schule überhaupt zur unausbleiblichen und selbstverständlichen Folge hätte. Darauf wollen ja die Liebhaber der Realschule gewiß nicht hinarbeiten. Der thatsächliche Erfolg ihrer Agitation, wenn sie weiter getrieben wird, muß das sein! Ob das, wir wollen nicht sagen im Interesse der Väter liege, die so altväterisch sind, ihre Kinder noch lateinisch lernen lassen zu wollen, nein, ob es dem Rufe und der Frequenz unserer offenbar im Aufblühen begriffenen Stadt zum Vorteil gereiche, ob es der Sinn u. Wille der leitenden Väter der Stadt sein kann, die so viel und bis jetzt mit Recht gerühmt wurden ob ihres Eifers für Hebung und Erhaltung guter Schulen? Jedenfalls wird in der Frage, die wir in der Kürze auch ein- mal von unserem Standpunkt zu beleuchten uns erlauben durften, neben dem auch von uns in Anspruch genommenen Wort „Jedem das Seine", — zugleich der andere Grundsatz wenigstens für die nächste Zeit zu erwägen sein: „Eile mit Weile!"
> Altensteig, 14. März. Das 4str Jahr alte Bübchen einer hief. Witwe verlor heute Nachmittag auf recht bedauerliche Weise das Leben. Es spielte mit Kameraden am Nebenkanal der Nagold an der Rosenstraße. Als die Gespielen sich entfernten, blieb das Kind allein zurück. Später fand man es 150 Meter unterhalb des Spielplatzes am Rechen der Schill'schen Mühle tot. Auffallend ist, daß das Kind, auf der Strecke, die es geschwemmt wurde, von niemand bemerkt worden ist, trotzdem der Kanal durch die Stadt hart zwischen Häusern sie führt. Die Mutter des verunglückten Kindes verlor vor 4 Jahren ihren Mann ebenfalls durch einen Unglücksfall. Er erstickte unter einem Reiswagen, der auf ihn gefallen war.
Stuttgart, 10. März. In letzter Zeit wird in zahlreichen dem Hofe nahestehenden Kreisen über eine bevorstehende Verlobung zweier Mitglieder der K. Familie viel gesprochen. Wie mitgeteilt wird, soll es sich um Se. Kgl. Hoheit den Herzog Nikolaus handeln. Dieser am I. März 1833 geborene Herzog ist KK. Feldmarschalllieulenant und war seit 8. Mai 1868 mit Wilhelmine, Herzogin von Württemberg, vermählt, welche am 24. April 1892 starb. Als Braut des Herzogs wird I. Hoh- Prinzessin Olga Maria, die jüngste am 8. Sept. 1869 geborene Tochter Sr. Hoh. des Prinzen Herrmannzu Sachsen- Weimar bezeichnet. Die offizielle Proklamierung soll erst nach Ablauf des Trauerjahrs des Herzogs statt- finden. (Wird neuestens als Zeitungsente bezeichnet.)
Der vor einiger Zeit aus dem Stuttgarter Amtsgerichtsgcfängnis ausgebrochene Valentin Mälter soll in Innsbruck verhaftet worden sein. Er trug einen eleganten Anzug und hatte den Winter über die Eisbahnen frequentiert, wobei er sich als Fabrikantensohn aus Augsburg ausgab. Bei der körperlichen Visitation fand man in seinem Mund eine feine Laubsäge, im Gepäck Einbruchwerkzeuge und eine aus Seide hergestellte Strickleiter. Auch zwei Revolver führte Möller bei sich. Er hat sich zunächst vor dem Innsbrucker Schwurgericht wegen verschiedener Einbrüche zu verantworten, worauf seine Auslieferung an Bayern und Württemberg erfolgen dürfte.
Stuttgart, 13. März. Am gestrigen Sonntag Lätare wurde von Papst Leo XIII. während der Messe in Gegenwart des Kardinalkollcgiums die goldene Rose geweiht, welche demnächst der Frau Herzogin überreicht werden wird. Es ist dies eine besondere Auszeichnung, welche angesehenen Herren am päpstlichen Hofe, Staaten, Städten einzelnen Korporationen, jedoch meist fürstlichen Personen ver liehen wird. Diese Sitte iß schon sehr alt, sie geht bis ins 11. Jahrhundert zurück; die Rosenweihe findet jeweils am Sonntag Lätare statt, woraus sich auch die Bezeichnung „Rosensonutag" für den 4. F.rstenjonntag erklärt.
Schwenningen, 13. März. Heute Nacht sind 6 alte Häuser neben der Bahnlinie abgebrannt.
Berlin. Heber die Abstimmung in der Militärkommission hat, wie die „National-Zeitung" erfährt, der Reichskanzler unmittelbar nach der Sitzung dem Kaiser Vortrag gehalten. Am Samstag trat das SlaatSministerium unter dem Vorsitze des Grafen zu Eulenburg zu einer Sitzung zusammen, welcher auch der Reichskanzler Graf Caprivi beiwohnte. Die „Post" schreibt: „In Adgcordnetenkreisen erzählt inan eine Aeußerung des Kaisers, die für die Lage charakteristisch sein dürste. Von feiten der An
hänger der Zedlitzschen Schulvorlagc — so habe sich der Kaiser vernehmen lassen — sei deren Zurückziehung als ein Akt der Schwäche, als ein Zurückweichen vor einer künstlich gemachten Erregung der öffentlichen Meinung dargestellt worden, und das sei ganz unrichtig. Nicht zurückgewichen sei man, sondern der Kaiser habe gerade an seiner Ueberzeu- gung festgehalten und sich einem Versuch versagt, ihn in eine andere Richtung zu ziehen. Trotzdem werde die Krisis des Schulgesetzes immer als Zeichen einer schwachen Regierung hingestellt. Die Militärvorlage werde jetzt Gelegenheit geben, durch die That zu zeigen, wie ungerecht dieser Vorwurf sei. Es werde der Beweis geliefert werden, daß der feste Wille seines Großvaters auch in Kaiser Wilhelm II. lebendig sei."
Die Militärvorlage. Allenthalben wird nun erörtert, wie sich die Dinge im Reichstage selbst nun gestalten werden. Vielfach wird die Ansicht ausgesprochen, die Vorlage werde auch dort abgelehnt werden , da die Reichsregierung nicht zu weitgehenden Kürzungen bereit sei, und der Reichstag dann aufgelöst werden. Andererseits wird aber auch die Hoffnung ausgesprochen, es werde auch diesmal eine Einigung zu stände kommen, wie dies früher schon oft der Fall gewesen ist. Sensationsnachrichten kündigen einen nahen Rücktritt des Reichskanzlers an und nennen als Ersatzmann Herrn Miquel, was einfach Unsinn ist. Graf Caprivi denkt nicht daran, seinen Posten aufzugeben, und der Kaiser nicht daran, ihm seine Entlassung zu erteilen. Dann war berichtet, der Reichskanzler habe sofort nach der Abstimmung in der Militärkommifsion dem Kaiser Vortrag hierüber gehalten und am Sonnabend einem preußischen Ministerrat beigewohnt, welcher sich mit der Sache beschäftigte. Beides ist, wie die „N. A. Z " kon statiert, unwahr. Die Reichsregierung dürfte schon lange ihre Beschlüsse für alle Fälle gefaßt haben und zur Ausführung nur das Votum des Reichstages abwarten. Daß nunmehr ernste Versuche zur Verständigung gemacht werden, ist sicher; inwiefern sie glücken, bleibt abzuwarten.
Deutscher Reichstag. Die am Donnerstag begonnene zweite Beratung des Militäretats wurde Freitag fon- gesetzt, wobei eine Reihe von Kapiteln genehmigt wurden. Die Debatte beschäftigte sich mit der Frage der Soldaicn- mißhandlungen. Am Sonnabend wurde die Beratung des Militäretats fortgesetzt und nach recht animierter Debatte beendet. Die einzelnen Forderungen wurden gemäß den Beschlüssen der Budgctkommission bewilligt. Montag: Etat der Zölle und Verbrauchssteuern, Postdampsergcsctz. Beim Kapitel „Bekleidung u. Ausrüstung der Truppen" wünschen Abgg. Richter und Hinze (frs.) angesichts der erhöhten Treffsicherheit der neuen Gewehre, daß alles Blitzende der Uniformen entfernt werde. Generalmajor v. Funk erwidert, daß sich die Bemühungen der Militärverwaltung schon in dieser Richtung bewege. Zugleich solle der Helm durch Anwendung des Aluminiums noch mehr erleichtert werden. Beim Kapitel „Militärgefängniswesen" schildert Abg. Haußmann (Volksp.) Mißstände im württembergischen Militär-Gcfäng- niswesen. Generallicutcnant v. Spitz antwortet auf eine Aeußerung des Vorredners, auch in Preußen könnten solche Dinge vorkomnien, das sei nickt zutreffend. Der Vorredner möchte sich einmal das Spandauer Militärgefängnis ansehen. Zwischen beiden Rednern folgt, weil Abg. Haußmann bei der Einladung nach Spandau gelächelt, noch eine persönliche Auseinandersetzung, welche Abg. Richter (frs.) aufnimmt, wobei ihm der Präsident bemerkt, die Sacke sei erledigt, was den Abg. Richter znm Protest und zur Aeußerung veranlaßt, man sei hier nicht in der Schule und brauche keine Censnr des Präsidenten. Präsident v. Levetzow erklärt, er habe niemanden eine Censur erteilen wollen, aber die Sache sei doch wirklich zu Ende. Nach diesem Zwischenfall entspinnt sich eine neue heftige Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Szmula und Gröber (Ctr.) einerseits, und den Abgg. Richter (frs.) und Haußmann (Volksp.) andererseits, weil Szmula behauptet, die Art und Weise, in welcher gestern und heute von der Armee gesprochen, setze das Ansehen derselben herab. Die freisinnigen Redner erwidern, nicht die Vorbringung von Mißbräuchen setze herab, sondern das Vorkommen derselben. Auf Wunsch des Abg. v. Marquard- sen (natl.) konstatiert der Kriegsminister, die Behauptungen des Abg. Ahlwardt v. 9. d. M. über die Löweschen Gewehre seien nicht zutreffend. Die Löweschen Gewehre seien durchaus kriegsbrauchbar, und es seien dazu nicht Läufe verwendet, die schon von der italienischen Regierung zurückgewiesen seien. Man könne ganz ruhig sein. Den Vorschlag des Abg. Ahlwardt, die Gewehre an Löwe zurückzugeben, ernst zu nehmen, hat die Militärverwaltung keine Veranlassung. Abg. Richter bemerkt, daß der Abg. Ahlwardt bei den Kapiteln des Militäretats, wo er seine erneuten Anklagen gegen die Löweschen Gewehre vertreten könnte, nicht zugegen sei; es sei auch leichter, in Volksversammlungen Anklagen vorzubringcn, als sie hier zu vertreten, wo Abg. Ahlwardt auch mit der Vorbringung von Unwahrheiten deputiert habe, wie dies eben mitgeteilt. Danach wird der Rest des Militäretats ohne weitere belangreiche Erörterungen genehmigt.
Berlin, 10. März. Die Verhandlungen über den russischen Handelsveitrag werden mit großem
Eifer nnd Beschleunigung geführt. Es sind dabei von beiden vertragenden Teilen hervorragende diplomatische Kräfte beteiligt. Das Ganze vollzieht sich durchaus geräuschlos und es sind Vorkehrungen getroffen. welche Beeinflussungen der beteiligten Diplomaten fernhalten. Es liegt in der bestimmten Absicht, die Dinge so zu fördern, daß der Vertragsentwurf noch in der gegenwärtigen Session des Reichstages, also bald nach Ostern, die gesetzgebenden Faktoren des Deutschen Reiches beschäftigen kann, deren Zustimmung schon heute, trotz des lebhaften Ansturmes der Agrarier, als gesichert angesehen werden darf.
Berlin, 14. März. Der „Freist Ztg." zufolge gilt in parlamentarischen Kreisen der deutsch-russische Handelsvertrag infolge der umfangreichen Gegenforderungen . welche die preußische Regierung im Gegensatz zum Reichskanzler aufgestellt habe, als gescheitert.
Eine 0 LU 8 S oolvbro, die zum Teil in Berlin, zum Teil in Hannover spielt, und die augenblicklich auf Ansuchen der Königlichen Staatsanwaltschaft in Hannover die Berliner Strafbehördc beschäftigt, bildet, wie die „Vossische Zeitung" mitteilt, augenblicklich >n der Berliner Sportwelt das Tagesgespräch. Es handelt sich um eine Massenanklage gegen Kavaliere der beiden genannten Städte wegen Falschspiels, Wucher und Schlepperei. Einige der Hauptbeteiligten sind bereits hinter Schloß und Riegel, während es dem Hauptschuldigen geglückt ist, nach Amerika zu flüchten. Ans Tageslicht soll das verbrecherische Treiben der bezeichneten Kavaliere durch einen Herrn von hohem Adel gekommen sein, dem einige dieser Herren in einem Hotel in Hannover beim Spiel durch betrügerische Manipulationen 27 000 ^ bar und „amhafte weitere Beträge auf Wechsel abgenommen hatten.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 13. März. Am Grabe der Märzgefallenen von 1848 fand gestern eine sozialdemokratische Demonstration statt. 8000 Arbeiter (Radikale), sowie gemäßigte Sozialisten erschienen mit ihren Frauen, legten Kränze am Denkmal nieder und brachten ein Hoch auf die Kämpfer für Freiheit und Gleichheit aus. Em Redner sagte: „Wir werden weiter kämpfen für die Sosialdemokratie." Auch ein tschechischer Redner sprach. Schließlich wurden Hochrufe auf Lassalle und Marx ausgebracht und verschiedene Lieder, auch die Marseillaise, gesungen. Alles verlief ohne Störung.
Frankreich.
Die Panama-Untersuchungskommission hat beschlossen, den Ministerpräsidenten Ribot und den Justizminister Burgeois vorzuladen und sie zu befragen. welche Maßregeln zur Verhaftung Artons getroffen, wieweit die Verhandlungen wegen der Auslieferung des Cornelius Herz gediehen seien und warum Cottu in Freiheit gesetzt worden sei.
Italien.
Rom, 14. März. Um eine Versammlung streikender Bäcker aufzulösen, mußten gestern 2 Kompagnien Militär einschreiten. 25 Demonstranten wurden verhaftet.
Abgetrumpft. A.: „Na lieber B., Ihre Ohren werden täglich immer größer." — B.: „Mag sein; aber wissen Sie, meine Ohren nnd Ihr Verstand — das gäbe einen famosen Esel!"
— Ein Unikum von einem Schnurrbart. In einem Bericht des „Kleinen Journals" über einen Unglücksfall steht zu lesen: „Der Tote war ein zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alter Mann, mit einem Anstug von Schnurrbart, der einen dunkelblauen Ueberzieher und ein kleinkarriertes Jaqnet trug."
Verstcherungssache. Mit dem Februar dieses Jahres hat das Bankvermögen der Lebensverficherurtgs- it»td Ersparnis-Bank in Stnttgart die Höhe von 100 Millionen Mark erreicht. Darunter befinden sich IV Millionen Extrareserven. Dieses Resultat wurde erreicht in 39 Jahren, vor welchen die Bank völlig mittelos ins Leben getreten ist. In dieser Zeit wurden 06 Millionen Mark für fällige Versicherungssummen und an Dividenden den Versicherten ausbezahlt. Das Bankvermögen ist, wie dies bei den deutschen Lebensversicherungsanstalten überhaupt die Regel ist, in der Hauptsache in Hypotheken angelegt. Diese Art der Anlage ist gewiß dem Gebrauch der ausländischen z. B. amerikanischen und österreichischen Gesellschaften, welche ihr Vermögen in dem Kurs unterworfenen Wertpapieren anlegen, vorzuziehen. Die deutsche Lebensversicherung' zeichnet sich auch in diesem wichtigen Punkte vor dem Auslande vorteilhaft aus.
Verantwortlicher Redakteur Stcinwandel in Nagold. — Druck und Verlag der G. W. Zaiser' schen Buchdrucker«-