Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Dienstag 11. April
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1893 .
Amtliches.
Bekanntmachung.
Durch Erlaß der K. Kreisregierung Reutlingen vom 5. April ds. Js. Nro. 2453 ist der durchnitt- liche Jahresarbeitsverdienst der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter in folgender Weise festgesetzt worden:
a) Nagold, Altensteig Stadt, Enzthal u. Haiterbach Erwachsene Arbeiter Jugendliche Arbeiter männlich weidlich männlich weiblich
500 Mk. 300 Mk. 300 Mk. 180 Mk.
d) in den übrigen Gemeinden 400 Mk. 250 Mk. 250 Mk. 150 Mk.
Nagold, 8. April 1893.
K. Oberamt. Vogt.
Bekanntmachung, btr. die Floßsperre auf der Nagold.
Die unterm 22. Marz ds. Js. für die Nagold innerhalb des Bezirks verfügte Floßsperre wird hiemit wieder aufgehoben.
Nagold, den 8. April 1893.
K. Oberamt. Bollmar, Amtm.
Fürst Bismarck und die Regierung.
In ihrem Gebnrtstagsartikel für den Fürsten Bismarck erörtern die „Hamburger Nachrichten" u. a. auch die Frage der Wiederannäherung des Alt- Reichskanzlers an die deutsche Regierung und be- merken darüber, was folgt:
Daß Fürst Bismarck trotz aller körperlichen und geistigen Frische je wieder in's Amt zurückkehren könne oder dies erstrebe, glauben selbst seine Gegner nicht. Und wenn sie es doch thun, so unterschätzen sie das Selbstgefühl des Fürsten. Was sollte ihn, der Jahrzehnte hindurch alle Macht und alles Ansehen des größten europäischen Staatsmannes in sich vereinigt hat, wohl veranlassen, in seinem hohen Alter das Nämliche noch einmal zu erstreben, was «r früher längst besaß? Was sollte ihn bewegen, auch nur wieder den Einfluß auf die Leitung der Geschäfte zu gewinnen, den chm Graf Caprivi selbst für den Fall der Annäherung abstceitet? Die Stellung des Fürsten Bismarck in der Weltgeschichte ist gesichert, weshalb sollte er sie am Abend seines Lebens ohne Not aufs Spiel setzen? Dies würde er aber thun, wenn die Annäherung, die von so Vielen ersehnt wird, wirklich stattfände. Bon diesem Augenblick an würde Fürst Bismarck für alles, was geschieht, mit verantwortlich gemacht werden, ohne daß or wie früher die Macht hätte, den Gang der Dinge, für die er dann mit in Anspruch genommen würde, nach seinem eigenen Ermessen zu bestimmen. Aus diesem Grund können die Millionen deutscher Patrioten, deren Herzen sich heute dem Fürsten Bismarck in Begeisterung zuwenden, nicht einmal wünschen, daß ihr Sehnen nach Annäherung in Erfüllung oinge; der Fürst würde dadurch in eine Lage gebracht, die auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten wäre. Das braucht ihnen aber nicht das Gemüt zu berücken: im Gegenteil, je freier sie ihre Festes- steude von politischen Erwartungen halten, desto vorbehaltloser und inniger können sie sich ihr hin- geben, um so sicherer können sie sein, dem alten Kanzler im Sachsenwalde wohlzugefallen. Daß dem Baterland der Rat des großen Staatsmannes, einer- lei von welcher Stelle aus, in der Stunde der Gefahr nicht vorenthalten bleiben würde, ist selbstverständlich ^unv kann zur Beruhigung patriotischer Besorgnis
völlig ausreichen. Die Hauptsache ist, daß Fürst Bismarck überhaupt noch unter uns weilt; das Uebrige ist seine Sache und die der göttlichen Vorsehung.
Hages-WeuigkeiLen.
Deutsches Weich.
* Nagold , 10. April. Die gestrige erste diesjährige Corpsversammlung der hiesigen Feuerwehr im Gasthaus z. Traube war sehr zahlreich besucht. Der Kommandant, Werkmeister Benz, erwähnte zuerst den unerwarteten, allgemein bedauerlichen Hingang seines seitherigen Adjutanten, Conditor Gauß, und rühmte seine uneigennützige, gewissenhafte Pflichttreue in diesem Berufe, worauf die Versammlung durch Aufstehen von ihren Sitzen sein Andenken zu ehren suchte. Nach einer kurzen Ansprache wurde den 25 Jahre im Dienst gestandenen Mitgliedern Mechaniker Brezing u. Schreiner Hahner dasvom Lan- desfeuerlösch-Ausschuß verliehene Diplom überreicht. Nach dem vorgetragenen Bericht über den Kassen- und Mannschaftsstand kamen die revidierten Statuten sowie der llebungsplan pr. 1893 zur Verteilung, welch letzterer für manchen vielleicht überreichlich ausgefallen. Bei der hierauf folgenden Offizierswahl wurde für den verstorbenen Conditor Gauß Maler Hespeler als Adjutant gewählt. Möchte die Feuerwehr nie Veranlassung haben, in ernsterer Weise als in solchen Versammlungen in Thätigkeit zu treten.
Wildberg. (Eingesandt.) Unter überaus zahlreicher Beteiligung von nah und fern wurde am letzten Donnerstag einer unserer Veteranen aus dem Jahre 1870, Bärenwirt Glaser, zur letzten Ruhe gebettet. Verschiedene Militär- und Veteranenvereine (diejenigen aus den Ortschaften Efsrinqen, Emmingen. Gültlingen und Schönbronn mit umflorten Fahnen) hatten sich eingesunken, um in Gemeinschaft mit den hiesigen Vereinen dem verblichenen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen. Glaser machte den letzten Feldzug im 7. württb. Infanterieregiment mit, nahm jedoch an den ersten Schlachten und Siegen nicht teil, da er mit vielen andern erst zur Belagerungsarmee (vor Paris) nachgesandt wurde. Er brachte sein Alter auf 49 Jahre. Die hiesige Feuerwehr sowie der Militär- und Beteranenverein ließen Kränze am Grabe niederlegen, auch wurden nach der Grabrede die letzten Grüße durch Salven u. Fahnenschwen- ins Grab nachgesandt. Den Vereinen wird für ihr zahlreiches Erscheinen auch auf diesem Wege der gebührende Dank ausgesprochen.
Calw, 6. April. Heute vormittag brach im Stadtwald schon wieder ein Brand aus, der aber durch die Feuerwehr bald unterdrückt wurde. Die abgebrannte Fläche beträgt über einen Morgen. Entstehungsursache unbekannt.
Horb, 7. April. Der württembergische evangelische Schullehrerunterstützungsverein hat nach dem neuesten Rechenschaftsbericht im vorigen Jahr 40 Waisen mit 870 241 Witwen mit 4970
35 ständige Lehrer mit 1280^ und 10 unständige Lehrer mit 225 unterstützt.
Stuttgart, 4. April. Auch ein Zeichen der Zeit ist, daß sich dieser Tage 8 Personen (Mitglieder des Freidenkerbundes) entschlossen, das christliche Religionsbekenntnis aufzugeben und ihren Kirchenaustritt zu erklären. Sieben davon waren Protestanten, einer Katholik.
Stuttgart, 6. April. Zum Geographentag sind auch aus Paris, Budapest, Bukarest und den Niederlanden Vertreter geographischer Gesellschaften eingetroffen. Die heutige Präsenzliste weist 514 Namen auf. Mit lebhafter Freude wurde die Mitteilung begrüßt, der König habe sich für Errichtung eines Lehrstuhls für Geographie an der Universität Tübingen ausgesprochen.
Stuttgart, 6. April. Die Kammer der Abgeordneten nahm gestern ihre Thätiakeit wieder auf. Unter den Einläufen befindet sich ein Gesetzentwurf, betreffend die Entlassung dienstunfähiger Körperschaftsbeamten. Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der Gesetzentwurf, betreffend die Dienstaufsicht über die Gewerbegerichte, wonach die letzteren der Dienstaufstcht der Landgerichte unterstellt werden. Die Vorlage, die in einem einzigen Artikel besteht, wurde nach einigen Bemerkungen des Berichterstatters U n» tcrsee und des Justizministers v. Fab er angenommen, und zwar in der Schlußabstimmung mit 76, allen abgegebenen Stimmen. Auch die kürzlich von uns mitgeteilten Anträge der Geschäftsordnungskommission, betreffend die Beschl euni- gung der Anfertigung der ständischen Protokolle, wurden nach kurzer Debatte teils einstimmig, teils mit großer Mehrheit genehmigt. Danach werden u. a. drei weitere Stenographen angestellt und der Stenographentisch der Kontrolle halber doppelt besetzt; die Sitzungsprotokolle sollen künftig nicht mehr durch zwei, sondern nur durch einen Sitznngssekretär beurkundet werden; jedem Redner wird die Uebertragung seiner Rede sofort nach Fertigstellung und spätestens am Tage nach der Sitzung zugestellt, damit derselbe die nötigen Berichtigungen vornehmen kann; Reklamationen müssen, um Berücksichtigung finden zu können, binnen dreimal 24 Stunden nach Schluß der betreffenden Sitzung an die Kanzlei gelangen; »ach Ablauf dieser Frist sollen die Protokolle ohne Rücksicht auf etwa ausstehende Reklamationen schleunigst zum Druck gebracht werden. Nach Erledigung dieser Angelegenheit wurde die Etatsberatung fortgesetzt und zwar wurde Kap. 108 Ständische Kaffe, Kap. iü9 Reservefonds und Kap. iio a Aufwand und Postporto infolge der Aufhebung der Portofreiheit in Dienstsachen erledigt. Bei Kap. 108 hatte Aldinger als Berichterstatter im Namen der Kommission die Abrundung der ständischen Taggelder nach unten, d. h. von 9 43 4 auf 9 4L 40 4, angeregt;
nachdem aber der Finanzminister darauf hingewiesen, daß der jetzige Satz auf einer gesetzlichen Bestimmung beruhe, die nicht ohne weiteres sich abändern lasse, wurde nach einigen weiteren Bemerkungen mehrerer Abgeordneten der Gegenstand verlassen. Bei Kap. Ivo » brachte Meyder zur Sprache, daß den Octsbehörden seitens der Bezirksbehörden oft Vorhalte auf Postkarten gemacht werden; so sei irgend ein Schultheißenamt einmal mittels Postkarte daraus hingewiesen worden, daß Oberamtsrichter, Oberamtsärzte u. s. w. zu grüßen seien, worauf der Finanzminister versprach, dafür Sorge zu tragen, daß derartige Taktlosigkeiten nicht mehr Vorkommen. Die Beratung des Etats wurde darauf abgebrochen.
Stuttgart, 7. April. In der gestrigen Sitzung der Abgeordnetenkammer wurde in die Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend das landwirtschaftliche Nachbarrecht eingctrcten Die Generaldebatte wurde eingeleitet durch die Berichterstatter Stockmayer und Landauer, die beide den Eintritt in die Beratung des Gesetzes empfahlen, welches einem Bedürfnis entgegenkomme, das sich, seitdem der Landtag das letztemal mit dem Gegenstand sich beschäftigt (bekanntlich wurde damals keine Einigung zwischen beiden Ständekammern erzielt, so daß das Gesetz nicht zur Verabschiedung gelangen konnte), immer fühlbarer gemacht habe. Landauer hob noch besonders hervor, daß die Bedenken, die er gegen den früheren Entwurf gehabt habe, weil er gefürchtet, derselbe könnte mit der reichsgesetzlichen Regelung des bürgerlichen Rechts kollidieren, nunmehr geschwunden seien, da es als sicher betrachtet werden dürfe, daß gerade auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen NachbarcechtS die Berücksichtigung der besondcrn lokalen Bedürfnisse den Lan- deSgesctzgedungen überlaffen werden solle. Auch mehrere weitere Redner, Gock, v. Hofacker, Frhr. H. v. Ow, Auer, sprachen ihre Befriedigung über die Einbringung der Vorlage aus, und nur der Abgeordnete Essich meinte, in seiner Gegend, wo der Weinbau vorherrichc, sei das Bedürfnis für das Gesetz nicht besonders groß, wogegen Weis haar be, tonte, daß in Besizheim ebensowohl wie im andern Lande ein solches Bedürfnis bestehe. Im Laufe der Debatre sprachen auch die Minister v. Schmid und v. Fab er, von welchen der erstere die Bedürfnisfrage erörterte und auf den