Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezkk Nagold.

iS 43.

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Donnerstaß 13. April

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1893.

v. Santi er, Oberst und Kommandeur des Ul.-Reg. > K. W. I. Nr. 30, ist in Genehmigung seines Abschiedsgesuches ' mit Pension und mit der Regimentsuniform zur Disposition gestellt unter Verleihung des Ehrenkreuzes des Ordens der IVnrtlcmbcrgischen Krone.

Gcuz e s - Wen igkeiten.

Deutsches Weich.

X Landwirtschaftliche Bezirksversammlung in Wildber g. Am letzten Sonntag hie't der landw. Verein eine Generalversammlung hier ab. Als Hauptredner trat dabei Or, Wiedersheim aus Reut­lingen auf. In eingehender Weise verbreitete sich derselbe über den rationellen Betrieb der Viehzucht. Insbesondere war interessant zu hören, wie sich Motkereibetrieb und Znchtbetrieb mit einander ver­einigen lassen. Es enthalte nämlich die aus der Molkerei zurückerhalteue Magermilch, der bloß der Fettstoff entzogen wurde, ihren ursprünglichen Zncker- und Käsestoff beinahe noch ganz. Gerade aber diese beiden Stoffe bieten ein vorzügliches Nahrungsmittel für die Kälber. Der Redner erläuterte, wie er die Vereinigung dieser beiden Betriebsarten an seinem eigenen früheren Biehstande erprobt habe. Als 2. Hauptgegenstand folgte die Erstattung des Rechen­schaftsberichts üher die Vereinsthätigkeit vom Jahre 1892. Dieselbe hatte sich erstreckt auf Viehzucht, Schweinezucht, Düngung, Obstbau, Bienenzucht, Fortbildungsschulen, Genossenschaftswesen. Aus der Zahl der Ausichußsitzuugen und Vereinsversamm­lungen war zu ersehen, daß die Vorstandschaft ihrer Aufgabe voll und ganz gerecht zu werden bemüht ist.

Stuttgart, 8. April. Heute früh 5^» Uhr hat sich ein 7 8 Jahre alter Knabe von St. Lud­wig im E-saß. dessen Eikern hier wohnhaft sind, aus dem Fenster eines Mansacdeuabtritts in den Hof himii'tcrgZtürzi . und verschied nach wenigen Minuten. Derselbe-Ist vor einigen Tagen seinen Eltern entlausen uffd wurde gestern abend nach 9 Uhr von Waiblingen ans hieher geliefert und seinen Eltern zugeführt.

Stuttgart, 8. April. I« der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend das landwirtschaftliche Nachbarrecht fortgesetzt. Bei Artikel 10, welcher die Entfernung der Hecken von der Grenze auf 1 m (bei Weinbergen auf 4 m) festsetzt, traten Egger, Nnßbaumer, Frhr. v. W. König und Frhr. v. Wöll warth für einen geringeren Abstand ein, da bei einem Abstand von 1 m zu befurchten sei, daß überhaupt weniger Hecken bepflanzt werden, was im Interesse des Vogel­schutzes zu bedauern wäre. Dagegen verteidigten Stock­mayer, Frhr. H. v. Ow, Bantleon, sowie Minister v. Schmid die Vorlage unter Hinweis auf die schädlichen Tiere, Mäuse und Raupen, die in den Hecken ihre Zuflucht finden. Der Artikel wurde schließlich nach der Regierungs­vorlage angenommen. Zu Artikel 12, der die Grenzabständc bei Baumpflanzungen auf 2-6 m, je nach der Art der Baumpflanzung, festsetzt, gegenüber von Weinbergen aber auf das Doppelte, wenn die Bäume oder Hölzer auf deren süd­licher, südöstlicher oder südwestlicher Seite gepflanzt werden, sprach Stälin den Wunsch aus, daß gegenüber Weinbergen in bevorzugten Lagen, worüber die Gemeinden ein Register zu führen hätten, die Abstände verdoppelt werden möchten. Auch v. Hofacker unterstützte diesen Wunsch, und der Mi­nister des Innern erklärte denselben für gerechtfertigt, bat jedoch, die angeregte Bestimmung einem anderen Artikel (17) einzuverleiben. Artikel 12 wurde darauf mit einer geringen Abänderung angenommen, ebenso die Artikel 1316; Artikel 17 wurde wegen der von Stälin angeregten Aenderung einst­weilen zurückgestellt und darauf die Artikel 18 und 19 nach dem Entwurf angenommen. Bei Artikel 19, der die Abstände für v e u e Waldanlagen auf 36 m (gegenüber Weinbergen in südlicher, südwestlicher u. südöstlicher Lage aufs Doppelte) und bei Verjüngung von Waldanlagen auf 2 m festsetzt, be­antragte Hartmann gleiche Grenzabstände für alle Wal­dungen derart, daß auch die bestehenden Kulturen nach und

nach auf diese größeren Abstände zu reduzieren wären. Hart­mann begründete den Antrag damit, daß die Waldungen ohnedies meist in den Händen des Staates oder wohlhaben­der Familien sich befinden; man spreche gegenwärtig so viel davon, daß für die Landwirtschaft etwas geschehen müsse, so möge man dies auch bei dieser Gelegenheit thun. Stock­mayer, Spieß und Minister v. Schmid sprachen sich mit Entschiedenheit gegen den Antrag aus, dessen Annahme die ganze Vorlage wider zum Scheitern bringen würde, nachdem bekanntlich schon die frühere Vorlage gerade über den Mei­nungsverschiedenheiten, die sich bezüglich der Abgrenzung von Waldanlagen ergeben hatten, zu Fall gekommen war; der Ant- ag würd? einen ung.heuerlichc.i Eingriff in das Eigen­tumsrecht in sich schließen. Frhr. H. v. O w, sowie Minister v. Riecke nannten denselben eine förmliche Expropriation, der eine Entschädigung folgen müßte. Nur Haußmann- Gerabronn meinte, er sehe nicht ein, warum man gerade hier von einem Eingriff in das Privateigentum sprechen wolle, da doch das ganze Gesetz solche Eingriffe enthalte; er werde jedenfalls in erster Lesung für den Antrag stimmen. Essig hätte wenigstens größere Abstände gegenüber dem Feld und den Weinbergen gewünscht. Der Antrag Hartmann wurde schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Beratung wurde bei Artikel 19 abgebrochen.

Stuttgart, 10. April. In der SamStagssitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die Beratung über den Gesetzentwurf, betreffend das landwirtschaftliche Nachbar­recht, fortgesetzt. Zunächst wurde der tags zuvor zurückge­stellte Artikel 17 mit dem Amendement Stälin und v. Ho sacker angenommen, wonach zu Gunsten bevorzugter Weinberge ohne Rücksicht auf ihre Lage die Grenzabstände durch Orrsstatut verdoppelt werden können. Artikel 21, der von der Beseitigung überhängender Zweige handelt, macht eine besondere Ausnahme zu Gunsten der sogenannten Tranf- bäumc und bestimmt, daß darüber, ob die Ausnahme za machen sei, im einzelnen Falle der Richter nach Vernehmung von Sachverständigen zu entscheiden habe. Diese Worte nach Vernehmung von Sachverständigen" wurden auf An­trag von Dr. Göz gestrichen, da, wie der Antragsteller be­merkte, unsere Landesgesetzgebung nicht das Recht hat, den Richter unter allen Umständen zur Vernehmung von Sachver­ständigen zu zwinge». Artikel 24 bestimmt, daß Früchte, die von einem Baum auf ein Nachbargrundstück herüberfallen, als Früchte dieses Grundstücks gelten sollen; dagegen sollen Früchte, die auf eine Straße, einen öffentlichen Weg oder ein öffentliches Gewässer herabfallen, als auf dem Grundstück, auf weichem der Baum steht, nicdergefallen zu betrachten sein. Dieser Artikel wurde im Absatz i in einer von Landauer beantragten besseren redaktionellen Fassung angenommen; in Absatz 2 wurden auf Antrag der Kommission die Worte oder ein öffentliches Gewässer" und weiterhin auf Antrag Göz noch das WortStraße" gestrichen. Bei Artikel 26 wurde am Samstag die Beratung abgebrochen und auf Diens­tag nachmittag vertagt.

Das Komitee zur Errichtung eines gemeinsamen Errinnerungszeichens für König Karl und Königin Olga von Württemberg erläßt ein Kon- kurrenzausschreiben für württembergische und alle in Württemberg lebenden Künstler. Das Denkmal soll in den oberen königlichen Anlagen in Stuttgart er richtet werden.

Brandfälle: den 6. April, in Allmendingen (Ehingen) das umfangreiche Anwesen des Bauers Fidel Engelhardt; den 10. April, in Obernau (Nellingsheim) das Haus des Waldmeisters.

Interessant ist es, daß auch den Nürnberger Sozialdemokraten dadurch der Boden entzogen werden soll, daß man ihnen die Lokale zu Wahlver sammlungen in den kleineren Städten und Dörfern zu sperren sucht. Glaubt man mit so kleinen Mitteln eine kräftig gewordene politische Bewegung aufhalten zu können?

Frankfurt a. M., 10. April. Die Landleute prophezeien ein reiches Obstjahr. Seit den 50er Jahren haben die Bäume zu solch früher Zeit einen so reichen Blütenflor nicht gehabt, wie dieses Jahr und da ein langer hart kalter Winter hinter uns liegt, so stehen Nachfrüste, die bei etwa vorhergender nasser Witterung eintreten könnten, nicht zu befürchten.

Potsdam. Die Prinzessin Friedrich Leo­pold, Schwester der Kaiserin, ist von einem Prin­zen entbunden worden. Mutter und Kind sind den Umständen entsprechend wohl.

Drei kaiserliche Staatskarossen werden kurz vor der Abreise des Kaisers nach Rom dorthin diri­giert, woselbst sie für die feierliche Auffahrt zum Va­tikan Verwendung finden sollen. Bekanntlich dürfen die kgl. italienischen Wagen die Grenze der päpstli­chen MachEphäre nicht paffi'ren.

Berlin, 6. April. Generalfelomarschall Graf von Blumenthal ist von schwerer Erkrankung wieder oweit hergestellt, daß er voraussichtlich schon gegen Ende dieses Monats nach Italien wird abreisen können, um dort eine völlige Genesung zu erzielen.

Berlin, 8. April. DerBoss. Ztg." wird aus Rom mitgeteilt: In Sanct Albreto bei Ravenna drangen 200 Frauen von Arbeitslosen mit Kindern in die Bäckerläden ein. Das Militär schritt ein.

Berlin, 8. April. In offiziösen Korrespon­denzen wird jetzt der Antrag des Abg. Lieber be­züglich der zweijährigen Dienstzeit für annehmbar erklärt. Der Antrag wollte die zweijährige Dienst­zeit für die Fußtruppen für die Dauer des Gesetzes, also für fünf Jahre, festlegen und bestimmen, daß ausgediente Mannschaften sofort zur Reserve zu ent­lassen seien, indessen sollte während des ersten Jah­res die Erlaubnis zur Auswanderung verweigert werden dürfen.

Berlin, 8, April. Wie verlautet, schenkte der Kaiser dem italienischen Kronprinzen ein wertvolles Reitpferd aus dem Trakehner Marstall.

Ueber die Ursachen des Radau-Antisemitism ns sprach der konservative Abg. Stöcker in Berlin in einer Versammlung Christlich-Sozialer, welche von etwa 1000 Personen besucht war. Abg. Stöcker führte aus, den Antisemitismus ins Leben gerufen und als einen christlichen. sittlichen und nationalen Kampf geführt zu haben. Für die Auswüchse und den je­tzigen Radan-Antisemitismus sei er nicht verantwort­lich. Er mißbillige die allgemeine Beschimpfung der Juden, die Verspottung ihrer körperlichen Eigentüm­lichkeiten und Versammlungen, in denen man Entree erhebe und Akten ankündige, die dann nicht zur Stelle seien. Abg. Werner (Antisemit) trat dem Abg. Stöcker entgegen. Das, was Letzterer jetzt als Radauantise­mitismus bezeichne, habe er mitgemacht und gutge­heißen, als es ihm zu seinen Erfolgen verhalf. Der Radau-Antisemitismus sei als Sturmbock unentbehr­lich. Der Zweck heilige das Mittel. Der Abg. Stöcker befördere jetzt nur die Uneinigkeit unter den Antisemiten. Letzteren Borwurf gab Stöcker den Deutsch-Sozialen zurück. Das jetzige Auftreten des Abg. Böcke! sei eine Schande und ein Wahnsinn. Mit einem Wahnsinnigen, der ihn aus seinem Wahl­kreise verdrängen wolle, könne er nicht Politik machen.

Ueber den Fall Kurtz hat der französische Mi- nister der auswärtigen Angelegenheiten nunmehr dem Grafen Münster mitgeteilt, die eingeleitete Unter­suchung habe ergeben, daß sich die beteiligten Be­hörden einen sehr bedauerlichen Mißgriff haben zu Schulden kommen lassen. Der Verdacht der Spio­nage habe auf kleinlichen Angaben beruht. Nachdem sich dieser Verdacht als unbegründet erwiesen, sei die Ausweisung des Hrn. Kurtz nicht gerechtfertigt, auch das Aufhalten des Briefes an den deutschen Bot­schafter durchaus ungehörig gewesen. Der Minister hat dem kaiserlichen Botschafter zugesagt, daß der Wiederkehr solcher Vorgänge werde vorgebeugt wer­den und überdies den Grafen Münster ermächtigt.