mitgeteilt, eine Tabakdose mit seinem Bildnis und verabschiedete sich von ihm mit den Worten:Nicht wahr, alles Ge­schehene ist vergessen!" (Kardinal Graf Ledochowski war es, der im November 1870 im Hauptquartier von Versailles das Verlangen stellte, die Regierung, an deren Spitze damals Bismarck stand, solle zu Gunsten der weltlichen Herrschaft des Papstes ein- schreiten, er übernahm die Leitung der ultramontanen und nationalpolnischen Bewegung, führte den heftig­sten Kampf gegen die Staatsgewalt und bestritt die Rechtsgültigkeit staatlicher Gesetze. Graf Ledochowski ist deshalb zu hohen Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt worden. Er wurde am 3. Februar 1874 verhaftet, um zu Ostrowo eine zweijährige Gefäng­nisstrafe abzubüßen. Am 15. April 1874 wurde er vom Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten seines Amtes entsetzt.)

Berlin, 26. April. Die Morgenblätter be­sprechen in langen Artikeln die gestrige Reichstags­sitzung und verurteilen ohne Ausnahme die Hand­lungsweise und das Auftreten Ahlwardts.

Deutscher Reichstag. Bei gut besetztem Hause und überfüllten Tribünen wurde am Dienstag der Antrag verhan­delt, eine Kommission von 21 Mitgliedern zur Prüfung der vom Abg. AhlWardt übergegebenen Aktenstücke niederzu­setzen. Abg. Ahlwardt erklärt, seine früheren Acußerungen seien verdreht. Er habe nur behauptet, zur Zeit der Er­richtung des Reichsinvalidenfonds seien schlimme Dinge pas­siert. Dafür könne er die Beweise bringen. Die Akten habe ihm ein gewisser Meißner übergeben, früher bei der Dis­kontogesellschaft angestellt, der sie gestohlen habe zur Rache dafür, daß HanS von Bleichröder seine Stieftochter ge­schändet. Redner behanptet dann nach seinen Akten, das Ge­schäft der Diskontogesellschaft mit der Rumänischen Eisen­dahngesellschaft in den 70er Jahren sei nicht sauber gewesen, Bankdircktor Hansemann und der heutige Finanzminister Miguel, damals Syndikus bei der Diskontogesellschaft, hätten persönlichen Vorteil hierbei gehabt. Auch bei der Ver­staatlichung der Hannover-Altenbekener Bahn sollen unsaubere Geschichten vorgekommen sein. Auf einen Zwischenruf des Abg. Rickert bemerkt Abg. Ahlwardt, Rickert beziehe ja an­geblich 12000 -6 pro Jahr als Major in der Judenschutztruppe. (Lärm. Abg. Rickert ruft wiederholt: Verleumder.) Finanz­minister Miguel erklärt, obwohl er nur Syndikus bei der Diskontogefcllschaft gewesen, übernehme er doch volle Ver­antwortung für alle während seiner Amtszeit abgeschlossenen Geschäfte. Es sei nichts unreelles vorgekommen, die Dis­kontogesellschaft habe sich durch Rettung des in die rumä­nischen Eisenbahnen hineingesteckten deutschen Geldes verdient gemacht. Meißner, auf den Abg. Ahlwardt sich berufen, sei ein Dieb, der jetzt nach zehn Jahren erst mit den gestohlenen Aktenstücken hervortrete, da nun keine strafrechtliche Verfolgung mehr eintreten könne. Staatssekretär v. Maltzahn betont, daß der Abg. Ahlwardt heute seine frühereu Behauptungen verleugne, für die auch kein Beweis aus dem Aktenmaterial erbracht werden könne. Abg. Richter (freis.) erklärt, Ahl­wardt habe nach dem stenographischen Bericht früher behaup­tet, die Reichsregierung habe durch Börsenjuden sich bestimmen lassen, den Jnvalidenfonds knapper zu bemessen. Heute ver­leugne er diese thatsächlich gemachten Acußerungen. Das

zeige, wie Ahlwardt mit der Wahrheit umspringe. Die heu­tigen angeblichen Enthüllungen hätten für weitere Kreise gar kein Interesse, die Kommission solle diese Menschen e>n für allemale abthun. Abg. Rickert (freis.) bezeichnet Ahlwardts Aeußerung über ihn als infame Lüge. Der Antrag wird fast einstimmig angenommen.

Berlin, 26. April. Der Vossischen Zeitung zufolge gelten Bayern, Sachsen und Baden als Geg­ner der Reichstagsauflösung; auch innerhalb des preußischen Ministeriums seien erhebliche Bedenken geäußert worden.

Berlin, 26. April. Die stürmischste Scene in der an Aufregung reichen gestrigen Reichstagssitzung folgte der zweiten Anschuldigung Ahlwardts gegen v. Bennigsen. In höchster Erregung verließen viele Nationalliberale und Freisinnige ihre Plätze. Ein unbeschreibliches Chaos entstand. Die Worte Schuft! Lump! ertönten, und mehrere bezeigten ein grimmiges Verlangen, den Redner von der Tribüne zu zerren und zu prügeln. Wie ich erfahre, wird in parla­mentarischen Kreisen eine Ergänzung der Geschäfts­ordnung erwogen, die dahin gehen soll, daß grober Mißbrauch der Redefreiheit durch längere Wortent­ziehung geahndet werde.

Berlin. 26. April. Die Kommission zur Prü­fung der Ahlwardt'schen Akten hat sich heute konsti­tuiert. Vorsitzender ist Graf Ballestrem, dessen Stell­vertreter Herr v. Marquardsen. Obwohl der Abg. Ahlwardt in der Dienstagssitzung des Reichstages ausdrücklich erklärt hatte, die zurückgehaltenen Akten würden beim Zusammentritt der Kommission zur Stelle sein, waren wie die Freis. Ztg. berichtet die Akten heute beim Zusammentritt der Kommission nicht zur Stelle; auch der Abgeordnete Ahlwardt selbst, der als Antragsteller berechtigt war, an den Beratungen teilzunehmen, war nicht anwesend. In­folgedessen wurde die Sitzung auf Donnerstag vor­mittag vertagt und die Vorladung des Abg. Ahlwardt beschlossen.

Bestrrreich-Rngarn.

Der Kaiser von Oesterreich hat am Montag Nachmittag dem auf der Durchreise in Wien einge­troffenen russischen Minister v. Giers im Grand- Hotel einen längeren Besuch abgestattet.

Wien, 26. April. Eine gestern stattgehabte Versammlung streikender Zimmergehilfen beschloß, so lange zu streiken, bis die Meister alle Forderungen bewilligt hätten. Die Zimmergehilfen der Vorstädte Wiens haben sich dem Streik angeschlossen.

Frankreich.

Paris, 26. April. Nach demEcho de Paris" wird die deutsche Feldartillerie umgewandelt. Die neue Kanone, welche eingeführt werden soll, soll mit einer Ladung von 775 Gramm rauchlosem Pulver ein Geschoß von 6 Kilogramm 700 Gramm auf 7 Kilometer schleudern. (??)

Italien.

Rom, 24. April. Im Gespräche mit dem Bür­germeister äußerte gestern der Kaiser lächelnd, er hoffe, bald bei einem neuen Familienfeste der Dynastie Savoyen in seinliebes Roma" zu kommen. Der Kaiser spielte auf die Verheiratung des Kronprin- zen an.

Rom, 25. April. Der Kriegsminister richtete an die Truppen, welche an der gestrigen Parade teilnahmen. folgenden Tagesbefehl:Se. Majestät der deutsche Kaiser und unser erhabener König haben euere vollkommene militärische Haltung bei der Trup­penrevue, sowie die Präzision der Bewegungen und die Korrektheit des Vorbeimarsches bewundert. Ich bin stolz, euch dieses allerhöchste Lob kund thun zu dürfen, welches euch die größte Genugthuung und ganz besondere Freude bereiten muß."

Die katholische Presse Deutschlands im Vatikan. Am Montag wurden die Vertreter der katholischen Presse Deutschlands vom Papste in Audienz empfangen. Die Führung hatten Dr. Marcour, Dr. Cardauns und Jmmelen übernommen. Bei seinem Eintritt begrüßte Leo die Deputation mit den Wor­ten:Das sind also die deutschen Soldaten von der Feder. Bravo! Bravo!" Auf den Thron sich nieder­lassend, hieß er alle im Kreise um den Thron stehen und gab Dr. Cardauns das Zeichen zur Verlesung der Adresse, worauf Jmmelen und Marcour eine Sammlung der Festnummern der katholischen Blätter übergaben. Der Papst beantwortete die Adresse mit einer lateinischen Ansprache, in der er die Herren u. a. ermahnte, bei ihrer Thätigkeit dieüiebe nicht zu verletzen. Als Ziel stellte Leo XIII. hin den den vollen Frieden zwischen Kirche und bürgerlicher

Gewalt. Hierauf erteilte der Papst allen Anwesen­den, ihren Familien, den Blättern und deren Lesern seinen Segen.

DerMoniteur de Rome", das Organ des Kar­dinalstaatssekretärs Rampolla, hat über den Besuch des Kaiserpaares beim Papst dankend quittiert. Die Betrachtungen, die das Blatt an dieses Ereignis knüpft, sind für das protestantische Deutschland von höchstem Interesse, wenn auch die Gefühle, welche dieselben Hervorrufen, nicht gerade die angenehmsten sind. DerMoniteur de Rome" erblickt hierin die Ueberlegenheit der moralischen Gewalt über die ma­terielle Gewalt, des religiösen Prinzips über das Staatsprinzip, der Tiara über das Szepter.Welch leuchtendes Beispiel", ruft das Organ des Vatikans aus,gab der deutsche Kaiser den anderen Fürsten! Der Besuch des Kaisers im Vatikan ist geradezu die Krönung der päpstlichen Jubiläumsfeste". Der Moniteur" fährt fort, jeder wahre Christ müsse sich freuen, daß der Chef der lutherischen Kirche im Papst das oberste Haupt des gan­zen Christentums anerkenne und sich im evan­gelischen Jungbrunnen des Papsttums bade. Der Kaiser habe einen Beweis seiner hohen Staatsklugheit gegeben, indem er nach dem Vatikan kam, um hier der Schwierigkeiten Herr zu werden, deren Lösung an den Ufern der Spree nicht möglich sei.

Rom. 26. April. Der König spendete eine halbe Million zur Gründung einer Wohlthätigkeits- anstalt in Rom für Kinder von Arbeitern, welche bei der Arbeit verunglückt sind. Der König ließ die Gründer wissen, daß er und seine Gemahlin nicht zu allen Wohlthätigkeitswerken, die in den verschie­denen Städten Italiens beabsichtigt sind, beitragen können, sie hätten daher den Beitrag der Stiftung tn Rom zugewandt.

Aus Venedig wird berichtet: Bei uns in Venetien hat es seit 2 Monaten nicht mehr gereg­net; die Ernte ist dadurch ernstlich gefährdet. Die vielerlei Gemüse, welche um diese Zeit die Haupt­nahrung der ärmeren Klassen bilden, fehlen diesmal gänzlich oder sind doch unverhältnismäßig theuer. In Sizilien werden z. Z. große Bittgänge um Re­gen veranstaltet. Auch in Frankreich herrscht große Hitze und Trockenheit. Die Landwirte glau­ben ihre Saaten gefährdet.

England.

Hüll, 26. April. Die Behörden hatten gestern Kenntnis von einem Komplott erhalten, einen Eisen­bahnzug in die Luft zu sprengen, der Arbeiter brachte, die den Syndikaten nicht angehören. Diese schänd­liche Absicht ist verhindert worden, ebenso der Plan, das Hafenlager in Brand zu setzen.

Rußland.

Ein Flugfeuer hat in der russischen Grenzstadt Gollub ein ganzes Stadtviertel in Asche gelegt.

Serbien.

König Alexander von Serbien hat den Be­ginn seines Regiments durch einen großrn Gnaden­akt markiert. Das Amtsblatt veröffentlicht eine allgemeine Amnestie für sämtliche politischen Delikte, die bis heute begangen worden sind. Bei den au- deren Delikten wurden die Strafen der Personen, die bis zu einem Jahr Gefängnis verurteilt waren, sowie den wegen Vergehen und Uebertretungen Ver­urteilten w urden die Strafen ganz erla ssen. _

-leisere Mitteilusge«.

In Greussen bei Erfurt vergiftete die Ehefrau eines Bäckermeisters ihre Kinder im Alter von 3 Jahren bezw. 8 Monaten durch Schwefelsäure und schnitt ihnen dann den Leib aus. Die That ist of­fenbar in einem Anfall von Wahnsinn ausgeführt.

Gewehrgeschosse aus Aluminium. Wie die Berl. B. Z. berichtet, stellt die Gewehrprüfungskom­mission zu Ruhleben bei Spandau gegenwärtig Schieß- versuche an mit Gewehrgeschossen aus Aluminium. Hiermit sollen künftig die militärischen Wachtposten ausgerüstet werden, weil Kugeln aus Aluminium von weit geringerer Durchschlagskraft und viel kürzerer Tragfähigkeit sind, als die gewöhnlichen Geschosse.

Ein 31tägiges Wettsasten hat Fräulein Nealson in Pittsurg soeben glücklich überstanden und den Preis von 1000 Dollars gewonnen. Ihr Gewicht ist von 202 Pfund auf 164 Pfund zurückgegangen. _

Hiezu das Unterhaltungsblatt Nro. 17 u. 1 Beilage.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser' jchen Buchdrnckerei.