Unterschied der jetzigen gegen die frühere Vorlage hinwieS, während der letztere über das Verhältnis der Landes- und der bevorstehenden Reichsgesetzgebung ans dem Gebiete des landwirtschaftlichen Nachbarrechts sich verbreitete. Die Generaldebatte wurde sodann geschloffen und in die Einzelberatung des Entwurfs eingetreten, wobei die Artikel 1—9 nach den Anträgen der Kommission angenommen wurden.
Stuttgart, 7. April. Der geschäftliche Teil des Geographentages wurde heute beendet. Auf Befürwortung Richthofens wird Bremen als nächster Ort für die Versammlung im Jahre 1895 gewählt. Auf Antrag Köppens wird eine Commission gewählt, behufs Regelung einer einheitlichen Schreibweise der geographischen Namen. Vorsitzender Oberstudienrat Dorn schließt den Congreß mit den besten Wünschen für die Wissenschaft nnd die Schule. Er dankt dem Ehrenpräsidenten Geheimrat Wagner-Göttingen, dem Ortsausschuß, der Stadtgemeinde, und endet mit einem Hoch auf Stuttgart.
Heilbronn, 5. April. Der „Deutschen Reichsp." wird von hier geschrieben: „Wie man aus zuverlässiger Quelle erfährt, soll Oberbürgermeister Hegelmaier auf Grund eines Urteils des hiesigen Landgerichts und nachdem eine Beschwerde beim Oberlandesgericht abgewiesen worden sei, gegen seinen Willen auf sechs Wochen in die Irrenanstalt Jllenau in Baden zur Beobachtung seines Geisteszustandes verbracht werden.
Im abgelaufenen Schuljahr 1892 bestanden in Württemberg 586 Winterabendschulen (im Vorjahr 573), sonstige Fortbildungsschulen 202 (i. V. 192); verlängerte Sonntagsschulen wurden in 28 Gemeinden (i. V. 18) abgehalten. Die Zahl der Winterabendschüler betrug 13,037 (12,364), sonstige Fortbildungsschüler 7608 (6811). Am rührigsten thätig in Errichtung genannter Schulen, nämlich mit einem Prozentsatz der Gemeinden von 90—100°/« waren die Bezirke Blaubeuren, Heidenheim, Rottweil, mit 80 bis 90°/» Aalen, Geislingen, Münsingen, Rottenburg, mit 70—80°/» Biberach, Freudenstadt, Knittlingen, Nagold, Neuenstadt, Langenau, Urach, mit 60—70°/» Cannstatt, Heilbronn, Herrenberg, Marbach, Nürtingen, Ravensburg, Reutlingen, Oberndorf, Sulz. Die übrigen Bezirke haben sich weniger stark beteiligt. Die Staatsauslagen beliefen sich auf rund 55,000 Im allgemeinen läßt sich ein erfreuliches Wachsen des Interesses an dem Fortbildungsschulwesen konstatieren.
Brandfall: Am 4. Apr., das Anwesen des David Liegle in Sonderbuch (Blaubeuren).
München, 7. April. Herzog Karl Theodor vollzog heute die 2000ste Staaroperation in seiner Augenheilanstalt Schwabing.
Dietkirchen (Oberpfalz), 6. April. Es bestätigt sich vollkommen, daß Lehrer Brunner Ohrenzeuge der Ermordung seiner Familie war und aus Furcht für seine eigene Person derselben nicht zu Hilfe eilte, ferner, daß er seine Verhaftung teilweise selbst verschuldete, weil er nicht bei der Wahrheit blieb und widersprechende Angaben machte. Das Amb. Tgbl. schreibt: „Herr Brunner hätte seine peinliche Lage mit einem Schlage ändern oder noch besser von vornherein vermeiden können, wenn er bei seinen Aussagen sich streng an der Wahrheit gehalten hätte. Erst jetzt giebt er zu, daß er in der kritischen Nacht wohl einen heftigen Schlag gehört, sich jedoch nicht getraut habe, in die unteren Räume seiner Wohnung hinabzugehen. Gutem Bernehmnn nach hat Brunner ferner angegeben, er habe in seiner Angst wohl an sein Geld gedacht, nicht aber an seine Angehörigen. Ob er die letzteren schreien hörte, darüber hat Brunner bisher nichts gesagt. — Ein Neumarkter Berichterstatter der AugSb. Ab.-Z. hatte eine längere Unterredung mit Lehrer Brunner, welcher der Meinung ist, daß die blutige Gräuelthat nicht von Guttenberger allein, sondern von zwei Mordgesellen verübt worden sei. Es ist die feste Ueberzeugung dieses unglücklichen Gatten und Vaters, daß in 1. Linie das Verbrechen eines Lustmords vorliege und in zweiter Linie ein' Racheakt, begangen im Komplott mit dem geständigen Mörder von demjenigen, dem er wegen sittlicher Attentate auf die Ehre seiner Familie indirekt sein Haus verweisen mußte, von einem in sittlicher Beziehung ziemlich tief stehenden Menschen, der es sich besonders angelegsn sein ließ, den Verdacht auf seinen Feind, den Lehrer Brunner, zu lenken und möglichst weit zu verbreiten. Einzelheiten entziehen sich noch der öff. Besprechung.
Wieder einer! In Hamburg ist der Bankier Stapelfeldt wegen Veruntreuung von zum Depot
/erhaltenen Wertpapieren in Höhe von 90000 ^ verhaftet worden. Die Passiva sollen 150000 betragen.
Das offizielle Programm für die Festlichkeiten während des Aufenthaltes des deutschen Kaiserpaares in Neapel ist nunmehr entworfen. Da- nach erfolgt die Ankunft der Majestäten am 27. d M., nachmittags 1 Uhr. Am Abend findet eine große Serenade statt, an welcher sämtliche in Neapel anwesende Musikkorps teilnehmen. Für den 28. ist eine Fahrt auf dem Meere in Aussicht genommen, abends Galaoper im Theater San-Carlo. Am 29. Besuch von Pompeji; abends Ball im Kasino Unione. Am 30. soll die Abreise auf dem Landwege erfolgen. An allen drei Abenden werden die Hauptstraßen mit elektrischem Licht erleuchtet sein.
Berlin, 6. April. Die Zeichnung auf 160 Millionen 3°/» Reichsanleihe und 140 Millionen 3°/» preußische Konsols wurde auf den 11. April zum Kurse 86,80 festgesetzt.
Der antisemitische Abg. Ahlwardt hat am 29. März im Wahlkreis des Führers der sächsischen Konservativen, Abg. v. Friesen, in Großenhain seine Zuhörer aufgefordert, unter keiner Bedingung Herrn v. Friesen wiederzuwählen, denn die ganzen Konservativen seien doch nur Juden oder stammten von solchen ab! Herr Ahlwardt rühmte sich, daß er unter den 400 Reichstagsabgeordneten allein den Mut habe, Schäden aufzudecken, da alle anderen Reichstagsabgeordneten doch mehr oder minder von den Juden bestochen seien. Als Fürst Bismarck eingesehen hätte, daß das Deutsche Reich nur noch durch die Hilfe des Antisemitismus gedeihen könne, habe er von seinem Platz fortgemußt, und jetzt sei er, Ahlwardt, berufen, an seiner Stelle das Werk Bismarcks fortzusetzen. Wenn dieser Bericht auf Wahrheit beruht, dann scheint es allerdings im Kopf Ahlwardts merkwürdig auszusehen.
Offener Brief an den „Beobachter."
(Auf besonderen Wunsch mehrerer unsrer Leser der Deutschen Reichspost entnommen.)
Werter Beobachter! Deine frische, biedere Sprache hat mirs schon lange angethan und giebt mir das Herz, mich auch ein wenig mit Dir zu unterhalten. Du wirst mir das vertrauliche „Du" schon gestatten.
Von jung auf gewöhnt, Gabel, Sense und Flegel zu handhaben, ist mir die Feder nicht so geläufig und nur weil mir Deine frische, biedermännische Sprache, die auf ein gutes Herz schließen läßt, so ganz besonders sympathisch ist, lasse ich mich auf eine Unterhaltung mit Dir ein.
Weil Du „ein Volksblatt aus Schwaben" bist und stets nur das Volk im Mund führst, darf ich Dir schon vertraulich meine Ansichten sagen. Es handelt sich um die leidige Geschichte von der not- leidenden Landwirtschaft.
An dem Notstand, von dem die norddeutschen Junker, die mir nebenbei gesagt auch nicht so besonders sympathisch sind, „heruuterfaseln" , ist in der That was dran.
Wenn Du Lust hast, meine Bücher einzusehen, stelle ich Dir dieselben jederzeit zur Verfügung und Du kannst Dich von der Wahrheit des Folgenden überzeugen.
So wie der Bauer schindet sich sonst kein Mensch, und ein Arbeiter in der Fabrik lebt durchschnittlich besser als bei uns ein begüterter Bauer. Wenn letzterer aber trotz alles Schindens und Rackerns doch nichts vor sich bringt, ja sogar rückwärts kommt, so müßtest Du nicht der Biedermann sein, der Du bist, wenn Du nicht auch Mitleid fühltest. Weil ich Dein gutes Herz kenne, will ich Dir reinen Wein einschenken, es wird gewiß nicht ohne Eindruck auf Dich sein.
Meines Zeichens bin ich ein armer Pächter und treibe ein Hof von 430 Morgen um. Ich zahle vom Morgen 10 Pacht. Dem Besitzer des Hofes bleibt, bis er Steuern und Abgaben entrichtet, die Gebäude unterhält rc., weniger Rente, als eine Bäckerei oder Bierwirtschaft in der Stadt abwirft; ich sage das, damit Du nicht sagst, der Mann zahlt eben zu viel Pacht. Der Besitzer thäte besser, — trotzdem etwa 1500 bis 2000 Zentner Getreide von dem Hof auf den Markt geliefert werden — wenn er den Hof zu Wald anpflanzen und die Gebäude niederreißen würde. Die 25 Menschen, die das ganze Jahr hindurch und die 50 Personen, die im Sommer
ihr Brot auf dem Hof finden — könnten ja dann sehen, wie sie sonst Unterkommen. Wir führen aber trotz allem den Hof weiter und man sagt mir in der Gegend nach, ich treibe meine Sache gut um. Letzteres sage ich nicht aus Eigenlob, sondern damit Du nicht die Ausrede hast, ich verstehe eben nichts, sonst müßte ich auch was verdienen.
Die Leute in der Stadt glauben vielleicht, ich verdiene viel Geld, weil ich nach einem Fruchtverkauf, um vor Aerger über die schlechten Preise nicht mutlos zu werden, schon manchmal einen oder sogar mehrere Schoppen Wein getrunken habe. Wir wollen die Leute auf dem Glauben lassen, aber Dir, lieber „Beobachter", darf ich schon sagen, wies eigentlich aussieht.
Bon 1883 bis 1887 ging bei mir Null von Null auf; 1887 bis 1890 habe ich in 3 Jahren 13 000 zugesetzt und fast allen Pächtern und vielen Bauern in Württemberg und wahrscheinlich in ganz Deutschland gings ebenso. Ich weiß das bestimmt, weil es mir schon der und jener, ohne daß ich fragte, im Vertrauen sagte. Hier giebt es keine 15 bis 20 Prozent Dividende, wie in anderen Geschäften. 1890 und 1891 habe ich bei den besseren Preisen wieder einen Teil des Verlustes eingebracht. Heuer wäre es mir wahrscheinlich gelungen, den ganzen Verlust wieder hereinzubringen, wenn der Preissturz des Getreides nicht gekommen wäre. Ich habe durch den Preisrückgang einen Verlust von 4000 ^ erlitten, das thut auf den Morgen soviel als was ich Pachtgeld zahle; d. h. 9 ^ per Morgen. Bei einem Bauerngut von 60 Morgen und bei ähnlichem Betrieb macht dies 540 und bei einem Gut von 100 Morgen 900
Und jetzt soll mir einer sagen. daß der kleine Mann im Getreidegeschäft gar nicht in Betracht kommt, sondern nur der Junker und Großgrundbesitzer. Im ganzen Süden giebt es ja fast keine Großgrundbesitzer — ich würde es selbst gerne sehen, wenn es auch im Norden nur mittlere und kleine Güter geben würde, aber sie sind einmal da. geradeso wie die Millionäre in den großen Städten. Aber der größte Teil von Grund und Boden ist doch in den Händen der Mittleren und Kleinen.
Hättest Du doch das, was ich in der „Geislinger Ztg." geschrieben, auch Deinen Lesern mitgeteilt, es hätte gewiß manchen interessiert, statt daß Du so haarsträubend übertreibst und sagst, ich habe 14 Zoll verlangt. Lies doch das Ding nochmals durch und Du wirst finden, daß es per Zentner 3 ^ 50, per Doppelzentner 7 und nicht 14 heißt. Es wurden von mir auch gar keine 7 ^ Zoll per Doppelzentner verlangt, es sollte nur ein Beispiel gegeben werden. Ferner wurde von mir gesagt,
daß wir bei 12 per Zentner — 50 Kilo Kernenpreis überhaupt keinen Zoll mehr brauchen, von dem hast Du nichts erwähnt. Ich finde dieses Verschweigen nicht schön, oder besser gesagt nicht ehrlich.
Eine sehr große Ehre war es mir, bei dieser Gelegenheit erstmals im „Beobachter" zu kommen und glaube ich, daß wir als gute Freunde noch öfter eine gemütliche Unterhaltung mit einander haben werden. Wir wollen einander nichts übel nehmen. Doch zurück aufs alte Thema. Daß es für den Pächter und Bauern heutzutage kein Spaß ist, ein Gut zu bewirtschaften, wirst Du aus dem Bisherigen schon ersehen haben und wenn der Landwirt glaubt, er habe nach schrecklicher Mühe und vielen Sorgen das Geld schon in der Tasche, dann schlägt das Getreide im letzten Moment ab und man hat wieder ein Jahr umsonst gearbeitet oder man ist sogar nach rückwärts gekommen. Kann man es einem sterblichen Menschen da verargen, wenn er ernstlich bös wird? Wie soll man aber den Zorn auslassen? Die Not hat mich dazu getrieben, im „Blättle" meinem bedrängten Herzen Luft zu machen, weil es immer heißt, rührt euch auch ihr Bauern, wahret euer Interesse. Es geht einem aber schlecht. Ein Filzthäler hat mich einen „Heißsporn" und Du gar einen „rabiaten Manschettenbauern!" genannt. Mit den Manschetten verhält es sich aber bei mir folgendermaßen: Nur Sonntags, wenn ich meinen neuen Rock, der in den Aermeln zu kurz ist, anhabe (ich mag ihn dem Schneider nicht wie Herr v. Münch heimschlagen), trage ich Manschetten, damit man die kurzen Aermel und meine großen Hände nicht so sieht. Zu Haus und auswärts trage ich, obigen Fall abgerechnet, nie Manschetten. Du bist also mit den Manschetten falsch berichtet worden.)