Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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olr 24.

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Samstag 25. Februar

1893.

A M L l j q r s.

Nagold.

An die Gemeindebehörden.

Es ist zur Kenntnis des Oberamts gekommen, daß in letzter Zeit verschiedene Gemeinden unrichtige Nachweisungen der an einberusene Dienstpflichtige vorschußweise gezahlten Marschgebührcn eingereicht haben. Die Gemeindebehörden werden daher ange­wiesen, in künsiigen Fällen sich nur des vorgeschriebenen Schemas Regierungsblatt v. 1887, S. 82 zu bedienen.

Den 23. Februar 1893.

- _ 5k. Oberamt. Vogt.

Die K. Pfarrämter,

welche die Berichte über die in ihren Gemeinden vorhandenen taubstummen und blinden Kinder noch nicht erstattet haben, wollen dieselben umgehend ein­senden.

Nagold, de» 23. Febr. 1893.

5k. gern. Oberamt in Schuls.:

Bogt. Dielerl e.

Hum Heöurtstag des Königs.

Zinn zweiten Male begeht heute das Schwaben­land das Geburtssejt seines Königs Wilhelm II. Inmitten der Wirrsale unserer Zeit, wo rechter Ha»o linker Hand alles vertauscht erscheint, wo die llozu- sriedenheit nicht nur im Lager der Umsturzpartei ist, sondern auchbis in die Knochen köu,asrreuer Leute", wie die Landwirte, die zu Berlin in Tausen­den versammelt waren, ihrer Mißstimmung lebhaften Ausdruck geben, mit so manchen Erscheinungen un­serer derzeitigen Politik, da ist es eine wahre Freude, zu sehen, wie ein ganzes Baik sich aaschickl, ein­mütig das Geburtssest seines Fürsten zu feiern, in dem es einen wahren Laiidesv.uer, einen echt deutsch gesinnten Mann, den Vertreter und Förocrer aller i nationalen Tugenden, einer volkstümlichen Postlik! erblickt, lind alles das haben und verehren wir in König Wilhelm II. In den l'/s Jahren seiner Regierung haben das Land wie einzelne Körper­schaften und Personen die mannigfachsten Beweise seiner Fürsorge erfahren. Unter den Fürsten des Reichs steht unser König, dem Kaiser persönlich in Freundschaft nahe verbunden, an erster Stelle, in der Reichspolirik steht Württemberg im alten be­wahrten Kurse und in den inneren Verhältnissen wird, wenn die umfangreichen von der Regie­rung angekündigten Vorlagen zu einem guten Ende geführt werden, ein erheblicher Fortschritt auf den wichtigsten und verschiedensten Gebieten, im Verfassungsleben, wie aus sozialpolitischem und land­wirtschaftlichem Gebiete in Aussicht, das erkennt je­der Württemberger mit Dank an. seines Königs Geburtsfest läßt sein Herz in berechtigtem Stolze schlagen und dem Glück- und Segenswunsch Aus- druck geben: Gott schütze und segne den König!

Hages-HleuigkeiLen.

Nagold, 21. Febr. Letzten Sonntag unter­nahm der württb. Werkmeisterverein (Sektion Schwar- wacdkreis) einen Ausflug zur Besichtigung der neuen Stadtkirche, des Seminars, der Nagold-Altensteiger Nebenbahn, sowie des Elektrizitätswerks von Klingler u. Barthel u. s. w. hieher, wo derselbe mit stattli­cher Mupk empfangen wurde. Nicht nur der freund­liche Willkomm und die sehr bereitwillige Führung bei Besichtigung dieser Anwesen seitens staatlicher

Organe und einheimischer Techner, sondern auch die treffliche Aufnahme in derPost" und im Gasthaus zum Hirsch" machte den Ausflug zu einem lehrrei­chen und angenehmen Aufenthalt in unfern Mauern. Verschiedene konnten sich, trotzdem es nicht auf ihrer Tagesordnung stand, erst andern Tags entschließen, von hinnen zu treiben.

* Nagold, 24. Febr. Dieser Tage wurde das Lammwirt Becker'sche Anwesen hier an Hrn. Bier­brauer Klenk jun. von Hailecbach um die Summe von 30 200 ^ verkauft. Ucberhaupt haben in jüngster Zeit verschiedene Häuserverkäufe stattgefun­den, die teilweise zu Neubauten Veranlassung geben, was für unsere Handwerkslcute, deren Geschäfte gerade nicht im besonderen Flor stehen, sehr er­wünscht sein muß.

Man durste im voraus sicher sein, daß die Rede des Grafen Caprivi vom vorigen Freitag in Friedrichsruh wenig Beifall finden werde. In der Thar liegt heute eine längere Auslassung der Hamburger Nachrichten vor, worin sich dieses Blatt völlig aus den Stau Punkt der Agrarier stellt, den Caprivi in jener Rede als einen einseitigen bekämpft hat. Der Artikel beginnt mit einem Ausfall auf die Bureaukratie, die nicht säe, nicht ernte, auch nicht wirtschaftlich produ­ziere und doch ihr Gehalt beziehe. Die warme Teil­nahme, der sich die Landwirtschaft beim jetzigen Reichs­kanzler erfreue, stehe ganz aus derselben Stufe, wie der bekannte bureaukratische Trost: Wir werden die Sache im Auge behalten. Der Reichskanzler, heißt es weiterhin, hat erklärt, er sei verpflichtet, auch auf die Konsumenten Rücksicht zu nehmen. Wir glauben, daß dasauch" an euier unrichtigen Stelle steht, und möchten empfehlen, daß die Beamten der Regie­rung auch auf die Produzenten Rücksicht nehmen, ja es sogar vorwiegend als ihre Aufgabe erkennen, die einheimische nationale Arbeit und Produktion zu schützen. Der Reichskanzler sagt, es kämen dabei unendlich schwierige Fragen in Betracht, die langsam reifen und langsam gelöst werden mußten. Wir hätten gewünscht, daß er nach dieser Ansicht bei Abschluß der Handelsverträge verfahren wäre; da aber haben wir das Gegenteil erlebt, daß so schwierige Fragen mit Uebereilung gelöst und unter Geheimhaltung vor der öffentlichen Kritik bis zu einem Punkte geführt wurden, wo man eingeschüchterte Abgeordnete glauben machen konnte, daß eine politische Notlage vorhanden sei, die ihnen nur noch die bedingungslose Zustimmung frei ließe. In scharfen Worten kritisiert das Hamburger Blatt nunmehr die Handelsverträge, indem es u. a. bemerkt, es wäre ein großes Glück nicht bloß für die Landwirtschaft, sondern auch für das Deutsche Reich gewesen, wenn wir dieselben gar nicht erlangt hätten; leider stehe die Ueberzeugung, daß diese Ber träge ein Glück für uns bilden, so fest bei dem Gra­fen Caprivi. daß man sich jeder Hoffnung auf ein Verlassen des falschen, Weges, den man eingeschlagen habe, entschlagen müsse. Um so berechtigter sei des­halb die Furcht der Landwirte, daß die Regierung in gleicher Richtung weiter gehen und Rußland ge­genüber zu keinem andern Abschluß gelangen werde wie den andern Staaten gegenüber.

Der Bundestag der deutschen Landwirte.

! Die am Sonnabend im Tivolisaale in Berlin statt- ! gehabte Versammlung der deutschen Landwirte war ! dermaßen besucht, daß zwei Versammlungen stattfin- ! den mußten, da nicht alle Landwirte Zutritt erlangen konnten. Die Zahl der in beiden Versammlungen

Anwesenden wird auf etwa 8000 geschätzt, doch dürf­ten an diesem Tage gegen 12000 Landwirte in Ber­lin gewesen sein. Es wurde ein Huldigungstele­gramm an den Kaiser genehmigt und sodann folgen­der Beschluß gefaßt:Die heute hier versammelten Vertreter der Landwirtschaft aus allen Teilen Deutsch­lands erklären : Wir verlangen, daß die Grundlagen, auf welchen die Stärke des Vaterlandes beruht, un­versehrt erhalten bleiben. Bon diesem Verlangen beseelt und überzeugt, daß nach Außen nur eine starke Militärmacht uns den Frieden, dessen wir be­dürfen, erhalten kann, sind wir zu jedem Opfer be­reit, welches hiefür verlangt wird. Wir sind aber von der festen Ueberzeugung durchdrungen, daß die dauernde und sicherste Grundlage für unseres Vater­landes Größe und Macht in dem Gedeihen der Land­wirtschaft beruht. Die Gesetzgebung der letzten Jahre verbunden mit den abgeschlossenen Handelsverträgen hat aber diese Grundlage so gewaltig erschüttert, daß die Existenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft ge­fährdet erscheint. Wir erkennen namentlich in der drohenden Gewährung weiterer Einfuhrvergünstigun- gen an das Ausland eine unerträgliche Schädigung unseres Gewerbes. Wir richten daher an den hohen Reichstag die dringende Bitte: Derselbe wolle wei­teren Handelsverträgen, soweit sie eine Herabsetzung der bestehenden Zölle enthalten, unbedingt seine Zu­stimmung versagen und auf eine Förderung auch der landwirtschaftlichen Ausfuhr Bedacht nehmen, damit die deutsche Landwirtschaft blühen könne zum Segen des gesamten Vaterlandes."

Für den neugegründeten Bund der deut­schen Landwirte wurde folgendes Programm auf­gestellt:Die deutsche Landwirtschaft ikt das erste und bedeutendste Gewerbe, die festeste Stütze des Reiches und der Einzelstaten. Dieselbe zu schützen und zu kräftigen, ist unsere erste und ernsteste Ausgabe, weil durch das Blühen und Gedeihen der Landwirtschaft die Wohlfahrt aller anderen Berufszweige gesichert ist. Wir fordern daher: 1. genügender Zollschutz für die Erzeugnisse der Landwirtschaft und deren Nebengewerbe, 2. deshalb keinerlei Ermäßigung der bestehenden Zölle, keine Handelsverträge mit Ruß­land und anderen Ländern, welche die Herabsetzung der deutschen landwirtschaftlichen Zölle zur Folge haben, und eine entsprechende Regelung unseres Ver­hältnisses zu Amerika, 3. Schonung der landwirt-^ schaftlichen, besonders der bäuerlichen Nebengewerbe in steuerlicher Beziehung, 4. Absperrung der Vieh­einfuhr au« seuchenverdächtigen Ländern, 5. Ein­führung der Doppelwährung als wirksamsten Schutz gegen den Rückgang des Preises der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, 6. gesetzlich geregelte Vertretung der Landwirtschaft durch Bildung von Landwirtschafls- kammern, 7. anderweitige Regelung der Gesetzgebung über den Unterstützungswohnsitz, die Freizügigkeit und dem Kontraktbruch der Arbeiter, 8. Revision der Arbeiterschutzgesetzgebung, Beseitigung des Marken­zwanges und Verbilligung der Verwaltung, 9. schär­fere staatliche Beaufsichtigung der Produktenbörse, um eine willkürliche, Landwirtschaft und Konsum gleichmäßig schädigende Preisbildung zu verhindern,

, 10. Ausbildung des privaten und öffentlichen Rechts, j auch der Berschuldungsformen des Grundbesitze- ! und der Heimstättengesetzgebung auf Grundlage de- .deutschen Rechtsbewußtseins, damit den Interessen ! von Grundbesitz und Landwirtschaft besser wie bis­her genügt wird, 11. möglichste Entlastung der ländlichen Organe der Selbstverwaltung.