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** Nagold, 26. Febr. Das gestrige Geburts- fest S. Maj. des Königs wurde hier feierlich be­gangen. Ein stattlicher Festzug bewegte sich vor­mittags 10 Uhr zur Kirche. An demselben, der sich unter den Klängen der Musik, die sich frühe auch vom Turme hören ließ, in Bewegung setzte, nahmen außer der Schuljugend und den Zöglingen der hie­sigen Lehrerbildungsanstalten die bürgerlichen Kolle­gen, die Beamten und mehrere Vereine mit ihren Flaggen teil. Der Festgottesdienst wurde mit dem Chor: Gott, gieb Fried in deinem Lande rc. von Grell, den die Seminaristen prächtig vortrugen, eröffnet, woraus die Gemeinde das Lied: Herr, höre rc. sang. Dekan Schott predigte über den vorge­schriebenen Text: Ps. 84, 12. 13. Er sagte u. a.: An diesem Ehren- und Freudentage unseres Königs sollen wir eingedenk des Wortes: So ermahne ich, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit rc. mit unserer Fürbitte für unfern Landesvatcr einstehen. Was für ihn zu erbitten sei, enthalte der Text. Vor allem wolle der Herr über seinem gekrönten Haupt stets die Sonne seiner Gnade und seines Heils scheinen lassen. Licht bedarf der König für sein Amt, Licht braucht aber auch das Volk. Auch dafür haben die Unterthanen zu bitten, daß der Herr des Königs Schild, der Schutz seines Lebens, das schon einmal bedroht war, auch ferner sein möge. Wenn am Schlüsse von Ehre oder Herrlichkeit die Rede sei, so werden wir erinnert an die herrliche Gabe des Himmelreichs, in das Fürsten und Unterthanen berufen sind. Die Herrlichkeit unsers Königs tritt besonders dadurch zu Tage, daß derselbe unter den Fürsten Deutschlands eine ehrenwerte -Stellung ein­nimmt. Es ist auch eine Ehre für ein Volk, wenn es einen König hat, der von Gott geehrt wird, weil er ihn ehrt. Stehen wir in der Fürbitte für ihn, sowohl für seine Person als für sein Amt, so wird sich auch das Wort des Textes erfüllen: Es wird kein Gutes mangeln den Frommen. Während des Gottesdienstes der evangelischen Kirchengemeinde ver­sammelten sich die Katholiken erstmals an diesem Tage in ihrem gottesdienstlichen Lokale, in dem Pfarrer Seyfritz von Rohrdorf die Predigt rc. hielt. Unmittelbar nach den Gottesdiensten fand eine Festfeier im Seminar statt. Auf den Abend hatte in den Saal von Sautter der Militär- und Veteranenverein seine Mitglieder 'und Ehren­mitglieder zu einer geselligen Königsfeier eingeladen. Sehr erfreulich war die zahlreiche Anwesenheit von Vertretern der Feuerwehr, Heuer auch von Beamten, welche die Gelegenheit gerne benütz­ten, um durch ihr Erscheinen dem Vereine die An­erkennung für seine patriotischen Bemühungen aus­zudrücken. Der Abend gestaltete sich unter verschie­denen Toasten, namentlich auch Dank der frischen und schönen Gesangsoorträge des jungen Militär- Gesangvereins zu einem gemütlichen Königsabend und Bürgerabend. (Weitere Berichte über die Königs­feier und andere Tagesneuigkeiten müssen wir wegen Raummangels für das nächste Blatt zurücklegen.)

Horb, 20. Febr. Am Stephansfeiertag vorigen Jahres entstand in der Restauration zu Gündringen Streit. Restaurateur Bollinger glaubte dem Streit dadurch ein Ende zu machen, daß er dem Gypser A. Bachmann mit einer Bierzange eines auf den Kopf versetzte. Anfangs schien die Wunde nicht ge­fährlich, doch später mußte Bachmann in die chirur­gisch.' Klinik gebracht werden, wo er am 14 d. M. starb. Bollinger wurde heute an das K. Amtsge­richt eingeliesert.

Horb. 24. Febr. Der dreistöckige Gasthof zur Krone, enthaltend l2 Fremdenzimmer, schönen Tanz>, saal neu eingebauten Speise- und Restaurationssaat rc. rc. kam heute früh zum letztenmal im öffentlichen Aufstreich zur Versteigerung. Trotz des sehr niedern Anschlogspeeiscs von 25,000 ^ wurden nur 20,050 bezahlt. Käufer ist Wirt und Metzger Thoma zur Rose h:er.

Stuttgart, 23. Febr. Heute abend fand hier eine zahlreich besuchte Protestversammlung ge­gen das beabsichtigte Reichsseuchengesetz statt, in welcher der bekannte Prof. Iäger, derWol­lenjäger", nach längerer Pause einmal wieder öffent­lich als Redner anstrat. Der Vorsitzende, Dr. Bil- finger, bezeichnete das neue Reichsseuchengesetz als eine Gewissensknechlung auf medizinischem Gebiet,

worauf die an den Reichstag zu richtende Petition gegen den Entwurf betr. die Bekämpfung ge­meingefährlicher Krankheiten zur Verlesung kam, die sich später mit vielen Unterschriften bedeckte. In dieser Petition wird der Reichstag noch gebeten, ge­sundheitspolizeilichen Gesetzen, wie sie in England bestehen, seine Zustimmung zu geben. Prof. Dr. Jäger war es Vorbehalten, diese Petition zu begrün­den. Er suchte zuerst zu beweisen, daß die Seuchen, darunter auch die Cholera, durchaus keine gemein­gefährlichen Krankheiten seien. Nur da, wo Luft und Licht mangeln, trete die Cholera verheerend auf, nur da, wo das Elend wohne. Wo die besseren Kreise ergriffen wurden, da waren es die Feiglinge, Weichlinge und Lüstlinge, und die können wir wohl entbehren, setzte Dr. Jäger hinzu. Weiter stellte er die Behauptung auf, daß die Seuchen eine Wohl­fahrtseinrichtung der Natur seien, bestimmt, solche Individuen, welche sich in siechem Zustande befinden, wegzuräumcn. Jäger verglich u. a. die Cholera mit der Mäusepest und nannte beide Uebervölkerungsseu- chen bei Höhlenbewohnern. Ganz besonders zog Jäger dann noch gegen den Hospitalzwang zu Felde und meinte, wir sollten sie nur durch Reinlichkeit, Courage und Nächstenliebe bekämpfen. Nachdem ein Redner dann noch über vexatorische Maßregeln gegen die Homöopathie in einzelnen Gegenden ge­klagt, ward die Bemerkung, die Regierung solle Jäger ins Reichsgesundheilsamt berufen, mit Beifall aus­genommen.

Brandsall: In Reichenbach a. F. das Wohn­haus des Gerbers Schurr samt Scheuer.

Mannheim, 16. Febr. Im großen Saale hielt heute Abend Herr Pfarrer Kneipp von Wöris- Hofen einen ungefähr 2sirstündigcn, sehr interessanten und lehrreichen Vortrag über seine Wasserkuren und deren großartige Erfolge, sowie über Behandlung der Kranken und Gesunden. Der Besuch war ein ganz ungeheurer. Etwa 6000 Menschen waren er­schienen, trotzdem die Eintrittspreise sich auf 50 Ps. bis auf 1 M. 25 Pf. bezifferten. ES konnten aber nur 3000 Personen im Saalbau Platz finden, die Uedrigen wurden von der Polizei wegen llebersüllung des Saales nicht mehr zugelasscn. Als Herr Kneipp heute Abend den Saalbausaal, in welchem sich Kops an Kops drängte, betrat, brachte die Menschenmenge stürmische Hochrufe auf ihn aus. Beim Besteigen des Podiums überreichte dem greisen Manne ein kleines, weißgekleidetes Mädchen unter einer Ansprache einen mächtigen Lorbeerkranz mit blauweißer Schleife. Herr Kneipp sprach zunächst über die Behandlungen kleiner Kinder und verwirft er hier die warmen Bä­der, welche für die Kinder sehr schädlich seien. So­bald das Kind zwei oder drei Tage alt sei, möge man es täglich 1 bis 2 Sekunden lang in kaltes Wasser tauchen. Der Heranwachsenden Jagend solle man keinen Wein, kein Bier und vor allem keinen Kaffee und keinen Thec zum Trinken geben, da beide Getränke wahres Gift seien. Bei den Mädchen ver­urteilt Kneipp scharf das Schnüren, welche Unsitte die alleinige Ursache der Unterleibskrankheiten sei. Was die Erwachsenen anbelangt, so empfiehlt Kneipp die möglichste Einschränkung des Genusses von Wein und Bier. Die Nahrung müsse eine gute sein und hauptsächlich aus guter Suppe, gutem Brot, Obst und Gemüse bestehen. Gegen Nervosität sei das Barfußlaufen gut. Die Kleidung müsse einfach sein, überhaupt sei es nötig, den Körper gegen die Un­bilden der Witterung abzuhärten. Herr Kneipp teilte noch einige Erfolge mit, die er mit seinen Wasserkuren erzielt hat und gab sodann Verhaltungs­maßregeln bei dem Eintritt der Influenza. Der von dieser Krankheit Befallene müsse sich inS Bett legen und wenn er dann ins Fieber komme, müsse er auf­stehen, sich mit kaltem Wasser begießen und sich dann wieder ins Bett begeben, ohne sich vorher abzutrock­nen. Diese Manipulation sei so lange zu wieder­holen, bis das Fieber vorüber ist. Bei dieser Be­handlung werde der Jnfluenzakranke binnen 1 Tag gesund. Bei der Cholera empfiehlt er die Beobach­tung der in seinem Buche gemachten Verhaltungs­maßregeln, dann sei diese Krankheit ungefährlich.

DasArmee-Verordnungsblatt" veröffentlicht eine kaiserliche Kabinettsordre, in der bestimmt wird, daß das achte, vierzehnte und sechzehnte Armeekorps im bevorstehenden Sommer vor dem Kaiser Manöver abhalten. Jedes Armeekorps Hai für sitz eine große Parade.

Berlin, 22. Jan. Der nunmehr fertiggestellte Berliner Stadthaushaltetat schließt in Einnahme und Ausgabe mit 84,535,014 ^ ab. Zur Deckung der Ausgaben müssen 90 Prozent Gemeinde-Einkommen­steuer erhoben werden.

Berlin, 23. Febr. DieKrcuzsig." ist von dem Empfang der Landwirte durch den Kaiser sehr befriedigt. Der Kaiser habe mit innerster Wärme gesprochen und namentlich in der späteren Unter- haltung auf sein Interesse für den Bauernstand ver­wiesen. Das genannte Blatt .veröffentlicht den Text der dem Kaiser übergebenen Denkschrift. In der­selben wird sehr dringlich die Schädlichkeit eines deutsch-russischen Handelsvertrags hervorgehoben.

D eutscher Rei ch tag. Mittwochsitzung. Die zweite Beratung des Etats des Reichsamtes des Innern wird fort­gesetzt. Eine Reihe von Positionen werden nach der Regie­rungsvorlage bewilligt. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. Zum Beginn der Sitzung spricht Präsioent v. Levctzow sein Bedauern aus, daß Abg. Bebel gestern den Rheder Schiff in Elsfleth einen Massenmörder genannt. Er erblickt darin eine Uebcrschreitung der Rechte der Abgeordneten. Dann wird das Gesetz betr. Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung debattelos definitiv angenommen und dann die Etalsberatung fortgesetzt Abg. Hirsch (frei,) spricht beimStatistischen Amt" sein Erstaunen aus, daß die Ber­liner Maurerkrankenkaffe vom dortigen Magistrat eine Sub­vention von 310 0 erhalten hat. Eine starke Kasse werde schwerlich soviel erhalten. Staatssekretär v. Bötticher erwidert, der Kasse sei ein größerer Unternehmer mir Bei­trägen durch die Latten gegangen; deshalb habe der Magist­rat einen Zuschuß gewährt. Beim KapitelAichnngsamt" teilt Staatssekretär von Bötticher mit, daß Erhebungen wegen einer obligatorischen Aichung der Bierfässer stattfänden. Beim Gesundheitsamt wird mitgeteilt, daß die Verwendung von Malzsnrrogatcu bei der Bierbereilnng in Norddeutichland nur noch sehr gering sei. Hieran knüpft sich eine längere Debatte über die Verwendung von Surrogaten beim Bier­brauen, deren Verbot von mehreren Rednern gewünscht wird. Alsdann wendet sich die Debatte der Cholerafrage zu. Staats­sekretär v. Bötticher teilt mit, daß sich Cholerabazillen in der Erde nicht lange wirksam halten. Abg. Lingens (Ctr.) wendet sich gegen die Feuerbestattung, die von freisinnigen Rednern gewünscht wird. Staatssekretär v. Bötticher ant­wortet, das Reich hübe mit dieser Sache nichts zu thun, es begrabe und verbrenne Niemand. (Heiterkeit) Abg Frohma (Soz.f wünscht größere Vollmachten für das Reichs. Gesund­heitsamt zur Bekämpfung von Epidemien. Hieran knüpfen sich noch allgemeine Erörterungen, nach welchen die Wciter- beratnng vertagt wird. Alle Forderungen werden unverkürzt bewilligt.

Deu tiche r Rei ch s ta g. Am Donnerstag wurde beim Etat des NeichsgcsnndheitsamteS der Antrag Äaumbach (freis) erörtert, auch Fchcnwu zur Approbation als Aerzte zuzulassen. Der Antrag wurde schließlich von der Tages­ordnung abgesetzk, der Etat genehmigt. Beim Etat des ReichSversichernngsamtes wird die Sitzung bis Freitag ver­tagt. Abg. Baumbach (freis.) befürwortete seine Forderung, für welche, wie er hervorhob, eine recht günstige Stimmung herrsche, besonders unter Hinweis auf andere Länder, wo schon zahlreiche Frauen als Aerzte thätig seien, die sich recht bewährt hätten. Staatssekretär von Bötticher erwiderte, das Reich könne in dieser Sache nichts thun, über welche die Einzelstaatcn zu bestimmen hätten. Diese müßten dafür sor­gen, daß Frauen Gelegenheit zum Gymnasialbesuch und Uni­versitätsstudium gegeben werde, erst dann könne von weiterem die Rede sein. Abg. Hart mann (kons.) schließt sich dem an, Abg. Frhr. von Bar tritt für den Antrag ein und meint, man sollte Frau n, die in Zürich oder Bern studiert hätten, bei uns zur Approbation zulassen. Staatssekretär von Bötti­cher verweist darauf, daß hierdurch eine Ungleichheit zwischen Frauen und Männern zu Gunsten der ersteren geschaffen werde. Abg. Endemann (natlib.) befürchtet, daß durch Zulassung der Frauen zur ärztlichen Praxis viele männliche Aerzte auf die Straße geworfen würden. Abg. Bebel (Soz.) verlangt Zulassung der Frauen zu allen wissenschaftlichen Studien und Berufen. Abg. Rick ert (freis.) befürwortet den Antrag, Abg. Höffel (freikons) bekämpft denselben. Hierauf wird der Aulrag von der Tagesordnung abgesetzt. Zum Etat des Reichsversicherungsamtes werden von verschiedenen Rednern Wünsche ausgesprochen, und dann die Beratung auf Freitag Nachmittag vertagt.

Dem Reichstage sind in den letzten Tagen wieder eine größere Zahl von Petitionen gegen die Aufhebung des Jesnitengesetzes zugegangen. Der bezügliche Zentrumsantrag soll noch vor Ostern verhandelt werben.

Berlin, 24. Febr. Der Kaiser hat dem Reichs­kanzler Grasen Caprivi zu seinem 63. Geburtstage einen Ehrensäbel verliehen.

Zur Militärvorlage. Immer bestimmter und bestimmter tritt die Meldung auf, daß, mit Ausnahme etwa der bayerischen Abgeordneten, die Centrumspartei schließlich für einen zweckmäßigen Ausgleich über die Militärvorlage eintreten wird. Bis es soweit ist, kann freilich Sommeranfang herankommen, aber er­ledigt soll das Gesetz noch in dieser Session werden.

Hamburger Waisenkinder. Durch die vor­jährige Choleraepidemie sind in Hamburg nicht we­niger als rund 4800 Kinder verwaist, von denen 500 Ganzwaisen sind. Man ist jetzt seitens der dor­tigen Behörden damit beschäftigt, den Grad der Be-