Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für den O-eramts-Bezirk Nagold.

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Donnerstag 23. Februar

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1893.

A M t t j Lj k S. Bekanntmachung.

Nach einer Mitteilung des K. Oberamts Herren­berg ist die Maul- und Klauenseuche in Unter- jettingen ausgebrochen.

Dieselbe herrscht auch in den Gemeinden Arnbach und Gräfenhauien, OA. Neuenbürg.

Nagold, den 2l. Febr. 1893.

K. Oberamt. Bollmar, Amtm.

Die Eisevbahn-Expedimtenstelle in Nagold wurde dem Expedienten Bolsinger in Ebingen übertragen.

Die erledigte Pfarrei in Althengstett, Dekanats Calw, wurde dem Pfarrer Murthum in Neulantern, Dekanats Weinsberg, übertragen.

Die erledigte Schulstelle in Schmieh, Bez. Calw, wurde dem Unterlehrer Lindenberger in Schwieberdingen, Bez. Zuffenhausen, übertragen.

Postsekretär Reuschle bei dem Bahnpostamt in Stutt­gart wurde auf Ansuchen nach Herrenberg versetzt.

Hages- Wertigkeiten.

Deutsches Weich.

Ergebnisse der Viehzählung im Ober­amts öezirk Nagold. Zahl der Vieh- rc. besi­tzenden Haushaltungen 4260, worunter 535, welche nur Geflügel oder Bienenstöcke besitzen. Ge­samtzahl der Pferde 1045 . des Rindviehs 10 833, der Schafe 4593, der Schweine 5487 , der Ziegen 483, der Bienenstöcke 2043. des Geflügels 32003, und zwar: Gänse 3369, Enten 2914, Hühner 25720.

> Altensteig, 21. Febr. Es soll vom land- wirtsch. Verein Nagold eine Collekliou schöner Stücke Rindvieh aus dem Bezirk zur Ausstellung nach Mün­chen gebracht werden. Gestern wurde ans dem hin­tern Bezirk das schönste Vieh hieder gebracht. Eine besondere Kommisston (Landwutschastsinspektor Rö­mer aus Stuttgart, Gutsbesitzer Wann er von Leonberg und Oberamtstierarzr Wallraff) hatte die Aufgabe, von den schönen Exemplaren die aller- schönsten für die Kollektion zu bestimmen. Es wurde von 2 Farren. 4 Kühen. 6 Kalbeln und 2 Rindern 1 Farren, 2 Kühe. 2 Kalbeln und l Rind auserle­sen. Diese Tiere werden nun vor der Ausstellung, die im Juni stattfinden soll, 6 Wochen lang zusam­mengestellt und gemeinsam gefüttert und gepflegt.

)( Seltene Jagdbeute. Am Freitag, den 17. ds., bemerkte ein Bauer beim Dungsühren an der Straße von Deckenpfronn nach Gärtringen an einem aus Schneewasser gebildeten Weiher 5 wilde Schwäne. Dem herbeigeeilten Jagdpächter Dongus gelang es, einen davon zu schießen. Das Tier hatte mit aus­gespannten Flügeln 2,30 m und wog 22 Pfund. Einige Tage vorher wurden die Schwäne bei Dachtel beobachtet.

Stuttgart. Zu der vakant gewordenen Diener­stelle des Liederkranzes hatten sich nicht weniger als 83 Bewerber gemeldet. Sieben davon kamen schließ­lich in die engste Wahl und von diesen trug ein bisheriger Oberfeldwebel den Sieg davon.

Stuttgart, 20. Febr. Die Landstände werden dem Vernehmen nach Mitte März wieder zusammen­treten.

Heilbronn, 19. Febr. In voriger Woche wurde ein neu in den Dienst eintretendes Dienstmäd­chen, als es der Hausfrau die Hand zum Gruße reichte, vom Schlag getroffen und sank tot nieder.

Brandsall: In Döffingen, OA. Böblingen, die Zehntscheuer mit ungefähr 700 Ztr. Stroh.

Wörishofen, 15. Febr. Nach der Eintragliste konsultierten 1892 Pfarrer Kneipp 1200 Personen und berechnet sich die Zahl all' jener, welche seit 1887 bei Pfarrer Kneipp waren, auf 6080000. Aus diesen Zahlen geht allein schon hervor, welch' großen wirtschaftlichen Umsatz dieKneipperci" in und um Wörishofen zur Folge hatte.

Leipzig, 20. Febr. Das Reichsgericht verwarf die Revision im Trierer Rockprozeß.

Es ist jetzt allgemeine Ueberzengunq in Reichs­tagskreisen, sagt dieNationalUberale Korrespondenz", daß die Beratungen der Militärkommission ohne jedes positive Ergebnis verlaufen werden. Das wirklich entscheidende Wort wird sicherlich erst in der zweiten Lesung im Plenum gesprochen werden und diese kann vor Ostern nicht mehr stattfinden. Die Schuld, daß die Sache gar nicht von der Stelle rücken will, liegt vornehmlich an der Haltung des Zentrums, welches nun einmal nicht zu bewegen ist, aus seiner Taktik herauszugehcn. Im Allgemeinen erhält sich auch heute noch die Ansicht, daß es zu einer Verständigung kommen werde.

Deutscher Reichstag. Am Freitag wurde die Be­ratung des Etats des Reichsamtes des Innern mit der De­batte über die Handelspolitik der Negierung fortgesetzt und die letztere beendet. Das Gehalt des Staatssekretärs des Innern wird bewilligt und dann die Weitcrberatung des Etats bis Sonnabend Mittag vertagt. Abg. Graf Kanitz (kons.) erklärte sich in der Debatte für eine praktische Ver­hinderung der Massenanswanderungen aus dem Osten und sprach seine Ueberzeugung dahin aus, daß die deutschen Un­terhändler bei den Handclsvertragsverhandlungen unsere In­teressen nicht genügend wahrgenommmen hätten. Ohne För­derung der Landwirtschaft gehe jeder Staat zu Grunde. Redner hofft nach den letzten Erklärungen des Reichskanzlers, die Landwirtschaf: werde wieder zur Regierung Vertrauen fassen können. Staatssekretär von Marschall konstatiert, die Rcichsregiernng habe es nie an Maßregeln zu Gunsten der Landwirtschaft fehlen lassen, deshalb mache auch die Mißtrauenserklärung des Abg. Graf Lünburg-Stirum aus dem preußischen Abgeordnetenhause auf sie keinen Ein­druck, denn der genannte Redner wisse offenbar nicht genau, wie die Verhältnisse in Wahrheit liegen. Redner hofft, man werde Ansehen, daß sich über den Wert oder Unwert der neuen Handelsverträge noch gar kein abschließendes Urteil fällen lasse. Abg. Büsiug (natlib.) ist der Ansicht, daß die Landwirtschaft von einer Aenderung unserer Währungs­verhältnisse gar keinen praktischen Nutzen haben werde, denn die Produktionskosten würden dann erheblich steigen. Im Namen eines großen Teils seiner politischen Freunde erklärt der Redner, daß sie der Handelspolitik der Regierung und dem Abschlüsse eines Vertrags mir Rußland rückhaltlos zu­stimmten. Abg. Graf Dönhoff-Friedrich stein (kons.) bestreitet, daß die landwirtschaftlichen Arbeiter schlechter daran seien, als die industriellen. Abg. Jordan (freis.) betont, daß heute nur der mittlere Grundbesitz leide. Wenn es dem Großgrundbesitz nickt gut gehe, so liege die Schuld an der ungenügenden Fachausbildung, sowie daran, daß man sich nicht nacki der Decke strecke. Abg. Holtz (freikons.) konsta­tiert, daß der große, wie der kleine Grundbesitz sich aneinan­der soliderisch fühlten. Reichskanzler Graf Caprivi bemerkt, er verkenne den Ernst der landwirtschaftlichen Bewegung nicht, die sich wohl mehr gegen die Regierung, als gegen den Handelsvertrag mit Rußland richte. Die Rcichsregierung sei der Landwirtschaft durchaus geneigt, aber das, was nicht in ihrer Macht stehe, könne sie auch nicht bewilligen. Er sei gewiß konservativ, aber kein Agrarier, der Staat könne doch auch nicht im agrarischen Sinne zugefchnitten werden. Red­ner warnt vor Egoismus. Wir werden jeden Besitz schützen, den agrarischen, wie den kapitalistischen, aber wir müssen auch sorgen für den Besitzlosen. Die jetzige, draußen, gegen den Besitz gerichtete Bewegung macht mich besorgt. Die anti­semitische Bewegung überschreitet vielfach die mit dem Staats­wohl vereinten Grenzen, man ruft Geister, die man nachher nicht bannen kann. Welche Garantteen haben Sie, daß der Strom, der Sic jetzt vorwärts treibt, nicht schließlich mit anderen Strömungen zusammenfließt, die sich gegen den Be­sitz und die staatliche Ordnung kehren? Wer eine solche Be­wegung leiten will, steht vor undurchführbaren Aufgaben. Das Schicksal meiner Person spielt für mich dabei keine Rolle. Wäre ich überzeugt, daß mein Rücktritt alles bessern würde,

kerne Stunde würde ick mit einem Abschiedsgesuch zögern Ich werde das aber nicht thun um Kaiser und und Reiches willen. Abgg. Graf Mirbach nnd Staudy (kons.) ver­teidigen die landwirtschaftlichen Interessen, während Abg. Rickert (freis.) für die Politik des Reichskanzlers spricht^. Dann erfolgt die Bewilligung.

Deutscher Reichstag. In der Sonnabendsttzung wurde die Beratung des Etats des Reichsamtes des Innern fortgesetzt und die Forderung für die Alters- und Invaliden­versicherung bewilligt, bei welcher eine lebhafte Debatte über die mit dem genannten Gesetz gemachten Erfahrungen ent­stand. Nächste Sitzung: Dienstag 1 Uhr (Aegyptischer Han- d. lsvertrag und Etatsberatung.) In der Debatte sprach Abg. Barth (freis.) die Befürchtung aus, der Reichszuschuß für die Alters- und Invalidenversicherung würde in Zukunft er­heblich größer werden, als man heute annehme Am besten wäre es, das ganze Gesetz würde wieder aufgehoben. Staats­sekretär von Bötticher antwortet, der Reichszuschuß werde bei der Altersversicherung wohl etwas größer, bei der In­validenversicherung etwas kleiner werden. An eine Aufhebung des Gesetzes sei nicht zu denken, die Bevölkerung befreunde sich auch mehr und mehr damit. Abg. von Schal scha (Ctr.) hält umfangreiche Verbesserungen des Gesetzes für sehr notwendig. Staatssekretär von Bötticher antwortet auf eine Anfrage des Abg. Bebel, der im Uebrigen entschieden ge­gen die Wiederaufhebung des Gesetzes ist, er habe keine all­gemeinen Bestimmungen über die Verwaltung des Vermö­gens der Versicherungsanstalten erlaffen. Das sei Sache der Landcsbehörden. Abg. Wisser (lib.) wünscht Ausdehnung des Gesetzes auf den Kleinbauern und den kleinen Gewerbe­treibenden. Abg. Graf Behr (freikons.) ist der Ansicht, das Gesetz habe gut gewirkt, wenn auch Verbesserungen vorge­nommen werden könnten. Abg Barth (freis.) bleibt dabei, es sei am besten, das Gesetz unter Ablösung der daraus ent­standenen Rechte wieder aufzuhebcn. Staatssekretär von Bötticher antwortet, diese Ablösung werde mehr kosten, als die Gesetzesdurchführung. Abg. v. Pfettcn (Ctr.) meint, man solle praktische Vorschläge zur Verbesserung der Alters­und Invalidenversicherung machen, aber nicht blos lamen­tieren, wodurch die Schwierigkeiten nur größer würden. Abgg. Schräder (freis.) und Möller (natlib.) befürworten Ver­besserungen, ebenso Abgg. Roefike (lib.) und Frhr. von Unruhe-Bomst (freikons.). Die letzten drei Redner sind der Ansicht, daß das Gesetz im allgemeinen gut gewirkt habe. Darauf vertagt sich das Haus.

Der Vorwärts teilt mit, bis jetzt seien über 2^/» Millionen Exemplare der Reichstagsrede Bebels bestellt worden.

DerDeutsche Bauernbund" hielt heute im Architektenhause seine achte Generalversammlung. Der Vorsitzende, v. Plötz, teilte mit, er sei vom Aus­schuß zu der Erklärung ermächtigt, daß der Deutsche Bauernbund bereit sei, seine Auflösung auszusprechen und mit seinen 40 000 Mitgliedern und seinem Ka­pitalvermögen demBunde der Landwirte" beizu­treten, wenn es diesem möglich sein werde, seinen Mitgliedern dieselben wirtschaftlichen Vorteile zu gewähren, die ihnen der Bauernbund habe zu teil werden lassen. Eine später einzuberufende General­versammlung werde darüber beschließen. Frhr. v. Thüngen hatte eine Resolution beantragt, wonach die Generalversammlung des Bauernbundes erklärt, daß man den Abschluß eines Handelsvertrages mit Rußland, bei dem die Landwirtschaft zu bluten hätte, als ein Unglück für die deutsche Landwirtschaft be- zeichnen müßte. Es seien daher Bundesrat und Reichstag dringend zu bitten, einem solchen Handels­vertrag eventuell die Zustimmung zu versagen. Nach längerer Debatte wurde die Resolution Thüngen ein- stimmig angenommen.

Berlin, l7. Febr. Kaiserin Friedrich trifft Ende März in Athen ein, wo die Kronprinzessin ihre Entbindung erwartet.

Der bekannte Berliner Bankier Gerson von Bleichröder ist am Sonntag Nachmittag gestorben. Bleichröder war am 22. Dezember 1822 geboren, er begründete den Weltruf des Bankhauses S. Bleich­röder, und nahm u. a. in hervorragender Weise an