trost aussprechen:Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts in der Wett!" Diese ruhigen und kerni­gen Ausführungen haben lebhafte Zustimmung ge­funden.

Was kosten neue Gesetze? DieKreuzztg." schreibt: Im Reichs-Justizetat, welcher am 27. Febr. beraten wurde,, sind die im Etatsjahr 1893/94 zu verwendenden Kosten der Ausarbeitung des bürger­lichen Gesetzbuchs mit 250000 in Anschlag ge­bracht. Bekanntlich wird an diesem Entwurf schon 2 Jahre gearbeitet und isr auf Fertigstellung in den nächsten Jahren noch nicht zu rechnen. Die Gesamt­kosten werden also mit der Zeit eine recht ansehn­liche, in die Millionen gehende Summe ausmachen. Der weitaus größte Teil dieser Kosten entfällt auf die Tagegelder und Reisekosten der zur Bearbeitung des Entwurfs berufenen Kommission, welche aus 24 Mitgliedern besteht. Es verteilt sich auf dieselben eine Summe von 196 000 , so daß auf jedes

Mitglied (die Verausgabung der Anschlagssumme Vorausgesetzt) im .Durchschnitt 81662/3 c4L jährlich zu rechnen sind. Da die Kommission nur zu einer beschrankten Zahl von Sitzungen im Laufe des Jah­res Zusammentritt, so muß dieser Betrag sehr hoch erscheinen.

Die Erben des Geheimrats Bleichröder über­wiesen dem Aeltesten-Kollegium der Berliner Kauf­mannschaft 60000 ^ als Gerson Bleichröder'sche Stiftung, welche nach den Grundsätzen derFried­rich-Wilhelm- und Viktoria-Stiftung zu verwalten sind.

Deutscher Reichtsag. Am Mittwoch kam der Ko- lonialerar zur Verhandlung, der zu sehr ausgedehnten De­batten Anlaß gab; genehmigt wurden die Etats für Kamerun und Südwestafrika und die Weiterberatung auf Donnerstag vertagt. Abg. Sancbammer (freis.) klagte über burcau- kraiische Maßnahmen der Reichsbeamten in Kamerun, wo- durcy die Beziehungen zu den Eingeborenen nur verschlechtert würden. Geh.-Rat Kayser stellt dies entschieden in Abrede. Die Reichsrcgierung habe den deutschen Kaufleuten in Kamerun die Verwaltung der Kolonien überlassen wollen, diele hätten es aber abgelehnt. Redner schildert ausführlich, daß der Gouvcrneuer von Kamerun, Dr. Zimmerer, unsere Vei- waltung in einsichtiger Weise geführt habe, und daß alle gegen denselben erhobenen Angriffe unbegründet seien. Ju den Kolonien heiße eS jetzt, fleißig und thätig sein, die Zeit der Expeditionen sei vorüber. Abg. Bamberger (fcs.) kann nicht erkennen, daß bei der Kolonialpolitik mehr heraus­gekommen sei, als was die deutschen Kaufleutc in Afrika schon so wie so geleistet. Ec erkennt an, daß die Regierung jetzt vorsichtiger sei als früher, kann aber nur die Forderun­gen für Kamerun und Toga bewilligen. Abg. Graf Arnim (frk.) betont, daß unsere Kolonien bisher nur wenig gekostet hätten, und dies Wenige auch sicher einbringen würden. Wolle Abg. Bamberger etwa die Kolonien unter den Ham­mer bringen: das werde das Volk nie dulden. Abg. Bam- bergec erwidert, wenn die Kolonialfanatiker Kolonieen haben wollten, möchten sic das Geld dafür selbst bezahlen. Der Etat für Kamerun wird genehmigt. Beim Etat für Deutsch- Südwcstafrika verteidigt der Reichskanzler die Kommission an die englisch-deutsche Damaraiand-Kompany damit, daß sich eine deutsche Gesellschaft nicht bilden wollte. Die uner­quicklichen Zustände dort sollten geändert werden, zu diesem Zwecke sei auch die Schutztruvpe auf 25.> Mann erhöht. Lei­der sind bisher in diesem Schutzgebiete noch keine großen Erfolge erzielt, Redner hofft aber auf Besserung. Abg. Ham'macher (natl.) ist der Ansicht, daß in der Damara- landkonzcssion die Interessen des Reich; nicht genügend ge­wahrt worden sind. Geh.-Rat Kayser erwidert, dies sei in durchaus genügendem Umfange geschehen. Hierauf wird der Etat für Südwestafrika genehmigt und die Debatte vertagt.

Deutscher Reichstag. Die Beratung des Koloni­aletats wird bei den Forderungen für Deutsch-Ostafrika (2fl.> Millionen) forlges.tzt; dieselben werden bewilligt, sowie der gesamte Kolonialetar. Freilag 1 Uhr. (Postetat.) Abg. Occhelhüuser snatliv.) sp-icht im Allgemeinen seine Be­friedigung über die Entwicklung des ostafrikanischen Schutz­gebiets im letzt, n Iah e aus und wünscht zur weiteren För­derung desselben Vermehrung der Schutzkruppe und den Bau einer Eisenbahn. Reichskanzler Graf Caprivi erhofft eben­falls eine immer günstigere Entwicklung des Schutzgebietes. Die Schutztruppe soll in thnnlichst engen Grenzen gehalten und überhaupt mehr durch Anknüpfung friedlicher Beziehun­gen zu wirken versucht werden, als durch Waffengewalt. Eine Vergrößerung ist wegen Mangels an geeigneten Mann­schaften schwierig und außerdem stehen im nächsten Jahre so wie so erhöhte Aufgaben bevor. Dem Bau einer Eisen­bahn steht der Reichskanzler sympatisch gegenüber und ver­teidigt den bisherigen Gouverneur Freiherrn von Soden gegen die wider diesen tüchtigen Beamten erhobenen Angriffe. Solche Angriffe seien nun freilich heute Mode. Abg. Bam­berger (freis.) ist der Ansicht, daß die Kolonialpolitik uns gar keinen Nutzen bringe. Das einzig Angenehme aus dem letzten Jahre sei, daß wir keine neue Niederlage erlitten haben. Alle Ausgaben für Ostafrila kämen lediglich der ostafrikanischen Gesellschaft zu Gute, aber nicht dem deutschen Handel, der von diesem Schutzgebiet keinen Nutzen habe. Adga. Graf Hönsbröch (Eir.) und Graf Ar min (freikons.) versprechen sich Gutes von der Entwicklung Deutsch-Ostafrikas und wer­den deshalb dafür stimmen. Die Summen werden bewilligt und die Sitzung dann vertagt.

Delterreich-Ungsrn.

Wien, 2. März. Die plötzliche und unerwar­tete Abreise des Kaisers Franz Joseph nach Territet in der Schweiz wird ungünstigen Berichten über den Gesundheitszustand der Kaiserin Elisabeth zugeschrie­ben. Die hohe Frau hat seit dem beklagenswerten Ende des Kronprinzen Rudolf schon immer an Schwermutsanfällen gelitten, die in der letzten Zeit häufiger und bedenklicher aufgetreten sein sollen. Infolge dessen haben ihr auch die Aerzte einen längeren Aufenthalt in Territet angeraten. Territet liegt am östlichen Ufer des Genfer Sees, zwischen Montreux und Villeneuve, nördlich von dem bekannten Schloß Chillon. Gegen rauhe Winde vollkommen geschützt, hat Territet einen besonderen Ruf als klimatischer Kurort.

Frankreich.

In Paris, wo man den Panamaskandal so sehr gern einschlafen lassen möchte, wird auf einen neuen Zwischenfall vorbereitet, der sich bei dem demnächst beginnenden Bestechungsprozeß ereignen soll. Es wird behauptet, freilich von den Betreffenden ebenso lebhaft bestritten, daß hervorragende Staatswürden träger und Politiker noch im Jahre l888 den Ver­such gemacht haben, von dem schon damals halb ver­zweifelnden Charles von Leffeps für ihre Zwecke Geld zu erpressen. Wenn das wahr ist, würden noch eine ganze Zahl von Männern mit recht gro­ßen Namen unter Anklage gestellt werden müssen.

Französische Heeresausgaben. Der Bericht der französischen Depuliertenkammer über die Aus­gaben für die Armee bietet interessante Ziffern. In dem Schriftstück wird nachgewiesen, daß Frankreich allein für sein Landheer, die Ausgaben für die Flotte sind nicht berücksichtigt, in den Jahren l87l bis 1893 im Ganzen 15 Milliarden und 368 Millionen Francs aufgewendet hat. Es treten noch hinzu I Milliarde 620 Millionen für Pensionen und 875 Millionen für strategische Eisenbahnen, so daß sich die militärischen Ausgaben auf rund 18 Milliarden, das sind also achzehntaussnd Millionen, beliefen.

Die Antrittsrede, welche Jules Ferry als der neugewählte Senatspräsident gehalten hat, ist von den neuesten Pariser Blättern günstig beurteilt wor­den. Selbst radikale Zeitungen können nicht umhin, den gemäßigten, versöhnlichen Charakter derselben anzuerkennen. Alles scheint darauf hinzudeuren, daß Jules Ferry derkommende Mann" ist, trotz Casi- m:r Perier, Cavaignac und trotz Tonkin.

Die französische Kammer hat am Sonnabend eine neue, echt demokratische Steuer angenommen: die Livrcesteuer. In Zukunft wird für jede Livree, die Jemand seine Bedienten tragen läßt, eine Steuer von 20 Franken zu entrichten sein. Ein anderer An­trag, durch welchen für jeden ausländischen Bedien­ten oder jede ausländische Gouvernante eine Steuer von 50 Franken eingeführt werden sollte, ist dabei abgelehnt worden.

Spanien.

Madrid, 23. Febr. AuS Saragossa wird ge­meldet: Blutige Krawalle entstanden bei der Hin­richtung, die gestern stattfand. Der 74jährige Hen­ker, der vollständig betrunken war, mißhandelte in brutalster Weise den Hinzurichtenden. Er vermochte die Erdrosfelungsmaschine nicht zu handhaben und erdrosselte den Verurteilten durch Kuicaufstemmen. Die empörte Volksmenge lynchte fast den Henker, welchen das Militär schützte.

Madrid. 25. Febr. 3500 Arbeiter legten gestern die Arbeit nieder unter den immer wiederholten Rufenes lebe die Republik."

Madrid, 3. März. Das Land wird von schweren Ueberschwemmnnaen heimgesucht. Der Scha­den ist ungeheuer.

Italien.

Rom. l. März. Der Papst Unterzeichnete ein Breve, welches dem General v. L o s den Christus­orden verleiht.

England.

London, I. März. Der Redakteur derCigar and Tobacco World" schreibt, daß die Anzahl von Damen in England, welche jetzt rauchen, im steten Wachsen begriffen ist. Eine Art von Cigarreten, welHeThe Lady" heißt, ist besonders populär un­ter ihnen. Eine Firma in Birmigham hat die Fa­brikation von parfümirten Cigarreten zur Spezialität gemacht. Die Prinzessin Lomse, Tochter der Köni­

gin Viktoria, sagt das Blatt, kaufte neulich eine sehr kostbare Cigarretenspitze zum eigenen Gebrauch.

London, 3. März. D^rStandard" schreibt über die letzte Kaiserrede, man ka.me mit Freuden konstatieren, daß die Reden Kaiser Wilhelms immer versöhnlicher werden.

0 u ft l s n d.

St. Petersburg, 27. Febr. Mit Genehmi­gung des Kaisers ist in ganz Rußland eine Samm­lung von Spenden für die Notleidenden ans der Insel Zante eröffnet worden.

Bei der lleberfahrt einer Bauernhochzeitsgesell­schaft über den Dnjepr durchbrachen zwei Schlitten das Eis. Die Insassen eines Schl-ttens über zehn sind ertrunken.

Amerik a.

Chicago, 28. Febr. Eine stehengebliebene Mauer eines jüngst abgebrannten Hauses wurde gestern abend durch einen starken Wind umgeworfen. Die­selbe zerschmetterte zwei daran anstoßende Häuser und 8 Personen verloren dabei ihr Leben.

Kleinere Mittrrlrrugr n.

Geislingen a. St., 27. Febr. In Westerheim wurde der 16jährige schwachsinnige Berger, dessen Eltern im Armenhaus wohnen, wie es scheint schon seit längerer Zeit von seinen rohen unnatürlichen Eltern auf geradezu scheußliche Weise behandelt. Endlich wurde die Sache ruchdac und Bez rksarzt Dr. Bauer und Landjäger Aichmger aus Wiesensteig stellten Erhebungen an, welche leider das traurige Gerücht vollauf bestätigten. Man fand das arme Kind siech und elend in engem Raum zwischen dem Ofen und einer schadhaften Wand auf schmutzigen Lumpen liegend. Eine Zehe war iym infolge der miserablen Behandlung avgefaulc. Die Radenelrern wurden beide verhaftet und der unglückliche Knabe wird der Bliicenz-uspflege in Ditzenbach übergeben werden.

Vor etwa 12 Jahren brannte der Hof llnter- Sedelegg nn Hinteren Thurgau nieder, und der Besitzer desselben, Kantonsrat L iuienschlager, wurde, trotzdem ec fortwährend seine Unschuld beteuerre, vom Schwurgericht auf Grund der Zeugenaussagen, durch die er schwer belastet wurde, wegen Brandstiftung zu 6 Jahren Zuchthms verurteilt. Ec starb nach Abbüßung von 5 Jahren Hast in der Strafanstalt Tobel, nachdem er noch auf dem Sterbebette gesagt, er sitze unschuldig im Gefängnis. Jetzt hat eine frühere Magd Lautenschlagers, eine Soloturnerin, die kürzlich starb, auf dem Totenbett das Bekenntnis abgelegt, sie sei die Brandstifterin und ihr Herr sei unschuldig bestraft worden.

Meziercs (Depart. Ardennen), 28. Febr. In dem Dorfe Terron-sur-Aisne wurde die 6 ljährige Ladenbesttzerin Witwe Fortier und ihre 2 l jährige Magd in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Die mit einem Beile schrecklich verstümmelte Leiche der Frau Fortier lag im Laden hinter dem Ladentische, die des Dienstmädchens im Schlarzimmer. Die Diebe hatten den Inhalt der Ladenkaffe beraubt und daun das ganze Haus durchstöber!. 2000 Fr. in Bank­noten, die in einem Nachttische lagen, waren ihnen entgangen. Die Thäter sind ermittelt und verhaftet. Es ist ein 60jähr. Landstreicher aus Rethel und dessen 15jährigcr Sohn.

Aus Versehen. Bon einem Schultheiß gelangt an die Behörde daS Verzeichnis über die im Bezirk vorgekom­menen Geburten. Am Schluffe heißt es wörtlich:Aus Versehen wurde nock geboren und getauft: Anna Maria, T. de s Wastelbauern in Erdäpfelberg." _

Hansel L Berkehr.

Konkurseröffnungen. Adam Graus, Schäfte­macher in Backnang. Johannes Flieg auf, Korbmacher von Leutkirch, entwichen. Bernhard Stoll, Kaufmann von Ravensburg, und seine Ehefrau Marie geb. Wandel. Paul Kiefer, Getreidchändler in Illingen. Solomon Sgall Handelsmann in Pflcmmloch, zur Zeit mit unbekanntem Auf­enthalte abwesend. Mülot und Probst, offene Handels­gesellschaft, Dampfzieglei in Möhringen afF. Friedrich Klein, Gemeindepfleger a. D. in Hepsisau. Johann Michael Kunst, Pfeifen- und Stockgeschäst in Ulm. Richard Munding, z Gambrinus in Ehingen. Alt Jakob Res er, Bauer in Nassach. Michael Längte, Photograph und Kaufmann in Ravensburg.

Für Telegramme nach Kamerun ist die Gebühr auf 10 10 4 für das Wort festgesetzt worden. Die Ver­

bindung mit der am 2t. Februar eingerichteten kaiserlichen deuischen Teleg raphen-Anstalt von Deutschland aus findet über England und St. Vincent statt.

Verantwortlicher Redakteur Stein wandel tu Nagold. Druck und Verlag der G- W. Zaiser'scheu Lnchdruckerei..