Gesellschafter
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
W44.
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Samstag 15. April
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1893
Amtliches.
Altensteig, Horb, Reuthin.
Aufforderung zur Einkommens-Fatierung behufs der Besteuerung pro 1893—4894.
Nachdem die in Art. 7 des Gesetzes vom 19. September 1852 vorgeschriebene Aufforderung zur Fatierung des Kapital-, Renten,- Dienst- und Berufs-Einkommens auf den 1. April 1893 im „Staatsanzeiger" vom 5. April erfolgt ist, werden die Steuerpflichtigen auf dieselbe mit Folgendem hingewiestn:
1) Da das Elatsjahr 1893/94 das erste einer Etaks- periode ist, genügt bei der Fassion des Dienst- und Berufs-Einkommens die Erklärung, daß das Einkommen dem des Vorjahrs gleich geblieben fei, nicht, es ist das Einkommen vielmehr speziell zu fatieren.
2) Wer sein der Besteuerung unterliegendes Einkommen ganz oder teilweise verschweigt, hat neben der verkürzten Steuer den zehnfachen Betrag derselben als Strafe zu bezahlen.
Die durch gänzliche oder teilweise Verschweigung des steuerbaren Einkommens begangene Verfehlung wird dann straffrei gelassen, wenn von dem Steuerpflichtigen oder Fassionspflichtigen, bevar eine Anzeige oder Verfehlung bei der Behörde gemacht wurde, oder ein strafrechtliches Einschreiten erfolgte, die unterlassene oder zu nieder abgegebene Erklärung (Fasfion) bei einer Aufnahmebehörde oder einer dieser Vorgesetzten Steuerbehörde nachgetragcn oder berichtigt und hierdurch die Nachforderung der sämtlichen nicht verjährten Steuerbeträge ermöglicht wird.
3) Nach dem Tode eines Steuerpflichtigen, welcher infolge unterlassener oder unvollständiger Fassion keine oder zu wenig Einkommenssteuer entrichtet hat, sind dessen Erben bezw. deren gesetzliche Vertreter verpflichtet, innerhalb sechs Monaten, vom Tode des Erblassers an gerechnet, bei dem Hauptüeueramt das nicht oder in zu geringem Betrage fatierte Einkommen, soweit die Steuer nicht am Todestage des Erblassers verjährt ist (Art. 13 Abs. 3 und 5 des Gesetzes vom 19. Sept. 1852), anzumelden. Ferner sind die Erben, insoweit sie durch die Erbschaft bereichert sind, schuldig, das Dreifache der von dem Erblasser nicht entrichteten und nicht verjährten Steuerbeträge nach dem Verhältnis ihrer Erbanteile zu ersetzen.
Unterbleibt die Anmeldung oder wird sie unvollständig abgegeben, so verfallen die Erben, bezw. solche gesetzliche Vertreter derselben, welche au der Erbschaft vermögensrechtlich beteiligt sind, nach Verhältnis der Erbanteile in die Strafe des zehnfachen Betrages der zurückgebliebenen , nicht verjährten und von ihnen durch die Unterlassung oder die Unvollständigkeit der Anmeldung verkürzten Steuerbeträge; andere gesetzliche Vertreter der Erben unterliegen einer Ordnungsstrafe bis zu 300 (Art. 2 des Ges. vom 23. Mai 1890, Reg.-Bl. S. 105).
4) Abgabepflichtige des Vorjahrs, welche kein der Einkommenssteuer unterworfenes Einkommen mehr beziehen, sind verbunden, eine Fehlanzeige abzugeben.
Hierbei wird der Gewerbs- und Handelsstand
darauf aufmerksam gemacht, daß die Beiziehung zur
Gewerbesteuer von der Fatierung der verzinslichen
Aktiven und Ausstände nicht befreit, daß vielmehr die verzinslichen oder diesen gleichzuachtenden Kapitalien (vergl. Art. 5 II des Gesetzes vom 19. Sept. 1852) als solche zu verstehen sind.
Weiter wird bemerkt, daß die Verpfändung der verzinslichen Forderungen von der Fatierung und Versteuerung des vertragsmäßigen Zinses nicht befreit, und daß verzinsliche und unverzinsliche Kaufschillings-Zielsorderungen ohne Abzug etwaiger Schulden der Kapitalsteuer unterliegen und zu satteren sind. Zur Fassion verpflichtet das Recht zum Bezug, es ist z. B. eine von Martini 1892 an verzinsliche, an Martini 1893 zahlbare Zielforderung auf 1. April 1893 zu fatieren.
Die Steuerpflichtigen haben die Fassionen selbst zu unterzeichnen. Die Bevollmächtigten der im Auslande sich aufhaltenden Steuerpflichtigen und die Privatvermögensverwalter haben den Fassionen Vollmachten im Original oder beglaubigter Abschrift unter Angabe der Giltigkeitsdauer beizuschließen. Die gesetzlichen Stellvertreter bedürfen einer Vollmacht nicht.
Den 10. April 1893.
K. Kameralämter:
Altensteig. Horb und Reuthin.
Die Ortssteuer-Commissionen, welchen die Aufnahmeakten schon zugekommen sind, werden unter Bezugnahme auf vorstehende Bekanntmachung hiemit angewiesen. sich dem Aufnahmegeschäft alsbald zu unterziehen und die Akten unter Anschluß der Kostenzettel rechtzeitig wieder an die Unterzeichneten Stellen einzusenden.
Den 10. April 1893.
K. Kameralämter:
Altensteig, Horb und Reuthin.
Belanntmachnna.
Das auf der am 7. April ds. Js. auf dem Rathaus in Nagold abgehaltenen Abstimmungs-Tagfahrt vorläufig festgestellte Abstimmungs-Ergebnis über die beantragte Feldbereinigung der Gewände „hinter der Burg, heilig Kreuz, und hinteres Kümmerlen" auf der Markung Nagold ist folgendes:
Von 142 Stimmberechtigten mit 5504 09
Steuerkapital haben
I. , mit „ja" gestimmt 23 Grundbesitzer mit
1134 Mk. 42 Pf. Grundsteuerkapital.
Nach Art. 9 Abs. 3 des Feldbereinigungsgesetzes sind als zustimmend anzunehmen: 55 Grundbesitzer mit 1453 Mk. 20 Pf. Grundsteuer- kapital ;
zusammen 78 Grundbesitzer mll 2587 Mk. 62 Pfg. Grundsteuerkapital;
II. Mit „nein" haben gestimmt:
64 Grundbesitzer mit 1916 Mk 47 Pf. Grundsteuerkapital.
Es ist daher das Unternehmen als beschlossen anzuseheu.
Dies wird mit dem Ansügen bekannt gemacht, daß die zur Minderheit gehörenden, sowie die nach Art. 9 Abs. 3 kzw. Art. kl Abs. 5 als zustimmend angenommenen Grundeigentümer das Recht haben, innerhalb der unerstrecklichen Frist von 2 Wochen vom Tage der Abstimmuug an dem Oberamt die nach ihrer Ansicht der Ausführung des beschlossenen Unternehmens entgegenstehenden Gründe mündlich oder schriftlich darzulegen, soweit solches nicht schon bei der Abstiminungstagfahrt geschehen ist.
Binnen derselben Frist sind bei dem Oberamt
Beschwerden gegen den Bescheid über die in Art. 10 Abs. 1 genannten Ansprüche auf Freilassung von dem Unternehmen und hieraus oder aus andern Gründen abgeleitete Anträge auf Berichtigung des Ergebnisses der Abstimmung vorzubringen. Nagold, den 12. April 1893.
K. Oberamt. Vollmar, Amtm., g. Stv.
>Tcrges-WeuigkeiLen.
Deutsches Weich.
fff Reich sseucheugesetz. In den nächsten Tagen zirkuliert in den hiesigen Bürgerhäusern eine Petition gegen einzelne Bestimmungen des geplanten Reichsseuchengesetzes, das im ganzen gut gemeint ist, aber die persönliche Freiheit des Bürgers in Seuchenkrankheiten aufheben und ihn unter die Medizinalpolizeiaufstcht stellen würde, das namentlich, abgesehen von den ungeheurenKosten (sie werden höher geschätzt als die Kosten der Militärvorlage!) uns den Spitalzwang und die amtliche Desinfektion auch auf den bloßen Verdacht hin bringen, die freie Wahl des Arztes und der Art der Behandlung ausheben, Handel und Verkehr lahm legen würde. Deutscher Bürger, sieh dich vor!
* Nagold, 13. April. Eine schauerliche Kunde lief heute früh durch unsere Stadt. Als nämlich gestern Abend Bahnwärter Rumpel nach dem letzten Calwer Zug seine Visitationstour gegen den Bahnhof zu vornahm, stieß er nicht weit von seiper Wohnung mit dem Fuße an einen Gegenstand, den er bei näherer Besichtigung als einen Teil eines menschlichen Fußes erkannte. Hiedurch nicht wenig erschreckt, machte er seinen Gang weiter, und schon nach etwa 17 Schwellen Entfernung stieß er auf einen fürchterlich verstümmelten Menschen, dem der linke Fuß fast vollständig fehlte, durch die eingedrückte Hirnschale und das ausgedrückte Auge fast ein zur Unkenntlichkeit gestaltetes Antlitz sich zeigte, und trotzdem mußte Rumpel — das Blut in seinen Adern fast stocken machend — bei näherer Besichtigung erkennen, daß es sein eigener, leiblicher Sohn war. Der Schrecken und Jammer der Eltern unterlasse man uns zu beschreiben. Da der junge Mann nach zweimaliger Zurückstellung bei der heutigen Militär- Musterung das Zeugnis „tüchtig" erhalten hatte, so glaubte man anfänglich, er hätte aus Soldaten- snrcht den Tod selbst gesucht, die Art dec Verstümmelung aber und die Lage, wie er auf der Bahn aufgejunden wurde, ließen diese Annahme vollständig falsch erkennen und bleibt es vorerst unaufgeklärt, wie das schreckliche Unglück ihn getroffen. Allgemeine, aufrichtige Teilnahme wird den schwer heimgesuchten braven Eltern zuqewendet. Wo der Teil des Fußes, vom Oberschenkel bis zu dem, der zuerst das Zeichen eines Unglücks vermuten ließ, hinge- kommcn — solcher wurde bei der Leiche nicht vorgesunden — ist uns zur Stunde nicht bekannt geworden.
Stuttgart, 12. April. Die Hammer der Abge- ordueten hatte gestern nachmittag Sitzung, in welcher zunächst die Beratung des Entwurfs betreffend das landwirtschaftliche Nachbarrecht durch Annahine der Artikel 27 bis 38 (Schlußbestimmnngeii des Entwurfs) beendigt wurde. Zu Artikel 33 und 34, welche den für den Betrieb von Eisenbahnen und Telegraphen notwendigen polizeilichen Schutz gewähren. gab Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Mittnacht die Zusicherung. eS solle hier seitens der Verwaltung mit möglichster Liberalität vorgegangen und insbesondere bei Legung von Lcitnngsdrähten den in Weg stehenden Bäumen,